Orianne hat geschrieben:Was ich mich frage, die Stasi hatte doch überall ihre Spitzel, warum sind die Kirchen nicht aufgeflogen?
Es ist richtig, dass die Kirchen und auch die kirchlichen Arbeitsgruppen mit Spitzeln der Stasi nur so gespickt waren. So war es wohl auch kein "dummer Zufall", dass die ersten Vorsitzenden der SDP und der Bürgerrechtsbewegung "Demokratischer Aufbruch" jeweils Spitzel der Stasi waren.
Dennoch waren die Bürgerrechtler in den Kirchen relativ sicher, bzw. der Staat tat sich schwer, gegen sie vorzugehen. Hintergrund dafür war die Religionsfreiheit, die in der DDR respektiert wurde - zumindest in den Kirchen selbst (*. Hier spielten die seit 1982 insbesondere in Dresden und Leipzig wöchentlich stattgefundenen Montagsgebete eine Schüsselrolle. Diese "Gebete" hatten oft politische Inhalte, fielen aber dennoch unter die Religionsausübung, wogegen die Staatsorgane wenig Handhabe hatten. Im Laufe der Zeit gab es allerdings im Anschluss an diese Gebete auch kleine öffentliche Kundgebungen - hier schlug der Staat dann allerdings häufig um so härter zu. Dennoch fanden diese Montagsgebete im Laufe der Jahre immer mehr Zulauf und die Teilnahme ging Ende der 80er Jahre schießlich in die Tausende. Auch immer mehr Nichtgläubige nahmen daran teil.
So gingen aus der evangelischen Tradition der Montagsgebete schließlich die Montagsdemonstrationen der friedlichen Revolution in der DDR hervor. Nur unter dem Dach der Kirche war es möglich, dass eine solche Bewegung entstehen konnte.
Es gab auch einen Versuch, eine Bürgerrechtsgruppe außerhalb der Kirche zu gründen - das war die "Initiative für Frieden und Menschenrechte", die Mitte der 80er Jahre gegründet wurde. Hier griff die Stasi sofort zu mit Verhaftungen und auch Ausweisungen in den Westen und die (ohnehin illegale) Oppositionsarbeit kam bis 1989 fast zum Erliegen.
Mein Fazit: Es war kein Versäumnis von Systemkritikern, dass es solange keine organisierte Opposition gab, sondern der Stasi gelang es, die Bildung von außerkirchlicher Opposition schon im Ansatz zu unterbinden.
(* Edit:
Der Grund war natürlich nicht, dass die Menschenrechte besonders wichtig genommen wurden, sondern das internationale Ansehen. Honecker wollte die DDR als einen international anerkannten Staat etablieren. Zu diesem Zweck wurden die KSZE-Verträge unterschrieben oder bspw. vor dem Treffen Honeckers mit Kohl 1987 die Todesstrafe abgeschafft. Mit der selben Absicht ist auch die weitgehende Respektierung der Religionsfreiheit zu sehen.