Juli 1943- Hamburg, Operation Gomorrha

Der zerstörerische Krieg von Hitler und seinen Schergen gegen Europa

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Ende Juli 1943 brach über die Stadt Hamburg ein wahrhaft biblisches Strafgericht herein, welches nicht zufällig bei den Alliierten den Codenamen Operation Gomorrha trug, eine Reihe dicht aufeinanderfolgender Luftangriffe, die 35.000 Menschen das Leben kosteten und einen großen Teil der Stadt unwiderruflich zerstörte. Die gesamte Altstadt wurde vernichtet und später nicht wieder rekonstruiert. Wo früher einst dichte Wohnbaubesiedelung vorherrschte, gibt es heute breite Straßen, weite, offene Plätze oder Gewerbebauten. Alte Fotos zeigen, das sich das Bild der Stadt durch den Angriff völlig verändert hat und das heutige Hamburg nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Hamburg vor dem verhängnisvollen Angriff im Juli 1943 besitzt.

Die gesamte Operation bestand aus zwei amerikanischen und fünf britischen Luftangriffen. Die Amerikaner griffen tagsüber an und ihre Bomben hatten das Ziel, Industrieanlagen und Teile des Hafens zu zerstören. Die englischen Angriffe erfolgten in der Nacht und richteten sich gegen die Wohnviertel. Sie sollten primär die Bevölkerung demoralisieren und ihren Widerstand brechen. Militärisch waren sie sinnlos, da keine kriegswichtigen Industriebetriebe getroffen und die Wehrmacht in ihrer Operationsfähigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wurde. Die gezielte Terrorisierung der Zivilbevölkerung war aber Teil eines Planes, der vor allem von dem Commander der Royal Air Force, Luftmarschall Arthur Harris, auch bekannt als „Bomber Harris“ konzipiert worden war. Er entwickelte eine Angriffskonzeption, die einen sogenannten Feuersturm auslösen sollte, da der Zerstörungsgrad, der durch normale Sprengbomben erzielt wurde, als nicht ausreichend erachtet wurde. In Hamburg funktioniert diese neue Strategie erstmals und wurde daraufhin als „Hamburgisierung“ bezeichnet.

Bei den nächtlichen Angriffen Ende Juli 1943 wurden die zu bombardierenden Stadtteile zunächst mit Leuchtbomben markiert („Tannenbäume“) und Stanniolstreifen abgeworfen, welche die deutschen Funkmessgeräte wirkungslos machten. Die Flakgeschosse der Abwehr verpufften wirkungslos in der Luft und die Briten hatten kaum Verluste. Anschließend wurden schwere Luftminen abgeworfen, die heftige Explosionen auslösten. (Sogenannte „Blockbuster“ = Wohnblockknacker, eigentlich eine Bezeichnung für besonders erfolgreiche Kinofilme). Dadurch wurden die Dachstühle fortgeblasen und die Fensterscheiben zertrümmert. Außerdem zerstörten sie teilweise die Wasserleitungen und verschütteten die Straßen mit Trümmern, um so Löscharbeiten zu erschweren. Der gleichzeitige Abwurf von Bomben mit Zeitzündern sollte Löscharbeiten unmöglich machen.

In einer zweiten Welle wurden Phosphorbomben abgeworfen, um die hölzernen Dachstühle in Brand zu setzen. Das Feuer fraß sich schnell vom Dachboden bis in die unteren Etagen vor, da es durch die zerstörten Fenster reichlich Nachschub an Frischluft bekam. Dadurch entstand der beabsichtigte selbstverstärkende Rückkopplungseffekt, bei dem das Feuer sich durch den entstehenden Luftzug erheblich verstärkte und ausdehnte. Es entstand der erwünschte „Feuersturm“. Durch den breitflächig entstehenden Brand stieg die Temperatur in den Straßen zeitweilig bis auf 2.000 Grad an, die Luft wird dann glühend heiß und ist nicht mehr atembar. Wenn die menschlichen Körper nicht verbrennen, werden sie vollkommen dehydriert und erwachsene Menschen schrumpfen auf eine Größe von nur noch 30 cm zusammen, so dass die Rettungsmannschaften später glaubten, sie hätten es mit Kleinkindern zu tun. Zahlreiche Menschen erstickten in den Bunkern, die heiße Luft führte zur Verklumpung der Atmungsorgane und die Lunge verwandelte sich in eine Art Zementbrocken.

Der erste Nachtangriff vom 24. auf den 25. Juli 1943 richtete auf Grund von Fehlabwürfen noch vergleichsweise wenig Schaden an. Nur der Angriff vom 27. auf den 28. Juli führte zu dem erwünschten Feuersturm und in dieser Nacht starben ungefähr 30.000 Menschen. Auch die anderen Luftangriffe waren nicht mehr so erfolgreich.

Anschließend verwandelte sich Hamburg in eine Geisterstadt. Die bombardierten Viertel wurden gesperrt, da überall unter den Trümmern Leichen lagen und Krankheiten verbreiteten. Außerdem gab es jede Menge Blindgänger, die immer wieder explodierten. 900. 000 Menschen mussten die Stadt verlassen und wurden außerhalb untergebracht. Die Räumung der Viertel wurde zumeist von KZ-Häftlingen vorgenommen. Erst Ende 1943 kehren die Bewohner langsam wieder zurück.

Trotzdem schlug den Briten später kein Hass entgegen. Als Anfang Mai 1945 die englischen Panzereinheiten die Stadt besetzten, kamen ihnen, so erzählte mir meine Mutter, überall Frauen und Mädchen entgegen und überreichten den Soldaten Blumen, überall wurde gelacht, getanzt, geflirtet. Wollten sich die Frauen nur bei den neuen Machthabern einschmeicheln? Ich weiß es nicht. Der Gauleiter Koch hatte im Mai 1945 Hamburg zur offenen Stadt erklärt, es gab keinen sinnlosen Endkampf. Vielleicht die einzige gute Tat seiner ruhmlosen Regentschaft.

Die Hamburger sind nicht nachtragend. England und Hamburg verbindet seit Jahrhunderten, vielleicht aufgrund der Seefahrt, eine enge Freundschaft. Daran änderten auch die Kriege nichts. Ich erinnere mich noch genau an das Jahr 1965, die englische Königin kam zu Besuch. Die sonst kühlen Norddeutschen waren völlig aus dem Häuschen. Überall hieß es: Die Queen kommt! Die Queen!“ Und als sie dann auf der Tribüne des Hamburger Rathauses stand und winkte, da drehten sie alle völlig durch. Erstaunlich, hatten doch viele der jubelnden Passanten die Operation Gomorrha noch selber erlebt, aber auch meine Tante, die ihre Schwester bei dem Angriff verloren hatte, schwenkte begeistert das britische Fähnchen. Warum auch nicht? Die Vergangenheit können wir nicht mehr ändern, wohl aber die Zukunft positiv gestalten.

In meiner Jugend war in Hamburg alles schick, was mit England zu tun hatte, natürlich vor allem wegen der Musik. Hatten doch die Beatles bei uns ihre Karriere begonnen und für jeden Hamburger Jugendlichen war es ein Muss, einmal nach London zu fahren. Mit der Fähre war das ja kein Problem.

Nur der „Bomber Harris“, er erfreut sich auch in seinem Heimatland keiner großen Popularität. Sein 2012 in England errichtetes Denkmal wurde immer wieder beschädigt und war Ziel von Protestdemonstrationen. Und selbst deutsche Politiker zeigten sich „befremdet“ über so eine „Ehre“ für diesen umstrittenen Commander.


RedScorpion

Karlheinz hat geschrieben:Ende Juli 1943 brach über die Stadt Hamburg ein wahrhaft biblisches Strafgericht herein, welches nicht zufällig bei den Alliierten den Codenamen Operation Gomorrha trug, ...
...
Naja. Die Wahrscheinlichkeit, bei bzw. durch den Einsatz zu sterben war aber für die Bomberbesatzungen höher als für die sich in der Stadt befindliche Bev. Die Wahrscheinlichkeiten ändern sich wohl erst, wenn man auf deutscher Seite unterteilt in Altersgruppen und nach Geschlecht (halbwüchsige Jungs waren wohl am schlechtesten dran, denn sie wurden häufig als Melder, bei der Brandbekämpfung und in den Flak-Stellungen als Kanonenfutter abbestellt, sprich ausserhalb der Bunker und ausserhalb der Keller. Dann freilich auch Fremdarbeiter, bei Minenräumung, Leichenbergung; abgesehen von anderen Menschen mit Bunkerverbot, Juden z.B.).

Karlheinz hat geschrieben: ...
... einen großen Teil der Stadt unwiderruflich zerstörte. Die gesamte Altstadt wurde vernichtet und später nicht wieder rekonstruiert. Wo früher einst dichte Wohnbaubesiedelung vorherrschte, gibt es heute breite Straßen, weite, offene Plätze oder Gewerbebauten. Alte Fotos zeigen, das sich das Bild der Stadt durch den Angriff völlig verändert hat und das heutige Hamburg nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Hamburg vor dem verhängnisvollen Angriff im Juli 1943 besitzt.
...
Das müsste aber nicht so sein. Es ist wohl richtig, dass es schönere Städte hat als Hamburg, und - oh Wunder - der Krieg daran nicht gerade unschuldig ist, aber andere Städte wie München z.B. orientierten sich beim Wiederaufbau eher an alten Strassenführungen oder irgendwie am Original (teilweise auch ohne "simpel" zu kopieren), ohne dabei so hässlich zu sein wie z.B. Hannover, Dresden oder Magdeburg, die weitflächig noch schlimmer aussehen als Hamburg (was z.T. auch daran liegt, dass 50er- und 60er Bauten, wenn nicht gepflegt, heut auch schon wieder alt und fies erscheinen, jenseits jeglicher Frage nach Wiederaufbaukriterien und Stadtpanung in der DDR und Kompatibilität letzerer mit Grössen wie Aesthetik, z.B.).

Karlheinz hat geschrieben: ...
Sie sollten primär die Bevölkerung demoralisieren und ihren Widerstand brechen.
Kann man so m.E. nicht sagen.

U.a. war dies ein Punkt der Area Bombing Directive, wenn auch ein neuer und zentraler. Unter vielen.


Karlheinz hat geschrieben: ...
Militärisch waren sie sinnlos, da keine kriegswichtigen Industriebetriebe getroffen und die Wehrmacht in ihrer Operationsfähigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wurde.
...
Aber die Verwaltung wurde getroffen, auch die Militärverwaltung. Ebenso Infrastruktur zur Durchsetzung des Holocaust, Zwangsenteignungen, Raubgutversteigerungen, Register und Listen, Rathäuser, Offizierskasinos, Kasernen, Parteizentralen, der Handel, der Hafen, Bahn-, Post- und Fernmeldewesen, Truppentransporte usw. und so fort. Nicht kriegswichtig? Sehr schwer zu trennen von rein militärischen Belangen, zumal in einem Land, das 3 Wochen nach der Casablanca Directive, welche die Area Bombing Directive ablöste, im Sportpalast den "totalen Krieg" zur Prämisse gemacht hatte.

Strategic Bombing Survey zeichnet da auch ein durchwachsenes Bild.


Karlheinz hat geschrieben: ...
Er entwickelte eine Angriffskonzeption, die einen sogenannten Feuersturm auslösen sollte, da der Zerstörungsgrad, der durch normale Sprengbomben erzielt wurde, als nicht ausreichend erachtet wurde. In Hamburg funktioniert diese neue Strategie erstmals und wurde daraufhin als „Hamburgisierung“ bezeichnet.
...
... wobei "sector bombing" ("Fächerangriff"/"-Bombardierung") das eigentliche Stichwort ist, m.W.

Karlheinz hat geschrieben: ...
In einer zweiten Welle wurden Phosphorbomben abgeworfen, um die hölzernen Dachstühle in Brand zu setzen.
...
Phosphor hatte es dabei aber nur im Zünder, m.W., abgesehen von den von Dir oben erwähnten Markierern und evtl. auch "Tannenbäumen". Sonst null Phosphor. Nutzen tat dieser Umstand aber nix, auch wenn man so 'ne hundsgewöhnliche gemeine Stabbrandbombe theoretisch oft mit der Hand aufheben und auf die Strasse werfen konnte. Denn wenn eine (Harz-)Brandbombe hunderttausendfach fällt, hat's keine hunderttausend Hände, die sie +- zeitgleich auf den Dachböden auflesen könnten.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Anschließend verwandelte sich Hamburg in eine Geisterstadt. Die bombardierten Viertel wurden gesperrt, da überall unter den Trümmern Leichen lagen und Krankheiten verbreiteten.
...
Heut weiss man, dass das Mumpitz ist, das mit dem Krankheitenverbreiten. Aber es entbehrt nicht einer makabren Ironie, dass Bomber Command die Deutschen genau dahinbombte, wo letztere die "Untermenschen" identifizierten.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Trotzdem schlug den Briten später kein Hass entgegen. Als Anfang Mai 1945 die englischen Panzereinheiten die Stadt besetzten, kamen ihnen, so erzählte mir meine Mutter, überall Frauen und Mädchen entgegen und überreichten den Soldaten Blumen, überall wurde gelacht, getanzt, geflirtet. Wollten sich die Frauen nur bei den neuen Machthabern einschmeicheln? Ich weiß es nicht. Der Gauleiter Koch hatte im Mai 1945 Hamburg zur offenen Stadt erklärt, es gab keinen sinnlosen Endkampf. Vielleicht die einzige gute Tat seiner ruhmlosen Regentschaft.
...
Kaufmann hatte auch irrigerweise den Ruf, ein "Gemässigter" zu sein. Dabei war er mit Hanke befreundet.
Hamburg hat bis heute teilweise den Ruf, auch den Holocaust nur widerwillig oder nur teilweise umgesetzt zu haben, was aber nicht stimmt. Lediglich überlebten weniger Juden aus Hamburg, so dass weniger über Verbrechen in der Hansestadt berichtet wurden konnte.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Die Hamburger sind nicht nachtragend.

[...]

In meiner Jugend war in Hamburg alles schick, was mit England zu tun hatte, ...
...
Was sollte es auch nützen, anders zu denken.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Nur der „Bomber Harris“, er erfreut sich auch in seinem Heimatland keiner großen Popularität. Sein 2012 in England errichtetes Denkmal wurde immer wieder beschädigt und war Ziel von Protestdemonstrationen. Und selbst deutsche Politiker zeigten sich „befremdet“ über so eine „Ehre“ für diesen umstrittenen Commander.
...
Wobei das aber suggeriert, Harris hätte nur irgendwas getan, das nicht von Churchill abgesegnet gewesen wäre.

Und der wichtigste Punkt: Leider gab es 1943 keine andere Waffe als Bomber Command. Sie nicht einzusetzen, wäre grob fahrlässig und selbstmörderisch gewesen. Dass sie keinen sofortigen Erfolg im Sinne von Kapitulation jetzt und gleich hatte, lag auch daran, dass sie nicht massiv und entschieden genug durchgeführt wurde (s. Oel-, Kugellager- und Talsperrenoffensive, Chastise z.B.).

Ebenso wird häufig verkannt, dass es fürs eigene Ueberleben gefährlicher war, im Flugzeug zu sitzen, als am Boden, und die Besatzungen auch lieber anderes gemacht hätten, als ihr Land zu verteidigen, nur weil ein Irrer und seine durchgeknallte Bev. meinen, die halbe Welt erobern – was ja noch ginge – bzw., schlimmer, abmurksen zu müssen.




LG
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Hamburg war ein großer Werftenstandort (Blohm & Voss), vor allem den U-Boot-Bau galt es zu stören. Es stimmt ja nicht, dass die Briten nur mit der RAF gegen die Deutschen kämpfte, die wichtigste Schlacht tobte auf dem Atlantik. Auch in Nordafrika, später in Sizilien und auf dem italienischen Festland kämpften immer britische Truppen. Die Bomberangriffe hatten neben dem unmittelbaren Schaden auch den schönen Nebeneffekt der Überanspruchung der Luftwaffe, die ab 1943 auch im Osten mehr und mehr in die Defensive gedrängt wurde.

Bomben nehmen den Arbeitern den Schlaf, besser noch die Wohnung und im besten Fall das Leben. Das waren Spezialisten, die nicht ersetzt werden konnten. Sicher war Hamburg auch immer noch ein wichtiger Hafen, es liefen ja zumindest die Transporte aus Skandinavien (vor allem Eisenerz, aber auch Holz und andere Grundstoffe). Vom Binnentransport oder Fischfang ganz abgesehen. Die RAF war damals noch nicht im Stande, die Anlagen genau zu treffen, also wurde das Instrument des Terrorbombardments verwendet.

Die "Düppel" waren nicht die gerne bezeichnete Geheimwaffe, die Deutschen verwendeten sie nur nicht, weil sie sich nicht sicher waren, ob die Briten auch schon drauf gekommen waren. Als die deutsche Bomberflotte keine große Gefahr mehr war, setzten die Briten die Alustreifen ein. Aber bald konnten die Bodenmannschaften die praktisch bewegungslosen Störstreifen von echten Bomberpulks unterscheiden, auch flogen viele einsitzige Nachtjäger eh auf Sicht. Die Flak schoß m.W. immer optisch gezielt. Die Minderjährigen waren FlakHELFER, vor allem mit Munitionstransport, eventuell auch noch mit einfachen Handgriffen an den Geschützen (Ladeschütze) befasst. Die Flak traf sowieso höchst selten, auf 8000 Granaten kam 1 abgeschossener Bomber. Aber sie erschwerten den Formationsflug und störten den Zielanflug.

Die Hamburger wussten sicher genau, dass die Briten selbst genauso Bombenopfer waren wie sie selbst und Hitler hätte ohne eine Sekunde des Zögerns britische Städte genauso verwüstet wie andersrum. Also warum die Briten hassen? Wenn, dann hätte Hass auf die US Air Force da sein müssen. Und noch eins: Die Freude über eine britische Besatzung kann auch Erleichterung gewesen sein, nicht von der Roten Armee befreit worden zu sein. Die sowjetische Luftwaffe hat praktisch gar keine strategische Luftangriffe durchgeführt, deshalb wurde die Rote Armee trotzdem nicht beim Einmarsch mit Blumen überhäuft.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
RedScorpion

Triton hat geschrieben:Hamburg war ein großer Werftenstandort (Blohm & Voss), vor allem den U-Boot-Bau galt es zu stören. Es stimmt ja nicht, dass die Briten nur mit der RAF gegen die Deutschen kämpfte, die wichtigste Schlacht tobte auf dem Atlantik. Auch in Nordafrika, später in Sizilien und auf dem italienischen Festland kämpften immer britische Truppen.
...
Das ist freilich richtig,

aber Atlantik und Nordafrika waren da schon "Nebenkriegsschauplatz" bzw. Teil der Vorbereitung auf das stückweise Heranfressen auf den Hauptgegner über das schwächste Glied (wie heisst die Strategie doch gleich, schon in WWI umstritten?)
Da waren eben die Neuerungen in der Area Bombing Directive 1942 v.a. die, dass es jetzt gegen Deutschland Kernland ging.

Btw. Unverschämtheit von Stalin nach 1945 zu leugnen, genau das (wie auch eine zweite Front) gefordert zu haben. Und dabei ist Hamburg sehr wohl in Koordinierung mit Kursk und der Landung auf Sizilien zu sehen wie Dresden mit den Offensiven der Roten Armee nach Jalta.

Triton hat geschrieben: ...
Bomben nehmen den Arbeitern den Schlaf, besser noch die Wohnung und im besten Fall das Leben. Das waren Spezialisten, die nicht ersetzt werden konnten. Sicher war Hamburg auch immer noch ein wichtiger Hafen, es liefen ja zumindest die Transporte aus Skandinavien (vor allem Eisenerz, aber auch Holz und andere Grundstoffe). Vom Binnentransport oder Fischfang ganz abgesehen. Die RAF war damals noch nicht im Stande, die Anlagen genau zu treffen, also wurde das Instrument des Terrorbombardments verwendet.
...
Churchill war es, glaub' ich, der mal geäussert hatte, alles, was die dt. Bev. zu tun hätte, wäre, ein paar Wochen in den Wald zu gehen, um abzuwarten, dass der Krieg zu Ende ist und ihre Städte zerbombt,

geht natürlich total an der Realität vorbei (sei es vom Anspruch der Möglichkeit einer Kapitulation von seiten der Bev, sei es von der Machbarkeit, jahrelang ohne Heizung und sanitäre Anlagen millionenfach im Wald zu hausen).

Zeigt aber, dass es primär nicht darum ging, Tote zu produzieren.

Sondern die Produktion zu stören, mit welchen Mitteln auch immer.

Triton hat geschrieben: ...
Die Hamburger wussten sicher genau, dass die Briten selbst genauso Bombenopfer waren wie sie selbst und Hitler hätte ohne eine Sekunde des Zögerns britische Städte genauso verwüstet wie andersrum. Also warum die Briten hassen? Wenn, dann hätte Hass auf die US Air Force da sein müssen. Und noch eins: Die Freude über eine britische Besatzung kann auch Erleichterung gewesen sein, nicht von der Roten Armee befreit worden zu sein.
...
Eben. Oder von Polen übernommen. Stichwort Wojwodschaft Hamburg.



LG
ehemaliger Autor K.

Über den militärischen Sinn oder Unsinn dieser Bombardierungen wollte ich gar nicht diskutieren und auch keine Wertungen vornehmen, mir ging es nur darum, die damaligen Ereignisse möglichst emotionslos zu beschreiben, auch wenn mir das vielleicht nicht ganz gelungen sein sollte. Ansonsten spielt die Operation Gomorrha im Bewusstsein der heutigen Hamburger genauso wenig eine Rolle wie die Zerstörung der Stadt durch die Wikinger vor über 1.000 Jahren, nämlich überhaupt keine. Viele wissen davon auch gar nichts, das gilt vor allem für die vielen Neubürger seit 1945 und das sind sehr, sehr viele.

Das heißt, einige wissen es doch. Eine türkische Studentin erzählte mir einen netten Witz: „Wissen Sie, warum die türkischen Frauen in Hamburg immer mehrere Meter hinter ihren Männern gehen? Weil sie in der Türkei gehört haben, das es in Hamburg wegen des Krieges noch so viele Blindgänger geben soll, die damals nicht explodiert sind.“

Na also, jetzt wissen wir es endlich. Hat also nichts mit Frauendiskriminierung im Islam zu tun. Oder doch?

(Und über alles andere, was der Unterschied ist, zwischen einer Stabbrandbombe mit Magnesium und Thermit als Zünder oder einer Phosphorbombe aus einem Gemisch aus weißem Phosphor und Kautschuk, ob es sicherer ist, in einem verschüttetem Keller zu sein oder in einem Flugzeug, wer die meisten Bomben abgeworfen hat, die Deutschen, die Briten und und und und und, über all dieses Zeug können sich andere auslassen. Ich möchte jedenfalls weder auf die eine oder andere Art krepieren.)

Allerdings, eins möchte ich noch bemerken. Die Hamburger waren wahrscheinlich tatsächlich froh, von den Briten befreit zu werden und nicht von den Sowjets, denn die Stadt war voll von Flüchtlingen, die über die russischen Befreier nicht viel Gutes zu berichten wussten. Die Engländer waren als spätere Besatzer auch völlig unsichtbar, man sah sie eigentlich nie. Und warum sollte man frühere Feinde auch später noch hassen? Gibt keinen Grund dafür. Leider wird das an vielen Orten aber leider ja doch gemacht.

Wir jedenfalls stürzten uns in den sechziger Jahren voll in das „Swinging London“, wohnten dort längere Zeit bei Freunden und besuchten jedes Popkonzert. Eine tolle Zeit. Ein armer Wicht, der das nicht miterlebt hat.
Benutzeravatar
Balduin
Administrator
Beiträge: 4215
Registriert: 08.07.2008, 19:33
Kontaktdaten:

Als Ergänzung noch einen Zeitzeugenbericht: http://www.seniorennet-hamburg.de/zeitz ... k1_eng.htm (Englisch)
Herzlich Willkommen auf Geschichte-Wissen - Registrieren - Hilfe & Anleitungen - Mitgliedervorstellung

He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Karlheinz hat geschrieben:Über den militärischen Sinn oder Unsinn dieser Bombardierungen wollte ich gar nicht diskutieren und auch keine Wertungen vornehmen, mir ging es nur darum, die damaligen Ereignisse möglichst emotionslos zu beschreiben, auch wenn mir das vielleicht nicht ganz gelungen sein sollte. Ansonsten spielt die Operation Gomorrha im Bewusstsein der heutigen Hamburger genauso wenig eine Rolle wie die Zerstörung der Stadt durch die Wikinger vor über 1.000 Jahren, nämlich überhaupt keine. Viele wissen davon auch gar nichts, das gilt vor allem für die vielen Neubürger seit 1945 und das sind sehr, sehr viele.
Im kollektiven Gedächtnis scheint nur Dresden haften geblieben zu sein, was ich auch bedaure. Jede Stadt, in der ein Feuersturm vorgekommen ist, hatte wohl ähnliche Schrecken erlebt. In Süddeutschland war es auch nicht nur Schweinfurt, Pforzheim soll es eher noch schlimmer ergangen sein. Dort wurde, man muss sich das einmal vorstellen, in 20 Minuten jeder 5. Bewohner getötet. Und das im Grunde völlig sinnlos, der Krieg war in wenigen Wochen vorbei, die Wehrmacht hatte keinen Sprit mehr. Aber die Bomben und Bomber waren vorhanden. also wurden sie auch eingesetzt.

In Hamburg wurde übrigens das berühmteste deutsche Kriegsschiff, die "Bismarck", gebaut. Da ein Werftarbeiter im Jahr etwa 1 BRT herstellen kann, kann man sich bei einem 50000 to Schiff vorstellen, wieviele Arbeiter dort nur an diesem einen Schiff zugange waren.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
RedScorpion

Karlheinz hat geschrieben:Über den militärischen Sinn oder Unsinn dieser Bombardierungen wollte ich gar nicht diskutieren und auch keine Wertungen vornehmen, mir ging es nur darum, die damaligen Ereignisse möglichst emotionslos zu beschreiben, auch wenn mir das vielleicht nicht ganz gelungen sein sollte.
...
Es ist sicherlich nicht einfach, bez. Kriegseinwirkungen auf die eigene Familie/Stadt/Landschaft emotionslos zu schreiben;

allein: es stimmt eben nicht, dass der Bombenkrieg gegen europ. oder jap. Städte militärisch erfolglos war, und v.a. auch keinesfalls, dass er keine militärische Zielsetzung verfolgte. Denn es geht mitnichten, wie hingegen die NS-Führung damals zu propagieren versuchte, um britische Sportflieger, die in Privatjets Jagd auf unschuldige deutsche Zivilisten machten,

ebensowenig um amerikanische Luftgangster mit Hakennasen und schwarzer Haut.

Karlheinz hat geschrieben: ...
Ansonsten spielt die Operation Gomorrha im Bewusstsein der heutigen Hamburger genauso wenig eine Rolle wie die Zerstörung der Stadt durch die Wikinger vor über 1.000 Jahren, nämlich überhaupt keine.
...
Kann ich mir ehrlichgesagt nicht vorstellen, sieht man doch jeden Tag den rauchgeschwärzten Turm von St. Nikolai, die Wüste in Hammerbrook und die Hässlichkeit/den Bruch im Stadtbild, z.T. sehr auffallend im Kontrast, selbst wenn man keinen zeitlichen oder familiären Bezug hat zu 1943.


Karlheinz hat geschrieben: ...
(Und über alles andere, was der Unterschied ist, zwischen einer Stabbrandbombe mit Magnesium und Thermit als Zünder oder einer Phosphorbombe aus einem Gemisch aus weißem Phosphor und Kautschuk, ob es sicherer ist, in einem verschüttetem Keller zu sein oder in einem Flugzeug, wer die meisten Bomben abgeworfen hat, die Deutschen, die Briten und und und und und, über all dieses Zeug können sich andere auslassen. Ich möchte jedenfalls weder auf die eine oder andere Art krepieren.)
...
Sofern man die Bombe nicht gerade auf den eigenen Deez kriegt bzw. nicht durch von ihr runtergerissenen Dachziegel getroffen wurde, war es schwer, direkt durch die Brandbombe zu sterben (es waren die beim Brand sich entwickelnden Gase, was die meisten Todesopfer forderte, und dagegen hätte man viel mehr tun können, auf deutscher Seite, auch aus der Sicht eines passiven Douhetisten wie Hitler).
Mund-zu-Mund-Propaganda, Horrormärchen von unlöschbarem Phosphor und vom Regime geschürte Angst vorm Terror durch die alliierten Luftgangster, denen jede Unmenschlichkeit (wie z.B. Tieffliegerangriffe auf Zivilisten während des Feuersturms oder eben Ausschüttung von unlöschbarem Phosphor auf Flüchtlinge usw.) zuzutrauen ist,

hatten den (auch innerhalb der Partei teilweise kritisierten) Nebeneffekt, dass nützliche Info zur Brandbekämpfung realiter blockiert wurde und ganz konkret Leben kostete, die man hätte retten können.

Abgesehen davon, dass man eben braune Propaganda bedient, wenn man das Phosphor-/Tiefflieger-Mythos bemüht.


Triton hat geschrieben: ...
Aber die Bomben und Bomber waren vorhanden. also wurden sie auch eingesetzt.
...
Das sagt auch Jörg Friedrich, und darin wird er auch nichtmal unrecht haben.

Allein: Es stimmt zwar, dass in den letzten 12 Monaten mehr deutsche Soldaten (von Zivilisten gar nicht zu sprechen) umkamen als in den gesamten vorigen Jahren zusammen,
aber es stimmt leider auch, dass dies für die Alliierten nicht weniger gilt (Ausnahme die Sowjetunion, aber nicht dadurch, dass weniger Soldaten im Kampf fielen, sondern, dass die meisten Kriegsgefangenen in dt. Lagern schon verhungert waren). Bei der Schlacht um Berlin (wo der Feuersturm btw. nicht zündete) kamen m.W. mehr sowjetische Soldaten um als Deutsche, und das war typisch.

Von daher kann man nicht sagen, dass Dresden, Pforzheim, Heilbronn, Darmstadt, Würzburg, Swinemünde usw. militärisch sinnlos waren; jeder Tag länger Krieg brachte neue Opfer auf beiden Seiten, und jede kleine Furz-Stadt in D. konnte zur Festung deklariert werden.; aber selbst, wenn nicht, wurde sie auf jeden Fall militärisch genutzt.



LG
Benutzeravatar
Triton
Mitglied
Beiträge: 1909
Registriert: 09.10.2012, 10:30

Aber die Alliierten hatten doch schon spätestens in der Normandie (Caen) erfahren müssen, dass zusammengebombte Städte wesentlich leichter zu verteidigen sind als intakte. Selbst die Deutschen machten in Stalingrad diese Erfahrung, und die Sowjets hätten es den Freunden ruhig erzählen können.
Zerbombte Städte sind reines Chaos, extrem unübersichtlich, bieten überall natürliche Panzersperren, die sich nicht optisch von künstlichen unterscheiden lassen usw.
Warum also auch noch Kleinkleckersdorf zusammenbomben, wenn der Krieg sowieso schon entschieden ist?

Auch wenn es überheblich klingt: Die Sowjets hatten wohl praktisch immer höhere Verlustzahlen als die Deutschen, in Stalingrad zum Beispiel - einem deutschen Sieg unverdächtig - lag das Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5. Die hohen Verlustzahlen der Sowjets zum Schluß waren doch politisch begründet, möglichst weites Vorrücken, um sich für spätere Verträge eine Verhandlungsmasse zu erschaffen. Stalin beschwerte sich wohl selbst einmal, warum er jede Eisenbahnkreuzung mühsam erobern muss während im Westen ganze Großstädte kampflos übergeben wurden.

Beste Grüße
Joerg
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
RedScorpion

Triton hat geschrieben:Aber die Alliierten hatten doch schon spätestens in der Normandie (Caen) erfahren müssen, dass zusammengebombte Städte wesentlich leichter zu verteidigen sind als intakte. Selbst die Deutschen machten in Stalingrad diese Erfahrung, und die Sowjets hätten es den Freunden ruhig erzählen können.
...
Die Sowjets hatten's aber nicht geschnallt, denn pikanterweise machten sie in bzw. vor Berlin dieselben Fehler wie die Deutschen in und vor Stalingrad.

Die Deutschen scheinen aber daraus eher gelernt zu haben, denn die "Breslauer Methode" wollte genau daraus, dass man die unteren Etagen eines Wohnblocks abstützte und die oberen darauf durch Granaten zusammenbrechen liess, einen Vorteil erzielen und tat dies wohl auch (z.B. in Königsberg und Breslau; weiss jetzt nicht, ob auch in Aachen z.B.).

Triton hat geschrieben: ...
Warum also auch noch Kleinkleckersdorf zusammenbomben, wenn der Krieg sowieso schon entschieden ist?
...
Weil durch Kleinkleckersdorf eine Strasse führt, die die Wehrmacht zum Rückzug oder zwecks Nachschub nutzt oder nutzen könnte.
Das erscheint manchmal paranoid; Tatsache ist aber, dass die Deutschen den "Heimvorteil" beim Krieg um und im Heimatland so gut wie durchweg besser zu nutzen wussten und den Alliierten dabei erheblichen Schaden zufügten und den Krieg um Monate verlangsamten (z.B. im Hürtgenwald).

Triton hat geschrieben: ...
Auch wenn es überheblich klingt: Die Sowjets hatten wohl praktisch immer höhere Verlustzahlen als die Deutschen, in Stalingrad zum Beispiel - einem deutschen Sieg unverdächtig - lag das Verhältnis zwischen 1:3 und 1:5. Die hohen Verlustzahlen der Sowjets zum Schluß waren doch politisch begründet, möglichst weites Vorrücken, um sich für spätere Verträge eine Verhandlungsmasse zu erschaffen.
...
Ja, auch; das stimmt sicherlich, ist aber realpolitisch verständlich und nachvollziehbar.

Wobei die Totenzahlen der Sowjets in den ersten Jahren, sprich das Verhungernlassen der in den Kesselschlachten durch die Wehrmacht gefangenen Soldaten, jenseits aller Logik ist (was z.T. auch innerhalb der WH und der Partei kritisiert wurde).



LG
ehemaliger Autor K.

Ralph hat geschrieben:Als Ergänzung noch einen Zeitzeugenbericht: http://www.seniorennet-hamburg.de/zeitz ... k1_eng.htm (Englisch)
Ein toller Artikel! Hat mir sehr gut gefallen. Der Liedermacher Biermann hatte als Kind diesen Angriff erlebt und beschrieben, wie brennende Menschen in die Fleete sprangen und weil die Temperatur in den Straßen auf weit über 1.000 Grad anstieg, gab es praktisch keine Rettung mehr. Bei einer so heißen Luft sind auch Gasmasken völlig wirkungslos, geschweige denn ein Mundschutz. Einen voll entfesselten Feuersturm kann man auch nicht löschen, man kann nur abwarten, bis er mangels Sauerstoffzufuhr von selbst erstickt.
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Karlheinz hat geschrieben: ...
Ansonsten spielt die Operation Gomorrha im Bewusstsein der heutigen Hamburger genauso wenig eine Rolle wie die Zerstörung der Stadt durch die Wikinger vor über 1.000 Jahren, nämlich überhaupt keine.
...
RedScorpion hat geschrieben:Kann ich mir ehrlichgesagt nicht vorstellen, sieht man doch jeden Tag den rauchgeschwärzten Turm von St. Nikolai, die Wüste in Hammerbrook und die Hässlichkeit/den Bruch im Stadtbild, z.T. sehr auffallend im Kontrast, selbst wenn man keinen zeitlichen oder familiären Bezug hat zu 1943.
Doch, ich kann die Aussage von Karlheinz bestätigen. Im Alltag spielen die Bombenschäden keine Rolle mehr, obwohl man als Bürger durchaus informiert ist und sehr genau sehen kann, was gerade in den 50-70er Jahren dazugekommen ist. Man hadert eher mit den Bausünden der Nachkriegsstadtplaner und Architekten.
Das ist schon seltsam, dass man den Zusammenhang mit dem Bombenkrieg als Nachgeborener oder später Zugezogener nicht mehr wahrnimmt. Man nimmt es gleichmütig hin, wenn mal wieder ganze Stadtteile am Sonntag evakuiert werden wegen einer Bombenräumung. Das ist Alltag und regt keinen mehr auf.

Natürlich sehe ich auch die architektonischen Unterschiede, wenn ich durch Umlandkleinstädte fahre, die keine Bomben abgekriegt haben. Die haben alle ab den 70ern eine aufwändige Stadtsanierung durchgemacht und können nun mit Perlen aufwarten. Im Osten kam das später.
Die Großstädte sind aber bis auf wenige Ausnahmen alle betroffen, deshalb kommt es uns Einwohnern wohl normal vor. Für Außenstehende mag das anders sein.
Benutzeravatar
dieter
Mitglied
Beiträge: 10152
Registriert: 29.04.2012, 09:48
Wohnort: Frankfurt/M.

Ihr Lieben,
schön dass wir über 60 Frieden in Mitteleuropa haben und in Deutschland keine Ruinen aufgrund von Bombenangriffen mehr anzutreffen sind. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
ehemaliger Autor K.

Renegat:
Doch, ich kann die Aussage von Karlheinz bestätigen. Im Alltag spielen die Bombenschäden keine Rolle mehr, obwohl man als Bürger durchaus informiert ist und sehr genau sehen kann, was gerade in den 50-70er Jahren dazugekommen ist. Man hadert eher mit den Bausünden der Nachkriegsstadtplaner und Architekten.
Das ist schon seltsam, dass man den Zusammenhang mit dem Bombenkrieg als Nachgeborener oder später Zugezogener nicht mehr wahrnimmt. Man nimmt es gleichmütig hin, wenn mal wieder ganze Stadtteile am Sonntag evakuiert werden wegen einer Bombenräumung. Das ist Alltag und regt keinen mehr auf.

Natürlich sehe ich auch die architektonischen Unterschiede, wenn ich durch Umlandkleinstädte fahre, die keine Bomben abgekriegt haben. Die haben alle ab den 70ern eine aufwändige Stadtsanierung durchgemacht und können nun mit Perlen aufwarten. Im Osten kam das später.
Die Großstädte sind aber bis auf wenige Ausnahmen alle betroffen, deshalb kommt es uns Einwohnern wohl normal vor. Für Außenstehende mag das anders sein.
Der Wiederaufbau von Hamburg nach dem Krieg ist wirklich kein Meisterwerk geworden. Die Innenstadt verwandelte sich in einen seelenlosen Klotz aus Stahl, Beton und Glas, Büros, Verwaltung, kommerzielle Bauten, alles rein funktional. Kein Ort zum Wohlfühlen, er strahlt nur Kälte, Nüchternheit und Kommerz aus. Nach Feierabend flüchten auch heute noch fast alle aus der Innenstadt. Das diese im Grunde genommen eine urbane Wüste ist und die Einwohnerzahl am Wochenende auf null zusammenschrumpft, wurde in den sechziger und siebziger Jahren immer offensichtlicher. Ich selbst bin einmal an einem heißen Sonntag im Juli stundenlang durch die Innenstadt spaziert, ohne auf einen Menschen zu treffen. Es gab dort keine Lokale, keine Restaurants, keine Bänke, kein Grün, einfach nichts. In der Zeitung sah man immer öfters Bilder von einer ausgestorbenen Innenstadt mit Schlagzeilen wie: Geisterstadt Hamburg! Hamburg von der Pest entvölkert? Wenn man einmal ganz allein sein wollte, weit weg von allen Menschen, dann war die Hamburger Innenstadt am Sonntag der ideale Ort.

In den vergangenen Jahrzehnten wurden Anstrengungen unternommen, um diesen Zustand zu ändern, aber wohl fühlen kann man sich nach Feierabend dort immer noch nicht. Inzwischen gibt es allerdings viele Obdachlose, die sich dort nach Einbruch der Dunkelheit treffen, aber das ist nicht die Klientel, die man haben will.

Es gibt noch einige Gebiete in anderen Stadtteilen, die richtig gemütlich sind und die geben einen Eindruck von der Atmosphäre in der Stadt vor dem Krieg. Es muss damals in mancher Hinsicht netter und lebhafter gewesen sein, ohne jetzt die früheren Zustände zu verklären, die ja auch angefüllt waren mit Armut und Not.
RedScorpion

dieter hat geschrieben:Ihr Lieben,
schön dass wir über 60 Frieden in Mitteleuropa haben und in Deutschland keine Ruinen aufgrund von Bombenangriffen mehr anzutreffen sind. :wink:
Doch, m.W. gibt es sie nach wie vor, wenn auch nicht mehr zu Hauf.

Z.B. in Münster, Köln; und auch in Frankfurt klafft noch die eine oder andere Lücke.

Renegat hat geschrieben:
Karlheinz hat geschrieben: ...
Ansonsten spielt die Operation Gomorrha im Bewusstsein der heutigen Hamburger genauso wenig eine Rolle wie die Zerstörung der Stadt durch die Wikinger vor über 1.000 Jahren, nämlich überhaupt keine.
...
RedScorpion hat geschrieben:Kann ich mir ehrlichgesagt nicht vorstellen, sieht man doch jeden Tag den rauchgeschwärzten Turm von St. Nikolai, die Wüste in Hammerbrook und die Hässlichkeit/den Bruch im Stadtbild, z.T. sehr auffallend im Kontrast, selbst wenn man keinen zeitlichen oder familiären Bezug hat zu 1943.
Doch, ich kann die Aussage von Karlheinz bestätigen. Im Alltag spielen die Bombenschäden keine Rolle mehr, ...
...
Naja, wer hat auch schon Lust, ständig an destruktive Grössen wie kaputte Gebäude und v.a. Tote zu denken.

Aber man sieht's doch eigentlich überall. Ich will nicht sagen, dass deutsche Städte die hässlichsten sind, die es gibt, aber manchmal fehlt da nicht viel.
Wobei die Frage, ob alt oder original automatisch gleich schön oder nutzbar ist, nicht unberechtigt sein dürfte.

Renegat hat geschrieben: ...
... obwohl man als Bürger durchaus informiert ist und sehr genau sehen kann, was gerade in den 50-70er Jahren dazugekommen ist. Man hadert eher mit den Bausünden der Nachkriegsstadtplaner und Architekten.
...
Zumal ja der Bombenkrieg auch als Ausrede für die "Autostadt" herhielt und bis heute -hält. Hannover ist da schlimmes Beispiel dafür, dass auch Unzerstörtes gnadenlos geopfert wurde,

und Zwickau z.B. (im Krieg unzerstört) ist seit 1990 auch alles andere als behutsam mit seinem architektonischem Erbe umgegangen. Abschreckendes Beispiel.

Renegat hat geschrieben: ...
Natürlich sehe ich auch die architektonischen Unterschiede, wenn ich durch Umlandkleinstädte fahre, die keine Bomben abgekriegt haben. Die haben alle ab den 70ern eine aufwändige Stadtsanierung durchgemacht und können nun mit Perlen aufwarten. Im Osten kam das später.
...
Kommt drauf an, wo. Die 70er sind m.E. eher noch in die Zerstörungsphase einzuordnen, auch da, wo durch Krieg nix zerstört oder beschädigt war.
Psychologisch ist das vielleicht auch zu verstehen, denn die Altbauten suggerierten bzw. erinnerten ja gerade daran, dass sie ihren Einwohnern eben keinen Schutz boten, sondern zum Grab wurden. Also weg damit, wer will schon in einem Grab wohnen?

Wobei es immer auch Prestigeobjekte gab und gibt, die man gern wiederaufbauen will oder es auch tatsächlich tut. Stadtschloss und Kronprinzenpalais und Kommandantenhaus in Berlin, in Frankfurt die Häuserzeile da am Zeil, Braunschweiger Schloss, Dresden Frauenkirche und Altmarkt usw.

Renegat hat geschrieben: ...
Die Großstädte sind aber bis auf wenige Ausnahmen alle betroffen, deshalb kommt es uns Einwohnern wohl normal vor. Für Außenstehende mag das anders sein.
Es gibt schon einige wenige oder gar nicht zerstörte Grossstädte oder grosse Städte. Schwerin, Oldenburg, Erfurt, Wiesbaden, Bamberg, Heidelberg, Konstanz, Regensburg, Zwickau, Halle, Salzburg, Linz, Wien, Innsbruck. Und auch z.B. Berlin ist relativ glimpflich davongekommen, neben anderen kleineren.



LG
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Das 3. Reich und der II. Weltkrieg“