Änderungen bei Hartz IV geplant

Arbeits und Lehrstellenmarkt, Arbeits- und Sozialrecht, Rente

Moderator: Barbarossa

elysian
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Wenn von rund 350 € noch etwas abgezogen werden soll, dann läuft das aber darauf hinaus. Viele Hartz IV-Empfänger können schon heute nur dann ausreichend Lebensmittel kaufen, wenn sie intensiv nach Sonderangeboten Ausschau halten.
Übrigens klingt diese Diskussion schon so, als ob alle Hartz IV-Empfänger "faul" wären und nicht arbeiten wollten. Das ist aber mitnichten so - es gibt nur einfach nicht genug freie Stellen. Und schuld ist daran eigentlich nur die Politik, die die Rahmenbedingungen einfach nicht so gestalten kann, daß mehr Arbeitsplätze entstehen.
Natürlich kann man noch weitere Einschränkungen vornehmen. Diese sind im geltenden Recht ja auch vorgesehen und werden im Einzelfall dann auch umgesetzt.
Den Eindruck nach dem vermeintlichen Klang der Diskussion kann ich nicht bestätigen. Es mag Dir so vorkommen, aber m.E. ist dem nicht so. Es wird ja nirgends behauptet, es wäre genügend Arbeit, jedenfalls bezahlte Arbeit vorhanden und niemand behauptet, wer Hartz4 bekommt, würde nur nicht arbeiten wollen. Deine Argumentationsweise erinnert mich da doch sehr an Schattenboxen.
Es geht nur darum, dass bestimmte gemeinnützige Arbeiten als zumutbare Arbeiten anzusehen seien und dass im Falle der unbegründeten Ablehnung mehrerer Angebote die schlichte Verweigerungshaltung sanktioniert werden muss.
Es ist nebenbei bemerkt auch zu billig gesagt, die Politik sei Schuld, es müssten nur die Rahmenbedingungen stimmen. Wir leben nicht allein in dieser Welt und insbesondere die Finanzkrise führt zu Problemen, die sich nicht verhindern lassen. Weiterhin haben die Reformen der letzten 10 Jahre durchaus dazu geführt, dass 1 Million neue Arbeitsplätze entstanden sind. Andernfalls wäre die Arbeitslosigkeit vor einigen Monaten nicht auf 3,5 Millionen Personen gesunken.
Nee oder?
Und was hat das jetzt mit Einsperren zu tun?
Das ist ja genau das, was ich beklage: Für umsonst können die Leute arbeiten, aber genug bezahlte Arbeit zu schaffen oder wenigstens die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, daß mehr Arbeitsplätze entstehen können, dazu ist der Staat nicht in der Lage.
Also erstens ist es nicht primär die Aufgabe des Staates, Arbeitsplätze zu schaffen. Das Modell der Staatswirtschaft hat historisch nicht ein einziges überzeugendes Beispiel vorzuweisen.
Zweitens sind die Rahmenbedingungen vielleicht nicht optimal, aber dass die Reformen zu einem Wachstum bei den Stellen geführt haben, ist nachgewiesen.
Und natürlich gibt es eine Menge Arbeit, die gemacht werden kann, aber nicht muss und die zu bezahlen sich nicht lohnt. Dass hieraus keine regulären oder gar keine Arbeitsplätze entstehen, ist nur folgerichtig. Dass, wer eine freiwillige Leistung der Gesellschaft erhält (ALG2 ist eine Solidarleistung!), eine Gegenleistung anbieten soll, ist eine Selbstverständlichkeit aus Gründen von Anstand und Moral.
Wann gab es denn in Deutschland jemals "solche Zustände"?
Vor den Hartz-Reformen. Mein Vater z.B. hat jemandem eine Arbeitsstelle angeboten. Normaler Tarif. Nur hatte diese Person vorher woanders gearbeitet und die Stelle dankend abgelehnt.
Andere hielt zumindest die Überlegung ab, der neue Lohn sei niedriger als der alte Lohn und bei erneuter Arbeitslosigkeit sinke deswegen der Anspruch.
Hier ist allerdings auch wirklich sehr viel Schnee gefallen. Das war soviel, daß man mit dem KfZ-Unterboden aufgesetzt hat und nicht mehr weiter kam - also auch mit Winterreifen keine Chance. Da wäre auch für Rettungsfahzeuge Endstation gewesen - also im Falle einer notwendigen Lebensrettung ein nicht haltbarer Zustand.
Das stört hier irgendwie keine Sau in den Stadtverwaltungen. :mrgreen:
Das Resümee ist doch aber ganz in Ordnung: Nicht das Hatz IV-Geld ist zu hoch, sondern die Löhne - in diesem Fall eben die Referedarenbezüge - sind viel zu niedrig. So wird dann auch "ein Schuh" daraus. Der tatsächliche Fehler ist: Die Bevölkerung soll sich immer billiger verkaufen und inzwischen liegen in vielen Bereichen die Löhne bereits unter den Sozialgeldern.
Leider wird kein Schuh draus. Weil bestimmte Arbeiten nur einen bestimmten Profit abwerfen, kann man die Löhne nicht beliebig erhöhen. Das hat man ja in den 70er Jahren probiert. Die Folge war ein erheblicher Anstieg in der Verschuldung, eine nie dagewesene Rationalisierungswelle und damit der Wegfall zahlreicher Stellen für Gering- oder Nichtqualifizierte.
Und genau bei denen liegt die Arbeitslosenquote heuer bei locker 25%!
Die Löhne kann man nicht einfach mal so steigern, ohne dass man gegebenenfalls Arbeitsplätze vernichtet und die Lohnsteigerung durch höhere Abgaben aufgefressen wird, sodass wir nachher genauso doof aus der Wäsche schauen wie jetzt.
Und dann auch noch zwangsweise und unter Androhung von Geldabzug
Ich kann mich da nur wiederholen. Ich bin nicht bereit, in die Sozialkassen zu zahlen, wenn faules Nichtstun nicht sanktioniert wird. Die Alternative ist ja, allen nur das absolute Minimum zu geben. Und gezwungen wird niemand. Aber auf eine Reaktion zu verzichten, ist definitiv auch nicht die Lösung.
Jedenfalls gibt es noch sehr viel mehr Menschen, die knapp bei Kasse sind und trotzdem irgendwie klarkommen.
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Barbarossa
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Guido Westerwelle scheint es nun offensichtlich für notwendig zu halten, das Gemunkel um einen Krach zwischen ihm und der Kanzlerin zu entkräften:
KOALITION:
Wir simsen, was das Zeug hält
Vor der Presse lobt Guido Westerwelle sein Verhältnis zur Kanzlerin

BERLIN - Für eine Berliner Journalistin hatte FDP-Chef Guido Westerwelle gestern noch ein ganz besonderes Präsent parat. Nachdem sie ihn bei seinem ersten Solo-Auftritt als Außenminister vor der Bundespressekonferenz kritisch zu seinen Aussagen über „anstrengungslosen Wohlstand“ und „spätrömische Dekadenz“ befragt hatte, schenkte er ihr im Anschluss zum Nachlesen eine Abschrift des entsprechenden Textes und signierte ihn mit den Worten „Der liebe Guido“.

Nicht alle in der schwarz-gelben Koalition sind wohl gegenwärtig bereit, diese Bewertung zu teilen. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel rüffelte ihren Stellvertreter kürzlich in einem Interview und warf ihm indirekt Populismus vor. Für Westerwelle offenbar Grund genug, zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt als Außenminister vor die versammelte Hauptstadtpresse zu treten und dort seine Sicht der Dinge darzulegen. Wer dabei auch nur eine Spur von Selbstkritik erwartet hatte, sah sich freilich enttäuscht...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... ltnis.html
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Grundsätzlich bin ich auch dafür, dass Hartz IV Bezieher einer Beschäftigung nachgehen, die der Allgemeinheit nützt (in unserem Kreis gibt es eine Kreisputzete - würden daran Hartz IV Empfänger teilnehmen, wäre das doch keine schlechte Idee!)
ABER mir ist ein Fall bekannt, da gab es eine Anfrage bzgl. dem Einsatz von Hartz-IV Empfängern zum Schneeräumen. Der WGV http://de.wikipedia.org/wiki/WGV-Versicherungen hat dies aufgrund des nötigen Versicherungsschutzes abgelehnt.
Habt ihr hier nähere Informationen?
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elysian hat geschrieben:ABER!:
NUR die ART DER FESTSETZUNG der Beträge ist VERFASSUNGSWIDRIG.
Die HÖHE der Beträge wird dagegen ausdrücklich NICHT als VERFASSUNGSWIDRIG bezeichnet.
Das wird Herrn Westerwelle aber freuen. Da braucht er das Geld nicht an die HARTZ-IV-Leute auszuzahlen, da kann er sich und seinen Kollegen Volksvertretern noch fünfhundert Euro im Monat gönnen. Da weiß man wenigstens das Geld in guten Händen.
Gruß Band des Möbius
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Band des Möbius hat geschrieben:
elysian hat geschrieben:ABER!:
NUR die ART DER FESTSETZUNG der Beträge ist VERFASSUNGSWIDRIG.
Die HÖHE der Beträge wird dagegen ausdrücklich NICHT als VERFASSUNGSWIDRIG bezeichnet.
Das wird Herrn Westerwelle aber freuen. Da braucht er das Geld nicht an die HARTZ-IV-Leute auszuzahlen, da kann er sich und seinen Kollegen Volksvertretern noch fünfhundert Euro im Monat gönnen. Da weiß man wenigstens das Geld in guten Händen.
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Wie soll man mit einer solchen Aussage diskutieren?
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Band des Möbius

Ralph hat geschrieben: Wie soll man mit einer solchen Aussage diskutieren?
Nun, wie Herr Westerwelle eben, draufhauen, koste es was es wolle. Die HARTZ-IV-Empfänger sind doch sowieso die Dummen, genau wie die Leiharbeiter. Sie haben keine Lobby. Die Gewerkschaften haben sie komplett vergessen. Und die Gesellschaft? Die ist froh, dass sie selbst nicht dazu gehört. Da wird halt drauf gehauen. Sind ja nicht wir, sind die Anderen. Diese Meinung vertretet Ihr. Wie soll man da noch diskutieren?
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Band des Möbius hat geschrieben:
Ralph hat geschrieben: Wie soll man mit einer solchen Aussage diskutieren?
Nun, wie Herr Westerwelle eben, draufhauen, koste es was es wolle. Die HARTZ-IV-Empfänger sind doch sowieso die Dummen, genau wie die Leiharbeiter. Sie haben keine Lobby. Die Gewerkschaften haben sie komplett vergessen. Und die Gesellschaft? Die ist froh, dass sie selbst nicht dazu gehört. Da wird halt drauf gehauen. Sind ja nicht wir, sind die Anderen. Diese Meinung vertretet Ihr. Wie soll man da noch diskutieren?
Gruß Band des Möbius
Es liegt mir nichts ferner als auf Arbeitslose draufzuhauen. Nicht umsonst ist Arbeitslosigkeit eines der größten Probleme in unserer Gesellschaft.
Ich empfinde es jedoch nicht als ein "Draufhauen", wenn man überlegt Hartz IV Empfänger zu sozialen Leistungen zu verpflichten.
Ich empfinde es auch nicht als "Draufhauen" über Bildungsgutscheine etc. zu diskutieren.
"Arbeit muss sich wieder lohnen" ist leider! ein abgedroschener Wahlkampfspruch aber in der Aussage ist er richtig. Mindestlöhne erfordern zuvor eine Lösung in der Schwarzarbeitsproblematik. Außerdem empfinde ich Lohn Dumping als ein gesellschaftliches Problem. Bürger, die sich für 10 € die Haare schneiden lassen, müssen damit rechnen, dass die Friseuse/der Friseur eben keinen ausreichenden Lohn bekommt, sondern einen Niedriglohn. Wie denn soll der Arbeitgeber in diesem Fall gerechte Löhne bezahlen?
Aber natürlich gibt es auch Fälle in dem der Lohn gedrückt wird, um höhere Profite zu erzielen. Auch dies ist ein gesellschaftliches Problem: Solche "Unternehmer", die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, sind Verbrecher und sollten als solche auch in der Gesellschaft empfunden werden und dann auch entsprechend behandelt werden.
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Ralph hat geschrieben:...Außerdem empfinde ich Lohn Dumping als ein gesellschaftliches Problem. Bürger, die sich für 10 € die Haare schneiden lassen, müssen damit rechnen, dass die Friseuse/der Friseur eben keinen ausreichenden Lohn bekommt, sondern einen Niedriglohn. Wie denn soll der Arbeitgeber in diesem Fall gerechte Löhne bezahlen?
Aber natürlich gibt es auch Fälle in dem der Lohn gedrückt wird, um höhere Profite zu erzielen. Auch dies ist ein gesellschaftliches Problem: Solche "Unternehmer", die ihrer Verantwortung nicht gerecht werden, sind Verbrecher und sollten als solche auch in der Gesellschaft empfunden werden und dann auch entsprechend behandelt werden.

Autsch!
Also bei dem Frisör, zu dem ich gehe, kostet einmal trocken schneiden sogar nur 8,50 €.
:twisted:

Allerdings runde ich immer auf 9,- € auf, gebe also noch 0,50 € Trinkgeld.
Der schwarze Peter liegt aber meines Erachtens nicht beim Kunden, denn der handelt lediglich nach den Gesetzen der Marktwirtschaft, in der wir alle leben. Der Kunde weiß nicht, was ein Arbeitnehmer bei seiner Arbeit verdient - es ist auch nicht seine Aufgabe, das zu hinterfragen. Der Arbeitnehmer darf meines Wissens auf solch eine Frage auch noch nicht einmal antworten, denn das wäre ein Kündigungsgrund.
In der Pflicht sind im Kampf gegen unmoralisch niedrige Löhne sind hier eindeutig die Gewerkschaften und die Arbeitgeber, die zusammen solche Löhne auszuhandeln haben, von denen ein Arbeitnehmer bei einer Vollzeitstelle auch leben können muß. (hallo @elyian, ich nenne sie jetzt mit Absicht nicht "sittenwidrig"- hast du es bemerkt? :mrgreen: )
Geschieht das nicht, werden (mMn) zu Recht Rufe nach dem Gesetzgeber laut, daß ein gesetzlicher Mindestlohn die zu geringen Tariflöhne korrigieren soll.
Wie auch immer man dazu stehen mag, so steht doch fest: Kann ein Arbeitnehmer von seiner Vollzeitstelle nicht leben, läuft in der Wirtschaft massiv etwas falsch. Es kann nicht die Lösung sein, solche unmoralisch niedrigen Löhne mit Hartz IV aufzustocken - auch aus Sicht der meisten Unternehmer nicht, die ihre Arbeitnehmer anständig entlohnen.
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elysian
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Mehr Freude durch Kraft

Auch die SPD-Spitzenkandidatin in NRW, Hannelore Kraft, will Hartz-IV-Empfänger zu gemeinnütziger Arbeit heranziehen. Die FDP sieht sich kopiert. Die CDU kontert: An Rhein und Ruhr gibt's das schon.
http://taz.de/1/politik/deutschland/art ... rch-kraft/
sic transit gloria mundi
elysian
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Wie auch immer man dazu stehen mag, so steht doch fest: Kann ein Arbeitnehmer von seiner Vollzeitstelle nicht leben, läuft in der Wirtschaft massiv etwas falsch. Es kann nicht die Lösung sein, solche unmoralisch niedrigen Löhne mit Hartz IV aufzustocken - auch aus Sicht der meisten Unternehmer nicht, die ihre Arbeitnehmer anständig entlohnen.
Ebenso steht fest, dass dies nur so lange gelten kann, wie die Vollzeitstelle nur besteht, wenn sie nicht mit ALG2 aufgestockt werden muss. Andernfalls haben wir moralisch ansehnliche Löhne in Deutschland und einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, verbunden mit einer Zunahme der ohnehin schon erheblichen Belastung der arbeitenden Bevölkerung, für deren untere Einkommensbereiche sich die Arbeit u.U. im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit kaum lohnt.
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Barbarossa
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elysian hat geschrieben:Ebenso steht fest, dass dies nur so lange gelten kann, wie die Vollzeitstelle nur besteht, wenn sie nicht mit ALG2 aufgestockt werden muss.
Da stellt sich dann allerdings die Frage, ob solch ein Arbeitsplatz überhaupt erhaltenswert ist. Man darf bei dieser Argumentation nicht vergessen, daß durch die Aufstockung von Vollzeitlöhnen durch ALG II eine Wettbewerbsverzerrung zu anderen Unternehmen stattfindet, die ihre Mitarbeiter besser entlohnen möchten. Durch die staatliche Aufstockung von Löhnen können die entsprechenden Unternehmen "bessere" Preise am Markt anbieten und setzen die übrigen Marktteilnehmer unter Druck, ebenfalls irgendwie niedrigere Preise anbieten zu müssen. Eine vom Staat subventionierte Preisspirale nach unten wird so in Gang gesetzt, die irgendwann auf die Löhne in der ganzen Branche durchschlägt und alle Unternehmen müssen die Löhne drücken.
Also ich muß sagen, ich sehe das sehr kritisch mit dieser Aufstockung - sowohl aus sozialer, wie auch aus wirtschaflicher Sicht.
elysian hat geschrieben:Andernfalls haben wir moralisch ansehnliche Löhne in Deutschland und einen erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit, verbunden mit einer Zunahme der ohnehin schon erheblichen Belastung der arbeitenden Bevölkerung, für deren untere Einkommensbereiche sich die Arbeit u.U. im Verhältnis zur Arbeitslosigkeit kaum lohnt.
Die hohe Arbeitslosigkeit war natürlich genau das Problem, wegen dem man gesagt hat, man subventioniert lieber Arbeit, als ständig steigende Arbeitslosigkeit zu bezahlen, was auch eine große Belastung für den Staatshaushalt darstellt.
Aber dennoch - ich bin nicht dafür, daß zu niedrige Löhne gezahlt werden, sondern wenn ein Unternehmen in Finanznot gerät (kann ja durchaus passieren), dann muß es andere Regelungen geben, mit denen sich dann das Unternehmen selbst an den Staat wendet. Das könnte z. B. mit einer Kurzarbeitsregelung passieren, mit der vorübergehend die Löhne in einem Unternehmen für eine bestimmte Zeit subventioniert werden, der Arbeitnehmer aber keine Abstriche beim Lohn hinnehmen muß. Das Unternehmen muß dann innerhalb dieser Zeit zusehen, wie es seine Probleme überwindet.
Gelingt das nicht, dann ist es ohnehin nicht konkurrenzfähig. Dann hat es aber auch keinen Zweck, ein solches nicht überlebensfähiges Unternehmen weiter zu subventionieren. Das wurde nämlich in der DDR schon so gemacht und ist heftig schief gegangen.
Ich bin aber grundsätzlich dagegen, so etwas auf Kosten der Arbeitnehmer zu machen und daß sie zusehen müssen, wie sie mit sinkenden Löhnen über die Runden kommen. Das derzeitige Modell der Lohnsubventionierung durch aufstockendes ALG II (nichts anderes ist das ja) zementiert niedrige Löhne auf Dauer. Dagegen bin ich grundsätzlich. Es müssen andere Wege gefunden werden, Arbeit zu schaffen. Andere Länder schaffen das auch.
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elysian
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Da stellt sich dann allerdings die Frage, ob solch ein Arbeitsplatz überhaupt erhaltenswert ist. Man darf bei dieser Argumentation nicht vergessen, daß durch die Aufstockung von Vollzeitlöhnen durch ALG II eine Wettbewerbsverzerrung zu anderen Unternehmen stattfindet, die ihre Mitarbeiter besser entlohnen möchten. Durch die staatliche Aufstockung von Löhnen können die entsprechenden Unternehmen "bessere" Preise am Markt anbieten und setzen die übrigen Marktteilnehmer unter Druck, ebenfalls irgendwie niedrigere Preise anbieten zu müssen. Eine vom Staat subventionierte Preisspirale nach unten wird so in Gang gesetzt, die irgendwann auf die Löhne in der ganzen Branche durchschlägt und alle Unternehmen müssen die Löhne drücken.
Also ich muß sagen, ich sehe das sehr kritisch mit dieser Aufstockung - sowohl aus sozialer, wie auch aus wirtschaflicher Sicht.
Wenn man die Erfahrungen der letzten Jahre auswertet, so bestätigt sich dies nicht.
Eine Wettbewerbsverzerrung ist nur dort möglich, wo ein Wettbewerb besteht.
Man darf sicherlich nicht hemmungslos überall aufstocken, aber das wird ja nun auch nicht getan.
Die Aufstockung ist schließlich an bestimmte Kriterien gekoppelt.
Dies betrifft regelmäßig Arbeiten, für die man keinerlei Qualifikation benötigt und welche seit den 70er Jahren in Deutschland massiv abgebaut wurden. In diesem Segment besteht oft genug kaum ein reguläres Arbeitsangebot und normalerweise keine Nachfrage, die die Kosten trägt. Entsprechend überschaubar sind folgerichtig Angebote z.B. an Tankstellen, an denen für einen Euro mehr jemand das Befüllen des Tanks und das Wischen der Scheiben übernimmt.
Die hohe Arbeitslosigkeit war natürlich genau das Problem, wegen dem man gesagt hat, man subventioniert lieber Arbeit, als ständig steigende Arbeitslosigkeit zu bezahlen, was auch eine große Belastung für den Staatshaushalt darstellt.
Aber dennoch - ich bin nicht dafür, daß zu niedrige Löhne gezahlt werden, sondern wenn ein Unternehmen in Finanznot gerät (kann ja durchaus passieren), dann muß es andere Regelungen geben, mit denen sich dann das Unternehmen selbst an den Staat wendet. Das könnte z. B. mit einer Kurzarbeitsregelung passieren, mit der vorübergehend die Löhne in einem Unternehmen für eine bestimmte Zeit subventioniert werden, der Arbeitnehmer aber keine Abstriche beim Lohn hinnehmen muß. Das Unternehmen muß dann innerhalb dieser Zeit zusehen, wie es seine Probleme überwindet.
Gelingt das nicht, dann ist es ohnehin nicht konkurrenzfähig. Dann hat es aber auch keinen Zweck, ein solches nicht überlebensfähiges Unternehmen weiter zu subventionieren. Das wurde nämlich in der DDR schon so gemacht und ist heftig schief gegangen.
Ich bin aber grundsätzlich dagegen, so etwas auf Kosten der Arbeitnehmer zu machen und daß sie zusehen müssen, wie sie mit sinkenden Löhnen über die Runden kommen. Das derzeitige Modell der Lohnsubventionierung durch aufstockendes ALG II (nichts anderes ist das ja) zementiert niedrige Löhne auf Dauer. Dagegen bin ich grundsätzlich. Es müssen andere Wege gefunden werden, Arbeit zu schaffen. Andere Länder schaffen das auch.
Es sind sich m.E. alle einig, dass in einer Volkswirtschaft gesunde Löhne gezahlt werden müssen. Nicht zu hoch und nicht zu niedrig. Der Dissens besteht erst bei der Frage, was die richtige Höhe sei.
Jedenfalls ist es aber nicht so, dass die Löhne flächendeckend aufgestockt würden und es ist vor allem keine Subventionierung von Unternehmen. Subventioniert werden Arbeitsplätze, die es sonst für Arbeitnehmer nicht gäbe. Und wir sprechen hier vor allem von einem ganz bestimmten Teil der Arbeitnehmer (s.o. ---> Arbeitskräfte ohne Qualifikation).
Man darf auch nicht übersehen, dass die Möglichkeit, Löhne aufzustocken, nur ein Instrument unter mehreren im Rahmen der Arbeitsförderung ist. Daneben gibt es noch Umschulungen, Weiterbildungen usw.
Was die Lohnentwicklung anbelangt, so liegt diese weitgehend nach wie vor in den Händen der Tarifparteien und zementiert wird da nix.
Die Politik muss man hier auch mal loben. Die Reformen sind sicherlich nicht der Stein des Weisen gewesen, aber sie haben die richtige Richtung gewiesen. Andernfalls wäre bis zur Finanzkrise keine solch positive Entwicklung möglich gewesen.
Woran sich die Politik allerdings schleunigst begeben sollte (und ich verstehe die FDP nicht, warum sie dies nicht massiv in den Vordergrund gerückt hat), ist die Beseitigung der kalten Progression, die vor allem geringe und mittlere EInkommen belastet und Leistung unattraktiv macht.
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REFORM:
Tiefgreifende Korrekturen bei Hartz IV geplant
Die bisherige Kopplung der Sätze an die Rentenentwicklung wird aufgegeben

BERLIN - Bundessozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) plant bei der notwendigen Hartz-IV-Reform tiefgreifende Korrekturen. Die bisherige Kopplung der Sätze an die Rentenentwicklung werde – wie vom Bundesverfassungsgericht gefordert – aufgegeben, sagte ein Sprecher des Sozialministeriums gestern in Berlin. Wie sich die Bezüge für Langzeitarbeitslose und Sozialfälle künftig entwickeln, könne künftig von der Inflation, den Nettolöhnen und/oder der Wirtschaftsentwicklung abhängen. Welche Faktoren die Bezüge letztendlich wie stark beeinflussen werden, ist nach Angaben des Ministeriumssprechers aber offen. „Festlegungen sind nicht getroffen.“...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... klung.html
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elysian
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Hier zwei gegensätzliche Kommentare aus der heutigen Presseschau:
Die in Düsseldorf erscheinende RHEINISCHE POST argumentiert:
"Wenn Arbeitsministerin Ursula von der Leyen die eigene Klientel nicht vergrätzen will, muss sich ihre Reform der Regelsätze für Hartz-IV-Empfänger an der Realität der Mittelschicht orientieren. Die Mahner in den Fraktionen von Union und Liberalen haben Recht, wenn sie darauf dringen, dass sich der Ausstieg aus Hartz-IV für eine Familie bezahlt machen muss. Nur so lange das Lohnabstandsgebot auch Realität ist, wird sich der Sozialstaat dauerhaft finanzieren lassen", mahnt die RHEINISCHE POST.


Das sieht die THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG ganz anders:
"Die unsägliche Debatte um das Lohnabstandsgebot soll doch nur kaschieren, dass in vielen Branchen eben Löhne gezahlt werden, die kaum über dem Existenzminimum liegen. Hier hilft nur das Nachdenken über einen Mindestlohn, der es den Menschen, die arbeiten, erlaubt, von ihrer Arbeit auch ein halbwegs auskömmliches Leben zu führen. Das hat mit den Hartz-IV-Sätzen nichts zu tun. Denn die müssen dringend angehoben werden", betont die THÜRINGISCHE LANDESZEITUNG aus Weimar.
Ich neige der RP zu. M.E. verkennt die Gegenansicht das Wesen des Lohnabstandsgebots. Denn dieses besagt nicht, dass die Löhne möglichst niedrig zu sein haben. Es besagt aber, dass zwischen der Höhe der Transferleistungen und dem unteren Einkommen eine Differenz bestehen muss, die die Arbeitsaufnahme attraktiv macht. Ein Mindestlohn würde insoweit nur dazu führen, dass dieselbe Debatte auf einem höheren Einkommensniveau geführt würde.
Abgesehen davon würde die Armut auch nicht geringer. Zum einen weil davon aus Erfahrung ausgegangen werden muss, dass Preise und damit die Lebenshaltungskosten nachziehen. Zum anderen weil unser Armutsbegriff ein relativer Begriff ist und infolge eines Mindestlohnes und dann gestiegenem Durchschnitteinkommens auch der Armutswert ansteigt. Dass Mindestlöhne nicht das Mittel sind, das gewünschte Ergebnis zu zeitigen und erst recht kein Wundermittel, zeigt allein schon das Beispiel Großbritanniens. Die Debatte in Deutschland ist merkwürdig verkürzt. Eine MIndestlohnregelung darf, wenn überhaupt, eigentlich nur ein Teil einer umfassenden, strukturellen Reform sein. Wo aber sind die Vorschläge für ein solches Reformkonzept?
Dass die Hartz-IV-Sätze angehoben werden müssten, bleibt bis dato lediglich eine Behauptung, ohne hierfür irgendeinen Beweis oder ein sinnvolles Argument vorgelegt zu haben. Das Gutscheinkonzept kann allerdings sinnvoll sein. Schließlich besteht einerseits das berechtigte Interesse verantwortungsvoller Arbeitsloser an bestimmten staatlichen Leistungen, die so gewährt werden und überprüfbar sind, andererseits ist aber auch gewährleistet, dass die Transferleistung nicht zweckentfremdet eingesetzt werden kann. Insbesondere die Versorgung der Kinder kann dann nicht von verantwortungslosen Personen in Rauschmittel, hierzu zähle ich auch Alkohol(!), investiert werden.
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elysian hat geschrieben:Ich neige der RP zu. M.E. verkennt die Gegenansicht das Wesen des Lohnabstandsgebots. Denn dieses besagt nicht, dass die Löhne möglichst niedrig zu sein haben. Es besagt aber, dass zwischen der Höhe der Transferleistungen und dem unteren Einkommen eine Differenz bestehen muss, die die Arbeitsaufnahme attraktiv macht. Ein Mindestlohn würde insoweit nur dazu führen, dass dieselbe Debatte auf einem höheren Einkommensniveau geführt würde.
Abgesehen davon würde die Armut auch nicht geringer. Zum einen weil davon aus Erfahrung ausgegangen werden muss, dass Preise und damit die Lebenshaltungskosten nachziehen. Zum anderen weil unser Armutsbegriff ein relativer Begriff ist und infolge eines Mindestlohnes und dann gestiegenem Durchschnitteinkommens auch der Armutswert ansteigt. Dass Mindestlöhne nicht das Mittel sind, das gewünschte Ergebnis zu zeitigen und erst recht kein Wundermittel, zeigt allein schon das Beispiel Großbritanniens. Die Debatte in Deutschland ist merkwürdig verkürzt. Eine MIndestlohnregelung darf, wenn überhaupt, eigentlich nur ein Teil einer umfassenden, strukturellen Reform sein...
Nur ein Teil - das ist natürlich richtig. Andererseits bin ich ein Verfechter des Mindestlohns. Daß durch einen Mindestlohn im Grunde alles beim Alten bleibt, nur das Niveau der Armut würde sich erhöhen, kann ich nicht sehen. In vielen Branchen sind die Tarife ohnehin höher, als ein eventueller gesetzlicher Mindestlohn. Andererseits gibt es aber erwiesenermaßen Branchen, in denen ein Mindestlohn sinnvoll ist - gerade mit Blick auf die sich öffnenden Grenzen nach Osteuropa, weil dort Beschäftigte zum Arbeitseinkommen einer Vollzeitstelle noch zusätzlich Transferleistungen in Form von Wohngeld oder sogar Hartz IV beantragen müssen. Eine Erhöhung des Arbeitseinkommens einiger Beschäftigter durch einen gesetzlichen Mindestlohn führt meines Erachtens nicht zu einer erhöhten Inflation, holt aber diese Beschäftigten aus der Armut. In diesem Zusammenhang frage ich mich immer, wo die Grenze von den weniger Bemittelten zum "Mittelstand" liegt. Wer gehört zum "Mittelstand"? Meiner Definition nach waren das vor allem Selbständige oder auch angestellte Ärzte und so ab einem bestimmten Jahreseinkommen - oder?
elysian hat geschrieben:Das Gutscheinkonzept kann allerdings sinnvoll sein. Schließlich besteht einerseits das berechtigte Interesse verantwortungsvoller Arbeitsloser an bestimmten staatlichen Leistungen, die so gewährt werden und überprüfbar sind, andererseits ist aber auch gewährleistet, dass die Transferleistung nicht zweckentfremdet eingesetzt werden kann. Insbesondere die Versorgung der Kinder kann dann nicht von verantwortungslosen Personen in Rauschmittel, hierzu zähle ich auch Alkohol(!), investiert werden.
Ganz genau so sehe ich das auch und wird auch in meinem Vorschlag, den ich in Kürze hier wahrscheinlich als Blog vorlegen werde, enthalten sein.
:wink:
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