Suebe hat geschrieben:Mal kurz:
Die Moselromanen sind bis ca. 1000 noch nachzuweisen.
Die Moselromanen sind ein beliebtes und sehr treffendes Beispiel. Moselromanische Sprachinseln überlebten bis ins 11. Jh. (!) und man kann davon ausgehen, dass auch in anderen linksrheinischen Regionen romanische Bevölkerungsreste noch längere Zeit existierten.
Im linksrheinischen römischen Germanien erlosch die römische Zivilisation nach verheerenden Einbrüchen der Franken im 4. Jh. und der endgültigen Eroberung des Rheinlands im 5. Jh.
Alemannen und Franken überschritten 352 und 353 in breiter Front den Rhein und brachen tief in Gallien ein. Bis zur Rückeroberung der Germania secunda unter Julian (356-359) blieb diese Provinz außerhalb des römischen Zugriffs. Die Provinzhauptstadt Köln musste geräumt und den Gegnern überlassen werden und wurde zu großen Teilen zerstört und niedergebrannt.
Schon zu diesem Zeitpunkt verließen römische Gutsbesitzer ihre Landgüter. Teilweise wurden Flügel einzelner Gutshöfe vermauert und restliche Gebäudeteile notdürftig weitergenutzt, bis auch sie schließlich verlassen wurden und zerfielen [1]. Schon damals verließen römische Beamte, Händler und Handwerker das unsicher gewordene linksrheinische Gebiet, zogen sich nach Gallien zurück oder wanderten in einstweilen noch sichere römische Provinzen ab.
Nach immer wieder neuen Einfällen von Franken und Alemannen wurde die niedergermanische Grenzverteidigung zu Beginn des 5. Jh. aufgegeben. Wann das genau geschah, ist umstritten. Einige votieren für 411, andere für 413, d.h. spätestens am Ende der Regierungszeit des Iovinus. Diese Aufgabe des niedergermanischen Limes verlief vermutlich friedlich; angesichts der Situation gab es nichts mehr zu verteidigen.
Mitte des 5. Jh. waren römische Beamte, Händler und Handwerker sowie Soldaten aus den einst römischen linksrheinischen Gebieten verschwunden. Während die Römerstädte verödeten, siedelten sich Franken in primitiven Holzbauten in ihrer Nähe an. Erst im Verlauf einiger Jahrhunderte wurden die römischen Stadtareale erneut bebaut, eine Entwicklung, die sich z.B. in Köln archäologisch gut verfolgen lässt. Zugleich wird die fränkische Bevölkerung anhand ihrer charakteristischen Reihengräber fassbar.
An anderen Stellen des römischen Germanien verlief die Entwicklung ähnlich. So fällt in die Jahre 420 oder 421 ein Frankeneinfall, der die Stadt Trier innerhalb kurzer Zeit zum dritten Mal zerstörte.
Allerdings waren die neuen Herren klug genug, sich in die politischen und wirtschaftlichen Zentren zu setzen. Somit blieben die wenigen überregionalen Zentren am Rhein und an den wichtigsten Römerstraßen zum größten Teil erhalten, wenn auch der germanische Bevölkerungsanteil die romanisierte Restbevölkerung entweder verdrängte oder assimilierte. Das Leben ging also weiter, wenn auch unter anderen Voraussetzungen.
Überhaupt keine Kontinuität gab es bei den römischen Gutshöfen. Die wenigen Gutshöfe, die wir noch im 4. Jh. in den fruchtbaren Lößbödenlandschaften (anderswo brach die Besiedlung schon Ende des 3. Jh. ab) kennen, hören am Ende des 4. und zu Beginn des 5. Jh. auf zu existieren. Erst im hohen Mittelalter wurde wieder die Bevölkerungsdichte der römischen Epoche erreicht. [1]
Führt man sich diese Entwicklung vor Augen, so wird deutlich, warum die Schriftlichkeit verschwand, eine Rückkkehr zur Naturalwirtschaft erfolgte, verbunden mit einem kulturellen und zivilisatorischen Niedergang. Zeitgenössische Quellen wie die des hl. Severin für Bayern (Vita Sancti Severini) geben ein anschauliches Bild davon, wie die Gebiete des römischen Germanien nach Abzug der Römer und der Eroberung durch Franken links des Rheins oder der Markomannen u.a. südlich der Donau völlig barbarisiert wurden, da die Eroberer des Römischen Reiches außerstande waren, dessen Institutionen in der alten Form weiterfunktionieren zu lassen.
Dass dieser Vorgang ein Prozess war, der in den ehemaligen Provinzen Westroms mit unterschiedlicher Geschwindigkeit ablief, versteht sich von selbst.
[1] Heinz Günter Horn (Hrsg.), Die Römer in Nordrhein-Westfalen, Stuttgart 1987