14.01.2017, 16:44
Gestern Nachmittag.
Ort: Schulungsraum Integrationskurs. Unweigerlich der letzte gemeinsame Unterrichtstag. Zwei TN müssen/ dürfen früher gehen, weil, vom Job-Center erlaubt, sie stundenweise in ihrem Beruf arbeiten dürfen, sollen.
Beide kommen zu mir, verabschieden sich mit Handschlag und bedanken sich auf Deutsch, dass ich mir so viel Mühe gegeben habe, ihnen individuell die Tücken der deutschen Sprache zu erklären. Gehört für mich zum Handwerk und ist Pflicht. Einer der beiden dankte mir im Namen seiner Frau, die im Libanon ist. " Sie haben auf mich aufgepasst als ich krank wurde( Notarzteinsatz, richtig erkannt, was im gange war) und mir sehr geholfen, dass ich Mut habe zum Lernen und nicht dumm bin!"
Unterrichtsende: 16 Männer und eine Frau stehen Schlange, alle verabschieden sich mit Handschlag, Dankesworten und ja, einige der harten Kerls hatten Tränen in den Augen. ( Ich auch, sind wirklich tolle Menschen in der Gruppe gewesen, und wir haben gelacht und auch mal gezofft, und voneinander übereinander doch einiges gelernt.)
Zum Schluss kam der Kursälteste, der mein jüngerer Bruder sein könnte. Eine eindrucksvolle Persönlichkeit, Respektsperson, einenen wunderbaren leisen Humor dazu, es gab von Anfang an eine stille Verständigung und gegenseitiges Verstehen- ohne große Worte.
Mal heiter, mal auch in schwierigen Situationen, ob im Kurs oder ob im privaten Rahmen, irgendwie wussten wir immer voneinander, dass man eigentlich lieber weinen würde als sich mit Deutsch zu beschäftigen.
Erst Handschlag und Dankesworte.
Dann eine Umarmung, er durfte sich das erlauben, mit Küsschen rechts und links auf die Wange. Der folgte die größte Respektsbezeugung und Ehre, und die mir aus diesem Kulturkreis von einem verheirateten Mann seines Alters widerfahren konnte, wobei es gleichzeitig auch ein Beweis von Zuneigung ist:
Der Kuss auf die Stirn. Die ganz persönliche Anerkennung, aber auch im Namen der jüngeren TN, denen wieder der Respekt verbot, gleichermaßen zu handeln.
Keiner der vielen Abschiedsblumensträuße in meiner Lehramtstätigkeit bedeutet mir so viel diese Geste eines außergewöhnlichen Menschen gestern.
Soweit das zum möglichen Verhalten muslimischer Männer gegenüber Frauen.
Das Geschriebene möchte ich nicht als beschwichtigende allgemeingültige Aussage verstanden wissen, das Ausblenden von Problemen ist nicht mein Ding.
"Wir schaffen das!" ?
Ich wiederhole es nochmal: Mit vielen, die gekommen sind, ist vieles zu schaffen, und es macht Spaß, lohnt sich, gemeinsam zu arbeiten, und so ganz nebenbei habe ich einiges gelernt, über Kultur, gelebte Religion, wo wirklich sprachliche Schwierigkeiten liegen oder eben jene, das Modell Deutschland wirklich zu verstehen. Seit der zornigen Erklärung an die Adresse einiger, wer hier in diesem Land für sie arbeitet und zahlt, eben auch die Kollegen und Kolleginnen, und wieviel wir vom Lohn/ Gehalt abbgezogen bekommen, gab es bei den meisten TN richtigen, ehrlichen Respekt und Dankbarkeit, gleichzeitig das ehrenhafte Ziel, eines Tages auch Steuern zahlen zu dürfen.
Manche, nicht alle, möchten bleiben, und eben nicht als Sozialschmarotzer. Andere, und den Spruch fand ich herrlich: "Deutschland mitnehmen, Ordnung machen in Syria, alle Steuern und Krankenkasse zahlen, ordentlich im Straßenverkehr, und so leben, dass man sich gegenseitig anpassen muss, aber nicht erschießen, weil andere Meinung. IS muss weg, und dann ein bisschen Deutschland in Syrien. So vieles ist sehr gut hier, dass man lernt! Nur Wetter nehm ich nicht mit!"
Letzteres ist nachvollziehbar...
Schattenseiten? Die kennen wir alle, und ich bin die letzte, die sie bestreitet, weil ich sie eben auch konkret erlebe.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri