Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

Allgemeine politikwissenschaftliche Diskussionen

Moderator: Barbarossa

ehemaliger Autor K.

Pepponne:
In allen alten Hochkulturen war es also so, dass König mindestens eine priesterliche Funktion gehabt hat, in den großen Hochkulturen war er meist als Mittler zwischen irdischer und göttlicher Sphäre ein über die anderen Priester gestellter "Funktionär". Zwar wurden die Könige selten vergöttlicht (aus Ägypten - Ramses II. - und aus Mesopotamien sind uns zwar nur zwei Beispiele bekannt, in denen ein lebender König göttliche Verehrung genoß, dennoch sind Religion und weltliche Macht in den Hochkulturen nicht zu trennen.
Etwas anderes wird auch eigentlich nirgendwo behauptet. Der Streit, der in der Literatur geführt wird, ist meines Erachtens nicht sehr hilfreich, nämlich ob der Herrscher vor allem Priester oder vor allem weltlicher Regent war. Ich weiß nicht, ob diese Frage die Menschen damals überhaupt interessiert hat, denn für sie gab es keinen Unterschied zwischen der Realität und der Welt der Götter, da in ihrem "magischen Weltbild" beides eine Einheit bildete. Unterschiede herauszuarbeiten ist vor allem eine Spitzfindigkeit heutiger Forscher.
Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.
Renegat
Mitglied
Beiträge: 2045
Registriert: 29.04.2012, 19:42

Karlheinz hat geschrieben: Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.

Irgendeine Form von situationsbezogener Anführerschaft durch big man, Häuptlinge, Dorfälteste kann man für die neolithische Phase vor den Hochkulturen schon annehmen. Dazu wird oft mit Gruppengrößen operiert.
Für mich ist dabei die Frage, wie diese frühhierarchischen Strukturen sich verfestigten, also wann und wie sie erblich wurden.
Benutzeravatar
Peppone
Mitglied
Beiträge: 2414
Registriert: 30.04.2012, 18:41

Karlheinz hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob diese Frage die Menschen damals überhaupt interessiert hat, denn für sie gab es keinen Unterschied zwischen der Realität und der Welt der Götter, da in ihrem "magischen Weltbild" beides eine Einheit bildete. Unterschiede herauszuarbeiten ist vor allem eine Spitzfindigkeit heutiger Forscher.
Volle Zustimmung.
Karlheinz hat geschrieben:Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.
Wie gesagt: Am Ursprung, bei den bäuerlichen, neolithischen Kulturen, wird man sehr häufig demokratische Strukturen finden. Aber im Stadium der Hochkultur werden davon nur noch Rudimente übrig sein, etwa in einer gewissen Form bäuerlicher Selbstbestimmung, wie sie etwa im China der Shang nachzuweisen zu sein scheint (!).
Auch die Bauern Ägyptens scheinen in der Zeit der ersten Dynastien noch eine gewisse Selbstbestimmung gehabt zu haben, die erst verschwand, als nach und nach die Tempel den Großteil des Landes in Besitz nahmen. Die Pyramiden wurden ja nicht von Sklaven, sondern von Bauern gebaut, die in der Bauzeit vom Staat versorgt wurden. Und noch die Erbauer der Königsgräber im Tal der Könige waren hochbezahlte und gesuchte Spezialisten.

Beppe
ehemaliger Autor K.

Peppone:
Am Ursprung, bei den bäuerlichen, neolithischen Kulturen, wird man sehr häufig demokratische Strukturen finden. Aber im Stadium der Hochkultur werden davon nur noch Rudimente übrig sein, etwa in einer gewissen Form bäuerlicher Selbstbestimmung, wie sie etwa im China der Shang nachzuweisen zu sein scheint (!).
Wie gesagt, man muss diese Strukturen natürlich empirisch nachweisen. Wenn dies gelingt, okay. Reste bäuerlicher Selbstverwaltung finden sich lange Zeit fast überall auch in den Hochkulturen, von Historikern als „Bettlerdemokratie“ bezeichnet. Letzte Überreste? Möglich.

Was Ägypten betrifft: vor dem Beginn der thinitischen Dynastien gab es eine ganze Reihe lokaler Herrscher mit privilegierten Führungsschichten. Diese Regenten wurden offensichtlich nicht gewählt. Wahrscheinlich lokale Dynastien. Vorläufer der späteren Pharaonen. Die Demokratie war wohl schon frühzeitig auf eine „Bettlerdemokratie“ reduziert worden, falls es überhaupt jemals dort Demokratie gab, also gewählte Führer.

Vorstellbar ist eine ganz andere Entstehungsmöglichkeit. Falls die Nilbewohner ursprünglich aus der austrocknenden Sahara stammen, bildeten sie dort vermutlich Savannenkönigreiche, wie sie von den europäischen Entdeckungsreisenden beschrieben wurden, also erbliches Häuptlingsamt, Sippenadel, nur geringe politische Partizipationsmöglichkeiten der meisten Stammesmitglieder. Da das Niltal ursprünglich sehr sumpfig war, mussten erhebliche Vorarbeiten geleistet werden, um das Land überhaupt erst urbar zu machen. Vermutlich haben die Häuptlinge diese Arbeiten organisiert und sich dann anschließend als lokale Dynasten etabliert.

Dies halte ich für die wahrscheinlichste Variante. Aber wie gesagt, was logisch erscheint, muss nicht stimmen. Wir brauchen Beweise, sonst ist alles nur graue Theorie.
Benutzeravatar
Peppone
Mitglied
Beiträge: 2414
Registriert: 30.04.2012, 18:41

Karlheinz hat geschrieben:Vorstellbar ist eine ganz andere Entstehungsmöglichkeit. Falls die Nilbewohner ursprünglich aus der austrocknenden Sahara stammen, bildeten sie dort vermutlich Savannenkönigreiche,
Vorstellbar, all in all auch logisch. Aber wie sind diese Savannenkönigreiche entstanden? Doch wohl auch mit gewissen demokratischen Tendenzen.
Überdies:
Der "Umzug" ins Niltal (der wohl definitiv stattgefunden hat) bedingte eine Vermischung verschiedenster Bevölkerungen. Denkbar, dass eine gewisse Bevölkerungsgruppe, die schon in der Sahara-Savanne eine größere Durchsetzungskraft hatte als andere, auch im Niltal die Führung übernahm.
Wie kann dann die religiöse Monarchie der ersten Pharaonen daraus entstanden sein?
Bestimmte religiöse Vorstellungen müssen eine Vormachtstellung eingenommen haben. Denkbar, dass all diese saharischen Bevölkerungen eine ähnliche Religion hatten, mit Tier-Dämonen als Repräsentanten der Naturmächte (das war im Wesentlichen auch die spätere ägyptische Religion). Aus dem Schamanismus stammte dann wohl die Vorstellung von einem quasi-göttlichen Oberherrscher, der die Mittlerrolle zwischen Diesseits und Jenseits einnahm (eine originär schamanistische Vorstellung).
Das muss dann aber eine ganze Zeitlang vor der 0.Dynastie bzw. vor der prädynastischen Zeit passiert sein, denn mit den ersten schriftlichen Zeugnissen tritt uns die ägyptische Kultur und Religion schon in voller Ausfertigung entgegen.

Wie gesagt: Alles bislang nicht erwiesen, wohl auch nicht zu beweisen, aber gerade in dieser frühen Phase der Geschichte sind wir im Wesentlichen NUR auf Spekulationen angewiesen, mangels schriftlicher Zeugnisse (und in Ägypten auch mangels archäologischer Zeugnisse).

Beppe
Aneri

Ich habe die Diskussion verfolgt . Leider habe ich jetzt Zeitnot und zusätzlich verreise für eine Woche. Daher kann jetzt mich nicht außern.

Also bis später.
Aneri

Aneri hat geschrieben: Ähnlich geht es Hochkulturen und späteren Staaten. Sie beginnen in (relativ „demokratischen“ aber mit starker Führung) Stadt-Staaten, die gesetzmäßig zum autoritären Reich mutieren. Das autoritäre/totalitäre Stadium scheint gesetzmäßig zu sein, das bei manchen Staaten nur milder verläuft.
Karlheinz hat geschrieben: Die Betrachtung der Geschichte zeigt, dass die meisten Hochkulturen schon am Anfang diktatorische Gebilde waren.
Aneri hat geschrieben: Ich habe nicht umsonst „demokratisch“ in Anführungszeichen gesetzt...
Ich würde nicht starke Führung mit Diktator gleichstellen.
Karlheinz hat geschrieben: Aufgrund der archäologischen Befunde zeigen sich die weitaus meisten Hochkulturen bereits im ganzen frühen Stadium als hierarchische, undemokratische Ordnungssysteme.
Da es waren hierarchische Ordnungssysteme, ist selbstverständlich. Es ist das Wesen der staatlichen Struktur.
Karlheinz hat geschrieben: Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet.
Noch mal zu Feststellung. Ich habe „demokratisch“ in Anführungszeichen gesetzt. Wenn schon, dann bitte nachhacken, was ich unter DEM gemeint habe. Ich kann auch dein erstes Zitat in der Formulierung nicht hinnehmen. Aus rein logischen Gründen, da für das diktatorische Regime müssten schon die staatlichen Strukturen, die die Macht stützen, schon vorhanden sein.
Ich finde die Vorstellung primitiv, wenn Einer kommt und die Macht auf sich reist. Er bzw. sein Vorgänger müsste vorher von einem Rat unterstützt werden. Ihm würde freiwillig die Macht in die Hand gegeben. Irgendjemand hat hier ein Bild von dem Ältestem des Stammes gemalt, dessen Familie immer mehr geehrt würde und auf die Weise könnte ein König entstehen. M. E reicht es nicht – die Stammebene. Es müsste Verbund der Stämme entstehen, die zweite Ebene der Wechselwirkungen/Kommunikation bildet, die die Spezialisierung, Differenzierung und Zentralisierung innerhalb des Stammes unterstützt. Diese Ansicht wird auch von der Gesetzmäßigkeit einer Menge der Stadtstaaten in einer Hochkultur unterstützt.
Ein Verbund wird nicht nur von den gemeinsamen Interessen begleitet (z.B. gegen ein Feind), es gebe auch gegensätzliche Interessen, die Spannungen erzeugen. Es geht um eine Dominanz einen über den anderen. Die Kombination der inneren und äußeren Gegebenheiten unterstützen mal das Gemeinsame, mal Gegensätzliche. Dennoch die Gesetzmäßigkeit der Hochkulturen zeigt sich, dass vor der Entstehung der Stadtstaaten die Beziehungen tendierten zu dem Gemeinsamen (z.B. durch eine Religion), nach der Entstehung gab es Periode fließenden Gleichgewichts (es gab nachweißlich die Handel-Beziehungen die mit Konkurrenz begleitet wurden), der zur Tendenz zum Gegensätzlichen umkippte (--> Reich-Staat).
Wenn ich spiegele es auf die Ebene des Stadt-Staates, denn gab es bei der Zentralisierung eine Etappe der Bildung der zentralen Macht, die aus der Akkumulation der gemeinsamen Interessen hervorgeht, bis die Macht sich s. z. durch die eigene Interesse verselbständigt. Es entsteht ein Stadt-Staat. Dann folgt die Etappe des fließenden Gleichgewichts zwischen den Interessen der Gemeinschaft und der Macht, in dem allmählich die Gegensätzlichkeit der Interessen wächst. In dritter Etappe kippt das Interessenverhältnis. Der König sein Interesse stellt über die Gemeinschaft. Hier kommt das Diktatorische zum Vorschein.
Ich beziehe mich auf die zweite Etappe, wenn ich spreche über relativ „demokratische“ Verhältnisse am Anfang des Stadt-Staates, wenn Interessen der Gemeinschaft und der Macht sich überwiegend überdeckten. Zugegeben unzutreffende Bezeichnung. Dennoch finde ich falsch die zwei Etappen nicht zu unterscheiden. In dritte Etappe wird absichtlich ein Teil der Gemeinschaft geopfert, um das Erhalten des anderen Teils zu gewähren, und dieser zu schutzende Teil sich auf das Zentrum schrumpft.
In zweiter Etappe funktioniert die Macht noch als Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Interessen (daher nannte ich „demokratisch“), wenn sie auch von einer Person definiert wurden. In dritte – diktatorische - Etappe versteht die Macht die Gemeinschaft als das Medium für das Durchsetzen eigene Interessen und Ideen. Dies meine ich, ist großer Unterschied, der festgehalten muss.

Anderer Aspekt, der meistens in der Analyse der Hochkulturen geht unter, ist die Bedeutung der Religion. Nur wenn eine Weltanschauung entsteht, die ein Verbund der Stämme gemeinsam teilt, kann eine Hochkultur entstehen. Dass dieser Aspekt sehr wichtig ist, zeigt die Tatsache, dass die architektonisch aufwendige religiösen Städten noch vor der Entstehung der Hochkulturen nachzuweisen sind. Sie brachten nicht notwendige Weise zu Entstehung der Hochkulturen, dennoch ist eine notwendige Voraussetzung für die Hochkulturen.
Dies auch müsste für das Wachstum der Wechselwirkungsrate auf der Ebene der Beziehungen zwischen Stämmen sorgen, die wiederum wie o. b. soziale Entwicklungen auf Stammes-Ebene bewirkten. Wenn noch die übrige (soziale, kulturelle und geo-klimatische) Umwelt es unterstützt hatte, dann mündete es in den Hochkulturen.
Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Zurück zu „Politische Theorien“