Neue Proteste in Ägypten

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Moderator: Barbarossa

Renegat
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Schade, dass das Thema so untergeht oder auch wieder nicht, ist schließlich recht unterhaltsam, wenn da nicht doch so manche, zwar satirisch überspitzte, aber die Stimmungslage doch zutreffend beschreibende Untertöne wären.
Die Satireeinlagen sind fast zu schade, um nur schlapp drüberwegzulachen.
Schwierig, da rauszufinden. Hilft vielleicht ein Thema mit Befindlichkeiten und wie sich diese auf Politik auswirken, so als gemeinsame Forencouch?
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Vergobret
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Halte ElBaradai auch für nicht den besten Kandiadaten. Er scheint im Westen wesentlich beliebter zu sein, als in Ägypten. Das wäre das falsche Signal.
„In all den Jahren habe ich so viele junge Männer gesehen,
die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
Aber das stimmt nicht.
Sie liefen alle zu mir.“
so sprach der Tod

Aus „Die Bücherdiebin“
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben:Schon interessant, dass der arabische Frühling immer wieder mit der Weimarer Republik verglichen wird. Haben wir da etwa ein nicht bewältigtes Trauma?
Den Ägyptern und den anderen Staaten in Nahost, der Türkei, Brasilien und vielen anderen Staaten kann man getrost ihren eigenen politischen Weg zutrauen. Sie leben ja nicht allein auf der Erde, können selber denken und aus unseren Fehlern lernen, zudem sind sie gut vernetzt.
Was ist das deshalb nur immer mit der WR? Aus heutiger Sicht, wenn ich mal die ganzen wortreichen Rechnereien außen vor lasse, frage ich mich ernsthaft, warum nicht auch eine Links Koalition aus SPD, KPD vom Zentrum und den bürgerlichen Kleckerparteien hätte geduldet werden können. Ist da damals etwa auch zuviel geredet und gehetzt worden, anstatt miteinander zu reden.
Waren die Kommunisten damals die vielgeschmähten Angstgegner wie heute die Islamisten?
Und ist sowas gut für eine Demokratie wenn es Parteien gibt, mit denen man angeblich grundsätzlich nicht koalieren kann?
Das ist tatsächlich eine interessante Frage, Renegat.
Ich glaube, die derzeitige Situation in Ägypten ist eine ganz ähnliche, wie wir sie in D. zu Beginn der Weimarer Republik hatten - darum bietet sich der Vergleich durchaus an.

1.) Da wurde zum einen der bisher autoritär regierende Despot abgesetzt - die bisherigen Nutznießer (die Militärs) wollten aber ihre Macht so weit wie möglich aufrecht erhalten.
D: dt. Kaiser - Ägypten: Mubarak
2.) Dann gab es zum anderen die Demokraten, die den Despoten in einer Revolte/Revolution abgesetzt haben und einen demokratischen Staat anstreben.
D: SPD/Zentrum/DDP ... - Ägypten: "junge Facebook-Generation"
3.) Und dann gab/gibt es dann aber noch solche, die auch erst mit der Revolution mitschwammen, im Grunde aber noch reaktionärere Ziele verfolgten und mit Demokratie ebenfalls nichts im Sinn haben und eine Diktatur im Sinne ihrer Weltanschauung anstreben, womit die noch junge Demokratie noch weitere gefährliche Gegner hat.
D: KPD/NSDAP - Ägypten: Muslimbrüder, Salafisten ...

Deine Frage nach einer eventuellen Regierungsbeteiligung von WR-KPD bzw. Ägypten-Muslimbrüder/Salafisten u.ä. beantwortet sich damit fast von selbst. Denn die Frage ist ja tatsächlich:
Wie geht man mit einer Partei um, die schon von ihrer Weltanschauung her die erkämpfte Freiheit und Demokratie gleich wieder abschaffen und ein neues diktatorisches Regime im Sinne ihrer Weltanschauung errichten wollen?
Wenn du das Magazin über die WR aufmerksam gelesen hast, dann weißt du auch, daß selbst eine Kandidatur der KPD für den Reichstag innerhalb der Partei heftig umstritten war, weil man das bestehende System eben nicht akzepieren mochte. Und da muß man eben sagen, daß solche Gruppierungen eben solange nicht in Regierungen einbindbar sind, solange sie an ihrer radikalen Weltanschauung festhalten. Im Gegenteil: Eigentlich müßte man solche Parteien verbieten, die das bestehende System schon vom Prinzip her ablehnen, außer man will einen Systemwechsel riskieren - aus welchem Grund auch immer (den ich jedoch nicht nachvollziehen kann).

Die Lehre daraus:
Das wiederum würde für Ägypten im Umkehrschluss bedeuten, daß man wahrscheinlich nicht drumherum kommt, die radikal-islamischen Parteien zu verbieten, wenn sie nicht von ihren radikalen Positionen abrücken.
Die Diskussion ist eröffnet!

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Titus Feuerfuchs
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Renegat hat geschrieben:Schon interessant, dass der arabische Frühling immer wieder mit der Weimarer Republik verglichen wird.
In der Tat, zumal die vorgeschobenen Analogien an den Haaren herbeigezogen sind; die Voraussetzungen in der WR waren nämlich gänzlich andere.
Renegat hat geschrieben: Haben wir da etwa ein nicht bewältigtes Trauma?
Manche schon.
Renegat hat geschrieben: Den Ägyptern und den anderen Staaten in Nahost, der Türkei, Brasilien und vielen anderen Staaten kann man getrost ihren eigenen politischen Weg zutrauen. Sie leben ja nicht allein auf der Erde, können selber denken und aus unseren Fehlern lernen, zudem sind sie gut vernetzt.
In der Tat. Nur wird dieser Weg eben nicht so ausssehen, wie es dem einen oder anderen Feuilletonisten hier gefallen mag. Es gibt zz nur zwei Alternativen: Islamistische Diktatur oder Militärdiktatur.

Beides ist besser als eine Anarchie, denn diese wirkt sich nicht nur auf Ägypten verheerend aus.
Renegat hat geschrieben: Was ist das deshalb nur immer mit der WR? Aus heutiger Sicht, wenn ich mal die ganzen wortreichen Rechnereien außen vor lasse, frage ich mich ernsthaft, warum nicht auch eine Links Koalition aus SPD, KPD vom Zentrum und den bürgerlichen Kleckerparteien hätte geduldet werden können. Ist da damals etwa auch zuviel geredet und gehetzt worden, anstatt miteinander zu reden.
So spricht man aus heutiger Sicht mit der heutigen Sozialistion. Die Gegensätze waren damals unüberbrückbar, in Österreich dito.
Renegat hat geschrieben: Waren die Kommunisten damals die vielgeschmähten Angstgegner wie heute die Islamisten?
Islamisten sind in Ägypten keine Angstgegner.
Die Kommunisten in der WR waren vor allem Hassgegner, weniger Angstgegner. Sie hassten und wurden gehasst.
Renegat hat geschrieben: Und ist sowas gut für eine Demokratie wenn es Parteien gibt, mit denen man angeblich grundsätzlich nicht koalieren kann?
Warum nicht, solange sich diese Parteien innerhalb der geltenden Gesetze bewegen?
Zuletzt geändert von Titus Feuerfuchs am 08.07.2013, 05:26, insgesamt 1-mal geändert.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Titus Feuerfuchs
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Karlheinz hat geschrieben:
[...]Weitere Beispiele sind Japan, Italien, Österreich, mit Einschränkung auch Griechenland. Die Beispiele zeigen auch: Wirtschaftshilfe erfüllt dann seinen Zweck, wenn in einem Land schon alle Voraussetzungen gegeben sind für einen raschen Aufschwung. Deutschland war auch 1946 ein hochentwickelter Industriestaat, zwar zerstört, aber man musste ihn halt wieder aufbauen. Industrieanlagen waren vielfach noch intakt, es gab eine hochqualifizierte Arbeiterschaft, kluge und erfahre Unternehmer, gutes Schulsystem, gute Universitäten, Wissenschaft und Forschung hatten einen hohen Stand usw. All dies musste wieder aktualisiert werden und dies ist viel einfacher als in einem Land wie Ägypten, wo die Menschen bis 1945 zu 90% analphabetische Bauern waren, wo es keine Industrie und nichts dergleichen gab. Ägypten hat seit der Unabhängigkeit 1948 auch sehr viel Wirtschaftshilfe erhalten, zuerst aus der Sowjetunion, später aus den USA, die auch jetzt immer noch jedes Jahr viel Geld zahlen. Aber wenn dies alles in den Taschen korrupter Militärs landet und nicht zum Aufbau des Landes benutzt wird, bringt dies alles nichts. Deshalb versickerten ja auch die Gelder in Vietnam und anderen Staaten ohne Ergebnis.[...]
Genau so ist es. Dieser Sachverhalt liegt auf der Hand.

Die BRD hat sich im Wesentlichen am eigenen Schopf aus dem Dreck gezogen. Es wurden (auch in Westdeutschland) massig Industrieanlagen demontiert und know how außer in Form von unzähligen Patenten und Experten außer Landes gebracht. Dazu kommt eine Dreiteilung des Staatsgebietes und Millionen Flüchtlinge. Die Voraussetzungen hätten nicht viel schlechter sein können.

Frankreich hat z.B.aus dem Marshallplan mehr Geld bekommen als Deutschland.
Obwohl Frankreich nicht ansatzweise so zerstört war wie D und nicht auch noch die runtergewwirtschaftete DDR mitschleppen muss(te), steht es heute wirtschaftlich deutlich schlechter da.
Und Frankreich ist ein moderner Industriestaat und mit Schwellenländern a la Ägypten nicht ansatzweise zu vergleichen.

D verdankt rein wirtschaftlich den Alliierten gar nichts. Die Einführung der Demokratie in der BRD muss man ihnen allerdings zugute halten.
MfG,
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Titus Feuerfuchs
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Barbarossa hat geschrieben: Ich glaube, die derzeitige Situation in Ägypten ist eine ganz ähnliche, wie wir sie in D. zu Beginn der Weimarer Republik hatten - darum bietet sich der Vergleich durchaus an.
Bei allem Respekt: Ich halte diesen Vergleich für hanebüchen.

Barbarossa hat geschrieben: 1.) Da wurde zum einen der bisher autoritär regierende Despot abgesetzt - die bisherigen Nutznießer (die Militärs) wollten aber ihre Macht so weit wie möglich aufrecht erhalten.
D: dt. Kaiser - Ägypten: Mubarak
Willi verlor seinen Thron durch einen verlorenen Weltkrieg, Mubarak aufgrund von Dauerdemos.
Barbarossa hat geschrieben: 2.) Dann gab es zum anderen die Demokraten, die den Despoten in einer Revolte/Revolution abgesetzt haben und einen demokratischen Staat anstreben.
D: SPD/Zentrum/DDP ... - Ägypten: "junge Facebook-Generation"
Auch das trifft es nicht. Abgesehen davon, dass die Demonstranten in Ägypten keinen demokratischen Staat nach europäischen Vorbild anstreben, waren es nicht primär die Parteien, die Wilhelm zu Fall brachten, sondern der verlorene WK,, Druck vom Ausland, und seine von vorne bis hinten völlig vertrottelte Politik.
Barbarossa hat geschrieben: 3.) Und dann gab/gibt es dann aber noch solche, die auch erst mit der Revolution mitschwammen, im Grunde aber noch reaktionärere Ziele verfolgten und mit Demokratie ebenfalls nichts im Sinn haben und eine Diktatur im Sinne ihrer Weltanschauung anstreben, womit die noch junge Demokratie noch weitere gefährliche Gegner hat.
D: KPD/NSDAP - Ägypten: Muslimbrüder, Salafisten ...
Auch das ist nicht vergleichbar. Während der Islam, und damit seine poltischen Vertreter, seit Jahrhunderten in Ägypten tief verankert sind, sind die dunkelroten und die braunen Sozialisten Rattenfänger, die wie giftige Schwammerln aus dem dafür fruchtbaren Boden der damaligen Zeit neu gewachsen sind.
Barbarossa hat geschrieben: Deine Frage nach einer eventuellen Regierungsbeteiligung von WR-KPD bzw. Ägypten-Muslimbrüder/Salafisten u.ä. beantwortet sich damit fast von selbst. Denn die Frage ist ja tatsächlich:
Wie geht man mit einer Partei um, die schon von ihrer Weltanschauung her die erkämpfte Freiheit und Demokratie gleich wieder abschaffen und ein neues diktatorisches Regime im Sinne ihrer Weltanschauung errichten wollen?
Wenn du das Magazin über die WR aufmerksam gelesen hast, dann weißt du auch, daß selbst eine Kandidatur der KPD für den Reichstag innerhalb der Partei heftig umstritten war, weil man das bestehende System eben nicht akzepieren mochte. Und da muß man eben sagen, daß solche Gruppierungen eben solange nicht in Regierungen einbindbar sind, solange sie an ihrer radikalen Weltanschauung festhalten. Im Gegenteil: Eigentlich müßte man solche Parteien verbieten, die das bestehende System schon vom Prinzip her ablehnen, außer man will einen Systemwechsel riskieren - aus welchem Grund auch immer (den ich jedoch nicht nachvollziehen kann).
Nutzt nur wenig, denn du kannst eine politische Einstellung, sprich die Gedanken, nicht verbieten. Die Partei würde sich unter neuem Namen neu gründen, bzw. im Untergrund agieren.

Barbarossa hat geschrieben: Die Lehre daraus:
Das wiederum würde für Ägypten im Umkehrschluss bedeuten, daß man wahrscheinlich nicht drumherum kommt, die radikal-islamischen Parteien zu verbieten, wenn sie nicht von ihren radikalen Positionen abrücken.
Du kannst nicht unsere Standards 1:1 auf Ägypten umlegen. (Obwohl man in D die Genese einer derartigen Partei politisch korrekt als "kulturelle und politische Bereicherung" sehen würde. :crazy: )

Die überwiegende Mehrheit der Ägypter wollenwollen die Muslimbrüder und die Salfisten. Beide zusammen haben - ich bin zu faul zum googeln :angel: - eine absolute, wenn nicht sogar eine Zweidrittelmehrheit bei den letzten Wahlen errungen.

Wenn die Ägypter dieses System wollen, muss man das respektieren.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:[

Die Lehre daraus:
Das wiederum würde für Ägypten im Umkehrschluss bedeuten, daß man wahrscheinlich nicht drumherum kommt, die radikal-islamischen Parteien zu verbieten, wenn sie nicht von ihren radikalen Positionen abrücken.
Lieber Barbarossa,
ich bin nach wie vor dafür, alle Parteien, die einen religiösen Hintergrund oder vorgeben diesen zu haben, zu verbieten. :wink: :mrgreen:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Renegat
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:

Die BRD hat sich im Wesentlichen am eigenen Schopf aus dem Dreck gezogen. Es wurden (auch in Westdeutschland) massig Industrieanlagen demontiert und know how außer in Form von unzähligen Patenten und Experten außer Landes gebracht. Dazu kommt eine Dreiteilung des Staatsgebietes und Millionen Flüchtlinge. Die Voraussetzungen hätten nicht viel schlechter sein können.

Frankreich hat z.B.aus dem Marshallplan mehr Geld bekommen als Deutschland.
Obwohl Frankreich nicht ansatzweise so zerstört war wie D und nicht auch noch die runtergewwirtschaftete DDR mitschleppen muss(te), steht es heute wirtschaftlich deutlich schlechter da.
Und Frankreich ist ein moderner Industriestaat und mit Schwellenländern a la Ägypten nicht ansatzweise zu vergleichen.

D verdankt rein wirtschaftlich den Alliierten gar nichts. Die Einführung der Demokratie in der BRD muss man ihnen allerdings zugute halten.
Die BRD hat zwar selbst gearbeitet aber ohne die Kredite wäre die Wirtschaft nicht in Gang gekommen. Ein Überbleibsel der damaligen Kredithaltung besteht noch heute mit der KfW-Bankengruppe. Darüberhinaus könnte die Kriegszerstörung in manchen Fällen sogar ein Vorteil gewesen sein, denn man konnte neue, moderne Fabrikanlagen und Infrastruktur bauen. Weiterhin sollte man den Wirtschaftsmotor Wohnungsbau nicht vergessen, über Jahrzehnte kreditfinanziert. Übertrüge man dieses Erfolgsrezept auf andere Staaten....??

Aber wir sind ja bei Ägypten, da maße ich mir eine Beurteilung nicht an. Der arabische Frühling kam überraschend plötzlich, eine etablierte Parteienlandschaft gab es nicht, außer den Muslimbrüdern, die mir erzkonservativ vorkommen. Konservative Parteien gibt es überall und die finden idR auch immer ihre Anhänger. Wieviele das in einem jungen Land wie Ägypten wirklich sind, kann ich nicht beurteilen, möglicherweise fehlt es bei den Anhängern der progressiveren Richtung auch an entsprechenden Organisationen, sowas benötigt Zeit.

Ein weiterer Punkt, der evtl. sogar eine kleine Parallele zu Weimar aufzeigen könnte, wäre die fehlende Kompromissbereitschaft. Koalitionen, egal welcher Parteien sind ja Kompromisse zwischen einseitigen Positionen, das gilt weltweit. Die konservativen Gläubigen waren in Ägypten jahrelang unterdrückt, wahrscheinlich meinen sie, jetzt mal dran zu sein und ihre Positionen vollständig durchsetzen zu können. Vollständig geht dauerhaft nie gut. Mal sehn, was sie draus machen, ich bin trotz aller Bedenkenträgeraussagen guter Hoffnung. Schließlich hatte vor vier Jahren keiner von denen den arabischen Frühling auf dem Schirm.
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dieter
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Lieber Renegat,
mehr als "Gute Hoffnung" bleibt uns auch nicht. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Titus Feuerfuchs
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Renegat hat geschrieben: [...] Darüberhinaus könnte die Kriegszerstörung in manchen Fällen sogar ein Vorteil gewesen sein, denn man konnte neue, moderne Fabrikanlagen und Infrastruktur bauen. Weiterhin sollte man den Wirtschaftsmotor Wohnungsbau nicht vergessen, über Jahrzehnte kreditfinanziert. Übertrüge man dieses Erfolgsrezept auf andere Staaten....??
Soll das ein makaberer Scherz sein? Mache ein Land dem Erboden gleich, damit es wirtschaftlich erfolgreich ist, oder wie :?: :crazy:
Renegat hat geschrieben: Aber wir sind ja bei Ägypten, da maße ich mir eine Beurteilung nicht an. Der arabische Frühling kam überraschend plötzlich, eine etablierte Parteienlandschaft gab es nicht, außer den Muslimbrüdern, die mir erzkonservativ vorkommen.


Die sind nicht erzkonservativ, sondern erzreaktionär.

http://www.welt.de/politik/ausland/arti ... selig.html
Renegat hat geschrieben: Konservative Parteien gibt es überall und die finden idR auch immer ihre Anhänger. Wieviele das in einem jungen Land wie Ägypten wirklich sind, kann ich nicht beurteilen, möglicherweise fehlt es bei den Anhängern der progressiveren Richtung auch an entsprechenden Organisationen, sowas benötigt Zeit.
Grundsätzlich ja. Im Fall von Ägypten eine lange, lange, lange Zeit, wenn überhaupt.... :|
Renegat hat geschrieben:
Ein weiterer Punkt, der evtl. sogar eine kleine Parallele zu Weimar aufzeigen könnte, wäre die fehlende Kompromissbereitschaft. Koalitionen, egal welcher Parteien sind ja Kompromisse zwischen einseitigen Positionen, das gilt weltweit. Die konservativen Gläubigen waren in Ägypten jahrelang unterdrückt, wahrscheinlich meinen sie, jetzt mal dran zu sein und ihre Positionen vollständig durchsetzen zu können. Vollständig geht dauerhaft nie gut. Mal sehn, was sie draus machen, ich bin trotz aller Bedenkenträgeraussagen guter Hoffnung. Schließlich hatte vor vier Jahren keiner von denen den arabischen Frühling auf dem Schirm.
Dieser sog. "arabische Frühling" hat bis jetzt nur Verschlechterungen gebracht.

- Wirtschaftliche Stagnation

- Verstärkte Diskriminierung von Frauen und religiösen Minderheiten (Frauen gelten in Ägypten als Freiwild)

- Zunehmende Ausweitung anarchistischer Zustände


http://diepresse.com/home/politik/ausse ... hannel=100

http://diepresse.com/home/politik/ausse ... hannel=100

http://diepresse.com/home/politik/ausse ... e/index.do
MfG,
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Renegat hat geschrieben: [...] Darüberhinaus könnte die Kriegszerstörung in manchen Fällen sogar ein Vorteil gewesen sein, denn man konnte neue, moderne Fabrikanlagen und Infrastruktur bauen. Weiterhin sollte man den Wirtschaftsmotor Wohnungsbau nicht vergessen, über Jahrzehnte kreditfinanziert. Übertrüge man dieses Erfolgsrezept auf andere Staaten....??
Titus Feuerfuchs hat geschrieben:Soll das ein makaberer Scherz sein? Mache ein Land dem Erboden gleich, damit es wirtschaftlich erfolgreich ist, oder wie :?: :crazy:
Nö, das war nicht scherzhaft gemeint. Mit Krediten und geeigneten Arbeitskräften kannst du überall die Wirtschaft pushen und manchmal ist es gut mit tabula rasa neu anzufangen. Besitzstände und eingefahrene Wege können lähmend wirken.
In der Immobilienwirtschaft trifft das auf jeden Fall zu. Was meinst du wohl, wieviele Architekten und Stadtplaner davon träumen, mal so ohne Rücksicht auf komplizierte Besitzverhältnisse großflächig planen zu können, ohne Flickwerk und klein-klein, wie das nach dem Krieg in den deutschen Städten möglich war. Ob das dauerhaft schön ist, ist ja wieder ´ne andere Frage. Fahr mal durch deutsche Großstädte, Quartiere der 50er in den lukrativen Innenstädten ohne Ende. Großflächiger Abriß ist unglaublich kompliziert.


Den Rest deines Beitrages habe ich nur überflogen, meine Zeitungslektüre suche ich mir gerne selber aus.
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Titus Feuerfuchs
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Renegat hat geschrieben: Nö, das war nicht scherzhaft gemeint. Mit Krediten und geeigneten Arbeitskräften kannst du überall die Wirtschaft pushen und manchmal ist es gut mit tabula rasa neu anzufangen. [...]
Dieses ganiale Konzept zur Wirtschaftsförderung hat eigenartiger Weise nur in Österreich und Deutschland (West) funktioniert.

In Giechenland, das schon ein Vielfaches der Kredite erhalten hat, die D nach dem WK2 bekommen hat, hat das z.B. nicht so toll funktioniert.

Stimmt ich vergaß, das lag sicher daran, dass man ihr Land davor nicht völlig zerstört hatte... :crazy:


Renegat hat geschrieben:
[...]Den Rest deines Beitrages habe ich nur überflogen, meine Zeitungslektüre suche ich mir gerne selber aus.
Mit jemandem zu diskutieren, der sich damit brüstet, die Beiträge des Diskussionspartners gar nicht erst vollständig zu lesen, ist freilich jegliche Diskussion völlig sinnlos.

Von mir war's das daher erstmal.
MfG,
Titus Feuerfuchs
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Titus Feuerfuchs hat geschrieben:... Du kannst nicht unsere Standards 1:1 auf Ägypten umlegen...
Alles 1:1 sicher nicht, aber einiges schon. Wenn es z. B. um Gewalt gegen Frauen geht, da dürfen keine Unterschiede gemacht werden:

:arrow: Nachrichten-Schlagzeile: "Frauen: die Leidtragenden der Revolution"

Immer wieder werden Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen. Immer häufiger werden Frauen während der Demonstrationen von einer Traube von Männern umringt und in eine Nebenstraße abgedrängt und dann vergewaltigt. Doch jetzt fangen sie an, sich zu wehren...

Artikel lesen: hier klicken
(dw.de)

Und da sieht man auch, daß Menschenrechte für alle Menschen gelten müssen und nicht nur regional begrenzt. Und wenn du meinst...:
Titus Feuerfuchs hat geschrieben:Die überwiegende Mehrheit der Ägypter wollenwollen die Muslimbrüder und die Salfisten. Beide zusammen haben - ich bin zu faul zum googeln :angel: - eine absolute, wenn nicht sogar eine Zweidrittelmehrheit bei den letzten Wahlen errungen.

Wenn die Ägypter dieses System wollen, muss man das respektieren.
... dann muß man auch die Frage stellen, was die radikalen Muslime eigentlich erreichen wollen. Ist es ein Staat, in dem der Islam die alleinige Staatsreligion ist, dann ist schon das sehr kritisch zu sehen, denn das ist Ägypten nicht - nicht zu 100 %. Es gibt dort nämlich auch noch:
- Koptische, Römisch-katholische und Protestantische Christen zwischen vier und 15 Prozent (nach offiziellen Angaben nicht mehr als sechs Prozent)
- Griechisch-Orthodoxe Kirche von Alexandria, mehr als 200.000
(Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84gypten#Religionen)

Religionsfreiheit ist also auch in Ägypten äußerst wichtig.

:arrow: Nachrichten-Schlagzeile: "Übergang ohne Islamisten"

Leider ist die Gewalt in Ägypten eskaliert. Bei Zusammenstößen zwischen radikalen Moslems (hauptsächlich Muslimbrüder) und der Armee gab es mehr als 50 Tote. Die Muslimbrüder sprachen von einem Massaker - die Armee machte die Muslimbrüder dafür verantwortlich, die sich nun aus den Verhandlungen zurückzogen und zum Widerstand aufriefen.

Artikel lesen: hier klicken
(faz.net)

Schlimm, sehr schlimm. Ich glaube auch, das Land hat noch einen langen Weg vor sich.
Die Diskussion ist eröffnet!

Jedes Forum lebt erst, wenn Viele mitdiskutieren.
Schreib auch du deine Meinung! Nur kurz registrieren und los gehts! ;-)
ehemaliger Autor K.

Re: Neue Proteste in Ägypten

Ungelesener Beitragvon Barbarossa » 08.07.2013, 23:14

Titus Feuerfuchs hat geschrieben:... Du kannst nicht unsere Standards 1:1 auf Ägypten umlegen...


Alles 1:1 sicher nicht, aber einiges schon. Wenn es z. B. um Gewalt gegen Frauen geht, da dürfen keine Unterschiede gemacht werden:

:arrow: Nachrichten-Schlagzeile: "Frauen: die Leidtragenden der Revolution"

Immer wieder werden Frauen Opfer von sexuellen Übergriffen. Immer häufiger werden Frauen während der Demonstrationen von einer Traube von Männern umringt und in eine Nebenstraße abgedrängt und dann vergewaltigt. Doch jetzt fangen sie an, sich zu wehren...
Artikel lesen: hier klicken
(dw.de)

Und da sieht man auch, daß Menschenrechte für alle Menschen gelten müssen und nicht nur regional begrenzt. Und wenn du meinst...:

Titus Feuerfuchs hat geschrieben:Die überwiegende Mehrheit der Ägypter wollenwollen die Muslimbrüder und die Salfisten. Beide zusammen haben - ich bin zu faul zum googeln :angel: - eine absolute, wenn nicht sogar eine Zweidrittelmehrheit bei den letzten Wahlen errungen.

Wenn die Ägypter dieses System wollen, muss man das respektieren.


... dann muß man auch die Frage stellen, was die radikalen Muslime eigentlich erreichen wollen. Ist es ein Staat, in dem der Islam die alleinige Staatsreligion ist, dann ist schon das sehr kritisch zu sehen, denn das ist Ägypten nicht - nicht zu 100 %. Es gibt dort nämlich auch noch:
- Koptische, Römisch-katholische und Protestantische Christen zwischen vier und 15 Prozent (nach offiziellen Angaben nicht mehr als sechs Prozent)
- Griechisch-Orthodoxe Kirche von Alexandria, mehr als 200.000
Natürlich können wir unsere Standards nicht 1:1 umsetzen. Andererseits gibt es aber inzwischen auch internationale Standards, z.B. die von der UN-Charta deklarierten Menschenrechte. Ägypten hat sie unterzeichnet und kann sie nun nicht plötzlich negieren, ohne sich aus der internationalen Gemeinschaft auszuschließen, was für ein so extrem von der Außenwelt abhängiges Land schwerwiegende Folgen hätte.

Eine Staatsreligion ist nicht unbedingt negativ, solange Religionsfreiheit besteht und niemand wegen seines Glaubens verfolgt wird. In Europa gibt es auch Staatsreligionen, die in der Verfassung festgeschrieben sind, z.B. in England, Dänemark und in Griechenland. Das bedeutet aber lediglich, dass die entsprechende Region mit dem Staat besonders eng verbunden ist und gewisse Privilegien genießt. Den Islamisten schwebt aber eine totalitäre Staatsreligion vor, die alle anderen verbietet, so wie in Saudi-Arabien. Dies wäre aber ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte und sollte nicht ohne Konsequenzen bleiben für das Land. Den Saudis passiert nichts, weil sie Geld haben. Die Ägypter haben aber keins, deshalb kann man Druck ausüben.

Die UN-Charta fordert auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Deshalb können die Islamisten sich auch nicht darauf berufen, das diese ihrer Meinung nach gegen den Islam verstößt, wenn sie gleichzeitig die UN-Charta akzeptieren. Wenn sie diese Gleichberechtigung missachten, können sie aus der internationalen Gemeinschaft ausgestoßen werden. Auch hier hätte dies, anders als bei den Saudis, üble Folgen.

Die Moslembrüder haben bisher überhaupt kein vernünftiges Konzept vorgelegt. Dass die Wirtschaft inzwischen kollabiert, interessiert sie überhaupt nicht, da Wirtschaftsfragen für sie gar nicht existieren. Seit Monaten debattieren sie darüber, ob der Schleier den ganzen Körper der Frau bedecken soll oder nur das Gesicht. Dass sie sich für die realen Probleme der Menschen nicht interessieren, wird sie längerfristig teuer zu stehen kommen. Das zeigten die Demonstrationen der weltlichen Opposition in den vergangenen Wochen.
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dieter
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Karlheinz hat geschrieben:
Eine Staatsreligion ist nicht unbedingt negativ, solange Religionsfreiheit besteht und niemand wegen seines Glaubens verfolgt wird. In Europa gibt es auch Staatsreligionen, die in der Verfassung festgeschrieben sind, z.B. in England, Dänemark und in Griechenland. Das bedeutet aber lediglich, dass die entsprechende Region mit dem Staat besonders eng verbunden ist und gewisse Privilegien genießt. Den Islamisten schwebt aber eine totalitäre Staatsreligion vor, die alle anderen verbietet, so wie in Saudi-Arabien. Dies wäre aber ein klarer Verstoß gegen die Menschenrechte und sollte nicht ohne Konsequenzen bleiben für das Land. Den Saudis passiert nichts, weil sie Geld haben. Die Ägypter haben aber keins, deshalb kann man Druck ausüben.
Lieber Karlheinz,
wie kann ein Land eine Staatsreligion haben, wenn 10% der Bevölkerung Kopten (Christen) sind :?: Auch diese Menschen müssen den Zugang zu allen Ämtern des Landes haben. :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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