Chinas Wachstum-Gefahr für die Welt?

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Moderator: Barbarossa

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Es war vermutlich der Reformer Deng Xiaoping, der einmal sagte, dass in China jedes Problem mit der Zahl von 1,3 Milliarden multipliziert werden muss. Dann wird aber jedes noch so kleine Problem sofort zu einem riesengroßen Problem. 1,3 Milliarden, soviel Einwohner hat China derzeit. Schon eine kleine Zunahme des Pro-Kopf-Verbrauchs von Energie oder Nahrungsmitteln führt dann sofort zu astronomischen Zahlen. Es ist eben ein Unterschied, ob man Politik für 4-5 Millionen Menschen betreibt oder für einen Großteil der Erdbevölkerung.

Die chinesische Bevölkerung möchte berechtigterweise einen Lebensstandard haben, wie er in den westlichen Ländern üblich ist und das nicht erst in 100 Jahren, sondern in den nächsten Jahrzehnten. Ein Entwicklungssprung, der in Europa Jahrhunderte dauerte, soll in kürzester Zeit in China nachvollzogen werden. Schon Mao hatte dies seinen Untertanen versprochen, doch der „Große Sprung“ nach vorne endete in einer Katastrophe. Nachdem der Kommunismus scheiterte, soll es nun der Kapitalismus richten. Aber wird er vielleicht ebenfalls in einer Katastrophe enden? Ist der Versuch, einen westlichen Lebensstandard für die Chinesen durchzusetzen, überhaupt eine realistische Option?

Eine einfache Überlegung verdeutlicht die Probleme. In der BRD gibt es 82 Millionen Menschen und ca. 42 Millionen Autos, also ungefähr 1 Auto für 2 Personen. Auf China übertragen würde dies bedeuten: Hier müsste es 650 Millionen Autos geben, um mit der BRD gleichzuziehen. Derzeit gibt es in China rund 100 Millionen Autos, weltweit etwas über eine Milliarde. Also noch mindestens 550 Millionen Autos für China? Schon die jetzige Anzahl führt zum Verkehrschaos, zu einer enormen Umweltverschmutzung und zu Fahrverboten, wenn der Smog unerträglich wird. Lebensstandard wie im Westen bedeutet: Ein eigenes Heim, zahlreiche elektrische Geräte, große Mengen an Hausrat, Bekleidung, Konsum Produkte, die nicht in Heimarbeit erstellt werden, sondern kommerziell mit einem erheblichen Eneergieaufwand, Überfluss an Nahrungsmitteln, die in landwirtschaftlicher Intensivproduktion mit Kunstdünger produziert werden usw.

In den OECD Ländern (USA, Europa, Japan, Australien, Kanada und weitere) leben derzeit 1,2 Milliarden Menschen. Ihr Verbrauch an Ressourcen ist ca. 32mal so hoch wie der durchschnittliche Verbrauch in den Entwicklungsländern. Mit China kämen dann 1,3 Milliarden weitere Konsumenten mit dem gleich hohen Lebensstandard hinzu, wenn die ehrgeizigen Pläne der chinesischen Führung in Erfüllung gehen sollten. Die Wissenschaftler sind sich weitgehend einig: die Erde wäre dann in wenigen Jahrzehnten leergefegt, alle Ressourcen wären verbraucht.

Die Entwicklung steht erst am Anfang. In China zählen derzeit 300 Millionen Menschen zur Mittelschicht, aber nach chinesischer Statistik zählt man schon dazu mit einem Jahreseinkommen von 6.400,- Euro, während es in Deutschland immerhin 19.400,- Euro sein sollten. Ein großer Teil der Mittelschicht ist also nach unseren Maßstäben ziemlich arm und gehört eigentlich zu den Geringverdienern. Der Ressourcenverbrauch ist also noch nicht sehr hoch. Dies wird sich ändern, wenn sie quantitativ wächst und sich ihr Einkommen erhöht.

Was für Szenarien ergeben sich für die Zukunft? Es könnte sich ein ökologischer Kollaps ergeben, nicht nur in China selbst, sondern weltweit. Kommt es dann zu einem erbitterten weltweiten Kampf um die Ressourcen?

Oder werden neue umweltschonende Technologien entwickelt (Elektroautos z.B.) und stützt man sich in Zukunft auf reproduzierbare Rohstoffe?

Wird es in China vielleicht eine ganz andere Form von hohem Lebensstandard geben als bei uns? Darauf deutet aber nichts hin. Bis jetzt will man nur kopieren und bekommt deshalb alle Probleme, die wir schon lange kennen.

Was für Szenarien sind noch vorstellbar? Der Wunsch nach einem besseren Leben ist legitim und darf nicht einfach abgewehrt werden mit dem Argument: ihr müsst arm bleiben, denn wenn ihr so leben werdet wie wir, verkraftet dies die Erde nicht!

Es muss eine andere Lösung geben, nicht nur für die Chinesen, sondern auch für die Inder, Vietnamesen, Afrikaner, die Einwohner Lateinamerikas und viele andere.
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Vergobret
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Das chinesische Wachstum beginnt aber zu stagnieren:
- die Auslandsnachfrage stockt, China hängt von der Konjunktur der Welt ab, weil fast alles auf Export angelegt ist
- der enorme Energiebedarf bewirkt auch eine Preissteigerung für Energie. Man würgt sich selber ab.
- bisher profitieren nur die Küstenregionen, arme Provinzen wurden stark vernachlässigt -> Ungleichheit
- Produktionen werden verlagert, Chinas Löhne werden zu teuer. Sowohl chinesische Firmen als auch ausländische Konzerne verlagern nach Vietnam, Bangladesh etc.

Das Wirtschaftswachstum wächst weit weniger stark und wird weiter abnehmen. Chinas Stabilität trotz Ungleichheit beruht aber auf beständigem starken Wachstum.

Quelle: Mit offenen Karten, ARTE, 'China im Wandel' 27.04.2013
„In all den Jahren habe ich so viele junge Männer gesehen,
die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
Aber das stimmt nicht.
Sie liefen alle zu mir.“
so sprach der Tod

Aus „Die Bücherdiebin“
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Ein China ohne Wirtschaftswachstum wäre möglicherweise ein genauso schlimmes Problem. Zum einen ist die chinesische Volkswirtschaft inzwischen ein äußerst gewichtiger Faktor in der Weltwirtschaft. Sein Ausfall hätte katastrophale Folgen für die gesamte Weltökonomie. Noch schlimmer wären innenpolitische Auswirkungen: Das ständige Wachstum ist die einzige, verbliebene Legitimationsbasis für das Pekinger Regime. Entfällt sie, könnte dies zu ihrem Sturz führen. Die chinesische Geschichte zeigt, dass in einem solchen Falle immer eine lange Phase bürgerkriegsähnlicher Zustände folgt. Das Reich zerfällt in seine Einzelteile und gerät in einen Strudel der Gewalt. Die ganze ostasiatische Region würde instabil werden und dies hätte kaum absehbare Folgen auf den Rest der Welt.
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Vergobret
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Es ist richtig was Du schreibst, allerdings wird auch ein stabiles weiterhin erfolgreiches China die Region destabiliseren. Denn die chinesischen Interessen in den Meeren sind sehr forsch und dreist. Es bestehen mannigfaltige diplomatische Krisen mit Japan, Indonesien, Malaysia, Phillepinien, Indien etc. Die USA sind bereits aktiv mit diesen Ländern ihre Beziehungen zu vertiefen.
Am Ende brauchen aber die USA ein stabilies China, und China stabile USA. Wird spannend.
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die der Meinung waren, auf andere junge Männer zuzulaufen.
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Vergobret hat geschrieben:Es ist richtig was Du schreibst, allerdings wird auch ein stabiles weiterhin erfolgreiches China die Region destabiliseren. Denn die chinesischen Interessen in den Meeren sind sehr forsch und dreist. Es bestehen mannigfaltige diplomatische Krisen mit Japan, Indonesien, Malaysia, Phillepinien, Indien etc. Die USA sind bereits aktiv mit diesen Ländern ihre Beziehungen zu vertiefen.
Am Ende brauchen aber die USA ein stabilies China, und China stabile USA. Wird spannend.

Dies ist es auch genau, was ich befürchte. Das Wachstum zwingt China zur Expansion. Peking versucht eine Kontrolle über die ostasiatischen Länder zu bekommen. Außerdem sind sie sehr aktiv in Afrika engagiert. In mancher Hinsicht taucht das Land als neue imperialistische Großmacht auf. Auch der massive Ausbau der Marine zeigt von neuer imperialer Größe. Wird es also zu dem von mir kurz angedeuteten Szenario kommen, dem erbitterten Verteilungskampf um die Rohstoffe auf der Welt, eine Auseinandersetzung mit der westlichen Welt?
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dieter
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Karlheinz hat geschrieben:
Vergobret hat geschrieben:Es ist richtig was Du schreibst, allerdings wird auch ein stabiles weiterhin erfolgreiches China die Region destabiliseren. Denn die chinesischen Interessen in den Meeren sind sehr forsch und dreist. Es bestehen mannigfaltige diplomatische Krisen mit Japan, Indonesien, Malaysia, Phillepinien, Indien etc. Die USA sind bereits aktiv mit diesen Ländern ihre Beziehungen zu vertiefen.
Am Ende brauchen aber die USA ein stabilies China, und China stabile USA. Wird spannend.

Dies ist es auch genau, was ich befürchte. Das Wachstum zwingt China zur Expansion. Peking versucht eine Kontrolle über die ostasiatischen Länder zu bekommen. Außerdem sind sie sehr aktiv in Afrika engagiert. In mancher Hinsicht taucht das Land als neue imperialistische Großmacht auf. Auch der massive Ausbau der Marine zeigt von neuer imperialer Größe. Wird es also zu dem von mir kurz angedeuteten Szenario kommen, dem erbitterten Verteilungskampf um die Rohstoffe auf der Welt, eine Auseinandersetzung mit der westlichen Welt?
Lieber Karlheinz,
bisher kann man die chinesische Marine nicht mit der der USA vergleichen. Ohne ein Wachstum bricht in China das Chaos aus, wie es schon in manchen Bauernerhebungen war. Aber zu Deiner Beruhigung, im Letzten Quartal sind Ausfuhren von China um 18% gestiegen. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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