von Wallenstein » 06.10.2015, 15:08
Griechenland und vor allem Athen gelten als das Mutterland der Demokratie, doch die großen Denker der Antike: Thukydikes, Sokrates, Platon, Aristoteles, Isokrates oder Xenophon, sie alle hatten für die Demokratie nur Verachtung übrig. Sokrates hielt es für absurd, das die einfachen Bürger Politik machen sollen, für Platon war Demokratie schlichtweg Pöbelherrschaft und er propagierte einen Philosophenstaat und Aristoteles zählte sie neben der Tyrannis und der Oligarchie zu den drei schlechten Staatsformen. Die Demokratie galt ihm als Herrschaft der vielen Freien und Armen im Staate, die zu Lasten der Tüchtigen und zum Schaden der Wohlhabenden erfolgt. Die Demokratie sei die Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Allenfalls, so meinte er, sollten die Bürger Gelegenheit bekommen, aus einer kompetenten Elite die Führungspersonen zu wählen, eine Vorstellung, die der heutigen Demokratie nahe kommt.
Sie hatten das Athen in der Endphase seiner Entwicklung vor Augen, als Demagogen und unverantwortliche Kriegstreiber die Volksversammlungen beherrschten und die Stadt in die Katastrophe trieben.
Die Struktur Athens während seiner demokratischen Phase von 508/07 bis 322 v.Chr. unterscheidet sich stark von unserer heutigen Gesellschaft. Von den ca. 200.000 Einwohnern besaßen nur etwa 30.000 Männer das Bürgerrecht und damit auch politische Rechte. Frauen und Fremde waren davon ausgeschlossen. Das wirtschaftliche Rückgrat bildeten fast 100.000 Sklaven, die in der Landwirtschaft und in Handwerksstätten tätig waren. Die Silberbergwerke von Laurion, in denen an die 20.000 Sklaven tätig waren, finanzierten zu einem großen Teil den Athener Staat.
Die andere Einnahmequelle bildete die Ausbeutung der Bundesgenossen, deren Tributzahlungen umfassten mehr als 50% der Einnahmen der Stadt. Die Athener hatten ein Bündnissystem geschaffen, den attischen Seebund, ursprünglich gegen die Perser gegründet, verwandelte sich dieser später in ein richtiges Imperium. Athen wurde zur Konsumentenstadt und importierte zahlreiche Produkte aus den Gebieten der Bundesgenossen.
Die Arbeit der Sklaven und die Tribute der Bundesgenossen ermöglichten die Demokratie in Athen. Die Bürger waren weitgehend von Steuern befreit und besaßen die erforderliche Muße, um sich an der Politik zu beteiligen.
Die Gesellschaft zerfiel in eine kleine, reiche Oberschicht, meist adliger Herkunft, ca. 300 Personen, dann in die „Zeugiten“ (Joch-Männer mit mindestens 5 ha Landbesitz), die das Hopliten Aufgebot stellten (schwer bewaffnete Kämpfer, die ihre Ausrüstung selber bezahlten, ungefähr 13.000 Männer), und den besitzlosen „Theten“, ungefähr 20.000 Männer.
Der antike Stadtbürger unterscheidet sich aber vom späteren mittelalterlichen Stadtbürger in signifikanter Weise. Er ist primär durch seinen militärischen und politischen Status determiniert, weniger durch seine ökonomischen: Militärleistung und Bürgerrecht sind einfach identisch. Die antike Polis war in erster Linie ein Wehrverband.
Der militärische Grundcharakter der antiken Polis bestimmt auch ihren weiteren Werdegang: Es sind vorwiegend Veränderungen in der Militär Technik und in der Heeresorganisation, die Wandlungsprozesse auslösen.
Nach einer Reihe innenpolitischer Reformen von Solon und Kleisthenes waren zuerst die Zeugiten aufgewertet worden und dann auch die Theten, die in der großen Flotte als Ruderer tätig waren. Ihre Bezahlung erfolgte zu einem großen Teil mit dem Silber, welches die Sklaven in den Bergwerken von Laurion förderten. Die gesamte Bevölkerung wurde somit in die Kriegsführung involviert und deshalb konnte man sie auch nicht aus der Politik heraushalten. Die Monopolisierung der politischen Ämter durch die Elite wurde aufgebrochen und eine Reihe von Positionen auch den Zeugiten und Theten zugänglich, wenn auch die obersten Staatsämter Ehrenämter waren, die nur von den besitzenden Honoratioren besetzt wurden. Für die Vergabe vieler Stellen in Verwaltung und Gerichtswesen setzte sich das Losverfahren durch, verbunden mit der Zahlung von Diäten. Zum wichtigsten Gremium wurden die Volksversammlung und der Rat der Fünfhundert.
„Die Volksversammlung (Ekklesia) war das Machtzentrum der Athener. Doch nicht immer alle der 30 000 bis 35 000 erwachsenen Bürger zu Zeiten des Perikles besuchten die Volksversammlung. Es nahmen wohl aber immer mindestens 6000 Personen teil, die für die Beschlussfassung notwendige Zahl. Ort der Versammlung war die Pnyx, ein Hügel ungefähr vierhundert Meter westlich der Agora. Die Volksversammlung trat häufig zusammen, so gab es allein etwa vierzig für das jeweilige Amtsjahr festgelegte Pflichtsitzungen. Sie dauerten nicht länger als einen Tag und wurden mit Angabe des Verhandlungsgegenstandes vier Tage vor dem Sitzungstermin durch öffentlichen Anschlag auf dem Markt angekündigt. Es ging in den Volksversammlungen um die Kontrolle der Amtsträger, die Versorgung und Sicherheit Athens, die Erhebung politischer Anklagen, Konfiskationen, Erbansprüche sowie um Petitionen, ebenso wurden Fragen des Kultes und der Gesandtschaften behandelt. Abstimmungen erfolgten durch Heben der Hand.“
http://www.bpb.de/izpb/175892/grundzueg ... atie?p=all
Die Exekutive bildete der Rat der Fünfhundert. Die Mitglieder wurden für die Dauer eines Jahres durch das Los gewählt, um Korruption und Vetternwirtschaft zu verhindern. Sie bereiteten die Volksversammlung vor, diskutierten die Probleme, entwickelten Vorschläge, die dann der Versammlung zur Abstimmung vorgelegt wurden.
Die Richter wurden ebenfalls gewählt und waren ausschließlich Laien.
Jeder Athener war Teil der Legislative, da er auf der Ekklesia mitbestimmen konnte. Durch das Losverfahren konnte zudem jeder Bürger auch einmal Mitglied der Exekutive und der Judikative werden. Diese Demokratisierung bewirkte, dass die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Unterschichten stärker als je zuvor in der Politik Eingang fanden.
Doch die Grundlage dieses Systems war die Ausbeutung der Bundesgenossen von Athen und die Sklaverei eines großen Teils der Bevölkerung. Das wussten die freien Athener und sie taten alles, um ihre Privilegien aufrecht zu halten. Aber diese fragile Demokratie brach schon nach wenigen Generationen auseinander als man verzweifelt darum kämpfte, die exklusive Position der Vollbürger um jeden Preis zu erhalten.
Die Revolte der Bündnispartner, die sich mit Athens Gegenspieler Sparta verbündeten und in dem langwierigen Peloponnesischen Krieg schließlich 404 v.Chr. siegten, brachte das Ende. Aufgeputscht von Demagogen führte die Bevölkerung einen gnadenlosen, unsinnigen und mörderischen Krieg gegen alle Gegner, bis es zu spät war. Die Athener Demokraten erwiesen sich als unfähig, eine realistische Kriegsführung zu betreiben und Kompromisse mit den Gegnern einzugehen. Kriegstreiber heizten die Stimmung in der Volksversammlung gefährlich auf. Danach beherrschte eine Oligarchie von Spartas Gnaden die Stadt. Anschließend konnte sich die Demokratie noch einmal eine Zeitlang durchsetzen, aber schließlich wurde Athen von Makedonien besetzt.
Athen erwies sich als unfähig, seine Bundesgenossen in ein einheitliches politisches System einzubinden. Das athenische Bürgerecht war so weit entwickelt, das es nicht auf Nicht-Athener angewendet werden konnte, sonst hätte es der auf persönlicher Teilnahme an Massenversammlungen beruhenden Demokratie widersprochen. Die Ekklesia führte zu einer Diktatur über die ionischen Verbündeten, die aus Habgier in koloniale Abhängigkeit gedrängt wurden. Die von Oligarchien beherrschte römische Republik hatte später indes keine Probleme damit, lokale Eliten in ihren exklusiven Kreis aufzunehmen. Der römische Imperialismus war deshalb weitaus stabiler als der Expansionismus der Athener Demokraten.
Griechenland und vor allem Athen gelten als das Mutterland der Demokratie, doch die großen Denker der Antike: Thukydikes, Sokrates, Platon, Aristoteles, Isokrates oder Xenophon, sie alle hatten für die Demokratie nur Verachtung übrig. Sokrates hielt es für absurd, das die einfachen Bürger Politik machen sollen, für Platon war Demokratie schlichtweg Pöbelherrschaft und er propagierte einen Philosophenstaat und Aristoteles zählte sie neben der Tyrannis und der Oligarchie zu den drei schlechten Staatsformen. Die Demokratie galt ihm als Herrschaft der vielen Freien und Armen im Staate, die zu Lasten der Tüchtigen und zum Schaden der Wohlhabenden erfolgt. Die Demokratie sei die Diktatur der Mehrheit über die Minderheit. Allenfalls, so meinte er, sollten die Bürger Gelegenheit bekommen, aus einer kompetenten Elite die Führungspersonen zu wählen, eine Vorstellung, die der heutigen Demokratie nahe kommt.
Sie hatten das Athen in der Endphase seiner Entwicklung vor Augen, als Demagogen und unverantwortliche Kriegstreiber die Volksversammlungen beherrschten und die Stadt in die Katastrophe trieben.
Die Struktur Athens während seiner demokratischen Phase von 508/07 bis 322 v.Chr. unterscheidet sich stark von unserer heutigen Gesellschaft. Von den ca. 200.000 Einwohnern besaßen nur etwa 30.000 Männer das Bürgerrecht und damit auch politische Rechte. Frauen und Fremde waren davon ausgeschlossen. Das wirtschaftliche Rückgrat bildeten fast 100.000 Sklaven, die in der Landwirtschaft und in Handwerksstätten tätig waren. Die Silberbergwerke von Laurion, in denen an die 20.000 Sklaven tätig waren, finanzierten zu einem großen Teil den Athener Staat.
Die andere Einnahmequelle bildete die Ausbeutung der Bundesgenossen, deren Tributzahlungen umfassten mehr als 50% der Einnahmen der Stadt. Die Athener hatten ein Bündnissystem geschaffen, den attischen Seebund, ursprünglich gegen die Perser gegründet, verwandelte sich dieser später in ein richtiges Imperium. Athen wurde zur Konsumentenstadt und importierte zahlreiche Produkte aus den Gebieten der Bundesgenossen.
Die Arbeit der Sklaven und die Tribute der Bundesgenossen ermöglichten die Demokratie in Athen. Die Bürger waren weitgehend von Steuern befreit und besaßen die erforderliche Muße, um sich an der Politik zu beteiligen.
Die Gesellschaft zerfiel in eine kleine, reiche Oberschicht, meist adliger Herkunft, ca. 300 Personen, dann in die „Zeugiten“ (Joch-Männer mit mindestens 5 ha Landbesitz), die das Hopliten Aufgebot stellten (schwer bewaffnete Kämpfer, die ihre Ausrüstung selber bezahlten, ungefähr 13.000 Männer), und den besitzlosen „Theten“, ungefähr 20.000 Männer.
Der antike Stadtbürger unterscheidet sich aber vom späteren mittelalterlichen Stadtbürger in signifikanter Weise. Er ist primär durch seinen militärischen und politischen Status determiniert, weniger durch seine ökonomischen: Militärleistung und Bürgerrecht sind einfach identisch. Die antike Polis war in erster Linie ein Wehrverband.
Der militärische Grundcharakter der antiken Polis bestimmt auch ihren weiteren Werdegang: Es sind vorwiegend Veränderungen in der Militär Technik und in der Heeresorganisation, die Wandlungsprozesse auslösen.
Nach einer Reihe innenpolitischer Reformen von Solon und Kleisthenes waren zuerst die Zeugiten aufgewertet worden und dann auch die Theten, die in der großen Flotte als Ruderer tätig waren. Ihre Bezahlung erfolgte zu einem großen Teil mit dem Silber, welches die Sklaven in den Bergwerken von Laurion förderten. Die gesamte Bevölkerung wurde somit in die Kriegsführung involviert und deshalb konnte man sie auch nicht aus der Politik heraushalten. Die Monopolisierung der politischen Ämter durch die Elite wurde aufgebrochen und eine Reihe von Positionen auch den Zeugiten und Theten zugänglich, wenn auch die obersten Staatsämter Ehrenämter waren, die nur von den besitzenden Honoratioren besetzt wurden. Für die Vergabe vieler Stellen in Verwaltung und Gerichtswesen setzte sich das Losverfahren durch, verbunden mit der Zahlung von Diäten. Zum wichtigsten Gremium wurden die Volksversammlung und der Rat der Fünfhundert.
„Die Volksversammlung (Ekklesia) war das Machtzentrum der Athener. Doch nicht immer alle der 30 000 bis 35 000 erwachsenen Bürger zu Zeiten des Perikles besuchten die Volksversammlung. Es nahmen wohl aber immer mindestens 6000 Personen teil, die für die Beschlussfassung notwendige Zahl. Ort der Versammlung war die Pnyx, ein Hügel ungefähr vierhundert Meter westlich der Agora. Die Volksversammlung trat häufig zusammen, so gab es allein etwa vierzig für das jeweilige Amtsjahr festgelegte Pflichtsitzungen. Sie dauerten nicht länger als einen Tag und wurden mit Angabe des Verhandlungsgegenstandes vier Tage vor dem Sitzungstermin durch öffentlichen Anschlag auf dem Markt angekündigt. Es ging in den Volksversammlungen um die Kontrolle der Amtsträger, die Versorgung und Sicherheit Athens, die Erhebung politischer Anklagen, Konfiskationen, Erbansprüche sowie um Petitionen, ebenso wurden Fragen des Kultes und der Gesandtschaften behandelt. Abstimmungen erfolgten durch Heben der Hand.“
http://www.bpb.de/izpb/175892/grundzuege-der-athenischen-demokratie?p=all
Die Exekutive bildete der Rat der Fünfhundert. Die Mitglieder wurden für die Dauer eines Jahres durch das Los gewählt, um Korruption und Vetternwirtschaft zu verhindern. Sie bereiteten die Volksversammlung vor, diskutierten die Probleme, entwickelten Vorschläge, die dann der Versammlung zur Abstimmung vorgelegt wurden.
Die Richter wurden ebenfalls gewählt und waren ausschließlich Laien.
Jeder Athener war Teil der Legislative, da er auf der Ekklesia mitbestimmen konnte. Durch das Losverfahren konnte zudem jeder Bürger auch einmal Mitglied der Exekutive und der Judikative werden. Diese Demokratisierung bewirkte, dass die wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Unterschichten stärker als je zuvor in der Politik Eingang fanden.
Doch die Grundlage dieses Systems war die Ausbeutung der Bundesgenossen von Athen und die Sklaverei eines großen Teils der Bevölkerung. Das wussten die freien Athener und sie taten alles, um ihre Privilegien aufrecht zu halten. Aber diese fragile Demokratie brach schon nach wenigen Generationen auseinander als man verzweifelt darum kämpfte, die exklusive Position der Vollbürger um jeden Preis zu erhalten.
Die Revolte der Bündnispartner, die sich mit Athens Gegenspieler Sparta verbündeten und in dem langwierigen Peloponnesischen Krieg schließlich 404 v.Chr. siegten, brachte das Ende. Aufgeputscht von Demagogen führte die Bevölkerung einen gnadenlosen, unsinnigen und mörderischen Krieg gegen alle Gegner, bis es zu spät war. Die Athener Demokraten erwiesen sich als unfähig, eine realistische Kriegsführung zu betreiben und Kompromisse mit den Gegnern einzugehen. Kriegstreiber heizten die Stimmung in der Volksversammlung gefährlich auf. Danach beherrschte eine Oligarchie von Spartas Gnaden die Stadt. Anschließend konnte sich die Demokratie noch einmal eine Zeitlang durchsetzen, aber schließlich wurde Athen von Makedonien besetzt.
Athen erwies sich als unfähig, seine Bundesgenossen in ein einheitliches politisches System einzubinden. Das athenische Bürgerecht war so weit entwickelt, das es nicht auf Nicht-Athener angewendet werden konnte, sonst hätte es der auf persönlicher Teilnahme an Massenversammlungen beruhenden Demokratie widersprochen. Die Ekklesia führte zu einer Diktatur über die ionischen Verbündeten, die aus Habgier in koloniale Abhängigkeit gedrängt wurden. Die von Oligarchien beherrschte römische Republik hatte später indes keine Probleme damit, lokale Eliten in ihren exklusiven Kreis aufzunehmen. Der römische Imperialismus war deshalb weitaus stabiler als der Expansionismus der Athener Demokraten.