von ehemaliger Autor K. » 16.02.2014, 13:39
Impressionen aus Spanien
Im Jahre 1970 reiste ich das erste Mal nach Spanien und bin seitdem unzählige Male dort gewesen. Die arabische Vergangenheit begegnet einem vor allem im Süden auf Schritt und Tritt.
Unter General Franco, dem letzten Überbleibsel des europäischen Faschismus, galt der heilige Jacobus, einer der Apostel (auf Spanisch: Santiago = heiliger Jacob, abgeleitet von Sanctus Jacobus) als Nationalheiliger und alle Einwohner mussten jährlich eine spezielle Jacobus-Steuer entrichten. Sie feierten ihn als Matamoros, als Maurentöter. Jacobus Leichnam gelangte nach seinem Märtyrertod in Jerusalem auf wundersame Weise nach Galicien und sein Sarkophag wurde unter einem Berg von Muscheln im 9.Jahrhundert, die Jakobsmuscheln, sein Erkennungszeichen, entdeckt, da ein Stern sein Grab verriet. Darüber wurde die Kathedrale von Santiago de Compostela errichtet. Bevor die Ritter zum Kampf gegen die Moros (die Schwarzen, daher der Name Mauren) aufbrachen, pilgerten sie zu diesem wichtigen Wallfahrtsort mit der Muschel als Symbol ihres Glaubens. Es ist noch nicht lange her, da wurde jedes Jahr in Santiago de Compostela eine Moschee aus Holz und Pappe errichtet und dann feierlich angezündet, bis der heutige König Carlos diese Zeremonie als nicht mehr zeitgemäß verbot.
Spanien ist voll von Symbolen. Während der arabischen Eroberung wurden Marienfiguren vergraben und Jahrhunderte später während der Reconquista zufällig wieder gefunden, manchmal von Kerzenruß schwarz gefärbt. Schwarze Madonnen werden als Wunder verehrt und an Feiertagen ehrfürchtig durch die Stadt getragen.
Vom Norden aus fährt man durch die trostlose Einöde von Kastilien, ein ausgedörrtes Hochplateau, brütend heiß im Sommer, eiskalt im Winter. Dieses Gebiet wurde zwischen Arabern und Christen heftig umkämpft und mit Burgen überzogen, von denen das Land seinen Namen hat (Castello = Burg, Kastilien = Land der Burgen). Von hier aus begann die Reconquista, daran beteiligten sich nicht nur Spanier, sondern Ritter aus ganz Europa. Land war dort knapp geworden, viele Adelssöhne gingen bei Erbschaften leer aus, doch in Spanien konnte man Land erobern. In einem Gedicht des Epos Cid heißt es: „In ihren Häusern werden wir wohnen und uns von ihnen bedienen lassen.“
Ein großes Heer von Kämpfern zog auf die iberische Halbinsel, viele von ihnen allerdings eroberten für sich nur kleine Landflecken, wollten aber dennoch ein standesgemäßes Leben führen, ohne Arbeit, nur kämpfen und voller Müßiggang. Aus ihnen entstand der Typ des Hidalgo (stammt von higo de algo = Sohn von Jemandem), ein stolzer, aber armer Adliger, arbeitsunwillig, ein Macho, besessen von der Idee des „limpieza de sangre“, des reinen Blutes, welches ihn unterschied von den unreinen Arabern und Juden. Schon bald war jeder fünfte Spanier ein Hidalgo, sie stahlen den Eroberten ihr Eigentum und bereicherten sich auf deren Kosten. Wer nicht flüchtete, wurde von den Glaubenskriegern zum Christentum zwangsbekehrt. Doch man traute diesen Neuchristen nicht. Die Juden waren Marranen (Schweine), die Araber Moriscos. Schließlich wurden auch sie bestohlen und verjagt. Damit verlor Spanien seine Handwerker, Händler und Landwirte. Traurig blieben die stolzen, aber faulen Hidalgos zurück, treffend von Cervantes in seinem Don Quijote karikiert. Aber nach der Entdeckung Amerikas bot sich ihnen die Möglichkeit, ihre Reconquista auf amerikanischem Boden weiterzuführen, ihren gigantischen Plünderungsfeldzug zu wiederholen und sich dort gewaltigen Grundbesitz anzueignen. Die Raubmentalität der Reconquista, das Gold und Silber aus den Kolonien, machte den Aufbau von Manufakturen und die Förderung von Handel und Gewerbe überflüssig. Dies sollte sich später bitter rächen, das Land wurde alsbald zum europäischen Armenhaus.
Im Süden, in Andalusien, der Name stammt von dem arabischen Al-Andalus, ist der arabische Einfluss besonders an der Architektur deutlich. Überall sieht man die weißen, von den Berbern stammenden Plattdachhäusern, deren flache Dächer in den Sommernächten als Terrassen benutzt werden. Die Häuser sind zu den Gassen hin verschlossen, um den kühlen Innenhof gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Heute haben sie allerdings zu den Straßen hin meistens einen blumengeschmückten Balkon. Die Städte wie Cordoba, Sevilla und Granada haben noch den typischen arabischen Städteaufbau: Eine Hauptmoschee, die später in eine Kirche umgewandelt wurde, eine Zitadelle (Alcazabar); ein Marktviertel, einen ehemaligen Bazar, eine befestigte Burg (Alcazar).
In Granada ist auch noch die arabische Altstadt (Medina) sehr gut erhalten, ein Gassengewirr, in denen sogar die Straßennamen noch in arabischer Schrift zu lesen sind.
Wer einen Eindruck von den originalen arabischen Städten erhalten möchte, sollte mit der Fähre von Algeciras nach Tanger in Marokko fahren und von dort aus weiter nach Fes, Meknès oder Marrakesch reisen.
In Andalusien gab es zur Zeit der Römers und der Westgoten riesige Latifundien, die von Sklaven und Kolonen bewirtschaftet wurden. Die Araber verteilten das Land an viele kleine Pächter, die in Einzelhöfen lebten und durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem versorgt wurden. Während der Reconquista wurde das Land sehr schnell erobert und in großen Teilen an Ritterorden und an die Kirche vergeben, die Bevölkerung in Dörfern konzentriert, die oft noch in der Nähe von arabischen Gebieten waren und daher häufig den Zusatz „La frontera“ (Grenze) tragen. Die Folge war die Entstehung einer kleinen Schicht von Großgrundbesitzern und vielen Tagelöhnern, einer Struktur, die sich lange Zeit als schädlich für weitere Entwicklungen erwies und sozialen Konfliktstoff barg.
In vielen Dörfern schien früher die Zeit stillzustehen. Im Sommer brüteten die schneeweißen Häuser unter einem stahlblauen Himmel. Ein schöner Anblick, der die Armut kaschierte. Schwarzgekleidete Frauen huschten wie in Nordafrika gelegentlich durch die Straßen, manchmal sogar verschleiert, gelegentlich ertönte schwermütige Musik aus den Häusern und erinnerte an orientalische Klänge. Inzwischen ist vielfach durch den Tourismus eine neue Zeit angebrochen, doch vieles aus der Vergangenheit hat sich auch heute noch erhalten.
[b]Impressionen aus Spanien
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[i]Im Jahre 1970 reiste ich das erste Mal nach Spanien und bin seitdem unzählige Male dort gewesen. Die arabische Vergangenheit begegnet einem vor allem im Süden auf Schritt und Tritt.
Unter General Franco, dem letzten Überbleibsel des europäischen Faschismus, galt der heilige Jacobus, einer der Apostel (auf Spanisch: Santiago = heiliger Jacob, abgeleitet von Sanctus Jacobus) als Nationalheiliger und alle Einwohner mussten jährlich eine spezielle Jacobus-Steuer entrichten. Sie feierten ihn als Matamoros, als Maurentöter. Jacobus Leichnam gelangte nach seinem Märtyrertod in Jerusalem auf wundersame Weise nach Galicien und sein Sarkophag wurde unter einem Berg von Muscheln im 9.Jahrhundert, die Jakobsmuscheln, sein Erkennungszeichen, entdeckt, da ein Stern sein Grab verriet. Darüber wurde die Kathedrale von Santiago de Compostela errichtet. Bevor die Ritter zum Kampf gegen die Moros (die Schwarzen, daher der Name Mauren) aufbrachen, pilgerten sie zu diesem wichtigen Wallfahrtsort mit der Muschel als Symbol ihres Glaubens. Es ist noch nicht lange her, da wurde jedes Jahr in Santiago de Compostela eine Moschee aus Holz und Pappe errichtet und dann feierlich angezündet, bis der heutige König Carlos diese Zeremonie als nicht mehr zeitgemäß verbot.
Spanien ist voll von Symbolen. Während der arabischen Eroberung wurden Marienfiguren vergraben und Jahrhunderte später während der Reconquista zufällig wieder gefunden, manchmal von Kerzenruß schwarz gefärbt. Schwarze Madonnen werden als Wunder verehrt und an Feiertagen ehrfürchtig durch die Stadt getragen.
Vom Norden aus fährt man durch die trostlose Einöde von Kastilien, ein ausgedörrtes Hochplateau, brütend heiß im Sommer, eiskalt im Winter. Dieses Gebiet wurde zwischen Arabern und Christen heftig umkämpft und mit Burgen überzogen, von denen das Land seinen Namen hat (Castello = Burg, Kastilien = Land der Burgen). Von hier aus begann die Reconquista, daran beteiligten sich nicht nur Spanier, sondern Ritter aus ganz Europa. Land war dort knapp geworden, viele Adelssöhne gingen bei Erbschaften leer aus, doch in Spanien konnte man Land erobern. In einem Gedicht des Epos Cid heißt es: „In ihren Häusern werden wir wohnen und uns von ihnen bedienen lassen.“
Ein großes Heer von Kämpfern zog auf die iberische Halbinsel, viele von ihnen allerdings eroberten für sich nur kleine Landflecken, wollten aber dennoch ein standesgemäßes Leben führen, ohne Arbeit, nur kämpfen und voller Müßiggang. Aus ihnen entstand der Typ des Hidalgo (stammt von higo de algo = Sohn von Jemandem), ein stolzer, aber armer Adliger, arbeitsunwillig, ein Macho, besessen von der Idee des „limpieza de sangre“, des reinen Blutes, welches ihn unterschied von den unreinen Arabern und Juden. Schon bald war jeder fünfte Spanier ein Hidalgo, sie stahlen den Eroberten ihr Eigentum und bereicherten sich auf deren Kosten. Wer nicht flüchtete, wurde von den Glaubenskriegern zum Christentum zwangsbekehrt. Doch man traute diesen Neuchristen nicht. Die Juden waren Marranen (Schweine), die Araber Moriscos. Schließlich wurden auch sie bestohlen und verjagt. Damit verlor Spanien seine Handwerker, Händler und Landwirte. Traurig blieben die stolzen, aber faulen Hidalgos zurück, treffend von Cervantes in seinem Don Quijote karikiert. Aber nach der Entdeckung Amerikas bot sich ihnen die Möglichkeit, ihre Reconquista auf amerikanischem Boden weiterzuführen, ihren gigantischen Plünderungsfeldzug zu wiederholen und sich dort gewaltigen Grundbesitz anzueignen. Die Raubmentalität der Reconquista, das Gold und Silber aus den Kolonien, machte den Aufbau von Manufakturen und die Förderung von Handel und Gewerbe überflüssig. Dies sollte sich später bitter rächen, das Land wurde alsbald zum europäischen Armenhaus.
Im Süden, in Andalusien, der Name stammt von dem arabischen Al-Andalus, ist der arabische Einfluss besonders an der Architektur deutlich. Überall sieht man die weißen, von den Berbern stammenden Plattdachhäusern, deren flache Dächer in den Sommernächten als Terrassen benutzt werden. Die Häuser sind zu den Gassen hin verschlossen, um den kühlen Innenhof gegen neugierige Blicke abzuschirmen. Heute haben sie allerdings zu den Straßen hin meistens einen blumengeschmückten Balkon. Die Städte wie Cordoba, Sevilla und Granada haben noch den typischen arabischen Städteaufbau: Eine Hauptmoschee, die später in eine Kirche umgewandelt wurde, eine Zitadelle (Alcazabar); ein Marktviertel, einen ehemaligen Bazar, eine befestigte Burg (Alcazar).
In Granada ist auch noch die arabische Altstadt (Medina) sehr gut erhalten, ein Gassengewirr, in denen sogar die Straßennamen noch in arabischer Schrift zu lesen sind.
Wer einen Eindruck von den originalen arabischen Städten erhalten möchte, sollte mit der Fähre von Algeciras nach Tanger in Marokko fahren und von dort aus weiter nach Fes, Meknès oder Marrakesch reisen.
In Andalusien gab es zur Zeit der Römers und der Westgoten riesige Latifundien, die von Sklaven und Kolonen bewirtschaftet wurden. Die Araber verteilten das Land an viele kleine Pächter, die in Einzelhöfen lebten und durch ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem versorgt wurden. Während der Reconquista wurde das Land sehr schnell erobert und in großen Teilen an Ritterorden und an die Kirche vergeben, die Bevölkerung in Dörfern konzentriert, die oft noch in der Nähe von arabischen Gebieten waren und daher häufig den Zusatz „La frontera“ (Grenze) tragen. Die Folge war die Entstehung einer kleinen Schicht von Großgrundbesitzern und vielen Tagelöhnern, einer Struktur, die sich lange Zeit als schädlich für weitere Entwicklungen erwies und sozialen Konfliktstoff barg.
In vielen Dörfern schien früher die Zeit stillzustehen. Im Sommer brüteten die schneeweißen Häuser unter einem stahlblauen Himmel. Ein schöner Anblick, der die Armut kaschierte. Schwarzgekleidete Frauen huschten wie in Nordafrika gelegentlich durch die Straßen, manchmal sogar verschleiert, gelegentlich ertönte schwermütige Musik aus den Häusern und erinnerte an orientalische Klänge. Inzwischen ist vielfach durch den Tourismus eine neue Zeit angebrochen, doch vieles aus der Vergangenheit hat sich auch heute noch erhalten.
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