von Peppone » 01.06.2012, 10:24
Aneri hat geschrieben:Ich finde den Artikel wie für 12-jährigen geschrieben: die sind böse, die sind gute. Ich erwarte von dem wissenschaftlichen, wenn auch populären Artikel, mehr Analyse und weniger Emotionen betätigte Sprache.
Der Artikel ist bewusst so geschrieben, um die emotionale Seite herauszustellen. Die auch aus den Quellen deutlich sichtbare Abneigung der Chinesen gegen die Mongolen (s.u.) ist ja nun eindeutig eine Emotion.
Ich versuchte, gerade die Perspektive der Chinesen zu berücksichtigen, denn ebenfalls ohne Zweifel brachten die Mongolen politische und auch kulturelle Stabilität, und trotzdem waren die Chinesen gegen sie.
Ich habe auch bewusst auf Historiker-Fachbegriffe verzichtet, weil ich kein "Fachchinesisch" schreiben wollte, das noch weniger verstanden werden kann als das, was ich schließlich verfasst habe.
Aneri hat geschrieben:„... Aus der nur selten eingenommenen chinesischen Perspektive heraus erscheinen sie (die Mongolen) dagegen als Schlüsselakteure bei der Wiedervereinigung, wie sie zuletzt die Han- und Tang-Imperien in ihrer Blütezeit gekannt hatten. Obwohl die traditionelle chinesische Historiografie die Mongolen meist als grobe Barbarenvölker abstempelt, die Chinas kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung störten, erging sowohl der Wirtschaft wie der Kultur recht gut unter der Mongolenherrschaft, die das chinesische Kernland politisch einte und den kommerziellen und intellektuellen Austausch auf ein Niveau brachte, wie es schon jahrhundertlang nicht mehr üblich gewesen war.
Wong mag chinesischer Abstammung sein, aber er ist Amerikaner. Und wie er selber schreibt, ist die positive Würdigung der Mongolenherrschaft eben KEINE innerchinesische Perspektive, sondern eine Außensicht, noch dazu vom modernen Standpunkt aus, also eine "ex-post"-Darstellung. Denn "die traditionelle chinesische Historiografie [sieht] die Mongolen meist als grobe Barbarenvölker".
Und genau darauf wollte ich mit meinem Artikel hinaus. Danke für diese Bestätigung der Richtigkeit meiner Aussagen.
Nun muss man schon auch sehen, dass "traditionelle chinesische Historiografie" bedeutet, dass hier staatlich gelenkt wurde. Klar, dass die Mingherrscher keine Lobeshymnen auf die Mongolen verfassen ließen.
Aber auch Franke/Trauzettel schrieben in ihrem 1968 verfassten Standardwerk "Das chinesische Kaiserreich" über die Zeit der Eroberung Nordchinas durch die Mongolen: "Die chinesische Bevölkerung begrüßte, so vehasst die Herrschaft der Dschurdschen [ein weiterer Nomadenstamm, der schon zuvor Nordchina von den Sung erobert hatte und das Chin-Reich errichtet hatte] auch gewesen sein mochte, die Mongolen [unter Ögödei] nicht als Befreier, denn die neuen Herren erwiesen sich als nicht weniger ausbeuterisch als ihre Vorgänger."
Die Mongolen ließen nämlich Steuern durch - mongolische - Privatunternehmer eintreiben. Maßlose Bereicherung einiger weniger zu Lasten der Bevölkerung war die Folge.
Im Südreich war man zu dieser Zeit nicht mehr fähig, die Großgrundbesitzer zum Zahlen von Steuern zu bewegen, Papiergeld führte zu Inflation, der Dauerkrieg gegen die Mongolen (mittlerweile unter Kublai) kostete Unmengen, so dass sich der Kanzler des Südreiches (Südliche Sung-Dynastie) gezwungen sah, ein Fünftel des in Großgrundbesitz befindlichen Landes zu verstaatlichen. Die Großgrundbesitzer und die Beamten (oft beides in einer Person) versagte daraufhin teilweise dem Staat die Loyalität, auch die Truppenführer wurden wiederholten Rechnungsprüfungen unterzogen, was ihrer Treue zum Herrscherhaus auch nicht unbedingt zuträglich war. Als daher die Mongolen ins Sungreich einmarschierten, ergaben sich viele Truppenteile kampflos. Die Folge war die im Artikel dargestellte letzte Verzweiflungsschlacht der Sung und der Tod des jungen Kaisers samt seines wichtigsten Beraters, eben des Kanzlers.
Kublai bemühte sich zwar, seine Herrschaft chinesisch aussehen zu lassen, indem er sich mit chinesischen Beamten umgab, seine Hauptstadt nach Peking, die nördliche chinesische Hauptstadt verlegte, Chinesisch zur - neben dem Mongolischen - zweiten Amtssprache machte, die chinesische Verwaltung übernahm. Aber die Mongolen sinisierten sich nur widerwillig, kaum einer der mongolischen Beamten konnte vernünftig Chinesisch sprechen, geschweige denn schreiben (weswegen Heerscharen chinesischer Schreiber und Übersetzer die Amtsstuben bevölkerten), daher blieben diese mongolischen Beamten bei den Chinesen stets verhasst und verachtet. Der Norden Chinas war durch wiederholte Eroberungen und Dauerkriege "ausgepowert" (O-Ton Franke/Trauzettel, S.230 der Ausgabe von 2005), daher musste der Süden die Hauptlast der Steuern tragen - das machte die Mongolen nicht beliebter bei den Chinesen, deren Bevölkerungsmehrheit ja im Süden lebte. Die Südchinesen waren als Bewohner des ehemaligen Sung-Reiches auch von allen Staatsämtern ausgeschlossen, im Unterschied zu den Han-Chinesen, Kitan, Dschurdschen, Koreanern, die den Norden Chinas bevölkerten.
Auf dem Gebiet der Literatur und Religion war die Mongolenzeit von Freizügigkeit gekennzeichnet, aber auch das erregte den Widerwillen der auf ihre Tradition und Kultur sehr stolzen (Süd-)Chinesen.
Zunehmende Entwertung des mittlerweile zum Hauptzahlungsmittel gewordenen Papiergeldes, daher auch wirtschaftlicher Niedergang des Reiches, interne Machtkämpfe zwischen mächtigen Adelsfamilien, immer noch weitgehende Isolierung der wenigen herrschenden Mongolen von den vielen beherrschten Chinesen, agrarsoziale Spannungen durch Fronarbeiten und Blockierung der Lebensmittelproduktion aufgrund von regionalen Aufständen (u.a. gegen die Ausbeutung durch Steuereintreiber) - das alles trug nach 200 Jahren Mongolenherrschaft schließlich dazu bei, dass die Yüan-Dynastie (nicht einmal der Name war wirklich chinesisch) unter dem Ansturm der Ming-Rebellen unter Führung von Chu Yüan-chang, der dann zum ersten Ming-Kaiser wurde (übrigens unter Protektion der buddhistischen Sekte des "Weißen Lotos", der hier nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal der Katalysator eines Umsturzes wurde).
Ich hoffe, aus diesen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Mongolen zeit ihrer Herrschaft in China Außenseiter blieben und bei den Chinesen verhasst und verachtet waren, trotz aller Vorteile, die die Mongolenherrschaft für China hatte und trotz aller Integrationsversuche durch das mongolische Herrscherhaus.
Beppe
[quote="Aneri"]Ich finde den Artikel wie für 12-jährigen geschrieben: die sind böse, die sind gute. Ich erwarte von dem wissenschaftlichen, wenn auch populären Artikel, mehr Analyse und weniger Emotionen betätigte Sprache. [/quote]
Der Artikel ist bewusst so geschrieben, um die emotionale Seite herauszustellen. Die auch aus den Quellen deutlich sichtbare Abneigung der Chinesen gegen die Mongolen (s.u.) ist ja nun eindeutig eine Emotion.
Ich versuchte, gerade die Perspektive der Chinesen zu berücksichtigen, denn ebenfalls ohne Zweifel brachten die Mongolen politische und auch kulturelle Stabilität, und trotzdem waren die Chinesen gegen sie.
Ich habe auch bewusst auf Historiker-Fachbegriffe verzichtet, weil ich kein "Fachchinesisch" schreiben wollte, das noch weniger verstanden werden kann als das, was ich schließlich verfasst habe.
[quote="Aneri"]„... Aus der nur selten eingenommenen chinesischen Perspektive heraus erscheinen sie [i](die Mongolen)[/i] dagegen als Schlüsselakteure bei der Wiedervereinigung, wie sie zuletzt die Han- und Tang-Imperien in ihrer Blütezeit gekannt hatten. Obwohl die traditionelle chinesische Historiografie die Mongolen meist als grobe Barbarenvölker abstempelt, die Chinas kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung störten, erging sowohl der Wirtschaft wie der Kultur recht gut unter der Mongolenherrschaft, die das chinesische Kernland politisch einte und den kommerziellen und intellektuellen Austausch auf ein Niveau brachte, wie es schon jahrhundertlang nicht mehr üblich gewesen war. [/quote]
Wong mag chinesischer Abstammung sein, aber er ist Amerikaner. Und wie er selber schreibt, ist die positive Würdigung der Mongolenherrschaft eben KEINE innerchinesische Perspektive, sondern eine Außensicht, noch dazu vom modernen Standpunkt aus, also eine "ex-post"-Darstellung. Denn "die traditionelle chinesische Historiografie [sieht] die Mongolen meist als grobe Barbarenvölker".
Und genau darauf wollte ich mit meinem Artikel hinaus. Danke für diese Bestätigung der Richtigkeit meiner Aussagen.
Nun muss man schon auch sehen, dass "traditionelle chinesische Historiografie" bedeutet, dass hier staatlich gelenkt wurde. Klar, dass die Mingherrscher keine Lobeshymnen auf die Mongolen verfassen ließen.
Aber auch Franke/Trauzettel schrieben in ihrem 1968 verfassten Standardwerk "Das chinesische Kaiserreich" über die Zeit der Eroberung Nordchinas durch die Mongolen: "Die chinesische Bevölkerung begrüßte, so vehasst die Herrschaft der Dschurdschen [ein weiterer Nomadenstamm, der schon zuvor Nordchina von den Sung erobert hatte und das Chin-Reich errichtet hatte] auch gewesen sein mochte, die Mongolen [unter Ögödei] nicht als Befreier, denn die neuen Herren erwiesen sich als nicht weniger ausbeuterisch als ihre Vorgänger."
Die Mongolen ließen nämlich Steuern durch - mongolische - Privatunternehmer eintreiben. Maßlose Bereicherung einiger weniger zu Lasten der Bevölkerung war die Folge.
Im Südreich war man zu dieser Zeit nicht mehr fähig, die Großgrundbesitzer zum Zahlen von Steuern zu bewegen, Papiergeld führte zu Inflation, der Dauerkrieg gegen die Mongolen (mittlerweile unter Kublai) kostete Unmengen, so dass sich der Kanzler des Südreiches (Südliche Sung-Dynastie) gezwungen sah, ein Fünftel des in Großgrundbesitz befindlichen Landes zu verstaatlichen. Die Großgrundbesitzer und die Beamten (oft beides in einer Person) versagte daraufhin teilweise dem Staat die Loyalität, auch die Truppenführer wurden wiederholten Rechnungsprüfungen unterzogen, was ihrer Treue zum Herrscherhaus auch nicht unbedingt zuträglich war. Als daher die Mongolen ins Sungreich einmarschierten, ergaben sich viele Truppenteile kampflos. Die Folge war die im Artikel dargestellte letzte Verzweiflungsschlacht der Sung und der Tod des jungen Kaisers samt seines wichtigsten Beraters, eben des Kanzlers.
Kublai bemühte sich zwar, seine Herrschaft chinesisch aussehen zu lassen, indem er sich mit chinesischen Beamten umgab, seine Hauptstadt nach Peking, die nördliche chinesische Hauptstadt verlegte, Chinesisch zur - neben dem Mongolischen - zweiten Amtssprache machte, die chinesische Verwaltung übernahm. Aber die Mongolen sinisierten sich nur widerwillig, kaum einer der mongolischen Beamten konnte vernünftig Chinesisch sprechen, geschweige denn schreiben (weswegen Heerscharen chinesischer Schreiber und Übersetzer die Amtsstuben bevölkerten), daher blieben diese mongolischen Beamten bei den Chinesen stets verhasst und verachtet. Der Norden Chinas war durch wiederholte Eroberungen und Dauerkriege "ausgepowert" (O-Ton Franke/Trauzettel, S.230 der Ausgabe von 2005), daher musste der Süden die Hauptlast der Steuern tragen - das machte die Mongolen nicht beliebter bei den Chinesen, deren Bevölkerungsmehrheit ja im Süden lebte. Die Südchinesen waren als Bewohner des ehemaligen Sung-Reiches auch von allen Staatsämtern ausgeschlossen, im Unterschied zu den Han-Chinesen, Kitan, Dschurdschen, Koreanern, die den Norden Chinas bevölkerten.
Auf dem Gebiet der Literatur und Religion war die Mongolenzeit von Freizügigkeit gekennzeichnet, aber auch das erregte den Widerwillen der auf ihre Tradition und Kultur sehr stolzen (Süd-)Chinesen.
Zunehmende Entwertung des mittlerweile zum Hauptzahlungsmittel gewordenen Papiergeldes, daher auch wirtschaftlicher Niedergang des Reiches, interne Machtkämpfe zwischen mächtigen Adelsfamilien, immer noch weitgehende Isolierung der wenigen herrschenden Mongolen von den vielen beherrschten Chinesen, agrarsoziale Spannungen durch Fronarbeiten und Blockierung der Lebensmittelproduktion aufgrund von regionalen Aufständen (u.a. gegen die Ausbeutung durch Steuereintreiber) - das alles trug nach 200 Jahren Mongolenherrschaft schließlich dazu bei, dass die Yüan-Dynastie (nicht einmal der Name war wirklich chinesisch) unter dem Ansturm der Ming-Rebellen unter Führung von Chu Yüan-chang, der dann zum ersten Ming-Kaiser wurde (übrigens unter Protektion der buddhistischen Sekte des "Weißen Lotos", der hier nicht zum ersten und auch nicht zum letzten Mal der Katalysator eines Umsturzes wurde).
Ich hoffe, aus diesen Ausführungen ist deutlich geworden, dass die Mongolen zeit ihrer Herrschaft in China Außenseiter blieben und bei den Chinesen verhasst und verachtet waren, trotz aller Vorteile, die die Mongolenherrschaft für China hatte und trotz aller Integrationsversuche durch das mongolische Herrscherhaus.
Beppe