Abschaffung des geistigen Eigentums - was dann?

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Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Einen Programmpunkt der Piratenpartei würde ich gern gesondert in dieser Rubrik behandeln. Es geht um die Abschaffung des geistigen Eigentums:
Die Piratenpartei stellt die Eigentumsfrage. Vor allem das geistige Eigentum ist den medialen Freibeutern ein Dorn im Auge. „Hier werden kulturelle Schätze verborgen und versteckt. Piraten lieben Schätze, lasst uns diese Schätze heben", sagt Hillbrecht. Die Delegierten jubeln...
Quelle: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... 03/492531/

Hier die Meinung der Piratenpartei zum aktuellen Urheberrecht:
http://www.piratenpartei.de/navigation/ ... faeltigung

:?: Bei dieser Forderung drängt sich mir die Frage auf, welche Auswirkung das hätte.
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elysian
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Ich greife mir mal einen Punkt heraus:
Die heutige Regelung der Verwertungsrechte wird einem fairen Ausgleich zwischen den berechtigten wirtschaftlichen Interessen der Urheber und dem öffentlichen Interesse an Zugang zu Wissen und Kultur jedoch nicht gerecht. Im Allgemeinen wird für die Schaffung eines Werkes in erheblichem Maße auf den öffentlichen Schatz an Schöpfungen zurückgegriffen. Die Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum ist daher nicht nur berechtigt, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit. Es sind daher Rahmenbedingungen zu schaffen, welche eine faire Rückführung in den öffentlichen Raum ermöglichen.
Faktisch wird hier ein universelles allgemeines Eigentum postuliert, dass sich dann an den Werken des Individuums fortsetzt und den Rechtsgrundlage für den Anspruch darstellt, das individuelle Werk zu kollektivieren.
Legt man diese Sicht zugrunde, ist das Werk also entweder nur eine Ansammlung vorausgesetzter Gegenstände des allgemeinen Eigentums oder aber das Eigentum der Allgemeinheit überlagert das Eigentum an den in der Tat rein individuellen Elementen.
Zwar sollen die Individuen für ihre Leistung entlohnt werden, indem ihnen gewisse Verwertungsrechte zugestanden werden, aber das, was Eigentum essentiell ausmacht, die weitgehende Verfügungsgewalt über etwas, bestünde für das individuelle Eigentum praktisch nicht mehr.
Einfacher formuliert: nicht wer schafft, soll den Preis bestimmen, sondern die Gemeinschaft dem Einzelnen einen Lohn für die Arbeit zuteilen.

Meine Kritik würde hier an verschiedenen Punkten ansetzen:
1. Es gibt kein universelles Eigentum der Gemeinschaft. Und wenn man der Meinung ist, dass es ein solches Eigentum gäbe, dann müsste dies schon überzeugend begründet werden. Daran fehlt es hier.
Einfach zu behaupten, am Anfang wäre nur die Natur gewesen und die hätte allen gehört und daraus ließe sich dann jede weitere Entwicklung und Erfindung und so weiter ableiten, ist offensichtlich nicht ausreichend.

2. Es ist reichlich anmaßend, die individuelle Leistung gering zu achten (man nehme als Beispiel nur Bachs großartige Werke!) und ihnen nicht umfassend das Recht einräumen zu wollen, von diesen Anstrengungen dann auch umfangreich zu profitieren. Wieso sollten Schaffende sich von Dritten sagen lassen müssen, wieviel sie an ihrer Leistung verdienen dürfen?

3. Für die Annahme eines allgemeinen Eigentums (nebenbei gefragt: wer gehört eigentlich zu dieser Allgemeinheit und wer nicht? Auch Nordkoreaner oder Iraner? Haben die dann Ansprüche auf die Pläne und Unterlagen für Waffentechnologie?) könnte die Überlegung sprechen, dass bereits jetzt ab einem bestimmten Zeitpunkt ein Ende von Urheberrechten akzeptiert wird. Allerdings holt sich die Allgemeinheit m.E. dabei nichts "zurück"! (auch Bach hat sich durch andere anregen lassen, aber was er übernahm, übernahm er von einem anderen Individuum und nicht von der Allgemeinheit! Das trifft dann auch wieder für jenes andere Individuum zu) Jedenfalls aber fehlt eine überzeugende Begründung, warum diese Regelung nicht ausreichend sein solle.

4. Nichtkommerzielle Verwendung von Werken ist bereits jetzt in vielen Fällen unproblematisch und die Verwendung veröffentlicher Werke ebenfalls möglich, solange man die fremde Leistung klar herausstellt (wie heißt es doch? "Ehre, wem Ehre gebührt!").
Eine "Verbesserung" würde durch eine entsprechende Änderung also vor allem für Fälle in Betracht kommen, in denen jemand fremde Leistung für eigene wirtschaftliche Zwecke nutzbar machen will.

Das so mal auf die Schnelle.

p.s. fällt mir grade ein:
vergleicht doch mal die Rechtslage mit jener, die bei körperlichen Gegenständen gilt:
http://dejure.org/gesetze/BGB/950.html
Wenn jemand sich eines anderen Farbkasten und Papier schnappt und er malt darauf ein Kunstwerk, dann erwirbt der Maler auch das Eigentum am Papier. (Wert d. Materials z.B. 5 Euro; Bildwert z.B. 132 Euro)
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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INTERNET:
Raubkopierer sollen sofort ermahnt werden
Zum „Welttag des geistigen Eigentums“ fordern Branchenvertreter ein schärferes Vorgehen der Politik / Internetanbieter sind skeptisch

POTSDAM - Illegal kopierte Bücher, Musikstücke, Filme oder Computerspiele sorgen jährlich für einen Milliardenschaden in der deutschen Wirtschaft. Darauf haben gestern Spitzenverbände der Unterhaltungsbranche und Gewerkschaften anlässlich des „Welttages des geistigen Eigentums“ hingewiesen und eine schärfere Durchsetzung des Urheberrechts im Internet verlangt. Der Welttag wurde 2000 von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen und wird immer am 26. April begangen...
weiter lesen: http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/ ... r-ein.html
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Lady Boleyn
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Ein interessantes Thema.
Ich bin der Meinung, dass Menschen für ihre Arbeit honoriert werden sollten, allerdings habe ich oft den Eindruck, dass Preise ungerechtfertig hoch sind.

Da ich persönlich selbst in solchen Bereichen bewege, sprich Schreibe und Zeichne, kann ich das auch gut nachvollziehen. Wobei es mir nicht um Geld geht, sondern darum, dass es frustrierend ist, wenn man sich die Mühe macht und einfach jemand ala Guttenberg den Text kopiert und als eigenen ausgibt. Solche Erfahrungen musste ich schon machen. Und es ist ärgerlich, wenn man so viel Mühe in etwas rein steckt und das einfach geklaut wird. Vor allem wenn man, wie ich, den Leuten freien Zugang gewähren.
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Barbarossa
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Was du beschreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Auch wenn man z. B. in der Kunst oder Wissenschaft - verschiedene Elemente verwendet, die es bereits gibt, so bringt man doch auch immer eigene Ideen ein und entwickelt vorhandenes weiter. Deshalb sehe ich auch Probleme darin, das geistige Eigentum komplett abzuschaffen und alles als Gemeingut zu behandeln - zumal damit vielen Menschen das Einkommen genommen wird.
Die Antwort der Piratenpartei auf dieses Problem scheint das "bedingungslose Grundeinkommen" zu sein. ^^
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Lady Boleyn
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Aber auch ohne diesen Geldaspekt find ich das völlige Abschaffen vom Eigentumsrecht unsinnig. Ein bisschen möcht man doch sein Ego streicheln mit seinen Werken, man will ja auch eine gewisse Anerkennung.
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Barbarossa
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Das natürlich auch - klar.
:wink:
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