Paul hat geschrieben:Eigentlich hätten überall viel größere Volksheere mobilisiert werden können.
Nicht zu dieser Zeit. Den fränkischen Bauern war Waffentragen glaub ich sogar verboten. Die Heermacht der Franken basierte auf den Reitern, die später noch zu Rittern werden sollten, und auf den Freien (Bauern), die Waffen tragen durften bzw. im Kriegsfall mussten und (als Gefolge der Reiter) die Infanterie stellten. Alle übrigen - Freigelassene, Halbfreie, Unfreie = Leibeigene - waren "nur" für die Versorgung des Heeres zuständig.
Wie das Beispiel der Westgoten zeigt, war ein Sieg über ein solches - noch dazu vom König bzw. dessen Äquivalent, in Franken also dem Hausmeier - geführtes Heer meistens der Schlussstrich unter die Geschichte eines Reiches.
WENN (!) die Araber bis zu den Sachsen durchgestoßen wären, hätten sie es dort mit vielen kleinen Stammesheeren, geführt von Herzögen, zu tun gehabt, aber da die Sachsen keinen König hatten, hätten sie eine Art Kleinkrieg führen müssen. Dazu aber waren die Araber in der Lage, Nordafrika z.B. wurde ebenfalls überrannt, obwohl man es dort auch mit einer Stammesstruktur ähnlich der der Sachsen zu tun gehabt hat. Im Kampf gegen die Berber nutzte den Arabern allerdings auch die Uneinigkeit unter den Stämmen, von denen die einen unter ihrer Führerin "Kahina" die Araber bekämpften, während andere Stammesfürsten die Moslems unterstützten. Bei den Sachsen wären ähnliche Konstellation auch vorstellbar gewesen. Aber den Arabern wäre es wohl so weit nördlich tatsächlich einfach zu kalt gewesen...
Eine andere Frage wäre, wie die Araber in Italien vorgegangen wären. Erstens hätten sie erst mal - wie weiland Hannibal - die Alpen überwinden müssen, und da saßen - ebenfalls wie zu Hannibals Zeiten - in allen Tälern sehr selbstbewusste und wehrfähige Leute. Und dann wären da die Langobarden noch gewesen; zu der Zeit hatte König Liutprand zwar mit inneren Zwistigkeiten zu kämpfen, konnte aber Karl Martell militärisch unterstützen, saß also einigermaßen fest im Sattel. Von hier war für die Araber also ähnlicher Widerstand zu erwarten wie von den Franken. Noch mal eine Chance für das "christliche Abendland". Bayern wäre ebenfalls ein Machtfaktor gewesen, den die Araber erst mal besiegen hätten müssen. Wer aber zuvor schon die Franken - und evtl. die Langobarden - besiegt hat, der hat vor den Bayern eigentlich keine große Angst mehr, fraglich, ob Herzog Hugbert es überhaupt auf einen Kampf hätte ankommen lassen.
Neben den Langobarden, eventuell noch kampfwilligen und -fähigen fränkischen Hochadligen im Norden des Reichs (Austrasien), den Bayern und eben den Sachsen sehe ich eigentlich keinen (militärischen) Grund, warum nach einer Niederlage Karl Martells bei Tours/Poitier nicht das gesamte Westeuropa unter arabische Herrschaft hätte kommen können.
Volksheere allerdings wären in Franken, Italien und auch Bayern nicht aufzustellen gewesen. Bei den Sachsen mit ihrem erheblich höheren Anteil an Freien unter der Bevölkerung allerdings wohl schon.
Beppe