Maksim hat geschrieben:
Marx hat von "Religion" gesprochen, nicht von "Gott" oder "Glaube". Im Kontext seiner Zeit, der aber durchaus auch auf die Jetztzeit anwendbar ist - allerdings wohl nur bei den weniger aufgeklärten Menschen, ist die Religion das Opium des Volkes. Es wird mit dem Opiat "Religion" von der Obrigkeit sediert. Das ist / war aber nicht nur im Christentum so.
Religion, religio, Gott, Glaube, etc. sind durchaus austauschbare Synonyme. Letztlich stellt sich immer die Frage: wird das Volk ruhig gestellt? Dies ist eine grundsätzliche Aussage, die zeitlose Gültigkeit haben muss oder verkehrt ist.
Ich habe meine Zweifel an dieser These, schließlich blendet sie die Religiösität der sog. Obrigkeit einfach aus oder verneint sie argumentlos.
Nebenbei sei bemerkt, dass Obrigkeit auch zu Marxens Zeiten kein abgeschlossener sozialer Raum mehr sein musste und dies der Religiösität keinen Abbruch tat. Ein m.E. durchschlagendes Beispiel hierfür sind die USA.
Die Speisevorschriften der Muslime stammen aus einer Zeit, als (z.B.) noch keine Kühlschränke oder Antibiotika vorhanden waren. Hätte der Prophet seinen Schäflein gesagt "Kein Schweinefleisch essen, es setzt bei mangelnder Hygiene und großer Hitze Trichinen / Salmonellen an, das ist ungesund !" hätten seine Schäflein vermutlich den Kopf geschüttelt und weiter am Schweineknochen genagt. Aber ...
"Wenn Ihr Schweinfleisch esst, dann erzürnt Ihr Mr. X, dann kommt Ihr nicht ins Paradies !" hatte den gewünschten Erfolg.
Damit setzt Du aber voraus, dass der Prophet über eine entsprechende Kenntnis verfügte und aus anderen Gründen auf diese Erklärung auswich.
Ich halte es für wahrscheinlicher, dass Krankheiten als göttliche Strafen oder Prüfungen verstanden wurden (z.B. Hiob, Epilepsie, etc.).
Von dieser Prämisse ausgehend kommt man geradezu notwendig zur besagten Bewertung des Schweinefleisches, wenn sein Genuss regelmäßig zu einer Erkrankung führt.
Zudem kann ich jetzt nicht nachvollziehen, wieso die Obrigkeit das Volk gerade dadurch sediert, dass Volk wie Obrigkeit Schweinefleisch als unrein verdammen und nicht essen.
Wenn Du darauf hinaus willst, dass Menschen die Religion machen, so ist Dir vielleicht aufgefallen, dass ich diesem Teil des Zitats gerade nicht widersprach. Hier stimme ich vielmehr zu. Religion, Glaube oder wie auch immer ist ein Sich-ein-Bild-Machen(-von-Gott). Wobei dies nicht notwendig von einem möglichen Gott losgelöst geschehen muss.
Im Kastensystem der Hindus darf sich niemand gegen die Kastengrenzen auflehnen ... die Hindugötter mögen das nicht. Warum ?
Usw ... usf ... .
Umgekehrt kann und wird mitunter auch die Demokratie religiös fundiert, als die der Gleichheit vor Gott angemessene Gesellschaftsform.
Andere Systeme kamen hierzu wiederum sehr gut ohne Gott oder Götter aus (z.B. diverse atheistische Systeme; s.aber auch: mos maiorum).
Religionen dienen dazu, das Volk zu sedieren, ruhhig zu stellen, damit es sich nicht gegen die Obrigkeit auflehnt. Der "Lohn" für "Gottgefälligkeit" kommt dann "im Nachleben". Deshalb sprach Marx vom "Opium fürs Volk".
Lange Rede, kurzer Sinn ... die Konditionierung des Volkes wird mit "Religion" betrieben.
Dies trifft z.B. auf die antiken Religionen nicht zu, in denen man keinen Lohn im Nachleben versprochen bekam.
Auf das Christentum trifft es auch nur bedingt zu. Schließlich kann nach christlicher Auffassung auch ein gottgefällig lebender Mensch letztlich sündig sein.
Anders mag dies in den beiden Gesetzesreligionen sein, in denen man sich an bestimmte Vorgaben halten kann. Allerdings sind diese mitunter widersprüchlich oder in ihrer Bedeutung unsicher.
Andererseits ist Gleichmut auch ein philosophisches Ziel, wenn ich an die Epikureer und die Stoiker erinnern darf.
Weiterhin kann es durchaus gottgefällig sein, sich gerade gegen die Obrigkeit aufzulehnen, wenn diese wiederum von Gott abgefallen ist.
Aus diesen und weiteren Gründen lehne ich eine Konditionierung durch die Religion als falsche Annahme ab.