Barbarossa hat geschrieben:RedScorpion hat geschrieben:Da Jugendweihe im Westen auch unter Atheisten absolut unüblich ist...
Woher willst du das wissen? Und selbst wenn - was meinst du, wie lange noch?
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Wie meinen?
Also, ich denke, man wüsste es ja wohl, wenn 14jährige zu Weihen oder von mir aus auch "Jugendfeiern" geschickt würden. Das wär' einfach 'ne Notiz wert, im Familien- und Freundeskreis, Zeitungen usw. Very odd.
Es gibt bisweilen sowas wie Neuwählerempfänge im Rathaus oder sowas, aber nicht für 14Jährige.
Barbarossa hat geschrieben:
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RedScorpion hat geschrieben:...kann man sich jetzt fragen, woher denn die Tradition dieser "Feier" im Osten wohl kommt...
Wie ich schon schrieb, gab es das bereits vorher und wurde ab 1949 dann staatlich vereinnahmt.
Da die große Mehrheit der Bevölkerung (rd. 75 %) inzwischen aber atheistisch war, blieben viele dabei.
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Vorher waren's aber keine 75%, und - wie Dein Wiki-Artikel von oben treffend bemerkte - Jugendweihe-Feiern waren in der Weimarer Republik Randerscheingen.
Das wurde erst mit der Nazizeit anders.
Und dass es in der Ehemaligen derart viele Atheisten gibt, ist kein Phänomen der fortschreitenden Urbanisierung, Kirchensteuer oder sonstwas, sondern schlicht das Ergebnis von Stalinismus und Sozialismus.
Nicht grad urdeutsch als Tugenden (naja OK, Marx und Engels freilich schon, und auch Lenin wär' ohne deutsche Hilfe ganz lieb in der Schweiz geblieben), so allgemein.
Barbarossa hat geschrieben:
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RedScorpion hat geschrieben:Mit Deiner Logik könnte ich die Begriffe "Sonderbehandlung", "Konzentrationslager" (Sorry für das Extrembeispiel, trotzdem anschaulich, da der Groschen ja trotz meinem Beispiel oben über den Kaisergeburtstag bisher ja nicht gefallen ist) usw. gemütlich weiterverwenden, denn es gab sie ja schon vor dem NS. Und heissen können's ja auch was anderes. Aha. Na toll.
Ich sehe auch tatsächlich nicht ein, daß ich meine Sprache ändern soll, nur weil sie ein "paar Kaputte" sie vereinnahmen.
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"Paar Kaputte" is n büschn untertrieben, ne?
Sicherlich ist es so - das hatten wir schonmal - dass Sprache auch eigene Geschichte, zu der eben bisweilen auch Diktatur und Indoktrinierung gehören mögen, reflektiert,
und man dabei manchmal gar nicht merkt, wessen und welchen Jargons man sich bedient;
aber wenn man's dann doch irgendwann 'mal weiss? Muss man doch nicht unbedingt wie ein Volltrottel mit dem Kopf durch die Wand, wenn's auch anders geht.
Barbarossa hat geschrieben:
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Erklärung dazu: Als ich meinen ersten Personalausweis beantragte (1981), da gab es zwei verschiedene Spalten, in die ich folgendes eintragen mußte:
- Staatsbürgerschaft: DDR
- Nationalität: Deutsch
In der Lausitz gibt es noch die Sorben und die mußten bei Nationalität statt dessen eintragen: Sorbisch
Daher kenne ich das so.
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Aha. Also deswegen.
Barbarossa hat geschrieben:
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Gleichzeitig - in der Französischen Revolution - entstand der Begriff der Staatsnation, d. h. die moderne Bedeutung des Begriffs, als eine bewusste und gewollte politische Gemeinschaft, die zwar in vielen Fällen von einer Mehrheit eines Volkes mit gleicher Sprache getragen wird, aber darüberhinaus auch fremdstämmige und anderssprachige Volksteile aufnehmen kann, die sich mehr oder minder freiwillig zu ihr bekennen. Die Nation ist also weitgehend eine Willensgemeinschaft in stetiger politischer Integration. Prägend für die Nation ist vor allem die gemeinsame Geschichte und Kultur.
Einmal ist Deine Auffassung imho sehr sprachen- bzw. vllt kulturlastig. Sprache wäre aber Mittel, Kultur hingegen eher Ausdruck also Resultat. Beide sind aber - Gott sei Dank - nicht das Ziel bzw. der Zweck einer modernen Gesellschaft, einer Institution oder eines Staatsgebildes, es sei denn, wir redeten über Ds 12 1000 Jahre, z.B.
Zivilisatorisch entwickelte Staaten (wie z.B. Deutschland und die USA) haben gar keine verfassungsmässig festgelegten Sprachen und schreiben nicht vor, was Kunst ist und was "entartet".
Ein weiteres Kommunikationsmittel wäre Geld z.B. Ich würd' nicht soweit gehen und sagen, dass die Reichsmark und die D-Mark gar nix mit der deutschen Nation zu tun hätte, aber sie darauf zu reduzieren käm' mir auch nicht in den Sinn.
Zum anderen hab' ich auch Probleme mit der angeblich "gemeinsamen" Geschichte und Kultur.
Wie kann persönliche, individuell erlebte Geschichte gemeinsam sein? Und wie bitteschön kann man vor seiner Geburt stattgefundenen Geschichte erleben?
Goethe hat kein Bauhaus gesehen, Mendelssohn keinen Sturm und Drang erlebt. Beide niemals den Reichstag gesehen. Gehören sie deswegen nicht zur deutschen Nation?
Von "Willensnation" kann im Fall Deutschlands überhaupt keine Rede sein. Die kleindeutsche Lösung ist eine Notlösung ausdrücklich gegen die 48er, noch dazu mit Feuer und Schwert nicht einmal geboren sondern von oben künstlich kreiert, vom falschen Staat (nämlich dem am wenigsten nationalen überhaupt auf deutschem Boden, noch "undeutscher" als Oesterreich).
Und selbst im Fall der "Willensnationen" USA und Schweiz z.B. hat ja niemand entschieden, zu dem und dem anderen Zeitpunkt in jenen Ländern geboren zu werden und bzw. deren Staatsbürgerschaft zu besitzen. Kann man zwar willentlich ablegen, aber erst muss man sie haben dafür. Meist durch Geburt.
LG