Rechtsradikalismus wird durch falsche Statistiken verharmlost
Wie viele Straftaten eigentlich von rechts begangen wurden, da gibt es in der Zählung erhebliche Unterschiede. Schon bei den Todesopfern ist man sich nicht einig. Die Polizei spricht von 63 Toten seit der Wiedervereinigung, Opferverbände hingegen von 184 Getöteten.
Das Problem hierbei ist: Bis 2001 galten nur solche Straftaten als politisch motiviert, die sich explizit gegen den Staat richteten, Angriffe auf Asylantenheime zählten nicht dazu. Und auch heute gilt: Ob ein Verbrechen politisch motiviert ist oder nicht, das entscheiden die Polizeibeamten vor Ort, die den Vorgang zu Protokoll nehmen. Oft ist dies aber zunächst nicht so leicht erkennbar. Attacken auf Ausländer, Schwule, Obdachlose, politisch, ja oder nein? Und wann ist dies rechtsradikal? Wenn der Angreifer dabei Parolen schreit? Wo ist der Unterschied zwischen einer üblichen Prügelei im Wirtshaus und einem rechtsradikalen Angriff? Die Beamten notieren so einen Vorgang im Zweifelsfalle immer als normale Straftat ohne politischen Hintergrund. Auch bei den Opfern der NSU war ja zunächst nicht erkennbar, dass sie von Rechtsradikalen ermordet worden waren.
Selbst in den Gerichtsverhandlungen wird meistens nur der Tathergang rekonstruiert, ohne dass etwaige politische Motive später berücksichtigt werden. Zahlreiche rechtsradikale Straftaten gelten in der Statistik als normale Verbrechen ohne politischen Hintergrund. Die Gruppe „Mut gegen rechte Gewalt“ hat eine Reihe solcher Fälle aufgelistet:
„Andreas P. fehlt in der Statistik. Der Obdachlose wurde in der Nacht vom 5. auf den 6. Mai 2006 im bayerischen Plattling zusammengeschlagen, mit Spiritus übergossen und angezündet. Der Täter: Ein Neonazi, der wegen Totschlags ins Gefängnis wanderte. In die Liste der Todesopfer rechter Gewalt wurde Andreas P. aber nicht aufgenommen. Oder Peter S.: Der 40-Jährige wurde am 26. April 2008 in Memmingen von einem Rechtsradikalen erstochen. Peter S. hatte sich zuvor über die rechte Musik des Mannes beschwert. Auch sein Tod gilt nicht als rechtsmotivierte Tat.“
http://www.heute.de/Offenbar-mehr-Opfer ... 55678.html
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitges ... xtremismus
Die Polizei arbeitet nun eine Reihe solcher Fälle auf, um die Statistik zu korrigieren. Wissenschaftler in Dresden untersuchten über 100 Strafprozesse. In der Hälfte von ihnen gaben die Täter politische Motive an, ohne dass dies später in den Statistiken berücksichtigt wurde. Auch dies sind äußerlich ganz normale Straffälle.