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Moderator: Barbarossa

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Marek1964
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Barbarossa hat geschrieben:
RedScorpion hat geschrieben:
Ja, aber unter welchen Bedingungen denn? Und wer war "man" bzw. waren "die Polen, Tschechen, Russen"?

Das waren nicht mehr die Staaten und Institutionen von vor 1939/38...
Im Falle Polens magst du sogar Recht haben, doch im Falle der CSR liegt der Fall etwas anders. Benes kam gleich bei Kriegsende nach Prag zurück und verkündete schon am 16. Mai 1945, er wolle die Deutschen in seinem Land "liquidieren" (ja, er benutzte wirklich dieses Wort, siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Edvard_B ... is_1948.29 )
Bereits 1938 hätte er am liebsten die Sudetendeutschen aus dem Land ausgewiesen. 1945 bekam er seine Chance. Insofern sehe ich eine echte Kontinuität in der Politik von Benes, die in meinen Augen faschistoide Züge trug. Ich halte wirklich nicht viel von ihm.
Ojojojojoj, da glaubst Du aber nicht ernsthaft, dass ich das so stehen lasse. Mit der Liquidation war nicht die physischer Vernichtung gemeint, das Wort hatte im tschechischen damals auch nicht die Bedeutung. Aussiedlung war gemeint, nichts sonst. Die Tschechoslowakei sollte ein slawischer Staat sein, mit verteidigbaren Grenzen, damit ein 15. März 1939 nicht mehr möglich werden könnte.

Dass Beneš schon am 16. Mai 1945 in Prag war, heisst nicht, dass er in der Lage war, gleich für Ordnung zu sorgen. Das übernahmen die Revolutionären Garden und später die Svoboda Armee, letztere, wie schon erwähnt, die Ostfront mitgemacht hatte und die verschiedenen Massaker und die Taktik der verbrannten Erde und ihre Ergebnisse mitbekommen hatte. Dass sie nicht viel Gnade mit allem Deutschen kannten darf nicht verwundern.

Der Entwurf von 1938, ging vertraulich an die Französische Regierung, nach der unverhohlenen Kriegsdrohung von Hitler. Das Angebot beinhalte, dass für eine Abtretung eines Teils von Böhmen und Mähren an Deutschland mit deutscher Mehrheit mit paralellem Bevölkerungstransfer, mit Möglichkeit des Umzugs jedes Eigentums. Um so Nationalitätenspannunge zu vermeiden.

Es war, wie ich schon mal geschrieben habe, ein verzweifelter Vorschlag im Vorfeld des Münchner Diktats. Viel relevanter, dass nur wenige Tage später Tschechen, etwa Landwirte, von ihrem Grund vertrieben worden sind, und das ohne "ihr Vieh". Hitlers Erklärung: Für solche Details hatte man keine Zeit. Und das passierte, das waren keine Pläne.

Beneš war ein Demokrat, mit Faschismus hatte er nichts am Hut. Seiner Radikalität in der Deutschen Frage entstand erst im Laufe des Krieges, als nach und nach klar wurde, was, die Deutschen unter der Führung der Nazis alles zu tun im Stande waren. Gerade im Fall Lidice betonte Beneš, dass es ja nichts war, was von der Nazi Propaganda verschwiegen worden wäre - es wurde ja im Gegenteil im Rundfunk und an Plakaten und Wochenschauen verkündet - ohne irgendeinen Widerspruch oder Widerstand seitens irgendeines Deutschen hervorzurufen. Man sah so die Deutschen insgesamt als Problem - und die meisten Deutschen fanden das auch gut so. So ehrlich sollte man sein.

Ja, und dann kamen noch die völlig sinnlosen Kämpfe der letzten Tage, die in Prag nochmal, auch nach des geliebten Führers Tod, sinnlose Opfer und Zerstörungen nach sich zogen. Die Rede hielt Beneš vor dem zerstörten alten Rathaus, das noch in den letzten Tagen des Krieges von der SS zerstört worden ist. Statt sich in Westen in Richtung amerikannische Gefangenschaft zu begeben.

Dass in so einer Situation keine versöhnlichen Töten fielen darf niemanden wundern. Und da war Beneš nicht der einzige. Innenminister Nosek und Verteidigungsminister Svoboda wurden deren Söhne von den Deutschen umgebracht. Sie waren noch die grösseren Hardliner, aber von denen gab es in Europa mehr als genug, nicht nur Beneš, der zur Hassfigur stilisierten Person des Sudetentums.
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Marek1964
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dieter hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:... Auch hier fehlt mir bei Frau Steinbach die wichtige Einsicht: Die Vertreibungen waren für die meisten Betroffenen keine gerechte Strafe, aber eine Konsequenz nationalsozialistischer Gewaltpolitik, die ganze Völker vernichten und versklaven wollte, aber auch das ganze Deutsche Volk dazu so instrumentalisierte, dass es für die anderen Völker nicht möglich war, zu unterscheiden, wer von den Deutschen schig war und wer nicht...
Sehe ich anders. Man kann nicht gleiches mit gleichem vergelten, denn dann setzt men sich selbst ins Unrecht. Wenn man moralisch besser sein will, wie die, dessen Untataten / Verbrechen man verurteilt, dann darf man nicht genauso handeln wie jene.
Und in den Nürnberger Prozessen konnte sehr gut festgestellt werden, wer welche indviduelle Schuld auf sich geladen hatte.
Die Mühe wollten sich aber die Polen, Tschechen, Russen nicht machen, sondern warf einfach alle raus. (Außer in bestimmten Industrieregionen in Schlesien, habe ich vor kurzem erst gesehen, die durften gar nicht ausreisen, weil sie als Fachkräfte gebraucht wurden. Es ging also durchaus auch in Polen prakmatisch, wenn man wollte.)
Lieber Barbarossa,
so sehe ich dass auch. Sie haben sich auf die Stufe der Nazis gestellt und meinen es wäre Recht was sie gemacht haben. Das Recht auf Heimat ist ein Menschenrecht, was zuletzt den Kosovaren zugeteilt wurde. :wink:
Klar. Auf Deutscher Seite waren das nur "die Nazis", aber bei den anderen muss man nicht unterscheiden.

Und auf die gleiche Stufe der Nazis hätten sie sich dann gestellt, wenn sie gleich viele Deutsche umgebracht hätten wie Deutsche Polen, Ukrainer, Weissrussen, Russen, Tschechen, Juden usw. wären es mal pi mal Daumen etwa 35 Millionen.

Und selbst dann hätte man ja immerhin ein Motiv gehabt - Revanche - was die Deutschen unter der Führung der Nazis vorher nicht hatten. Die hatten ja ihre Ideologie und den Rassenwahn, den halt die Mehrheit der Deutschen damals, ob es Dir nun gefällt oder nicht, einfach geteilt hatte. Man war das Herrenvolk. Seither heult man halt über das Unrecht des Vertrieben werdens, wie zuvor über den Vertrag von Versailles. Zum Glück nur eine Minderheit, leider aber mit erheblichem Einfluss.
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:... Mit der Liquidation war nicht die physischer Vernichtung gemeint, das Wort hatte im tschechischen damals auch nicht die Bedeutung. Aussiedlung war gemeint, nichts sonst. Die Tschechoslowakei sollte ein slawischer Staat sein, mit verteidigbaren Grenzen, damit ein 15. März 1939 nicht mehr möglich werden könnte...
Ein rein "slawischer Staat" war die CSR aber nicht. Dass man das werden wollte, zeigt auch schon das nationalistische Denken selbst gegen Minderheiten, die seit sieben Jh. im Lande lebten.
Und selbst die Vertreibung von Minderheiten erfüllt den Tatbestand des Genozids = "ethnische Säuberung". Das war im Grunde nichts anderes als das, was in den 90ern auch in Jugoslawien passiert ist.

Hier noch ein Zitat, das man auch als Aufruf von Benes zur gewaltsamen Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Krieg verstehen kann (1943):
In unserem Land wird das Ende dieses Krieges mit Blut geschrieben werden. Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben. Die ganze Nation wird sich an diesem Kampf beteiligen, es wird keinen Tschechoslowaken geben, der sich dieser Aufgabe entzieht, und kein Patriot wird es versäumen, gerechte Rache für die Leiden der Nation zu nehmen.
Das mag zwar Kriegsrhetorik sein, aber bezeichnend finde ich auch immer wieder die Annahne der Kollektivschuld. Anscheinend fielen sogar Ausländer auf die Nazipropaganda herein.
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Marek1964
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Nazipropaganda? Die Kollektivschuldannahme ergab sich aus dem kollektiven Handeln der Deutschen. Aussiedlung ist nicht Genozid. Genozid hätte Völkermord geheissen.
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Titus Feuerfuchs
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Marek1964 hat geschrieben:Nazipropaganda? Die Kollektivschuldannahme ergab sich aus dem kollektiven Handeln der Deutschen.
Deswegen ist sie ja auch (perfider) Schwachsinn. Denn nicht mal du kannst glaubhaft machen, dass sich jeder Deutsche an den Naziverbrechen beteiligt bzw diese gutgeheißen hatte.

Marek1964 hat geschrieben: Aussiedlung ist nicht Genozid. Genozid hätte Völkermord geheissen.
Und dieser hat ja zumindest in Ansätzen stattgefunden. Ethnische Säuberungen gehen in der Regel Hand in Hand mit Genoziden. Selbst du gibst mindestens 15000 Tote zu. In Summe sind im Zuge der Vertreibung der Deutschen aus Osteuropa laut Statistischem Bundesamt 2 Mio Menschen getötet worden. Natürlich ist das ein Genozid (auch wen er deiner Meinung nach gerechtfertigt ist), was denn sonst?

Waren wohl unisono Naziverbrecher (inkl. Alte, Frauen und Kinder) die's nicht besser verdient hatten. :crazy:
Zuletzt geändert von Titus Feuerfuchs am 02.09.2014, 05:36, insgesamt 1-mal geändert.
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Titus Feuerfuchs
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Marek1964 hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben: Im Falle Polens magst du sogar Recht haben, doch im Falle der CSR liegt der Fall etwas anders. Benes kam gleich bei Kriegsende nach Prag zurück und verkündete schon am 16. Mai 1945, er wolle die Deutschen in seinem Land "liquidieren" (ja, er benutzte wirklich dieses Wort, siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Edvard_B ... is_1948.29 )
Bereits 1938 hätte er am liebsten die Sudetendeutschen aus dem Land ausgewiesen. 1945 bekam er seine Chance. Insofern sehe ich eine echte Kontinuität in der Politik von Benes, die in meinen Augen faschistoide Züge trug. Ich halte wirklich nicht viel von ihm.
Ojojojojoj, da glaubst Du aber nicht ernsthaft, dass ich das so stehen lasse. Mit der Liquidation war nicht die physischer Vernichtung gemeint, das Wort hatte im tschechischen damals auch nicht die Bedeutung. Aussiedlung war gemeint, nichts sonst. [....]
Ach so, dann ist's ja ganz harmlos. Bloß eine stigmatisierende Armschleife mit einem hübschen "N" drauf für's "Sudetenpack", ganz nach Nazivorbild, eine kleine ethnische Säuberung, ein paar tausend Tote (dh. lediglich eine partielle Vernichtung), nichts weiter.

Gleichzeitig versuchte der gute Benes, sich weitere Gebiete von Nachbarstaaten unter den Nagel zu reißen; womit er allerdings nur beim Preßburger Brückenkopf erfolgreich war, welcher auf Kosten Ungarns vergrößert wurde.
MfG,
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Titus Feuerfuchs
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Marek1964 hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Steinbach sagte: "Es wird deutlich, dass auch die Vertreibung der Deutschen völkerrechtswidrig ist und nicht, wie oft verkündet, die gerechte Strafe für nationalsozialistische Verbrechen."
Tja. Auch hier fehlt mir bei Frau Steinbach die wichtige Einsicht: Die Vertreibungen waren für die meisten Betroffenen keine gerechte Strafe, aber eine Konsequenz nationalsozialistischer Gewaltpolitik, die ganze Völker vernichten und versklaven wollte, aber auch das ganze Deutsche Volk dazu so instrumentalisierte, dass es für die anderen Völker nicht möglich war, zu unterscheiden, wer von den Deutschen schuldig war und wer nicht.
Und weil das nicht möglich war, war man leider dazu gezwungen, alle zum Handkuss kommen zu lassen. :crazy: Diese Praxis ist typisch für den Stalinismus. Wenn Stalin nicht wusste, wer aus eine Gruppe schuldig war und wer nicht, ließ er in der Regel einfach alle liquidieren bzw. ins Gulag deportieren.
Steinbachs Aussage ist ohnehin trivial.


Marek1964 hat geschrieben: Diese "Strafe" war so gerecht oder ungerecht wie Bombardierungen ganzer Städte.
Nein. Das eine geschah während des Krieges, das andere waren Verbrechen an der Zivilbevölkerung, die großteils nach dem Krieg stattfanden.

Marek1964 hat geschrieben: Wenn man diesen Kontext ausblendet wird man der Lage damals nicht gerecht - fast sieben Jahrzehnte danach.
Wie ich schon sagte: Entbehrliche Redundanz.
MfG,
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Barbarossa
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Marek1964 hat geschrieben:Nazipropaganda? Die Kollektivschuldannahme ergab sich aus dem kollektiven Handeln der Deutschen.
Das kannst du selbst nicht ernsthaft glauben. Du vergisst dabei anscheinend, dass auch viele Deutsche aus politischen Gründen verfolgt wurden. Und es gab auch Widerstandsgruppen.
Marek1964 hat geschrieben:Aussiedlung ist nicht Genozid. Genozid hätte Völkermord geheissen.
Aussiedlung ist ein sehr schwacher Ausdruck für das, was wirklich passiert ist. Tatsächlich wurden die Sudetendeutschen völlig entrechtet, enteignet und gegen ihren Willen nach Deutschland deportiert. Ich nenne das Vertreibung. Heimatvertriebene im tatsächlichen Sinne.
Und dann nochmal zu:
Marek1964 hat geschrieben:Mit der Liquidation war nicht die physischer Vernichtung gemeint, das Wort hatte im tschechischen damals auch nicht die Bedeutung. Aussiedlung war gemeint, nichts sonst. Die Tschechoslowakei sollte ein slawischer Staat sein, mit verteidigbaren Grenzen, damit ein 15. März 1939 nicht mehr möglich werden könnte.
Klar, und dann "siedelt" man mal so eben eine Bevölkerungsgruppe aus, die seit etlichen Jahrhunderten dort lebten - deren Heimat es somit war. Sie hatten keine andere Heimat.
Weißt du, jemanden aus seiner seit vielen Generationen angestammten Heimat zu vertreiben, ist für mich sogar noch einmal eine ganz andere Qualität, als "nur" >>Ausländer raus!<< zu rufen. Die Sudentendeutschen waren keine Ausländer, sondern eine der angestammten Bevölkerungsgruppen des Landes. Und dieser Bevölkerungsgruppe hat man sich auf ziemlich üble Weise entledigt.
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Renegat
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Barbarossa hat geschrieben: Klar, und dann "siedelt" man mal so eben eine Bevölkerungsgruppe aus, die seit etlichen Jahrhunderten dort lebten - deren Heimat es somit war. Sie hatten keine andere Heimat.
Für die Zeit nach dem 2. WK und die damals lebenden Menschen ist das richtig. Gleichzeitig ist es heute seit 70 Jahren Vergangenheit. Wir können nicht mit der heute allgemein etablierten Rechtsauffassung, auch was das Völkerrecht betrifft, an die Zeit der zwei europäischen Weltkriege herangehen.

Barbarossa hat geschrieben:Weißt du, jemanden aus seiner seit vielen Generationen angestammten Heimat zu vertreiben, ist für mich sogar noch einmal eine ganz andere Qualität, als "nur" >>Ausländer raus!<< zu rufen.
Qualitäten muß man erst definieren, um vergleichen zu können. Die Leute, die heute "Ausländer raus" rufen, würden sie wahrscheinlich sofort auch vertreiben, wenn nicht schlimmeres, wenn sie denn die Macht dazu hätten.
Die haben sie heute in einem Rechtsstaat nicht, da sie sich mit ihrer Meinung in der Minderheit befinden.
Letzteres trifft aber auf die Verhältnisse nach dem verlorenen 2. WK nicht zu.
Außerdem stören mich die Begriffe "Ausländer" und "angestammte Heimat", sie zeigen nach meiner Einschätzung genau das Problem.
Ausländer sind Menschen, die vorübergehend, besuchsweise oder als Arbeitsmigranten in einem anderen Land leben. Nach deiner Auffassung, Barbarossa, scheint es bei denen nicht so schlimm zu sein, wenn man sie aus ihren Wohnsitzen vertreibt? Finde ich irgendwie seltsam, denn die heute mit "Ausländer raus"-Sprüchen bedrohten Menschen, sind oft bereits hier geboren bzw. arbeiten und leben hier schon lange, haben sich hier ihr Leben aufgebaut, so dass es für sie ganz genauso schlimm ist, vertrieben zu werden.
Heimat erbt man doch nicht, sondern jeder einzelne Mensch erwirbt sie sich persönlich neu, in dem er sich einem Ort zugehörig fühlt, an dem er seinen Lebensmittelpunkt hat. Bei manchen Menschen sind das mehrere Orte, hängt von den persönlichen Umständen ab.
RedScorpion

Barbarossa hat geschrieben:
RedScorpion hat geschrieben:
Ja, aber unter welchen Bedingungen denn? Und wer war "man" bzw. waren "die Polen, Tschechen, Russen"?

Das waren nicht mehr die Staaten und Institutionen von vor 1939/38...
Im Falle Polens magst du sogar Recht haben, doch im Falle der CSR liegt der Fall etwas anders. Benes kam gleich bei Kriegsende nach Prag zurück und verkündete schon am 16. Mai 1945, er wolle die Deutschen in seinem Land "liquidieren" (ja, er benutzte wirklich dieses Wort, siehe: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Edvard_B ... is_1948.29 )
Bereits 1938 hätte er am liebsten die Sudetendeutschen aus dem Land ausgewiesen. 1945 bekam er seine Chance. Insofern sehe ich eine echte Kontinuität in der Politik von Benes, die in meinen Augen faschistoide Züge trug.
...
Und wenn es so wäre;
1938 hatte er keine Chance, weil die Tschechoslowakei bis dahin ein funxender Rechtsstaat war.

Und - N.B. - nicht Benes hat ihn kaputtgemacht.

Ohne München und ohne die Wehrmacht wäre dieser Rechtsstaat 1945 und auch danach, ohne Sowjets, immer noch dagewesen, und es hätte keine Vertreibungen, Morde usw. gegeben.

P.S. Benes ist nicht die Tschechoslowakei, auch nicht "die Tschechen".

Denn eines sticht hier wirklich ins Auge, und es kann ja wohl nicht wahr sein, dass das im Jahre des Herrn 2014 immer noch so gesehen wird wie von deutschen Verbrechern oder deren Tolerierern 1945 einhalb: Die Nazis sind Ausserirdische, die die armen Deutschen ja so belogen haben (wahlweise nur a bisserl übertrieben haben) und die Ostvölker Verbrecher, die es auf die wirklichen Opfer des Krieges, die Deutschen, abgesehen haben.


Wie woanders geschrieben, tue ich mich auch ein bisschen schwer damit, Sudeten = Deutsche bzw. Verantwortlichkeit der Sudetendeutschen = Verantwortlichkeit der Reichsdeutschen nachzuvollziehen, jenseits aller Gewissheit, dass Vertreibungen auch im Fall einer individuellen Schuldigkeit alles andere als recht ist.

Sudetendeutsche konnten nix für den NS, Henlein ist nicht gleich Hitler, und es hat Gründe, warum die Sudetendeutsche Partei nicht in der NSDAP aufging.

Marek1964 hat geschrieben:Nazipropaganda? Die Kollektivschuldannahme ergab sich aus dem kollektiven Handeln der Deutschen. Aussiedlung ist nicht Genozid. Genozid hätte Völkermord geheissen.
Die Grenzen verwischen bzw. die Modelle überlappen z.T. und sind ausgefranst.

Churchill sagte 'mal, als über die moralischen Aspekte des Area Bombing debattiert wurde, sinngemäss, dass es den Deutschen ja noch einigermassen gutginge (wohl im Ggsatz zu Soldaten, der Bev. in besetzten Ländern, Verfolgten usw.), weil sie ja nix anderes zu machen brauchten als bis zum Ende des Bombenkriegs in den Wald zu gehen, zelten.

Das ist nicht total daneben in direktem Vergleich, aber nach ein paar Tagen wird Zelten unbequem, nach ein paar Wochen gesundheitsgefährdend und über die Winter, noch dazu über Jahre, noch dazu zu Millionen, mit Sicherheit tödlich, selbst wenn man von irgendwoher Nahrung zugeführt bekäme.

Barbarossa hat geschrieben: ...
Hier noch ein Zitat, das man auch als Aufruf von Benes zur gewaltsamen Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Krieg verstehen kann (1943):
In unserem Land wird das Ende dieses Krieges mit Blut geschrieben werden. Den Deutschen wird mitleidlos und vervielfacht all das heimgezahlt werden, was sie in unseren Ländern seit 1938 begangen haben. Die ganze Nation wird sich an diesem Kampf beteiligen, es wird keinen Tschechoslowaken geben, der sich dieser Aufgabe entzieht, und kein Patriot wird es versäumen, gerechte Rache für die Leiden der Nation zu nehmen.
Das mag zwar Kriegsrhetorik sein, aber bezeichnend finde ich auch immer wieder die Annahne der Kollektivschuld. Anscheinend fielen sogar Ausländer auf die Nazipropaganda herein.
Keyword ist aber "1943".
Und dass das Zitat Kappes enthält, sieht man schon am zweiten Satz. Wie sollte den Deutschen denn vervielfacht heimgezahlt werden? Es gibt keine Nation, welche mehr Unheil in Europa verursacht hat als Deutschland, wie sollte die Tschechoswlowakei, ob nu staatlich oder jeder Einzelne privat, da jemals heranreichen an die Opferzahlen, die in Deutschlands Verantwortlichkeit liegen?



LG
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Barbarossa
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Das diesjährige Treffen zum "Tag der Heimat" des BdV (Bund der Vertriebenen) stand unter dem Motto: "Deutschland geht nicht ohne uns", zu dem rund 100 BdV-Mitglieder verschiedener Kreisverbände sowie Politiker kamen.
Der Kreisverbandsvorsitzende des brandenburgischen Landkreises Oberhavel betonte, dieses Motto dürfe nicht als revanchistische Parole missverstanden werden, sondern als historischer Fakt. Bereits seit 1950 sei in der "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" die friedliche Versöhnung festgeschrieben. Und weil nicht Rache und Sühne um sich greifen dürften, solidarisierten sich die Vertriebenen mit den weltweit 55 Mio. Flüchtlingen der Gegenwart. "Der BdV reicht allen die Hand." - so Kreisverbandsvorsitzender Hans-Joachim Speckmann. Zugleich wies er aber auch darauf hin, dass Vertreibungen benannt werden müssten - "sie sind und bleiben Verbrechen" - so Speckmann wörtlich. Und weiter meinte er: "Das Leid darf nicht vergessen werden, es bleibt im Gedächtnis der Nation. Wir Nachgeborenen sind es denen schuldig, die Unsägliches erdulden mussten und die lebenslang von Traumata verfolgt sind. Vertreibungen sind nicht zu rechtfertigen."
Oranienburgs Pfarrer Friedemann Humburg wies darauf hin, dass Menschen nur dann aus ihrer Heimat flüchten, wenn sie akut bedroht würden oder absolut keine Perspektive für sich sehen. "Deshalb haben wir die moralische Pflicht, unser Land für Flüchtlinge zu öffnen." - so Humburg wörtlich.
Auch Oranienburgs Bürgermeister Hans-Joachim Laesicke (SPD) warb für einen menschenwürdigen Umgang mit jenen, die ihre Heimat verlassen müssten und in Kürze auch nach Oranienburg kämen.
Durch seine aus Pommern stammende Mutter sei er mit der Thematik vertraut, so Laesicke.
Speckmann dankte Laesicke für seine Anteilnahme mit den Worten: "Es tut uns gut, dass sie heute hier sind." Lange hegten die Vertriebenen den Wunsch, in ihre Heimat zurückkehren zu können, bis sie sich in fremder Umgebung eine neue Heimat aufbauten und nun Völkerverständigung praktizierten. "Deshalb solidarisieren sich die Vertriebenen mit den Flüchtlingen in den Brennpunkten der Welt. Der BdV reicht allen die Hand, gleichgültig, ob sie im Verband organisiert sind oder nicht. Wir sind partei- und konfessionsunabhängig und auch nicht revanchistisch oder rassistisch. Allen Ewiggestrigen soll gesagt sein, dass wir uns nicht in die braune Schublade stecken lassen."

(Printausgabe des Oranienburger Generalanzeiger vom 6. Oktober 2014)
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