Karlheinz:
Ich überlege: gibt es auch irrationale Zusammenschlüsse?
Habe mir auch schon überlegt, dass rational nicht richtige Bezeichnung ist. Aber finde gerade nichts Passendes, wenn es so etwas überhaupt geben kann. Alle Zusammenschlusse, wenn es nicht um Eroberung geht, sind rational – im Sinne von allen Beteiligten überlegt. Auch eine Eroberung ist rational – für den Eroberer.
Nein, es sind aufkommende, ökonomische Disparitäten, die den Wunsch nach Abspaltung hervorrufen, gleichgültig, wie der Zusammenschluss einmal ursprünglich entstanden ist, ob durch Eroberung oder Vereinbarung.
Im Grunde richtige Feststellung verliert seine Kraft, wenn man andere Perspektive einnimmt. Wenn man eben in Ökonomie das Ei, aus dem Henne schlupft, sieht, bleibt der Frage vorher der Ei kommt.
Diese Disparitäten könnten schon in Wurzeln erstickt werden, wenn man „Irrationalität“ einer Nation erwirbt und sich als Ganzheit betrachtet. Zum anderem, können die Disparitäten erheblich sein, dennoch eine Nation sich herausbilden kann. Ausschlaggebend hier ist die starke Umwelt, die Bündnisse zu gründen zwingt, um sich in ihr behaupten zu können. Sicher sind ökonomische Verhältnisse wichtig, nur braucht es dazu mehr, um eine nationale Identität zu erzeugen bzw. anfängliche – zu ersticken.
Die nationale Identität kann nicht vorgeschrieben werden. Auch, wie du schon bemerkt hast, die Sprache und Kultur können unterschiedlich sein und dennoch durch etwas verbunden, was sie als eine Nation auftreten lässt.
Die nationale Identität entsteht durch mittlere Schicht, die die Gemeinsamkeit zu kreieren beginnt. Hier auch Verbindung zur Ökonomie: die mittlere Schicht wächst mit dem wirtschaftlichen Wachstum. Es scheint so, dass gerade diese Schicht strebt nach eine Identität. Die Künstler romantisieren Vergangenheit, die Wissenschaftler (besonders der Geschichtskunde) sehen die Vergangenheit durch die nationalistische Brille und begründen sie, auch durch Ausblendung der tatsächlichen Ereignisse oder auch durch bewusste Verdrehung der Tatsachen. So etwa die Erstürmung der Bastille, die mit einem Nationaltag gefeiert wird, war viel mehr eine friedliche Übergabe und im Nachhinein brutale Ermordung der Besatzung durch außer Rand und Band geratenen Menge (W-Krämer - Irren ist menschlich).
Wie ich schon oben bemerkt habe, die Entstehung einer nationalen Identität durch die starke Umwelt beschleunigt wird. Wenn die Stärke überschreitet den Maß, wenn sie „tödlich“ wirkt, nicht, bringt sie zur Konsolidierung der inneren Kräfte. Die stärke zeigt sich unter anderem in dem expansiven Charakter der freien Wirtschaft. Die angehende Nation muss eigene Wirtschaft beschleunigen, um auf der „Oberfläche“ zu bleiben. Es bringt wiederum zum Wachstum der Mittelschicht, die ihre Aufgabe zur Weiterbildung nationaler Identität erfüllt und breiten Massen der Bevölkerung dahinter bringt.
Die Staaten des ehemaligen Ostblocks hatten die freie Wirtschaft nicht. Die Koevolution der nationalen Identität und Wirtschaft wurde durch geregelte Planwirtschaft gestört. Der Nationalismus dennoch wächst, weil, erstens die Mittelschicht auch bei Planwirtschaft wächst, zweitens wird sie verärgert über keine Möglichkeit der Teilnahme an den wichtigen Entscheidungen. Die feine Abstimmung Wirtschaft-Nationalität- Demokratie findet hier nicht statt.
Welchen Feind hatte Jugoslawien oder Tschechoslowakei, die die vereinten Völker konsolidieren müssten? Es passierte das Gegenteil. Eine von Moskau gewählte Führung wird als Feind angesehen. Die Führung, die die Einigkeit des Staates repräsentierte, würde als Feind angesehen. Es nur verstärkte den Drift auseinander und eine Konsolidierung innerhalb
eines Volkes.