Aneri hat geschrieben:Nach meiner Vorstellung, die auch in das o. e. Muster sich einfügt, bereiten die Hochkulturen eine Referenz, die eine essentielle Rolle in der folgenden Periode spielt. Es ist ihre Kultur: Philosophie, das Wissen, aber allen voran die Religion. Das Römische Reich stand am Ende einer Sequenz der Hochkulturen. Es brach die Religion, die im Stande war einen neuzeitlichen Kulturraum zu bilden.(...)
Am anschaulichsten wäre hier die Analogie mit der klassischen Welt, wenn die ersten Sterne sich entzündeten. Die Sterne ersten Generation, die in jungfräulichem Universum entstanden sind, sind analog der Hochkulturen. Diese Sterne besaßen spezifische Merkmale. Sie waren außerordentlich groß und schwer. Ihr Entwicklungsstadium war relativ kurz und sie endeten in einer Supernova, einem explosionsartigen Geschehen. Der Überbleibsel dieser Sterne ist ein Schwarzes Loch, das die Referenz für die Bildung der Galaxien lieferte. Alle späteren Sterne entstehen in Wirkungsraum dieser Referenz – dem SL. Diese Sterne bilden ein immer veränderndes Gravitationsfeld (= zwischenstaatliches W-W-Netzt), der aber eine Senke zum Zentrum mit dem SL hat. Ähnlich verhält sich mit einem Kulturraum. Es erhält eine „Senke“, die das Ganze zusammenhält trotz inneren Spannungen.
Hm. Auf den ersten Blick bestechend. Geht eine Hochkultur unter, bleibt ein kulturelles Erbe zurück, das die nachfolgenden Zivilisationen nutzen. Dieses Erbe wäre dann das Schwarze Loch deiner Analogie, das die Nachfolgesterne in seinem Bann hält.
Schwarze Löcher bleiben auch bestehen, so wie wir heute noch kulturelles Erbe z.B. der Babylonier haben, obwohl aus den "Atomen" Babylons mittlerweile mehrere weitere Sterne entstanden sind, die ihrerseits wieder zu Schwarzen Löchern geworden sind.
Nur - ein Schwarzes Loch ist ein Schwarzes Loch. Seine Schwerkraft nimmt immer mehr zu und wird nicht schwächer. Genau da hakt aber deine Analogie: Die "Schwerkraftwirkung" z.B. Babylons wird mit dem zeitlichen Abstand immer schwächer oder sie wird überdeckt durch die Schwerkraft "näherer" Schwarzer Löcher wie z.B. des "römischen Schwarzen Lochs". Im Weltall ist ebenfalls der Abstand zu einem Schwarzen Loch entscheidend dafür, welchen Einfluss das Schwarze Loch auf einen Stern hat. Man kann nur nicht davon ausgehen, dass das jüngste Schwarze Loch aus das ist, das am nächsten zu einem jüngeren Stern liegt.
Nächster Haken: Fast alle Geschichtsphilosophen gehen davon aus, dass die Geschichte eine Weiterentwicklung bedeutet. Jede Nachfolgekultur sollte schon allein dadurch, dass sie aufgrund der "Vorarbeiten" der Vorgängerkulturen einen gewissen Startvorteil hat, einen Entwicklungsschritt weiter gehen können als die Vorgängerkultur, eine gewisse "Überlebenszeit" der Kultur vorausgesetzt. Bei Sternen ist das aber anders. Abgesehen von der Urgeneration, die sehr kurz existierte (was bei den allerersten Hochkulturen auch nicht so ist - die ägyptische Kultur überlebte ähnlich wie die chinesische sehr lang, auch die sumerische Kultur existierte im Grunde bis zum Ende des Neubabylonischen Reichs; sie ging also nicht in einer Supernova zugrunde, sondern maximal in einer Nova), hängt die Lebensdauer eines Sterns von seiner Größe ab - je größer, desto kürzer; auch hier eine Analogie zu Hochkulturen bzw. eher zu den Reichen, die auf Basis von Kulturen entstehen. Die Zusammensetzung eines Sterns jedoch (= Qualität einer Kultur, gemessen an ihren innovativen Leistungen) ändert sich jedoch von Sterngeneration zu Sterngeneration nicht so doll. Es gibt die Elemente, die es gibt. Die sind in Sternen "ausgebrütet", aber es werden nicht mehr. Kulturen jedoch erfinden ständig Neues, fügen also dem "Periodensystem" ständig neue "Elemente" hinzu.
Wenn du jetzt Philosophen zitierst, die von einem - charakterlichen - Niedergang des Menschen in seiner Entwicklungsgeschichte ausgehen (solche Gedanken waren Anfang des 19.Jhs. en vogue und führten zur Legende vom "edlen Wilden", der dem zivilisierten Menschen charakterlich überlegen sei), dann passt deine Analogie auch wieder nicht, denn, wie gesagt, "qualitativ" unterscheiden sich die Sterne gleicher Größe nicht unbedingt voneinander, auch wenn man verschiedene Sterngenerationen nimmt.
Von einem Stillstand in der Entwicklung geht m.W. kein Philosoph aus...
So weit meine (vorläufigen) Gedankengänge zu deiner Evolutions-Analogie.
Freu mich auf konstruktive Kritik.
Beppe