Karlheinz hat geschrieben:
In Europa beispielsweise verabscheuen wir es, Hunde zu essen. Einige sagen, weil Hunde nützlich sind, gelten als edle Tiere, sie zu töten und zu essen wäre unsinnig und es wird deshalb verabscheut. All dies gilt genauso aber auch für China, doch dort haben die Menschen keinerlei Hemmungen, Hundefleisch zu verzehren. Warum verhalten sich Kulturen so unterschiedlich?
Nein, mit Nützlichkeit es ist nicht zu erklären. Schweine sind auch nützlich, es hindert uns nicht ein Schweinebraten zu essen. Ich sehe die Ursache daran, dass
diese Hunde ihre Nützlichkeit verlieren haben. Die Tiere werden in Haushalt gehalten, weil man sieht in Ihnen einen Freund. Sie werden
vermenschlicht.
Harris entwickelt die Theorie der optimalen Futtersuche. Auch bei vielen Tieren ist zu beobachten, das, obwohl ihnen ein großes Nahrungsspektrum theoretisch zur Verfügung steht, sie sich immer nur auf bestimmte Pflanzen und Tiere konzentrieren und den Rest nicht beachten. Sie essen nur das, was mit dem geringsten Kraftaufwand zu bekommen ist und gleichzeitig den höchsten Energieertrag liefert.
Ich habe Schwierigkeiten, wenn man versucht alles auf klassische Physik zu reduzieren, vor allem weil deutliche Beispiele im Leben geben, wenn man Kraftaufwand nicht direkt mit Energieertrag vergleichen kann. Wie kann man z. B. ein Fortpflanzungsakt mit den Werbunganstrengungen vergleichen. Die letzte bedeuten Kraftaufwand (wie Balltanzen, Nestbauen etc.). Was aber ist als Energieertrag zu deuten? Kann der Nachwuchs in Energiegroßen berechnet werden?!
Der Fehler in Denkschema von Harris ist die, dass s. z. Endstation der evolutiven Entwicklung betrachtet wird. Die eigentliche Evolution betrifft aber den Weg zur der Endstation. Am Anfang war es eben nicht der geringste Aufwand. Es zeigt gerade, dass am Anfang stand man an einem
„Evolutionshügel“, wo diese Aufwand der stärkste war. Dieser Zustand zwingt die Evolution im Gang zu setzen. Es wird gesucht, diesen Aufwand kleiner zu machen, da es für das Überleben ein Vorteil bietet. Also rutscht der Organismus von „dem Hügel“ runter (Evolution schlechthin), und seine Strukturen passen mehr und mehr. Sie passen aber auf Etwas,
auf was man oben auf Hügel entschieden hat. So passen die Organe und Strukturen des Organismus auf die Beute bzw. Nahrung, die er da oben mal gewählt hat. Erst dadurch haben wir eine Variation des Lebens.
Also wenn man dem Harris-Schema folgt, das große Nahrungsspektrum, das dem Organismus zu Verfügung steht, war
am Hügel. Da begann er überhaupt seine Umwelt zu differenzieren. Für seine Entscheidung – etwa in welche Richtung des Hügels er „zu rollen“ beginnt – kann sowohl die Umwelt (damalige Angebot) als ein geringere (nicht die geringste!) Energieaufwand, der durch vorhandene Organismus-Form und –Funktion unterstützt war. Dennoch zu geringsten Aufwand muss er erst nach unten gelingen. Dadurch auch trennt er sich mehr und mehr von dem übrigen Angebot, weil er sich mehr und mehr an bestimmtes Angebot biologisch bzw. genetisch anpasst.
Kühe können
theoretisch auch Fleisch verzehren, dennoch nicht praktisch. Ihre Verdauung, Zähne etc. sind auf das nicht angepasst. Irgendwann auf dem Evolutionshügel hatten sie sich für eine Symbiose mit bestimmten Bakterien entschieden. Diese Entscheidung hat ihnen Zugang zu anderen Nahrung gleichzeitig versperrt.
Bei den höheren Tieren beginnt die Kultur mitzuspielen. Es werden die Jagdtechniken und die Jagdziele
erlernt. Das Schema des
potentiellen Angebots berücksichtigt die Ökosysteme nicht. In einem Ökosystem ist
eine Differenzierung vorhanden. Diese Differenzierung der Beute wurde durch längeren Zeitraum abgetastet, so dass eine Spezialisierung der Jäger je eigene Beute entstanden ist (eine Überschneidung ist auch möglich). Hier wird der geringere Kraftaufwand durch die
Reduzierung der Energie für Konkurrenzkämpfe erzielt. Dennoch geriet ein solches Ökosystem aus Gleichgewicht, wird diese Differenzierung in Frage gestellt und in einer Evolution aufs Neue entschieden.
Auch Tiere haben die Kultur, die sich entwickelt bzw. hat irgendwann entwickelt, bis auf ihren biologischen Grenzen gestoßen hat. Somit haben die Tiere den „Flachland“ erreicht.
Die Menschen bzw. die Gesellschaften fallen noch bis jetzt runter. Sie versuchen immer noch „die Position des geringsten Kraftaufwands“ zu finden. Nur wird hier nicht wie in Leben das Genetische Gut verändert.
Hier wandelt sich die Kultur.
Das Problem der Gegenwart ist, dass
man die Kultur als etwas zusammengewürfeltes sieht, dass man nach Wunsch etwas entnehmen oder dazu fügen kann. Es funktioniert nicht. Und statt ein Leid zu beenden, mindestens ihn reduzieren, wird noch mehr Leid in Welt gesetzt (wie etwa Demokratie in anderen Ländern mit Gewalt einzuführen, die dazu kulturell nicht reif sind). Die Kultur funktioniert als ein Ganzes bzw. sie eine Gemeinschaft bzw. Gesellschaft als Ganze funktionieren lässt, so wie genetische Gut die Zelle als Ganze funktionieren lässt.
Daher der kleinste Unterschied wie etwa in den Essensitten mit dem Rest auf für uns nicht unbedingt nachvollziehbarer Weise verknüpft ist. So etwa das Eiermalen seinem ursprünglichen Sinn entfremdet wurde. Auch Tabus sind nicht immer durch Religion aufrechtgehalten, wobei irgendwann in Vergangenheit würden sie in das damalige Weltbild passen. Das Weltbild hat sich gewandelt, dennoch die „Splitter“ des Alten, das durch das Neue ersetzt wurde, wurden in das Neue integriert, wenn auch seinem ursprünglichen Sinn entfremdet und als Symbol für etwas anderes benutzt.
Daher denke ich, dass es reicht nicht rational den Verzehr von Insekten zu begründen. Die Weltanschauung, die Tabus sind
in Gefühlen verankert. Die müssen angesprochen werden, gelenkt und kanalisiert.