Ich pflück erstmal ein wenig in dem Artikel rum, wenns recht ist.
Fast tausend Jahre nachdem der Papst einen deutschen Herrscher in die Knie zwang, muss er sich nun einer Berliner Kanzlerin beugen. Beide Male ging es um das Verhältnis von Politik und Religion
Also mal abgesehen von der ulkigen Behauptung, nun müsse sich der Papst der Kanzlerin beugen, verkennt die These, dass es um das Verhältnis von Politik und Religion ginge, Merkels Intention.
Frau Merkel wollte mit der Aussage sicherlich nicht diese Grundsatzfrage stellen. Ihr ging es einmal darum, für Deutschland Flagge zu zeigen. Sie hat letztlich ja etwas gefordert, was schon längst erfüllt war (s. Generalaudienz letzte Woche, wenn ich nicht irre).
Das ist relativ gut für Deutschlands Ansehen in der Welt, für die Beziehungen zu Israel und für unsere Selbstwahrnehmung.
Wichtiger noch dürfte der innenpolitische Ansatz sein, einerseits vielen Katholiken aus der Seele zu reden und gleichzeitig im liberalen Milieu zu fischen, damit die FDP nicht zu stark wird. Die letzten Umfragen ließen durchaus den Schluss zu, dass konservativ-liberal gesonnene Wähler bei den nächsten Wahlen ihre Stimmen gleich ganz an die FDP abgeben könnten.
Diesmal war es der Papst, der nach Canossa ging. 932 Jahre nachdem ein deutscher Kaiser auf ein Ultimatum des Papstes hin Abbitte leistete, befolgt nun ein Papst die Aufforderung der deutschen Bundeskanzlerin - sofern denn Angela Merkels Kritik den Ausschlag dafür gab, dass der Vatikan die Wiederaufnahme des Bischofs Richard Williamson jetzt doch von einer Klarstellung seiner Haltung zum Holocaust abhängig macht.
Die Aufhebung der Exkommunikation und die Klarstellungsaufforderung haben nichts mit Frau Merkel zu tun, sondern mit dem 2. Vatikanischen Konzil und dessen Beschlüssen.
Beides stimmt, aber es kommt noch ein Drittes hinzu: Die Kanzlerin kann auch deshalb nur schwer neutral bleiben, weil die Verflechtung von Staat und Kirche hierzulande enger ist als andernorts - ein Phänomen, dessen Wurzeln wiederum ins Heilige Römische Reich des Mittelalters zurückreichen.
Eine gewagte These. Ähnliche Verflechtungen gab es z.B. in Frankreich oder England auch und in Frankreich wurde diese Ordnung ja kaum mehr als 16 Jahre vorher beseitigt! Dennoch geht in Frankreich die Trennung von Kirche und Staat sehr weit.
All das gilt auch für die evangelischen Landeskirchen oder die jüdischen Gemeinden, und die mangelnde Trennung von Staat und Religion ist auch in diesen Fällen kritikwürdig.
Eine Feststellung, die nicht weiter begründet wird und doch begründungsbedürftig ist!
Doch sind Wolfgang Huber, Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, automatisch den Regeln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterworfen - sofern ihnen eine Abweichung davon überhaupt in den Sinn käme.
Der Papst dagegen sitzt in Rom
Hier werden nun Äpfel und Birnen miteinander verglichen.
Das Äquivalent zu Charlotte Knobloch wäre wohl eher Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, der Präsident des ZdK und zu Wolfgang Huber wäre es Robert Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
Der Papst dagegen sitzt in Rom und ist neuerdings, seit der Heilige Stuhl die automatische Übernahme italienischer Gesetze suspendiert hat, nicht einmal mehr der Rechtsordnung der Europäischen Union verpflichtet. Darüber hinaus amtiert er als Oberhaupt eines anderen souveränen Staates, obwohl er bei der Annahme der vatikanischen Staatsangehörigkeit seinen bisherigen Pass nach deutschem Recht eigentlich hätte aufgeben müssen.
Dieses Geflecht bleibt problematisch und nur durch eine strikte Trennung von Staat und Kirche auflösbar.
In Frankreich haben wir Laizismus. Ich kann nicht ersehen, dass Frankreich hierdurch irgendeinen Vorteil hätte, also irgendein Problem durch den Laizismus beseitigt worden wäre.
Hinzu kommt, dass man diese Gedankengänge auch auf die UNO und ihren Vorsitzenden übertragen könnte. DAS Ergebnis könnt Ihr Euch selber ausmalen.
Also dieser Aufsatz ist nicht schlüssig. Er überzeugt mich nicht.
Zur Säkularisierung allgemein:
Säkularisierung ist ein Überbegriff für eine Vielzahl an Formen, in denen Staat und Religion (nicht nur Kirche!!!) getrennt werden.
Jede dieser Formen ist eine staatliche individuelle Entwicklung mit einer gewissen Tradition. Somit sind sie gleichwertig und nicht beliebig austauschbar.
Eine Loslösung ist jedoch insoweit immer unvollkommen, als dass z.B. das sogenannte Abendland eine christlich-jüdisch mitgeprägte Wertegeschichte hat, welche sich u.a. in den Rechtsordnungen als Wertesysteme niederschlägt.
Im allgemeinen jedoch führt die Säkularisierung dazu, dass religiöse Organisationen keine Institutionen politischer Macht innehaben.
Was nun Deutschland angeht, so muss ich nochmal auf den Artikel eingehen:
n Deutschland ziehen bis heute staatliche Finanzämter die Kirchensteuer ein, bezahlt der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer, über deren Lehr- und Forschungsinhalte maßgeblich die Kirche bestimmt. Auch die sozialen Aktivitäten der Kirchen in Schulen oder Krankenhäusern bezahlt überwiegend der Staat.
Die einbezogene Kirchensteuer wird nur von Kirchenmitgliedern erhoben. Dass die sozialen Aktivitäten der Kirchen vom Staat, also von Steuergeldern mitfinanziert werden, ist richtig und jedenfalls kein Nachteil, vielleicht sogar ein Vorteil für die Gesellschaft.
Schließlich wird nicht der komplette Betrieb durch Steuergelder bezahlt, sondern wird aus der Kirchensteuer und den Spenden der Kirchenmitglieder mitfinanziert.
Darin liegt eine erhebliche freiwillige Mehrleistung der Gläubigen!
Wenn sich die Kirchen nicht engagierten, müsste der Staat diese Aufgaben alleine übernehmen und tragen. Dann wäre die nächste Steuererhöhung schon garantiert.
Dass der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer bezahlt, ist richtig. Allerdings sehe ich nicht, warum Religion und Theologie keine Studienfächer mehr sein sollten. Warum?!?
Es stimmt auch, dass die Religionsgemeinschaften über Lehr- und Forschungsinhalte
mitbestimmen. Es ist aber falsch, dass sie diese einfach bestimmen könnten! Hier greift die staatliche Aufsicht. Die vorgenannte Bezahlung ist der Preis, den der Staat für diese Kontrolle zahlen muss. Andernfalls griffe der Staat grundrechtswidrig in die Religionsgemeinschaften ein.
Zudem ist zu bedenken, dass auch laizistische Staaten eine staatliche Ausbildung von Geistlichen kennen (z.B. Imame aus der Türkei).
p.s.
Und weil die demographische Entwicklung für uns eine interessante Fragestellung ist, möchte ich auf den letzten Absatz von
http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4kul ... Demografie verweisen.
Darüber mal nachzudenken, lohnt sich durchaus.
Ich pflück erstmal ein wenig in dem Artikel rum, wenns recht ist.
[quote]Fast tausend Jahre nachdem der Papst einen deutschen Herrscher in die Knie zwang, muss er sich nun einer Berliner Kanzlerin beugen. Beide Male ging es um das Verhältnis von Politik und Religion[/quote]
Also mal abgesehen von der ulkigen Behauptung, nun müsse sich der Papst der Kanzlerin beugen, verkennt die These, dass es um das Verhältnis von Politik und Religion ginge, Merkels Intention.
Frau Merkel wollte mit der Aussage sicherlich nicht diese Grundsatzfrage stellen. Ihr ging es einmal darum, für Deutschland Flagge zu zeigen. Sie hat letztlich ja etwas gefordert, was schon längst erfüllt war (s. Generalaudienz letzte Woche, wenn ich nicht irre).
Das ist relativ gut für Deutschlands Ansehen in der Welt, für die Beziehungen zu Israel und für unsere Selbstwahrnehmung.
Wichtiger noch dürfte der innenpolitische Ansatz sein, einerseits vielen Katholiken aus der Seele zu reden und gleichzeitig im liberalen Milieu zu fischen, damit die FDP nicht zu stark wird. Die letzten Umfragen ließen durchaus den Schluss zu, dass konservativ-liberal gesonnene Wähler bei den nächsten Wahlen ihre Stimmen gleich ganz an die FDP abgeben könnten.
[quote]Diesmal war es der Papst, der nach Canossa ging. 932 Jahre nachdem ein deutscher Kaiser auf ein Ultimatum des Papstes hin Abbitte leistete, befolgt nun ein Papst die Aufforderung der deutschen Bundeskanzlerin - sofern denn Angela Merkels Kritik den Ausschlag dafür gab, dass der Vatikan die Wiederaufnahme des Bischofs Richard Williamson jetzt doch von einer Klarstellung seiner Haltung zum Holocaust abhängig macht.[/quote]
Die Aufhebung der Exkommunikation und die Klarstellungsaufforderung haben nichts mit Frau Merkel zu tun, sondern mit dem 2. Vatikanischen Konzil und dessen Beschlüssen.
[quote]Beides stimmt, aber es kommt noch ein Drittes hinzu: Die Kanzlerin kann auch deshalb nur schwer neutral bleiben, weil die Verflechtung von Staat und Kirche hierzulande enger ist als andernorts - ein Phänomen, dessen Wurzeln wiederum ins Heilige Römische Reich des Mittelalters zurückreichen.[/quote]
Eine gewagte These. Ähnliche Verflechtungen gab es z.B. in Frankreich oder England auch und in Frankreich wurde diese Ordnung ja kaum mehr als 16 Jahre vorher beseitigt! Dennoch geht in Frankreich die Trennung von Kirche und Staat sehr weit.
[quote]All das gilt auch für die evangelischen Landeskirchen oder die jüdischen Gemeinden, und die mangelnde Trennung von Staat und Religion ist auch in diesen Fällen kritikwürdig.[/quote]
Eine Feststellung, die nicht weiter begründet wird und doch begründungsbedürftig ist!
[quote]Doch sind Wolfgang Huber, Ratspräsident der Evangelischen Kirche in Deutschland, und Charlotte Knobloch, Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, automatisch den Regeln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterworfen - sofern ihnen eine Abweichung davon überhaupt in den Sinn käme.
Der Papst dagegen sitzt in Rom[/quote]
Hier werden nun Äpfel und Birnen miteinander verglichen.
Das Äquivalent zu Charlotte Knobloch wäre wohl eher Prof. Dr. Hans Joachim Meyer, der Präsident des ZdK und zu Wolfgang Huber wäre es Robert Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
[quote]Der Papst dagegen sitzt in Rom und ist neuerdings, seit der Heilige Stuhl die automatische Übernahme italienischer Gesetze suspendiert hat, nicht einmal mehr der Rechtsordnung der Europäischen Union verpflichtet. Darüber hinaus amtiert er als Oberhaupt eines anderen souveränen Staates, obwohl er bei der Annahme der vatikanischen Staatsangehörigkeit seinen bisherigen Pass nach deutschem Recht eigentlich hätte aufgeben müssen.
Dieses Geflecht bleibt problematisch und nur durch eine strikte Trennung von Staat und Kirche auflösbar.[/quote]
In Frankreich haben wir Laizismus. Ich kann nicht ersehen, dass Frankreich hierdurch irgendeinen Vorteil hätte, also irgendein Problem durch den Laizismus beseitigt worden wäre.
Hinzu kommt, dass man diese Gedankengänge auch auf die UNO und ihren Vorsitzenden übertragen könnte. DAS Ergebnis könnt Ihr Euch selber ausmalen. ;)
Also dieser Aufsatz ist nicht schlüssig. Er überzeugt mich nicht.
Zur Säkularisierung allgemein:
Säkularisierung ist ein Überbegriff für eine Vielzahl an Formen, in denen Staat und Religion (nicht nur Kirche!!!) getrennt werden.
Jede dieser Formen ist eine staatliche individuelle Entwicklung mit einer gewissen Tradition. Somit sind sie gleichwertig und nicht beliebig austauschbar.
Eine Loslösung ist jedoch insoweit immer unvollkommen, als dass z.B. das sogenannte Abendland eine christlich-jüdisch mitgeprägte Wertegeschichte hat, welche sich u.a. in den Rechtsordnungen als Wertesysteme niederschlägt.
Im allgemeinen jedoch führt die Säkularisierung dazu, dass religiöse Organisationen keine Institutionen politischer Macht innehaben.
Was nun Deutschland angeht, so muss ich nochmal auf den Artikel eingehen:
[quote]n Deutschland ziehen bis heute staatliche Finanzämter die Kirchensteuer ein, bezahlt der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer, über deren Lehr- und Forschungsinhalte maßgeblich die Kirche bestimmt. Auch die sozialen Aktivitäten der Kirchen in Schulen oder Krankenhäusern bezahlt überwiegend der Staat.[/quote]
Die einbezogene Kirchensteuer wird nur von Kirchenmitgliedern erhoben. Dass die sozialen Aktivitäten der Kirchen vom Staat, also von Steuergeldern mitfinanziert werden, ist richtig und jedenfalls kein Nachteil, vielleicht sogar ein Vorteil für die Gesellschaft.
Schließlich wird nicht der komplette Betrieb durch Steuergelder bezahlt, sondern wird aus der Kirchensteuer und den Spenden der Kirchenmitglieder mitfinanziert.
Darin liegt eine erhebliche freiwillige Mehrleistung der Gläubigen!
Wenn sich die Kirchen nicht engagierten, müsste der Staat diese Aufgaben alleine übernehmen und tragen. Dann wäre die nächste Steuererhöhung schon garantiert.
Dass der Staat Theologieprofessoren und Religionslehrer bezahlt, ist richtig. Allerdings sehe ich nicht, warum Religion und Theologie keine Studienfächer mehr sein sollten. Warum?!?
Es stimmt auch, dass die Religionsgemeinschaften über Lehr- und Forschungsinhalte [b]mit[/b]bestimmen. Es ist aber falsch, dass sie diese einfach bestimmen könnten! Hier greift die staatliche Aufsicht. Die vorgenannte Bezahlung ist der Preis, den der Staat für diese Kontrolle zahlen muss. Andernfalls griffe der Staat grundrechtswidrig in die Religionsgemeinschaften ein.
Zudem ist zu bedenken, dass auch laizistische Staaten eine staatliche Ausbildung von Geistlichen kennen (z.B. Imame aus der Türkei).
p.s.
Und weil die demographische Entwicklung für uns eine interessante Fragestellung ist, möchte ich auf den letzten Absatz von http://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A4kularisierung#S.C3.A4kularisierung_und_Demografie verweisen.
Darüber mal nachzudenken, lohnt sich durchaus. :roll: