Ruaidhri:
Liegt inzwischen lange zurück, mag sich geändert haben, doch bislang habe ich noch keinen Ami getroffen, der es als ungerecht, gar Schande betrachtet, richtig gut Geld zu verdienen oder gar reich zu sein- oder es werden zu wollen.
Neid und Abfälligkeit gegenüber "Reichen" habe nie wirklich wahrgenommen, trotz des, im Vergleich zu Westeuropa, wirklich geringeren sozialen Sicherheit und geringerem Verdienst etc.
Das ist noch immer so, auch heutzutage. Es hat in den USA auch nie eine bedeutende kommunistische Bewegung, ja nicht einmal eine sozialdemokratische Partei von Bedeutung gegeben. Dabei glaubten Marx und Engels, dass dies nur eine Zeitfrage sein würde. Der Gründer der Kommunistischen Partei Italiens, Gramsci, sprach hingegen von der absoluten Hegemonie der bürgerlichen Ideologie in diesem Land, in dem die Entfaltung des Privateigentums seine Vollendung erreichte.
Ausgehend von einer Reihe von Artikeln in Zeitschriften und meinen eigenen Eindrücken, die ich in den USA sammeln konnte, sind es wohl vor allem die folgenden Faktoren, die hierfür verantwortlich sind.
In den USA waren die männlichen weißen Arbeiter seit 1830 allen Staatsbürgern gleichgestellt. Sie mussten nicht gegen diskriminierende Wahlgesetze kämpfen, wie gegen das Zensuswahlrecht in England oder das Drei-Klassen-Wahlrecht in Preußen. Außerdem war das Land demokratisch aufgebaut und keine Monarchie, wie die meisten Staaten in Europa. Die Stimme des Arbeiters galt etwas, man hatte es hier nicht mit Pseudoparlamenten ohne Macht zu tun wie auf dem Alten Kontinent. Zumindest man auf lokaler Ebene konnte man sich politisch betätigen und auch einiges vor Ort erreichen.
Der Lebensstandard war höher als in Europa. Die Knappheit an Arbeitskräften gab den Arbeitern eine große Verhandlungsmacht. Es war nicht notwendig, eine starke Partei aufzubauen.
Die Arbeiter waren sehr mobil, sie wechselten häufig den Arbeitgeber und auch den Wohnort. Deshalb bildete sich kein fester Zusammenhalt in der Arbeiterschaft. Hinzu kam die ethnische Zersplitterung, sie erschwerte die Vereinigung.
Die Vorstellung vom amerikanischen Traum. Die meisten Arbeiter wollten nicht Arbeiter bleiben, sondern träumten von der Selbständigkeit als Farmer oder Händler. Der Homestead Act von 1862 und weitere Gesetze erfüllten für viele auch diesen Traum. Es entwickelte sich keine proletarische Identität.
Die Gewerkschaften waren reine Lobbyisten. Sie wollten nur für ihre eigenen Mitglieder hohe Löhne durchsetzen und grenzten sich von anderen ab. Außerdem waren sie oft nach Ethnien organisiert. Allgemein gesellschaftspolitische Vorstellungen besaßen sie nicht. Auch ist nur ein sehr kleiner Teil der Amerikaner in Gewerkschaften organisiert.
Da die politischen Parteien keine feststehenden Organisationen sind wie in etwa in Deutschland, war es für die Arbeiter möglich, ihre Interessen in der Demokratischen Partei geltend zu machen, oft durchaus mit Erfolg.
Den Arbeitern geht es in den USA nur um eins: „To make more money!“ Gesellschaftspolitische oder gar sozialistische Ideen haben sie in der Regel nicht. Das ist Sache der Liberalen, dem Mittelstand.
Und natürlich der ausgesprochene Antikommunismus in den USA, der bereits in den zwanziger Jahren begann, verbunden mit dem Patriotismus, verhindert sozialistische Vorstellungen. Nach dem Zweiten Weltkrieg begann unter McCarthy ein geradezu hysterischer Antikommunismus, der zeitweilig paranoide Ausmaße annahm und noch immer nachwirkt.
Viele Amerikaner haben eine sehr seltsame Vorstellung von Kommunismus. Fast jede staatliche Maßnahme empfinden sie als Beginn des Kommunismus, wie etwa die Krankenversicherung von Obama. Amerikaner misstrauen traditionell allem, was vom Staat kommt. Staatliche Leistungen, was es auch gibt wie etwa Schulen oder Spitäler, nahezu immer sind sie erheblich schlechter als das, was private Anbieter leisten.