IS und die Vergangenheit

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Re: IS und die Vergangenheit

von dieter » 25.11.2014, 10:10

Barbarossa hat geschrieben: Ergo halte ich es für so wichtig, eine strikte Trennung von Kirche und Staat durchzusetzen mit einer von religiösen Einflüssen möglichst unbeeinflussten Verfassung als für alle geltendes Recht. Ich halte keine der jahrtausendealten Religionen für geeignet, eine moderne Gesellschaft zu kreieren. Dies kann man einzig mit den von der UNO formulierten Menschenrechte erreichen, die in jede Verfassung der Welt fest integriert werden sollten. Wenn dies irgendwann durchgesetzt ist und die Menschen diese Menschenrechte verinnerlicht haben, dann sind wir schon ein ganzes Stück weiter.
Lieber Barbarossa,
bis zum Beweis des Gegenteils glaube ich noch an Gott. Aber Du hast Recht, strikte Trennung von Kirche und Staat. Die Religionsgemeinschaften sollen die Beiträge von den Mitgliedern bezahlen lassen. Ich persönlich würde für die EKD weiterhin meine Kirchensteuer bezahlen, weil es in dieser Zeit wichtig ist, dass die Kirche der Deutschen Einheit weiter existiert. :wink:

Re: IS und die Vergangenheit

von Titus Feuerfuchs » 25.11.2014, 02:06

Barbarossa hat geschrieben:Ja ok. Und was willst du mit deinen Ausführungen nun beweisen? Dass Mohamed als Prophet der Muslime nicht der pazifistische Messias war? Und weiter?
Er war aber eben "nur" Prophet.

Da könnte man nun das christliche Alte Testament dagegen halten und sagen, der Gott der Christen selbst war/bzw. ist ein Massenmörder, wenn man die Geschichte mit Noah glaubt. Auch sonst stehen da Sachen drin wie "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und noch viele weitere blutige Ereignisse. Wer sich darauf beruft, kann eine ebensolche Ideologie erschaffen, wie ISIS.

[...]

Nein, da muss ich dir widersprechen.

Wenn Gott im Alten Testament ein strenger, strafender Gott ist, gibt das seinen Gläubigen noch lange nicht das Recht, ebenso zu handeln wie er.
Der IS hat mit "Auge um Auge" nichts zu tun denn der IS vergilt ja nicht Gleiches mit Gleichem, sondern mordet und foltert völlig Unschuldige.

Selbst im Alten Testament wird das von dir Zitierte durch die Zehn Gebote total relativiert.

Im Neuen Testament (Bergpredigt) räumt Jesus aber mit dem Alten Testament auf und macht Nächstenliebe, Feindesliebe, Vergebung, etc...zu zentralen Werten des Christentums.

Etwas wie der IS steht in Fundamentalopposition zu Christentum, während er den Koran einfach wörtlich nimmt.

Re: IS und die Vergangenheit

von Barbarossa » 25.11.2014, 00:32

Ja ok. Und was willst du mit deinen Ausführungen nun beweisen? Dass Mohamed als Prophet der Muslime nicht der pazifistische Messias war? Und weiter?
Er war aber eben "nur" Prophet.

Da könnte man nun das christliche Alte Testament dagegen halten und sagen, der Gott der Christen selbst war/bzw. ist ein Massenmörder, wenn man die Geschichte mit Noah glaubt. Auch sonst stehen da Sachen drin wie "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und noch viele weitere blutige Ereignisse. Wer sich darauf beruft, kann eine ebensolche Ideologie erschaffen, wie ISIS.

Ergo halte ich es für so wichtig, eine strikte Trennung von Kirche und Staat durchzusetzen mit einer von religiösen Einflüssen möglichst unbeeinflussten Verfassung als für alle geltendes Recht. Ich halte keine der jahrtausendealten Religionen für geeignet, eine moderne Gesellschaft zu kreieren. Dies kann man einzig mit den von der UNO formulierten Menschenrechte erreichen, die in jede Verfassung der Welt fest integriert werden sollten. Wenn dies irgendwann durchgesetzt ist und die Menschen diese Menschenrechte verinnerlicht haben, dann sind wir schon ein ganzes Stück weiter.

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 24.11.2014, 20:22

Hallo Orianne,

ich finde deinen thread sehr interessant, weil er die Ursache und nicht die Wirkung des ISIS sucht.

Es ist sehr unterhaltsam, von Mitgliedern hier lange Ausführungen zu lesen, welcher Kalif wen ermorden ließ und wer durch wen ermordet wurde. Das ist allerdings für die heutige Situation belanglos.

Salafismus, das religiöse Fundament des ISIS, bezieht sich auf die "Vorväter", die "Altvorderen", also auf die ersten Jahrzehnte des Islam.

Jetzt mal im Klartext:

Mohammed war ein Kaufmann aus Mekka. Gesellschaftlichen Aufstieg und finanzielle Sicherheit erfuhr er durch Heirat. Bis hierher nicht verwerflich. Seine Visionen, dass ihm der Erzengel Gabriel das Wort Gottes verkündet habe, eigentlich nur Verhaltensregeln des Miteinanders, die er nun in der Menschheit zu verbreiten habe, fanden bei seinen Mitbürgern in Mekka wenig Anerkennung.
Nach dem Tod seiner Frau verließ er frustriert die Stadt und zog sich nach Medina zurück. Dort schlichtete er den Streit verschiedener Stämme und einte sie. Mit dieser kleinen Truppe versuchte er fortan der Handelsstadt Mekka großen Schaden zuzufügen, indem er die Handelskarawanen von und nach Mekka überfiel. Etwa 40 Überfälle meint man heute nachweisen zu können. Bei diesen Überfällen ging es ganz sicher nicht zimperlich zu. Für die Betroffenen bedeutete es den Tod, Sklaverei oder bestenfalls Freikauf durch Lösegeld.

Den Mekkanern wurde es irgendwann zu viel und sie zogen gegen Mohammeds Truppe zu Felde. Mehrere Schlachten brachten zunächst keine Entscheidung. Am Ende ging Mohammed allerdings als Sieger des Konflikts hervor und konnte in Mekka einziehen. Dabei ließ er nicht, wie üblich, die Oberschicht massakrieren, sondern gewann sie als Verbündete. Muslime heben dieses als Akt der Nächstenliebe hervor, in Wahrheit war es strategisches Kalkül, das schon die antike Kriegführung von Alexander bis Caesar kannte.

Was bedeutet dieses?

Es zeigt, dass Mohammed kein Wanderprediger wie Jesus war, der durch das Land zog und den Menschen Gewaltlosigkeit predigte. Mohammed war ein Feldherr und zwar ein erfolgreicher. Somit kann man ihn eher mit Karl dem Großen vergleichen. Karl d.Gr. war ebenfalls ein charismatischer und nach damaligen Maßstäben ehrenwerter Mann. Er scheute allerdings nicht davor zurück, seine durchaus wohlgemeinten Ziele, also die Verbreitung des Glaubens, mit Gewalt durchzusetzen. Es kam schon mal vor, dass eine große Anzahl widerspenstiger Sachsen kaltblütig massakriert wurde. Dennoch galt Karl im europäischen Mittelalter als absolutes Vorbild. 1165 wurde Karl sogar heilig gesprochen, später widerrufen. Heute ist immerhin die Seligsprechung akzeptiert.
Wie bitte? Der Henker des Blutgerichts von Verden soll ein Heiliger sein???

Man stelle sich einmal vor, es wäre Karl in den Sinn gekommen, Gott habe ihm eine Botschaft verkündet. Da er der mächtigste Mann seiner Zeit war, wäre es nicht ausgeschlossen, dass er seine "neue Religion" gegen das Christentum durchgesetzt hätte. Dann wären wir heute keine Christen, sondern "Karolinger".
Radikale Vertreter dieses Glaubens wären durchaus gewaltbereit, da sie sich theologisch darauf berufen könnten, dass auch der Glaubensstifter Karl zur Gewalt griff, wenn es ihm notwendig erschien.

Ähnlich ist es bei Mohammed und dem Islam. Wenn man sich auf den Ur-Islam bezieht und sein Leben danach ausrichten möchte, dann ist Gewalt nicht tabu.

Zum Vergleich:
Radikale Christen sind gegen Ehescheidung, Abtreibung, homosexuelle Ehen usw. Dazu kann man stehen wie man will.
Es ist aber ausgeschossen, dass sie auch nur gegen eine Stubenfliege Gewalt anwenden.
Im radikalen Islam können dagegen die Köpfe rollen.

Die Islamisten selbst berufen sich besonders gern auf die blutige Anekdote von der Niederwerfung des jüdischen Stammes der Quraiza im Jahre 627. Als Mohammeds Truppen die Quraiza, die zu den Gegnern des Propheten in Medina gehörten, überwunden hatten, wurden die 600 bis 900 männlichen Mitglieder des Stammes allesamt geköpft.

So ging es weiter in Nordafrika, Spanien, Asien, überall, wohin sich der Islam ausbreitete: Dessen Geschichte ist arm an Bekehrungsgeschichten und reich an blutigen Eroberungszügen.

So ist der Salafismus und der IS zu verstehen. Es handelt sich schlichtweg um den Ur-Islam.

Re: IS und die Vergangenheit

von Marek1964 » 10.10.2014, 11:27

Stephan hat geschrieben:Etwas OT, aber da angesprochen:
Da kann man doch einen eigenen Thread eröffnen!

http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... =31&t=4587

MIlitärische Strategien und Taktiken aller Epochen

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 10.10.2014, 11:02

Hallo,

ich glaube, Cherusker störte sich an der zu allgemeinen Formulierung. Die leider weit verbreitete Meinung, Germanen hätten gegen Römer nur bei Hinterhalten, nicht jedoch in offenen Feldschlachten eine Chance gehabt, lässt sich anhand einiger Beispiele leicht widerlegen.

Zum Beispiel haben die bereits oben erwähnten Kimbern und Teutonen im Jahr 105 v.Chr. in einer offenen Feldschlacht bei Arausio zwei konsularische Heere komplett vernichtet. Man geht von mind. 60 000 getöteten Römern aus.

Nichtsdestotrotz war das römische republikanische Heer, insbesondere nach der Heeresreform des Marius, das organisierteste, disziplinierteste und flexibelste seiner Zeit. Die Römer verstanden es, trotz zahlreicher militärischer Rückschläge und Niederlagen, sich auf die Waffengattungen und Kampfweisen ihrer Feinde einzustellen. Sie lernten aus ihren eigenen Fehlern und suchten die Schwachstellen ihrer Gegner.

Re: IS und die Vergangenheit

von Stephan » 10.10.2014, 08:53

Cherusker hat geschrieben:
Stephan hat geschrieben:
Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Wenn Du Germanen durch Kelten ersetzt, dann stimmt das.


Seit wann zählen die Kimbern und Teutonen zu den Kelten?
Dieser Erfolg ermutigte Gaius Marius sich den Teutonen bald zur entscheidenden Schlacht zu stellen. Am Morgen des dritten Tages ließ er seine Legionen sich vor ihrem auf einem Hügel gelegenen befestigten Nachtlager zu einer offenen Feldschlacht formieren. Die längst ungeduldigen Teutonen stürmten sogleich den Hügel hinauf und eröffneten die Schlacht. Bis zum Mittag wurde heftig gekämpft und nur die ungewohnte provencalische Hitze schien den Teutonen zu schaffen zu machen. Als ihre Reihen schließlich zu schwanken begannen, brachte wohl ein Haufen römischer Tross-Knechte die Entscheidung, der mit gewaltigen Geschrei aus dem Wald im Rücken der Teutonen hervorstürmte und diese in Panik versetzte. Die Formation der Teutonen brach völlig auseinander, viele von ihnen wurden getötet oder gefangengenommen und versklavt.
aus http://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_von_Aquae_Sextiae

Re: IS und die Vergangenheit

von Cherusker » 10.10.2014, 07:27

Stephan hat geschrieben:
Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Wenn Du Germanen durch Kelten ersetzt, dann stimmt das. Die Germanen kannten Scheinangriffe und Rückzugstaktiken. Die Kelten dagegen meist nur den Frontalangriff mit aller Gewalt. Wenn das nicht zum Erfolg führte, so hatten manche keltischen Krieger die Lust am Kampf schnell verloren. Als das die Römer erkannten, war es nur eine Frage der Zeit bis sie die Kelten in Europa besiegt hatten.
Und genauso sind die heutigen IS-Angriffe leicht berechenbar. Wenn es erst einmal zu größeren Niederlagen kommt, dann werden einige fanatische Kämpfer auch recht schnell in Zweifel kommen. :wink:

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 10.10.2014, 00:48

Stephan hat geschrieben: Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.
Danke. Endlich ist mal jemand hier, der wirklich Ahnung von militärischer Taktik hat.
Mit einem massiven Frontalangriff haben die Römer, obwohl zahlenmäßig weit überlegen, gegen Hannibal bei Cannae 216 v.Chr. verloren. Die Schlacht gilt bis heute als Lehrbeispiel dafür, wie man einen tumben Frontalangriff von den Flanken her umfasst.

Re: IS und die Vergangenheit

von Stephan » 10.10.2014, 00:41

Etwas OT, aber da angesprochen:
Orianne hat geschrieben:Die Angriffstaktik des IS, so liest man, habe gewisse Ähnlichkeiten mit derjenigen der arabischen Eroberer des 7. und 8. Jahrhunderts. Der blitzartige Angriff auf breiter Front mit ihren Humwees, auf denen MGs montiert sind, gleiche den Kavallerieattacken, welche die Muslime gegen die römischen und fränkischen Heere geritten hätten.
Triton hat geschrieben:Die Taktik des Frontalangriffs wählte auch "Lawrence von Arabien" und bezeichnete sie als "Bedu-Taktik" in Anspielung auf die Beduinen-Völker, aus denen er seine Truppen teilweise rekrutierte.

Der Frontalangriff stellt die geringsten Anforderungen an Ausbildung und Führung der Truppe, Aufklärung des Gefechtsfeldes, Planung und Koordination. Man kann auch sagen, es ist die dümmste Form des Angriffs.

Trifft sie auf einen erfahrenen und gut ausgerüsteten Gegner, endet sie in einem Blutbad für die Angreifer. Diese Erfahrungen mussten bereits die Germanen gegenüber den Römern machen, über die Engländer 1916 an der Somme bis zu den zahllosen Sturmangriffen der Roten Armee im Zweiten Weltkrieg.

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 09.10.2014, 12:53

Spartaner hat geschrieben: Prediger bat er außerdem, Juden und Christen nicht mehr als "Nachfahren von Affen und Schweinen" zu bezeichnen.
Oh, das ist aber sehr großzügig von ihm.
Allein die Tatsache, dass dieses explizit erwähnt werden muss, ist schon traurig genug.

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 09.10.2014, 11:24

Spartaner hat geschrieben: Während christliche Kirchen sich im Mittelalter dem verbrennen auf dem Scheiterhaufen zuwandten, wandten sich die Geistlchen der Al-Azhar-Univeristät in Kairo der Forschung zu.
So, jetzt muss ich mal einschreiten.

Dass das christliche Mittelalter finster und rückständig war, während der Orient das Zentrum des Wissens und der Weisheit darstellte, ist klischeehafter Unsinn, gegründet auf einer romantischen Verklärung des 19.Jhs.

Sicher haben muslimische Gelehrte die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Antike weiter gepflegt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Schriften der griechischen und römischen Gelehrten uns nur überliefert sind, weil sie in christlichen Klöstern von Mönchen abgeschrieben und erhalten wurden. Das widerspricht dem Klischee von einer wissensfeindlichen christlichen Kirche im Mittelalter.

Es ist ebenso unbestritten, dass beispielsweise die Bewässerungssysteme der Muslime in Andalusien jenen im nördlichen Europa weit voraus waren. Wenn es bei uns aber den ganzen Tag regnet, braucht man sich über die künstliche Bewässerung der Felder nicht den Kopf zu zerbrechen. In der europäischen Landwirtschaft des Mittelalters gab es andere Aufgaben, wie z.B. die Rodung von Wäldern und die Entwicklung der Dreifelderwirtschaft.

Betrachten wir einmal die Architektur:
Im späten 12. Jh. entwickelte sich von Frankreich ausgehend die Gotik, die ihre größte Aufgabe im Kathedralenbau fand. Die Kathedralen des christlichen Mittelalters sind statisch betrachtet hoch komplexe Bauwerke. Ohne ein fundiertes Wissen über Mathematik, Geometrie, Mechanik und Statik wäre die Errichtung dieser auch für heutige Verhältnisse unglaublich filigranen und hohen Gebäude nicht möglich gewesen. Der Kathedralbau konnte nicht auf antike Vorbilder zurückgreifen; er ist eine reine typologische Erfindung des Mittelalters. In der muslimischen Welt gab es nichts auch nur annähernd Vergleichbares.

Soviel zum kulturellen und technischen Stand der Wissenschaften im Mittelalter.

Und wie war es mit der Betrachtung der Welt?
Klischeehaft glauben manche bis heute, die Kirche des Mittelalters hätte die Erde als Scheibe betrachtet und wäre erst von Kolumbus eines besseren belehrt worden. Das ist Hollywood-Schwachsinn!

Bevor Kolumbus aufbrach, schuf Martin Behaim seinen berühmten „Erdapfel“, als wahrscheinlich ersten Globus (natürlich fehlten Nord-und Südamerika noch). Auch diese Darstellung der Welt widerspricht dem Klischee einer bornierten, verschlossenen Christenheit. Oder gibt es einen muslimischen Globus, der noch älter ist?

Und da wir dabei sind:
Die großen Entdeckungsfahrten seit dem frühen 15.Jh. wurden von christlichen Seefahrern unternommen. Es entwickelte sich ein wirtschaftliches Interesse aber auch eine Neugier, was es „jenseits des Tellerrandes“ zu entdecken gab.
Dagegen war die muslimische Seefahrt sehr eingegrenzt auf Arabien, die Ostküste Afrikas und die Westküste Indiens.
War es nicht die Expedition des Fernando Magellan, die als erste die Welt umsegelte?

Jenseits unreflektierter Klischees verliert das Bild vom finsteren Abendland und strahlenden Orient schnell an Substanz.

Eigentlich wäre das ein eigenes Thema wert, weil es nichts mehr mit dem IS zu tun hat.

Re: IS und die Vergangenheit

von Spartaner » 09.10.2014, 00:47

Agrippa hat geschrieben:
Wenn ein radikaler Iman junge Muslime für den Dschihad begeistern möchte, so muss er nur aus dem Koran zitieren. Ein gewisser Erfolg ist ihm sicher.
Glücklicherweise sind die meisten Muslime in der Lage, diese Aussagen im Koran zu relativieren und die unmenschliche Gewalt des 7.Jhs. n.Chr. nicht wörtlich zu nehmen.
Hier spielt die Al-Azhar-Univeristät in Kairo eine wichtige Rolle. Es ist das bedeutendste intellektuelle Zentrum der Weltreligion, die der Prophet Mohammed vor über 1300 Jahren begründete die älteste Universität der Welt, die einflussreichste Moschee des sunnitischen Islams.
"Keine Fatwas finden mehr Beachtung als jene der al-Azhar, und kaum jemand hat mehr Autorität in der islamischen Welt als die Gelehrten der Hochschule." Während christliche Kirchen sich im Mittelalter dem verbrennen auf dem Scheiterhaufen zuwandten, wandten sich die Geistlchen der Al-Azhar-Univeristät in Kairo der Forschung zu.
"Al-Azhar ist die Bewahrerin des ausgewogenen Glaubens."
"Der Großscheichs der al-Azhar, Ahmad Sayyed Tantawi, " erkannte den palästinensischen Selbstmordattentätern den Märtyrerstatus ab, wenn sie Zivilisten zum Ziel nahmen. Er gestand ferner der französischen Regierung das Recht zu, das islamische Kopftuch zu verbieten, und forderte Musliminnen auf, sich daran zu halten. Prediger bat er außerdem, Juden und Christen nicht mehr als "Nachfahren von Affen und Schweinen" zu bezeichnen. Nicht alle Wortmeldungen Tantawis blieben ohne Widerspruch; er ist zudem permanent dem Vorwurf ausgesetzt, vom ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak ferngesteuert zu sein. Doch die eine Zeitlang befürchtete Unterwanderung der Universität durch Radikale hat sich nicht bewahrheitet. "
Viele Geistliche verurteilen die Gewalt gegen Christen und gegen alle wehrlosen Menschen. Sie verurteilen die Verbrechen der IS und erklären sie nicht in Einklang zu dem Koran.
http://www.spiegel.de/politik/ausland/a ... 00017.html

Das arabische Wort Dschihad ( Jihad ) bedeutet "Bemühung" oder "Anstrengung". Heiliger Krieg ist eine mißverständliche Übersetzung. Historisch wird der Dschihad -Begriff politisch instrumentalisiert. Von der klassischen machtorientierten Interpretation sind die meisten Geistlichen abgerückt. Niemand vertritt von den vielen Geistlichen dieser Universität den Dschihad so zu vertreten, dass das islamische Territorium gewaltsam zu erweitern ist.
Dschihad wird irrtümlicher Weise deshalb mit dem "Heiligen Krieg " gleichgesetzt. Das ist jedoch falsch und anders zu verstehen. Zum einen gibt es den großen Dschihad gegen die eigenen schlechten Eigenschaften im Menschen. Hier ist jeder Gläubige aufgerufen den Koran zu studieren und ihn richtig auf sein eigenes Verhalten anzuwenden. Leider ist das bei vielen nicht der Fall. Viele die sich zum Islam bekennen und ihn radikal auslegen, haben nicht einmal den Koran vollständig durchgelesen und können ihn nicht auf den Alltag kopieren bzw. interpretieren. Auch nicht die Hassprediger und kriminellen Subjekte, die die Weisheit des Korans für sich gepachtet haben wollen und Unschuldige umbringen lassen.
Zum anderen gibt es den kleinen Dschihad im Sinne des Kampfes gegen Aggressoren. Der Abwehrkampf dürfte aber keinesfalls selbst zur Aggressíon ausufern.
Zitat:
"Der "größte oder große Dschihad" [al-dschihad al-akbar oder al-dschihad al-athim, الجهاد الأعظم] ist der Kampf gegen das Böse im Herzen des eigenen Ich, die Anstrengung gegen eine niedrige Stufe der Seele, die zum Bösen gebietet [al-nafs al-ammara]. Dabei wird die innere Läuterung zur moralischen Vervollkommnung angestrebt. Mittel bei diesem schweren Einsatz sind die zahlreichen Riten des Islam, wie auch z.B. das Bittgebet und vieles andere mehr. Allheilmittel gegen Krankheiten der Seele ist unter anderem die Dankbarkeit sowie die Buße.
Der "kleine" oder "äußere Dschihad" [al-dschihad al-asghar, الجهاد الأصغر] besteht in jeder Form der zulässigen Verteidigung von Muslimen. "
http://www.eslam.de/begriffe/a/anstrengung.htm

Re: IS und die Vergangenheit

von Agrippa » 08.10.2014, 19:13

Orianne hat geschrieben:Die Terrormiliz spielt auf die Zeit an, als der Islam entstand und die Araber die halbe Welt eroberten.
Mit diesem einen Satz sprichst Du den Kern des Problems an.

Wer zurück zu den Anfängen geht, und sein Leben an den allerersten Ur-Christen orientieren möchte, der muss absoluter Pazifist werden.

Wer dagegen Muslim ist, und sein Leben an den allerersten Ur-Muslimen ausrichten will, der muss ein Krieger werden.
Das ist der entscheidende Unterschied.

Nach seiner Vertreibung aus Mekka zog sich Mohammed nach Medina zurück und sammelte Banditen um sich, um die Karawanen zu überfallen, die nach Mekka unterwegs waren oder von dort kamen.
Als die Mekkaner dagegen militärisch vorgingen, kam es zu mehreren Schlachten mit wechselndem Ausgang. Schlussendlich gelang es Mohammed, die Stadt Mekka zu erobern, die dortigen Götzenbilder zu beseitigen und seinen eigenen Glauben zu etablieren.

Entgegen der weit verbreiteten Meinung war Mohammed kein Prediger wie Jesus, der durch die Lande zog und zu den Menschen sprach. Mohammed war ein erfolgreicher Feldherr, der von einem göttlichem Sendungsbewusstsein beseelt war.

Wenn ein radikaler Iman junge Muslime für den Dschihad begeistern möchte, so muss er nur aus dem Koran zitieren. Ein gewisser Erfolg ist ihm sicher.
Glücklicherweise sind die meisten Muslime in der Lage, diese Aussagen im Koran zu relativieren und die unmenschliche Gewalt des 7.Jhs. n.Chr. nicht wörtlich zu nehmen.

Re: IS und die Vergangenheit

von Spartaner » 14.09.2014, 14:29

Das Kalifat erlitt in den spätern Nachfolgejahrhundert eine regelrechte Inflation. Um das Jahr 1000 nach Chr. gab es drei Kalifate gleichzeitig. Das abasidische Kalifat von Bagdad , das ismailitisch-schiitische Kalifat von Kairo und das umayyadische Kalifat von Cordoba. In späterer Zeit wurden auch immer mehr Schattenkalifen von den Machthabern eingesetzt. Der Kalif hatte nur noch den Status als Mittel zum Zweck, zur Legitimation der Herrschaft der Eroberer.
1258 wurde Bagdad von den Mongolen unter Hülegü erobert .
"Zwei Abbasidenabkömmlingen gelang aber die Flucht nach Ägypten. Mit Hilfe der Mamluken, die über Ägypten herrschten, versuchten sie, Bagdad zurückzuerobern. Nachdem dieser Versuch misslungen war, erhob der az-Zahir Baibars, der nun unangefochtene Anführer der Mamluken in Ägypten, den einzig noch verbliebenen Abbasiden zum Kalifen und ließ sich umgekehrt von ihm den Sultanstitel verleihen. Auf diese Weise erhielt er die religiös-politische Legitimation, die ihm aufgrund seiner Herkunft als Militärsklave noch fehlte. Die Abbasidenprinzen aus dieser Linie versahen in den folgenden Jahrhunderten ihr weitgehend formales Amt, ein Kalifat ohne herrscherliche Machtbefugnisse, das den Mamlukensultanen jedoch jeweils die notwendige islamische Legitimität verlieh. "
http://de.wikipedia.org/wiki/Kalifat#Da ... _von_Kairo
Einer dieser Flüchtlinge war al Hakim.
"Al-Hakim überlebte 1258 das Massaker an den Abbasiden, das der Mongolenherrscher Hülegü nach der Eroberung von Bagdad angeordnet hatte. In Syrien schloss er sich dem Gefolge des Mamluken-Offiziers Aqqusch al-Burli an, der sich im Sommer 1261 der Stadt Aleppo bemächtigt hatte und von dort aus gegen Sultan Baibars I. opponierte. Im Juni 1261 wurde al-Hakim von Aqqusch zum Kalifen proklamiert, in Nachfolge des 1258 untergegangenen Kalifats von Bagdad. Von Baibars wurde dies folglich nicht anerkannt, weshalb dieser in Kairo einen anderen Abbasiden als al-Mustansir II. zum Kalifen proklamieren ließ."
http://de.wikipedia.org/wiki/Al-Hakim_I.

Die Schattenkalifen wurden von den neuen Machthabern einzig und allein mit dem Ziel eingesetzt neue und grössere Allianzen schmieden zu können. Denn schon damals war das Kalifat nur noch ein Instrument, Allianzen zwischen den Einflußreichen und Mächtigen der Region, als symbolische Bindung an einem Kalifen zu bilden. Herrschaftliche Macht hatte jedoch der Kalif nicht mehr. Er war nur noch eine Marionette zum Zweck.
Der letzte dieser Schattenkalifen wurde 1517 von türkischen Sultan Selim I. abgesetzt und hies al Mutawakill III.
http://www.eslam.de/begriffe/m/mutawakkil_3.htm
"Sicher scheint zu sein, dass der letzte Abbasiden-Kalif 1517, nachdem Ägypten vom osmanischen Sultan erobert worden war, von Kairo nach Istanbul verbracht wurde, wo sich seine Spur in den Folgejahren (spätestens nach 1543) jedoch ebenso verliert wie die der Abbasiden überhaupt. Der Transfer des Kalifen nach Istanbul könnte als Gefangenschaft, aber auch als anfängliche Absicht der Osmanen gedeutet werden, ihn auf ähnliche Weise als Titular-Kalifen zu benutzen, wie dies die Mamluken bisher in Kairo getan hatten. Allerdings wurde diese Absicht dann offenbar früher oder später fallengelassen"

Im späten 18. Jahrhundert entdeckten die osmanischen Sultane, das Kalifat neu und nutzten es um mehr Einfluß auf die muslimische Gemeinschaften nehmen zu können, die nicht mehr unter ihrer Herrschaft standen.
" Dem Abendland gegenüber trat der osmanische Sultan Abdülhamid I. erstmals 1774 in den Verhandlungen zum Friede von Küçük Kaynarca als Kalif auf - mit dem Anspruch, als Oberhaupt der gesamten sunnitischen Welt respektiert zu werden, und um so zu beeindrucken. Der „Befehlshaber der Gläubigen“ musste jedoch einen Frieden unterzeichnen, der ihn zunächst faktisch zum Vasallen der russischen Zarin machte. Immerhin aber wurde ihm formal das Recht zugestanden, auch Beschützer der Muslime in Russland und der Muslime auf der Krim zu sein."

"Erst 1876 wurde der Anspruch auf das allislamische Kalifat in der neu eingeführten, 1878 faktisch suspendierten und 1908 wieder in volle Gültigkeit gesetzten, Verfassung des Osmanischen Reiches offiziell festgeschrieben. Die Sultane Abdülhamid II. (1876–1909) und Mehmed V. (1909–1918) versuchten diesen Anspruch dann auch im politischen Alltag geltend zu machen: Der erste wollte den Kalifentitel als islamischen Integrationsfaktor für das vom Zerfall bedrohte Reich nutzen, der zweite als propagandistisches Motiv zur Entfachung eines pro-osmanischen islamischen Aufstands in den Kolonialreichen der Kriegsgegner im Ersten Weltkrieg. Beides hatte eher geringen Erfolg."
http://de.wikipedia.org/wiki/Osmanisches_Kalifat

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