von ehemaliger Autor K. » 31.08.2014, 14:13
In diesem Forum wurde häufiger auf den Philosophen Herbert Marcuse (1898-1979) Bezug genommen, der zu einem der exponiertesten Vertreter der sogenannten „Frankfurt Schule“ gehörte. Sie wird so benannt nach einem „Institut für Sozialforschung“ in Frankfurt in den zwanziger Jahren, in dem Wissenschaftler aus verschiedensten Richtungen zusammen arbeiteten. Einige von ihnen versuchten die Theorien von Marx, Sigmund Freud, Martin Heidegger und noch anderen zu vereinheitlichen. Die meisten von ihnen emigrierten nach 1933 in die USA, so auch Marcuse.
Ich befürchte aber, dass wohl niemand in diesem Forum Marcuses Werk je gelesen hat, sie sind auch nicht gerade einfach geschrieben. Um dem abzuhelfen, wollte ich kurz auf sie eingehen, betrachte aber nur Marcuses Beitrag über die Sprache. Dies bietet sich an im Zusammenhang mit der polical correctness.
(seine Werke befinden sich in meinem Ferienhaus, das ich derzeit vermietet habe. Ich werde aus dem Kopf referieren und beziehe mich vor allem auf sein Hauptwerk „Der eindimensionale Mensch“ (1964).
Marcuse geht es vor allem um die Frage: Warum hat es in den hochindustrialisierten Ländern entgegen den Aussagen von Marx keine Revolutionen gegeben und warum wird sie wahrscheinlich auch nicht stattfinden? Dazu untersucht er zahlreiche Aspekte unserer heutigen Gesellschaft, unter anderem auch die Sprache.
Die gegenwärtige Sprache sei eine Herrschaftssprache und Marcuse vergleicht sie mit Orwells Neusprech aus dem Roman 1984. Neusprech ist eine herrschaftskonforme Sprache gewesen, die Widersprüche „verschleiert“ (Marcuses Lieblingswort), statt sie aufzudecken.
Marcuse bringt folgendes Beispiel: Früher sagte man: Bourgeoisie und Proletariat. Damit wurde sofort klar: dies sind zwei verschiedene Gruppen mit konträren Interessen. Heute heißt es: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Damit wird der eigentliche Gegensatz aber nicht mehr deutlich. Diese neuen Begriffe suggerieren stattdessen eine harmonische Gemeinschaft, die keinen richtigen Interessenkonflikt mehr kennt. Statt Auseinandersetzung herrscht jetzt Harmonie, aus Konfrontation wird Kooperation, statt Klassenkampf gibt es jetzt „Sozialpartnerschaft“ (wieder ein Neusprech-Wort). Die neue Herrschaftssprache verschleiert also den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, vorgetäuscht wird durch diese neuen Begriffe eine Gemeinschaft zweier gleichberechtigter Partner, was in Wirklichkeit Ungleichheit ist und ein Herrschaftsverhältnis darstellt.
Marcuse bringt noch weitere Beispiele. „Befriedete Zonen“ war ein Begriff aus dem damaligen Vietnamkrieg. „In befriedeten Zonen“ wurde alles zerbombt und liquidiert. In Wirklichkeit sind es also Kriegsgebiete. In Orwells Buch gibt es das sogenannte „Wahrheitsministerium“, welches in Wirklichkeit ständig Lügen verbreitet. Die „befriedeten Zonen“ sind so eine Lüge, das Wort bedeutet in Wirklichkeit nämlich Krieg, ist also das genaue Gegenteil von dem, was es scheinbar bedeutet.(bei Orwell heißt es ja bezeichnenderweise auch „Krieg ist Frieden“).
Die neue Orwellsche Syntax würde sich laut Marcuse immer weiter ausdehnen. Die Herrschaftssprache verschleiert alle Widersprüche, statt sie aufzudecken. Dies führt dazu, das die Menschen, ähnlich wie bei Orwell, gar nicht mehr die Realität erkennen können, weil ihnen die Vokabeln dafür fehlen und die Wörter, die sie kennen, die Wirklichkeit nicht richtig widerspiegeln, sondern in geschönter oder falscher Form wiedergeben.
Heutige Beispiele: Arbeiter werden nicht entlassen, sondern freigesetzt (Freiheit ist positiv, also schön), Bombenzerstörungen sind nur noch Kollateralschaden, als ob es sich um einen banalen Versicherungsfall handeln würde usw. Gerade Political correchtness trägt auch weiter zur Verschleierung bei. Mit dem Wort „Gastarbeiter“ verband man noch die Vorstellung, dass dies wohl für den Betreffenden nicht unbedingt eine vorteilhafte Situation ist. Bei einem „Menschen mit Migrationshintergrund“ wird dies nicht immer sofort klar. Dies erinnert mich an den Professor Pangloss aus dem Roman von Voltaire „Candide“. Der hatte ja die Fähigkeit, alle unangenehmen Dinge mit schönen Worten zu umschreiben. Politcal correctness redet auch viele Dinge schön.
Nun, wie dem auch so. Marcuse forderte daher, neue Wörter zu schaffen, die Widersprüche aufdecken, statt sie zu verschleiern. Da aber viele Menschen dazu intellektuell nicht in der Lage wären, sei es nun Aufgabe der Intelligenz, dies zu tun.
Diese Aufforderung stieß damals bei vielen Studenten auf eine positive Resonanz. Sie waren offensichtlich dazu berufen, hinter all den „Verschleierungen“ die wahren Herrschaftsverhältnisse zu erkennen, um diese nun der restlichen Bevölkerung mitzuteilen. Das revolutionäre Subjekt war nun nicht mehr das Proletariat, sondern die Intelligenz.
Das erinnert mich an Platos Höhlengleichnis. Die Gefangenen in seiner Höhle sahen ja auch nicht die Realität, sondern nur deren Schatten, die sie mit der Wirklichkeit verwechselten. Erst als einigen von ihnen die Flucht gelang und diese die wahre Welt zum ersten Mal erblickten, konnten sie bei ihrer Rückkehr den anderen Gefangenen berichten, das das, was sie bisher gesehen haben, ein falsches Abbild der Wirklichkeit gewesen ist.
Tja, wenn das dann nun so ist…..
I[i]n diesem Forum wurde häufiger auf den Philosophen Herbert Marcuse (1898-1979) Bezug genommen, der zu einem der exponiertesten Vertreter der sogenannten „Frankfurt Schule“ gehörte. Sie wird so benannt nach einem „Institut für Sozialforschung“ in Frankfurt in den zwanziger Jahren, in dem Wissenschaftler aus verschiedensten Richtungen zusammen arbeiteten. Einige von ihnen versuchten die Theorien von Marx, Sigmund Freud, Martin Heidegger und noch anderen zu vereinheitlichen. Die meisten von ihnen emigrierten nach 1933 in die USA, so auch Marcuse.
Ich befürchte aber, dass wohl niemand in diesem Forum Marcuses Werk je gelesen hat, sie sind auch nicht gerade einfach geschrieben. Um dem abzuhelfen, wollte ich kurz auf sie eingehen, betrachte aber nur Marcuses Beitrag über die Sprache. Dies bietet sich an im Zusammenhang mit der polical correctness.
(seine Werke befinden sich in meinem Ferienhaus, das ich derzeit vermietet habe. Ich werde aus dem Kopf referieren und beziehe mich vor allem auf sein Hauptwerk „Der eindimensionale Mensch“ (1964).
Marcuse geht es vor allem um die Frage: Warum hat es in den hochindustrialisierten Ländern entgegen den Aussagen von Marx keine Revolutionen gegeben und warum wird sie wahrscheinlich auch nicht stattfinden? Dazu untersucht er zahlreiche Aspekte unserer heutigen Gesellschaft, unter anderem auch die Sprache.
Die gegenwärtige Sprache sei eine Herrschaftssprache und Marcuse vergleicht sie mit Orwells Neusprech aus dem Roman 1984. Neusprech ist eine herrschaftskonforme Sprache gewesen, die Widersprüche „verschleiert“ (Marcuses Lieblingswort), statt sie aufzudecken.
Marcuse bringt folgendes Beispiel: Früher sagte man: Bourgeoisie und Proletariat. Damit wurde sofort klar: dies sind zwei verschiedene Gruppen mit konträren Interessen. Heute heißt es: Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Damit wird der eigentliche Gegensatz aber nicht mehr deutlich. Diese neuen Begriffe suggerieren stattdessen eine harmonische Gemeinschaft, die keinen richtigen Interessenkonflikt mehr kennt. Statt Auseinandersetzung herrscht jetzt Harmonie, aus Konfrontation wird Kooperation, statt Klassenkampf gibt es jetzt „Sozialpartnerschaft“ (wieder ein Neusprech-Wort). Die neue Herrschaftssprache verschleiert also den Konflikt zwischen Arbeit und Kapital, vorgetäuscht wird durch diese neuen Begriffe eine Gemeinschaft zweier gleichberechtigter Partner, was in Wirklichkeit Ungleichheit ist und ein Herrschaftsverhältnis darstellt.
Marcuse bringt noch weitere Beispiele. „Befriedete Zonen“ war ein Begriff aus dem damaligen Vietnamkrieg. „In befriedeten Zonen“ wurde alles zerbombt und liquidiert. In Wirklichkeit sind es also Kriegsgebiete. In Orwells Buch gibt es das sogenannte „Wahrheitsministerium“, welches in Wirklichkeit ständig Lügen verbreitet. Die „befriedeten Zonen“ sind so eine Lüge, das Wort bedeutet in Wirklichkeit nämlich Krieg, ist also das genaue Gegenteil von dem, was es scheinbar bedeutet.(bei Orwell heißt es ja bezeichnenderweise auch „Krieg ist Frieden“).
Die neue Orwellsche Syntax würde sich laut Marcuse immer weiter ausdehnen. Die Herrschaftssprache verschleiert alle Widersprüche, statt sie aufzudecken. Dies führt dazu, das die Menschen, ähnlich wie bei Orwell, gar nicht mehr die Realität erkennen können, weil ihnen die Vokabeln dafür fehlen und die Wörter, die sie kennen, die Wirklichkeit nicht richtig widerspiegeln, sondern in geschönter oder falscher Form wiedergeben.
Heutige Beispiele: Arbeiter werden nicht entlassen, sondern freigesetzt (Freiheit ist positiv, also schön), Bombenzerstörungen sind nur noch Kollateralschaden, als ob es sich um einen banalen Versicherungsfall handeln würde usw. Gerade Political correchtness trägt auch weiter zur Verschleierung bei. Mit dem Wort „Gastarbeiter“ verband man noch die Vorstellung, dass dies wohl für den Betreffenden nicht unbedingt eine vorteilhafte Situation ist. Bei einem „Menschen mit Migrationshintergrund“ wird dies nicht immer sofort klar. Dies erinnert mich an den Professor Pangloss aus dem Roman von Voltaire „Candide“. Der hatte ja die Fähigkeit, alle unangenehmen Dinge mit schönen Worten zu umschreiben. Politcal correctness redet auch viele Dinge schön.
Nun, wie dem auch so. Marcuse forderte daher, neue Wörter zu schaffen, die Widersprüche aufdecken, statt sie zu verschleiern. Da aber viele Menschen dazu intellektuell nicht in der Lage wären, sei es nun Aufgabe der Intelligenz, dies zu tun.
Diese Aufforderung stieß damals bei vielen Studenten auf eine positive Resonanz. Sie waren offensichtlich dazu berufen, hinter all den „Verschleierungen“ die wahren Herrschaftsverhältnisse zu erkennen, um diese nun der restlichen Bevölkerung mitzuteilen. Das revolutionäre Subjekt war nun nicht mehr das Proletariat, sondern die Intelligenz.
Das erinnert mich an Platos Höhlengleichnis. Die Gefangenen in seiner Höhle sahen ja auch nicht die Realität, sondern nur deren Schatten, die sie mit der Wirklichkeit verwechselten. Erst als einigen von ihnen die Flucht gelang und diese die wahre Welt zum ersten Mal erblickten, konnten sie bei ihrer Rückkehr den anderen Gefangenen berichten, das das, was sie bisher gesehen haben, ein falsches Abbild der Wirklichkeit gewesen ist.
Tja, wenn das dann nun so ist…..
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