von ehemaliger Autor K. » 03.08.2014, 12:52
Stalin als Theoretiker
Ich habe eine ganze Reihe von Stalins Aufsätzen und Reden gelesen. Sie sind immer gleich. Er entwickelt ein axiomatisches System von Aussagen, die nicht weiter abgeleitet, aber als Dogmen anerkannt werden müssen. Lässt man sich darauf ein, ist seine Logik oft zwingend. In seinem Aufsatz über die „Grundlagen des Leninismus“ definiert er diesen wie folgt:
Was ist also schließlich der Leninismus?
Der Leninismus ist der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution. Genauer: Der Leninismus ist die Theorie und Taktik der proletarischen Revolution im Allgemeinen, die Theorie und Taktik der Diktatur des Proletariats im Besonderen. Marx und Engels wirkten in der vorrevolutionären Periode (wir meinen vor der proletarischen Revolution), als es noch keinen entwickelten Imperialismus gab, in der Periode der Vorbereitung der Proletarier zur Revolution, in jener Periode, als die proletarische Revolution praktisch noch keine unmittelbare Notwendigkeit war. Lenin dagegen, der Schüler von Marx und Engels, wirkte in der Periode des entwickelten Imperialismus, in der Periode der sich entfaltenden proletarischen Revolution, als die proletarische Revolution bereits in einem Lande gesiegt, die bürgerliche Demokratie zerschlagen und die Ära der proletarischen Demokratie, die Ära der Sowjets, eröffnet hatte.
Deshalb ist der Leninismus die Weiterentwicklung des Marxismus.
(Stalin, Grundlagen des Leninismus, Berlin 1952, S. 16 f.)
Dieses Axiom wird weder weiter erklärt noch diskutiert. Es gilt als wahr. Daraus leitet er dann drei Widersprüche ab:
Lenin bezeichnete den Imperialismus als „sterbenden Kapitalismus“. Weshalb? Weil der Imperialismus die Widersprüche des Kapitalismus bis zum höchsten Grad, bis zu den äußersten Grenzen steigert, jenseits deren die Revolution beginnt. Von diesen Widersprüchen sind drei Widersprüche als die wichtigsten zu betrachten:
Der erste Widerspruch ist der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital. Der Imperialismus ist die Allmacht der monopolistischen Truste und Syndikate, der Banken und der Finanzoligarchie in den Industrieländern.
Der zweite Widerspruch ist der Widerspruch zwischen den verschiedenen Finanzgruppen und imperialistischen Mächten in ihrem Kampf um Rohstoffquellen, um fremde Territorien.
Der dritte Widerspruch ist der Widerspruch zwischen der Handvoll herrschender „zivilisierter“ Nationen und den Hunderten von Millionen der kolonialen und abhängigen Völker der Welt.
(Stalin, Grundlagen des Leninismus, Berlin 1952, S. 17 ff.)
Daraus leitet er später ab, warum die Revolution in Russland stattfinden musste. Er begründet anschließend, weshalb nur Lenins Theorie der proletarischen Revolution zum Erfolg führt.
Also, seine Aufsätze sind immer ähnlich aufgebaut. Zunächst ein Axiom, daraus folgt dann eine Reihe von abgeleiteten Lehrsätzen, erstens, zweitens, drittens usw. Wenn man sich darauf einlässt, scheinen seine Aussagen logisch zu sein. Das hinterließ bei den Zuhörern wohl einen großen Eindruck. Er sprach langsam und nicht sehr laut, redete immer als letzter, und rezitierte seine Sätze wie Glaubenssätze, die man nur auswendig lernen musste.
Stalin hatte sich schon in frühen Jahren einen eigenen Marxismus zusammen gezimmert. Daraus kam er nicht wieder heraus. Stimmte die Realität nicht mit seinen Aussagen überein, war dies automatisch „Sabotage“. Daraus resultierte unter anderem seine Unfähigkeit zu Reformen am Ende seiner Ära.
[b]Stalin als Theoretiker[/b]
Ich habe eine ganze Reihe von Stalins Aufsätzen und Reden gelesen. Sie sind immer gleich. Er entwickelt ein axiomatisches System von Aussagen, die nicht weiter abgeleitet, aber als Dogmen anerkannt werden müssen. Lässt man sich darauf ein, ist seine Logik oft zwingend. In seinem Aufsatz über die „Grundlagen des Leninismus“ definiert er diesen wie folgt:
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Was ist also schließlich der Leninismus?
Der Leninismus ist der Marxismus der Epoche des Imperialismus und der proletarischen Revolution. [b]Genauer: Der Leninismus ist die Theorie und Taktik der proletarischen Revolution im Allgemeinen, die Theorie und Taktik der Diktatur des Proletariats im Besonderen. [/b]Marx und Engels wirkten in der vorrevolutionären Periode (wir meinen vor der proletarischen Revolution), als es noch keinen entwickelten Imperialismus gab, in der Periode der Vorbereitung der Proletarier zur Revolution, in jener Periode, als die proletarische Revolution praktisch noch keine unmittelbare Notwendigkeit war. Lenin dagegen, der Schüler von Marx und Engels, wirkte in der Periode des entwickelten Imperialismus, in der Periode der sich entfaltenden proletarischen Revolution, als die proletarische Revolution bereits in einem Lande gesiegt, die bürgerliche Demokratie zerschlagen und die Ära der proletarischen Demokratie, die Ära der Sowjets, eröffnet hatte.
Deshalb ist der Leninismus die Weiterentwicklung des Marxismus.[/i]
(Stalin, Grundlagen des Leninismus, Berlin 1952, S. 16 f.)
Dieses Axiom wird weder weiter erklärt noch diskutiert. Es gilt als wahr. Daraus leitet er dann drei Widersprüche ab:
[i]Lenin bezeichnete den Imperialismus als „sterbenden Kapitalismus“. Weshalb? Weil der Imperialismus die Widersprüche des Kapitalismus bis zum höchsten Grad, bis zu den äußersten Grenzen steigert, jenseits deren die Revolution beginnt. Von diesen Widersprüchen sind drei Widersprüche als die wichtigsten zu betrachten:
Der erste Widerspruch ist der Widerspruch zwischen Arbeit und Kapital. Der Imperialismus ist die Allmacht der monopolistischen Truste und Syndikate, der Banken und der Finanzoligarchie in den Industrieländern.
Der zweite Widerspruch ist der Widerspruch zwischen den verschiedenen Finanzgruppen und imperialistischen Mächten in ihrem Kampf um Rohstoffquellen, um fremde Territorien.
Der dritte Widerspruch ist der Widerspruch zwischen der Handvoll herrschender „zivilisierter“ Nationen und den Hunderten von Millionen der kolonialen und abhängigen Völker der Welt.[/i]
(Stalin, Grundlagen des Leninismus, Berlin 1952, S. 17 ff.)
Daraus leitet er später ab, warum die Revolution in Russland stattfinden musste. Er begründet anschließend, weshalb nur Lenins Theorie der proletarischen Revolution zum Erfolg führt.
Also, seine Aufsätze sind immer ähnlich aufgebaut. Zunächst ein Axiom, daraus folgt dann eine Reihe von abgeleiteten Lehrsätzen, erstens, zweitens, drittens usw. Wenn man sich darauf einlässt, scheinen seine Aussagen logisch zu sein. Das hinterließ bei den Zuhörern wohl einen großen Eindruck. Er sprach langsam und nicht sehr laut, redete immer als letzter, und rezitierte seine Sätze wie Glaubenssätze, die man nur auswendig lernen musste.
Stalin hatte sich schon in frühen Jahren einen eigenen Marxismus zusammen gezimmert. Daraus kam er nicht wieder heraus. Stimmte die Realität nicht mit seinen Aussagen überein, war dies automatisch „Sabotage“. Daraus resultierte unter anderem seine Unfähigkeit zu Reformen am Ende seiner Ära.