von Jim Morisson » 03.11.2019, 11:46
Hitler war mitnichten verrückt. Keine seiner Ideen stammt von ihm selbst, er hat alles nur übernommen. In seinem Werk „Mein Kampf“ beschreibt er dies selbst. Bei ihm zu Hause gab es nur ein einziges Buch und zwar über den deutsch-französischen Krieg, welches er immer wieder las. Er liebte den deutsch-nationalen Geschichtsunterricht mit seiner Verherrlichung des Militarismus. Dann kam hinzu die Schulagitation gegen Tschechen und Südslawen, der sich ausbreitende Antisemitismus, Kornblumen und „Heil“-Grüße, die ganze völkische Atmosphäre der Kleinstadt-Mittelklasse in der Habsburger Monarchie. Er wurde glühender Nationalist, so gesteht er es.
Im Weltkrieg erlebte er einen (gescheiterten) Eroberungskrieg, den er bei nächster Gelegenheit fortführen wollte. Rache für die Schmach von Versailles, Lebensraum im Osten, Zerschlagung des Marxismus und Bolschewismus, Kampf gegen die korrupte, plutokratische Demokratie, Herrschaft eines Führers, der die Massen dirigiert, so wie er die Kommandostrukturen im Krieg erlebt hatte usw., all das kam später hinzu und diese Vorstellungen teilten damals sehr viele.
Ich halte nicht viel von den Kommunisten, aber Trotzki hat ihn schon 1933 sehr gut beschrieben.
..Jeder Führer ist immer ein Verhältnis zwischen Menschen, ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage. Die Erörterungen über die Persönlichkeit Hitlers sind um so hitziger, je mehr man das Geheimnis seines Erfolges in ihm selbst sucht. Doch ist es schwer, eine andere politische Gestalt zu finden, die in einem solchen Maße Knoten unpersönlicher geschichtlicher Kräfte wäre. Nicht jeder erbitterte Kleinbürger könnte ein Hitler werden, aber ein Stückchen Hitler steckt in jedem von ihnen.
Zu Beginn seiner politischen Laufbahn zeichnete sich Hitler vielleicht nur durch größeres Temperament, eine lautere Stimme und selbstsichere geistige Beschränktheit aus. Er brachte in die Bewegung keinerlei fertiges Programm mit - wenn man den Rachedurst des gekränkten Soldaten nicht zählt. Hitler begann mit Verwünschungen und Klagen über die Versailler Bedingungen, über das teure Leben, über das Fehlen des Respekts vor dem verdienten Unteroffizier, über das Treiben der Bankiers und Journalisten mosaischen Bekenntnisses. Heruntergekommene, Verarmte, Leute mit Schrammen und frischen blauen Flecken fanden sich genug. Jeder von ihnen wollte mit der Faust auf den Tisch hauen. Hitler verstand das besser als die anderen. Zwar wusste er nicht, wie der Not beizukommen sei. Aber seine Anklagen klangen bald wie Befehl, bald wie Gebet, gerichtet an das ungnädige Schicksal. Alle Reden Hitlers sind auf diesen Ton gestimmt. Sentimentale Formlosigkeiten, Mangel an Disziplin des Denkens, Unwissenheit bei buntscheckiger Belesenheit - all diese Minus verwandelten sich in ein Plus. Sie gaben ihm die Möglichkeit, im Bettelsack »Nationalsozialismus« alle Formen der Unzufriedenheit zu vereinen und die Masse dorthin zu führen, wohin sie ihn stieß. Von den eigenen Improvisationen des Beginns blieb im Gedächtnis des Agitators nur das haften, was Billigung fand. Seine politische Gedanken waren die Frucht der rhetorischen Akustik. So ging die Auswahl der Losungen vonstatten. So verdichtete sich das Programm. So bildete sich aus dem Rohstoff der »Führer«.
Trotzki, Schriften über Deutschland, 1971, S.290 f.
Das Ergebnis war ein Gemisch der oben von mir geschilderten Ideen.
Die Schmach von Versailles zu tilgen und aus Deutschland wieder eine politische und wirtschaftliche Großmacht zu machen, das gefiel den traditionellen Eliten in Wirtschaft und Militär, aber auch großen Teilen der Bevölkerung. Mitte 1932 erhielt er ein Drittel aller Wählerstimmen, im Saarland stimmten 1935 90% der Bewohner für den Anschluss an Hitler-Deutschland, in der vom Völkerbund verwalteten Stadt Danzig wählten 59,1% der Wähler im gleichen Jahr
einen Nazi als Bürgermeister, Zumindest die Bürger im Saarland und in Danzig wussten doch, worauf sie sich hier einließen, denn dort waren die Wahlen frei.
Was nach 1933 folgte, war keineswegs verrückt, sondern logisch. Die Zerschlagung jeder Opposition, die massive Aufrüstung, finanziert durch eine gewaltige Verschuldung. Die gewaltsame Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel des Volkes im Interesse für den neuen Krieg, duldete keinerlei Widerstand von innen und führte zur weiteren mechanischen Zusammenballung der Macht.
Vielleicht hatte Hitler gelegentlich Anwandlungen von Größenwahn. Das ist bei Personen mit großer Macht und anfänglich großem Erfolg öfters zu beobachten. Das ist aber noch nicht krankhaft.
Er schätzte öfters die Lage falsch ein, was kaum zu vermeiden ist, wenn man einen Hofstaat aus Ja-Sagern und Speichelleckern hat. Dann wird man leicht Opfer seiner eigenen Propaganda. Kluge Diktatoren bauen dem vor. Der Kalif Harun ar Raschid soll nachts als Bettler verkleidet durch Bagdad gestreift sein, um zu erfahren, was die Menschen wirklich von ihm hielten.
Wurden Befehle nicht richtig ausgeführt oder funktionierte etwas nicht richtig, bekam er Tobsuchtsanfälle. Das kenne ich aber auch von meinen früheren Chefs, das ist typisch für Choleriker, aber nicht verrückt.
Vielleicht gab es später auch eine gewisse Paranoia bei ihm. Nun gibt es allerdings in der Politik ständig Intrigen und Komplotts. Einen Diktator wird man in der Regel nur los, indem man ihn umbringt. Es gibt deshalb tatsächlich viele Verschwörungen. Hitler wurde öfters das Ziel von Attentaten und es gab den Putsch vom Juli 1944. Man muss sich daher fragen: Was ist Paranoia und was ist berechtigtes Misstrauen?
Ich denke also nicht, das Hitler wirklich verrückt war, große Teile der Elite und des deutschen Volkes dachten wie er. Die müsste man dann auch für verrückt erklären.
Allenfalls in seinem extremen Rassismus könnte man Ansätze einer mentalen Störung vermuten, obwohl der damals in Europa ganz normal war und pseudowissenschaftlich begründet wurde. Die Vernichtung ganzer Völker ist im Kolonialismus auch oft geschehen. (z.B. bei den Indianern). Neu ist allerdings die Systematik im Dritten Reich.
Fazit: Mir gefällt vor allem die Aussage von Trotzki, das der Führer immer ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage ist. Das ist wie auf dem Markt. Ohne Nachfrage kein Führer. Was daraus folgt, muss jeder selber entscheiden.
Hitler war mitnichten verrückt. Keine seiner Ideen stammt von ihm selbst, er hat alles nur übernommen. In seinem Werk „Mein Kampf“ beschreibt er dies selbst. Bei ihm zu Hause gab es nur ein einziges Buch und zwar über den deutsch-französischen Krieg, welches er immer wieder las. Er liebte den deutsch-nationalen Geschichtsunterricht mit seiner Verherrlichung des Militarismus. Dann kam hinzu die Schulagitation gegen Tschechen und Südslawen, der sich ausbreitende Antisemitismus, Kornblumen und „Heil“-Grüße, die ganze völkische Atmosphäre der Kleinstadt-Mittelklasse in der Habsburger Monarchie. Er wurde glühender Nationalist, so gesteht er es.
Im Weltkrieg erlebte er einen (gescheiterten) Eroberungskrieg, den er bei nächster Gelegenheit fortführen wollte. Rache für die Schmach von Versailles, Lebensraum im Osten, Zerschlagung des Marxismus und Bolschewismus, Kampf gegen die korrupte, plutokratische Demokratie, Herrschaft eines Führers, der die Massen dirigiert, so wie er die Kommandostrukturen im Krieg erlebt hatte usw., all das kam später hinzu und diese Vorstellungen teilten damals sehr viele.
Ich halte nicht viel von den Kommunisten, aber Trotzki hat ihn schon 1933 sehr gut beschrieben.
..Jeder Führer ist immer ein Verhältnis zwischen Menschen, ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage. Die Erörterungen über die Persönlichkeit Hitlers sind um so hitziger, je mehr man das Geheimnis seines Erfolges in ihm selbst sucht. Doch ist es schwer, eine andere politische Gestalt zu finden, die in einem solchen Maße Knoten unpersönlicher geschichtlicher Kräfte wäre. Nicht jeder erbitterte Kleinbürger könnte ein Hitler werden, aber ein Stückchen Hitler steckt in jedem von ihnen.
Zu Beginn seiner politischen Laufbahn zeichnete sich Hitler vielleicht nur durch größeres Temperament, eine lautere Stimme und selbstsichere geistige Beschränktheit aus. Er brachte in die Bewegung keinerlei fertiges Programm mit - wenn man den Rachedurst des gekränkten Soldaten nicht zählt. Hitler begann mit Verwünschungen und Klagen über die Versailler Bedingungen, über das teure Leben, über das Fehlen des Respekts vor dem verdienten Unteroffizier, über das Treiben der Bankiers und Journalisten mosaischen Bekenntnisses. Heruntergekommene, Verarmte, Leute mit Schrammen und frischen blauen Flecken fanden sich genug. Jeder von ihnen wollte mit der Faust auf den Tisch hauen. Hitler verstand das besser als die anderen. Zwar wusste er nicht, wie der Not beizukommen sei. Aber seine Anklagen klangen bald wie Befehl, bald wie Gebet, gerichtet an das ungnädige Schicksal. Alle Reden Hitlers sind auf diesen Ton gestimmt. Sentimentale Formlosigkeiten, Mangel an Disziplin des Denkens, Unwissenheit bei buntscheckiger Belesenheit - all diese Minus verwandelten sich in ein Plus. Sie gaben ihm die Möglichkeit, im Bettelsack »Nationalsozialismus« alle Formen der Unzufriedenheit zu vereinen und die Masse dorthin zu führen, wohin sie ihn stieß. Von den eigenen Improvisationen des Beginns blieb im Gedächtnis des Agitators nur das haften, was Billigung fand. Seine politische Gedanken waren die Frucht der rhetorischen Akustik. So ging die Auswahl der Losungen vonstatten. So verdichtete sich das Programm. So bildete sich aus dem Rohstoff der »Führer«.
Trotzki, Schriften über Deutschland, 1971, S.290 f.
Das Ergebnis war ein Gemisch der oben von mir geschilderten Ideen.
Die Schmach von Versailles zu tilgen und aus Deutschland wieder eine politische und wirtschaftliche Großmacht zu machen, das gefiel den traditionellen Eliten in Wirtschaft und Militär, aber auch großen Teilen der Bevölkerung. Mitte 1932 erhielt er ein Drittel aller Wählerstimmen, im Saarland stimmten 1935 90% der Bewohner für den Anschluss an Hitler-Deutschland, in der vom Völkerbund verwalteten Stadt Danzig wählten 59,1% der Wähler im gleichen Jahr
einen Nazi als Bürgermeister, Zumindest die Bürger im Saarland und in Danzig wussten doch, worauf sie sich hier einließen, denn dort waren die Wahlen frei.
Was nach 1933 folgte, war keineswegs verrückt, sondern logisch. Die Zerschlagung jeder Opposition, die massive Aufrüstung, finanziert durch eine gewaltige Verschuldung. Die gewaltsame Zusammenfassung aller Kräfte und Mittel des Volkes im Interesse für den neuen Krieg, duldete keinerlei Widerstand von innen und führte zur weiteren mechanischen Zusammenballung der Macht.
Vielleicht hatte Hitler gelegentlich Anwandlungen von Größenwahn. Das ist bei Personen mit großer Macht und anfänglich großem Erfolg öfters zu beobachten. Das ist aber noch nicht krankhaft.
Er schätzte öfters die Lage falsch ein, was kaum zu vermeiden ist, wenn man einen Hofstaat aus Ja-Sagern und Speichelleckern hat. Dann wird man leicht Opfer seiner eigenen Propaganda. Kluge Diktatoren bauen dem vor. Der Kalif Harun ar Raschid soll nachts als Bettler verkleidet durch Bagdad gestreift sein, um zu erfahren, was die Menschen wirklich von ihm hielten.
Wurden Befehle nicht richtig ausgeführt oder funktionierte etwas nicht richtig, bekam er Tobsuchtsanfälle. Das kenne ich aber auch von meinen früheren Chefs, das ist typisch für Choleriker, aber nicht verrückt.
Vielleicht gab es später auch eine gewisse Paranoia bei ihm. Nun gibt es allerdings in der Politik ständig Intrigen und Komplotts. Einen Diktator wird man in der Regel nur los, indem man ihn umbringt. Es gibt deshalb tatsächlich viele Verschwörungen. Hitler wurde öfters das Ziel von Attentaten und es gab den Putsch vom Juli 1944. Man muss sich daher fragen: Was ist Paranoia und was ist berechtigtes Misstrauen?
Ich denke also nicht, das Hitler wirklich verrückt war, große Teile der Elite und des deutschen Volkes dachten wie er. Die müsste man dann auch für verrückt erklären.
Allenfalls in seinem extremen Rassismus könnte man Ansätze einer mentalen Störung vermuten, obwohl der damals in Europa ganz normal war und pseudowissenschaftlich begründet wurde. Die Vernichtung ganzer Völker ist im Kolonialismus auch oft geschehen. (z.B. bei den Indianern). Neu ist allerdings die Systematik im Dritten Reich.
Fazit: Mir gefällt vor allem die Aussage von Trotzki, das der Führer immer ein individuelles Angebot auf eine kollektive Nachfrage ist. Das ist wie auf dem Markt. Ohne Nachfrage kein Führer. Was daraus folgt, muss jeder selber entscheiden.