Wobei man über Religionen auch mit "abstraktem" Wissen nicht unbedingt nur über Halbwissen verfügen muß und zwar, ohne selbst daran glauben zu müssen. Ich denke, ein guter LER-Unterricht (mit ausreichend Stunden natürlich) muß das leisen können.
Den Aufbau von LER kannst Du Dir ja selber anschauen. Ich habs mir durchgelesen. Das vermittelte abstrakte Wissen bleibt notwendig oberflächlich und damit Halbwissen. Der ganze Aufbau des Faches lässt nur Abrisse der Positionen einzelner Glaubensgemeinschaften zu. Und dies auch nur bei einigen Themen.
Ich habe lange genug Religion und Philosophie als Unterricht gehabt. Das Eine kann das Andere nicht abdecken, eine Mischung beider Teile mit einem erheblichen Zusatz wird letztlich nichts leisten können.
Kennen ja, aber nicht unbedingt auswendig lernen. Was ein Bürger heute wirklich auswendig kennen sollte sind die Grundrechte im Grundgesetz.
Beides sollte bekannt sein. Wie bereits gesagt, musste ich in all den Jahren Religionsunterricht weder das Vaterunser noch die 10 Gebote auswendig lernen.
Übrigens hängt auch unser Grundgesetz, insbesondere die Art. 1-20 GG nicht unerheblich mit unserem christlichen Erbe zusammen.
Nun ja - wenn ich nicht religiös bin, dann werde ich sicher nie verstehen, warum andere Menschen glauben und was die Religion für diese Menschen bedeutet. Aber muß ich das unbedingt?
Ich bin auch nicht religiös, aber ich kann sehr wohl nachvollziehen, warum die Gläubigen glauben. Toleranz ist ohne Verständnis m.E. nicht denkbar. Dies läuft nur auf Gleichgültigkeit hinaus, wie wir sie im Zusammenhang mit der Debatte über Parallelgesellschaften bereits besprochen haben.
Die vermittelten Werte bei LER, wie übrigens aber auch beim Religionsunterricht, werden natürich im Rahmenplan des jeweiligen Landes festgelegt.
Richtig, aber ich dann die
Wahl zwischen verschiedenen Angeboten, die sich innerhalb des Rahmens im Ergebnis unterscheiden, statt eine einseitige Ausrichtung. Die nagt an den Grundfesten unserer pluralistischen Gesellschaft.
In der christlichen Religion kommen tatsächlich auch Begriffe wie Vergebung vor. Unser Rechtssystem kennt mit Einrichtungen wie der Verjährung, Begnadigung und Amnestie zwar auch etwas ähnliches, aber es sind mit Ausnahme der Verjährung immer Ausnahmen von der Regel. Im großen und Ganzen ist unserem Rechtssystem der Begriff der Vergebung fremd. Das sieht man schon daran, daß man NS-Kriegsverbrecher selbst dann noch zur Verantwortung zu ziehen versucht, wenn sie bereits 90 Jahre alt und bettlägerich sind.
Deine conclusio ist falsch. Erstens ist der Betroffene im wohl gemeinten aktuellen Fall nicht bettlägrig, wie ich erst vorgestern in der Zeitung las.
Aber davon unabhängig stellt die deutsche Rechtsordnung zwar mit der Unverjährbarkeit von Mord nicht unbedingt die Regel dar (es gibt Rechtsordnungen, in denen Mord verjährt!!!), aber das Strafmaß ist begrenzt und nach verbüßter Strafe erfolgt grundsätzlich die Resozialisation. Ausgenommen sind nur Täter, die auch weiterhin gefährlich erscheinen (z.B. pädophile Triebtäter). Unser Rechtssystem kennt darüber hinaus Vergebung in der Form des Rücktritts und diverser Strafmilderungen (auch bei erfolgloser tätiger
Reue (man beachte den Begriff!!!)). Gerade die Abschaffung der Todesstrafe zusammen mit der zugesicherten Resozialisierung trägt dem Gedanken der Vergebung des begangenen Unrechts Geltung und richtet sich ganz klar gegen die Rachefunktion, die Recht auch haben kann. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", also das Talionsprinzip, im islamischen Recht übrigens heute noch praktiziert, wie der Fall beweist, in dem eine Frau das Recht erstritt, ihrem Schädiger ihrerseits die Augen zu verätzen, folgert sich ganz und gar aus dem Verständnis der Vergeltung als Strafzweck. Demnach müsste ein Mörder getötet werden.
Auch gibt es zahlreiche Handlungen, die der Staat gar nicht erst strafrechtlich verfolgt, weil er sie nicht für strafwürdig erachtet. Hier bleibt die Verfolgung dem Einzelnen überlassen.
Letztlich muss man darüber hinaus allerdings akzeptieren, dass eine Demokratie und ein Rechtsstaat auch wehrhaft sein müssen und die Rechtsordnung behauptet werden muss. Andernfalls herrscht die Willkür des Stärkeren. Die persönliche Vergebung ist wie Liebe und Mitgefühl etwas, das eine Rechtsordnung nicht ersetzen kann. Sie gründen in dem Individuum als solchem. Sie können nicht verallgemeinert und kollektiviert werden. Sie können nur Ideale für die Ausformung der staatlichen Rechtsordnung bilden.
Auch hier bietet der Blick in die Geschichte ein sehr schönes Beispiel:
Papst Johannes Paul II. wurde bekanntlich Opfer eines Attentates.
Der Staat musste auf diese Herausforderung reagieren und verurteilte den Täter. Papst Johannes Paul II. besuchte nach seiner Genesung den Attentäter und vergab ihm.
Dass es, insbesondere in den USA, zahlreiche Christen gibt, die dem Gedanken der Vergebung wenig Beachtung schenken, steht einem Zusammenhang zwischen der Idee der Vergebung und bestimmter Entwicklungen in der Rechtsordnung nicht entgegen.
Übrigens kommen Begriffe wie Vergebung nicht nur vor, sondern sie sind theologisch betrachtet Ausformungen des überragenden Gebots der Nächstenliebe. "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" und "Halte auch die andere Wange hin" oder aus dem Vaterunser "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern (Anm.: NICHT Geldschuldner!!!
)" sind für das Verständnis des Christentum zentrale Elemente. Man kann an solchen Begriffen aber auch sehr gut die Entwicklung der Religion in der Zeit nachbilden. Hier zeigen sich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Schwerpunkte und abweichende Ausformungen, die umgekehrt betrachtet Verständnis für divergierende moderne Standpunkte vermitteln. Diese haben oft ihre eigene geisteswissenschaftliche Geschichte.
Was ich leider nicht sicher weiß, aber als Aussage von ehemaligen Muslimen las: dieser Gedanke des Vergebens (bis hin zu den biblischen Wangen) ist etwas, dass so im Islam nicht vorkommt. Wenn dem so ist, dürfte darin höchstwahrscheinlich ein Grund für die Entwicklung des islamischen Rechts liegen. Es würde auch verständlicher machen, warum etwa einem afghanischen, aber in Deutschland geschulten Juristen entgegnet wurde, scheinbar zu milde Urteile seien unislamisch, Verteidiger überflüssig, usw.
[quote]Wobei man über Religionen auch mit "abstraktem" Wissen nicht unbedingt nur über Halbwissen verfügen muß und zwar, ohne selbst daran glauben zu müssen. Ich denke, ein guter LER-Unterricht (mit ausreichend Stunden natürlich) muß das leisen können.[/quote]
Den Aufbau von LER kannst Du Dir ja selber anschauen. Ich habs mir durchgelesen. Das vermittelte abstrakte Wissen bleibt notwendig oberflächlich und damit Halbwissen. Der ganze Aufbau des Faches lässt nur Abrisse der Positionen einzelner Glaubensgemeinschaften zu. Und dies auch nur bei einigen Themen.
Ich habe lange genug Religion und Philosophie als Unterricht gehabt. Das Eine kann das Andere nicht abdecken, eine Mischung beider Teile mit einem erheblichen Zusatz wird letztlich nichts leisten können.
[quote]Kennen ja, aber nicht unbedingt auswendig lernen. Was ein Bürger heute wirklich auswendig kennen sollte sind die Grundrechte im Grundgesetz.[/quote]
Beides sollte bekannt sein. Wie bereits gesagt, musste ich in all den Jahren Religionsunterricht weder das Vaterunser noch die 10 Gebote auswendig lernen.
Übrigens hängt auch unser Grundgesetz, insbesondere die Art. 1-20 GG nicht unerheblich mit unserem christlichen Erbe zusammen. ;)
[quote]Nun ja - wenn ich nicht religiös bin, dann werde ich sicher nie verstehen, warum andere Menschen glauben und was die Religion für diese Menschen bedeutet. Aber muß ich das unbedingt?[/quote]
Ich bin auch nicht religiös, aber ich kann sehr wohl nachvollziehen, warum die Gläubigen glauben. Toleranz ist ohne Verständnis m.E. nicht denkbar. Dies läuft nur auf Gleichgültigkeit hinaus, wie wir sie im Zusammenhang mit der Debatte über Parallelgesellschaften bereits besprochen haben.
[quote]Die vermittelten Werte bei LER, wie übrigens aber auch beim Religionsunterricht, werden natürich im Rahmenplan des jeweiligen Landes festgelegt.[/quote]
Richtig, aber ich dann die [b]Wahl zwischen verschiedenen Angeboten, die sich innerhalb des Rahmens im Ergebnis unterscheiden[/b], statt eine einseitige Ausrichtung. Die nagt an den Grundfesten unserer pluralistischen Gesellschaft.
[quote]In der christlichen Religion kommen tatsächlich auch Begriffe wie Vergebung vor. Unser Rechtssystem kennt mit Einrichtungen wie der Verjährung, Begnadigung und Amnestie zwar auch etwas ähnliches, aber es sind mit Ausnahme der Verjährung immer Ausnahmen von der Regel. Im großen und Ganzen ist unserem Rechtssystem der Begriff der Vergebung fremd. Das sieht man schon daran, daß man NS-Kriegsverbrecher selbst dann noch zur Verantwortung zu ziehen versucht, wenn sie bereits 90 Jahre alt und bettlägerich sind.[/quote]
Deine conclusio ist falsch. Erstens ist der Betroffene im wohl gemeinten aktuellen Fall nicht bettlägrig, wie ich erst vorgestern in der Zeitung las.
Aber davon unabhängig stellt die deutsche Rechtsordnung zwar mit der Unverjährbarkeit von Mord nicht unbedingt die Regel dar (es gibt Rechtsordnungen, in denen Mord verjährt!!!), aber das Strafmaß ist begrenzt und nach verbüßter Strafe erfolgt grundsätzlich die Resozialisation. Ausgenommen sind nur Täter, die auch weiterhin gefährlich erscheinen (z.B. pädophile Triebtäter). Unser Rechtssystem kennt darüber hinaus Vergebung in der Form des Rücktritts und diverser Strafmilderungen (auch bei erfolgloser tätiger [b]Reue[/b] (man beachte den Begriff!!!)). Gerade die Abschaffung der Todesstrafe zusammen mit der zugesicherten Resozialisierung trägt dem Gedanken der Vergebung des begangenen Unrechts Geltung und richtet sich ganz klar gegen die Rachefunktion, die Recht auch haben kann. "Auge um Auge, Zahn um Zahn", also das Talionsprinzip, im islamischen Recht übrigens heute noch praktiziert, wie der Fall beweist, in dem eine Frau das Recht erstritt, ihrem Schädiger ihrerseits die Augen zu verätzen, folgert sich ganz und gar aus dem Verständnis der Vergeltung als Strafzweck. Demnach müsste ein Mörder getötet werden.
Auch gibt es zahlreiche Handlungen, die der Staat gar nicht erst strafrechtlich verfolgt, weil er sie nicht für strafwürdig erachtet. Hier bleibt die Verfolgung dem Einzelnen überlassen.
Letztlich muss man darüber hinaus allerdings akzeptieren, dass eine Demokratie und ein Rechtsstaat auch wehrhaft sein müssen und die Rechtsordnung behauptet werden muss. Andernfalls herrscht die Willkür des Stärkeren. Die persönliche Vergebung ist wie Liebe und Mitgefühl etwas, das eine Rechtsordnung nicht ersetzen kann. Sie gründen in dem Individuum als solchem. Sie können nicht verallgemeinert und kollektiviert werden. Sie können nur Ideale für die Ausformung der staatlichen Rechtsordnung bilden.
Auch hier bietet der Blick in die Geschichte ein sehr schönes Beispiel:
Papst Johannes Paul II. wurde bekanntlich Opfer eines Attentates.
Der Staat musste auf diese Herausforderung reagieren und verurteilte den Täter. Papst Johannes Paul II. besuchte nach seiner Genesung den Attentäter und vergab ihm.
Dass es, insbesondere in den USA, zahlreiche Christen gibt, die dem Gedanken der Vergebung wenig Beachtung schenken, steht einem Zusammenhang zwischen der Idee der Vergebung und bestimmter Entwicklungen in der Rechtsordnung nicht entgegen.
Übrigens kommen Begriffe wie Vergebung nicht nur vor, sondern sie sind theologisch betrachtet Ausformungen des überragenden Gebots der Nächstenliebe. "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" und "Halte auch die andere Wange hin" oder aus dem Vaterunser "Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern (Anm.: NICHT Geldschuldner!!! ;) )" sind für das Verständnis des Christentum zentrale Elemente. Man kann an solchen Begriffen aber auch sehr gut die Entwicklung der Religion in der Zeit nachbilden. Hier zeigen sich zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedliche Schwerpunkte und abweichende Ausformungen, die umgekehrt betrachtet Verständnis für divergierende moderne Standpunkte vermitteln. Diese haben oft ihre eigene geisteswissenschaftliche Geschichte.
Was ich leider nicht sicher weiß, aber als Aussage von ehemaligen Muslimen las: dieser Gedanke des Vergebens (bis hin zu den biblischen Wangen) ist etwas, dass so im Islam nicht vorkommt. Wenn dem so ist, dürfte darin höchstwahrscheinlich ein Grund für die Entwicklung des islamischen Rechts liegen. Es würde auch verständlicher machen, warum etwa einem afghanischen, aber in Deutschland geschulten Juristen entgegnet wurde, scheinbar zu milde Urteile seien unislamisch, Verteidiger überflüssig, usw.