Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

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Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Aneri » 12.11.2012, 10:13

Aneri hat geschrieben: Ähnlich geht es Hochkulturen und späteren Staaten. Sie beginnen in (relativ „demokratischen“ aber mit starker Führung) Stadt-Staaten, die gesetzmäßig zum autoritären Reich mutieren. Das autoritäre/totalitäre Stadium scheint gesetzmäßig zu sein, das bei manchen Staaten nur milder verläuft.
Karlheinz hat geschrieben: Die Betrachtung der Geschichte zeigt, dass die meisten Hochkulturen schon am Anfang diktatorische Gebilde waren.
Aneri hat geschrieben: Ich habe nicht umsonst „demokratisch“ in Anführungszeichen gesetzt...
Ich würde nicht starke Führung mit Diktator gleichstellen.
Karlheinz hat geschrieben: Aufgrund der archäologischen Befunde zeigen sich die weitaus meisten Hochkulturen bereits im ganzen frühen Stadium als hierarchische, undemokratische Ordnungssysteme.
Da es waren hierarchische Ordnungssysteme, ist selbstverständlich. Es ist das Wesen der staatlichen Struktur.
Karlheinz hat geschrieben: Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet.
Noch mal zu Feststellung. Ich habe „demokratisch“ in Anführungszeichen gesetzt. Wenn schon, dann bitte nachhacken, was ich unter DEM gemeint habe. Ich kann auch dein erstes Zitat in der Formulierung nicht hinnehmen. Aus rein logischen Gründen, da für das diktatorische Regime müssten schon die staatlichen Strukturen, die die Macht stützen, schon vorhanden sein.
Ich finde die Vorstellung primitiv, wenn Einer kommt und die Macht auf sich reist. Er bzw. sein Vorgänger müsste vorher von einem Rat unterstützt werden. Ihm würde freiwillig die Macht in die Hand gegeben. Irgendjemand hat hier ein Bild von dem Ältestem des Stammes gemalt, dessen Familie immer mehr geehrt würde und auf die Weise könnte ein König entstehen. M. E reicht es nicht – die Stammebene. Es müsste Verbund der Stämme entstehen, die zweite Ebene der Wechselwirkungen/Kommunikation bildet, die die Spezialisierung, Differenzierung und Zentralisierung innerhalb des Stammes unterstützt. Diese Ansicht wird auch von der Gesetzmäßigkeit einer Menge der Stadtstaaten in einer Hochkultur unterstützt.
Ein Verbund wird nicht nur von den gemeinsamen Interessen begleitet (z.B. gegen ein Feind), es gebe auch gegensätzliche Interessen, die Spannungen erzeugen. Es geht um eine Dominanz einen über den anderen. Die Kombination der inneren und äußeren Gegebenheiten unterstützen mal das Gemeinsame, mal Gegensätzliche. Dennoch die Gesetzmäßigkeit der Hochkulturen zeigt sich, dass vor der Entstehung der Stadtstaaten die Beziehungen tendierten zu dem Gemeinsamen (z.B. durch eine Religion), nach der Entstehung gab es Periode fließenden Gleichgewichts (es gab nachweißlich die Handel-Beziehungen die mit Konkurrenz begleitet wurden), der zur Tendenz zum Gegensätzlichen umkippte (--> Reich-Staat).
Wenn ich spiegele es auf die Ebene des Stadt-Staates, denn gab es bei der Zentralisierung eine Etappe der Bildung der zentralen Macht, die aus der Akkumulation der gemeinsamen Interessen hervorgeht, bis die Macht sich s. z. durch die eigene Interesse verselbständigt. Es entsteht ein Stadt-Staat. Dann folgt die Etappe des fließenden Gleichgewichts zwischen den Interessen der Gemeinschaft und der Macht, in dem allmählich die Gegensätzlichkeit der Interessen wächst. In dritter Etappe kippt das Interessenverhältnis. Der König sein Interesse stellt über die Gemeinschaft. Hier kommt das Diktatorische zum Vorschein.
Ich beziehe mich auf die zweite Etappe, wenn ich spreche über relativ „demokratische“ Verhältnisse am Anfang des Stadt-Staates, wenn Interessen der Gemeinschaft und der Macht sich überwiegend überdeckten. Zugegeben unzutreffende Bezeichnung. Dennoch finde ich falsch die zwei Etappen nicht zu unterscheiden. In dritte Etappe wird absichtlich ein Teil der Gemeinschaft geopfert, um das Erhalten des anderen Teils zu gewähren, und dieser zu schutzende Teil sich auf das Zentrum schrumpft.
In zweiter Etappe funktioniert die Macht noch als Durchsetzungskraft der gemeinschaftlichen Interessen (daher nannte ich „demokratisch“), wenn sie auch von einer Person definiert wurden. In dritte – diktatorische - Etappe versteht die Macht die Gemeinschaft als das Medium für das Durchsetzen eigene Interessen und Ideen. Dies meine ich, ist großer Unterschied, der festgehalten muss.

Anderer Aspekt, der meistens in der Analyse der Hochkulturen geht unter, ist die Bedeutung der Religion. Nur wenn eine Weltanschauung entsteht, die ein Verbund der Stämme gemeinsam teilt, kann eine Hochkultur entstehen. Dass dieser Aspekt sehr wichtig ist, zeigt die Tatsache, dass die architektonisch aufwendige religiösen Städten noch vor der Entstehung der Hochkulturen nachzuweisen sind. Sie brachten nicht notwendige Weise zu Entstehung der Hochkulturen, dennoch ist eine notwendige Voraussetzung für die Hochkulturen.
Dies auch müsste für das Wachstum der Wechselwirkungsrate auf der Ebene der Beziehungen zwischen Stämmen sorgen, die wiederum wie o. b. soziale Entwicklungen auf Stammes-Ebene bewirkten. Wenn noch die übrige (soziale, kulturelle und geo-klimatische) Umwelt es unterstützt hatte, dann mündete es in den Hochkulturen.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Aneri » 30.10.2012, 14:59

Ich habe die Diskussion verfolgt . Leider habe ich jetzt Zeitnot und zusätzlich verreise für eine Woche. Daher kann jetzt mich nicht außern.

Also bis später.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Peppone » 30.10.2012, 13:39

Karlheinz hat geschrieben:Vorstellbar ist eine ganz andere Entstehungsmöglichkeit. Falls die Nilbewohner ursprünglich aus der austrocknenden Sahara stammen, bildeten sie dort vermutlich Savannenkönigreiche,
Vorstellbar, all in all auch logisch. Aber wie sind diese Savannenkönigreiche entstanden? Doch wohl auch mit gewissen demokratischen Tendenzen.
Überdies:
Der "Umzug" ins Niltal (der wohl definitiv stattgefunden hat) bedingte eine Vermischung verschiedenster Bevölkerungen. Denkbar, dass eine gewisse Bevölkerungsgruppe, die schon in der Sahara-Savanne eine größere Durchsetzungskraft hatte als andere, auch im Niltal die Führung übernahm.
Wie kann dann die religiöse Monarchie der ersten Pharaonen daraus entstanden sein?
Bestimmte religiöse Vorstellungen müssen eine Vormachtstellung eingenommen haben. Denkbar, dass all diese saharischen Bevölkerungen eine ähnliche Religion hatten, mit Tier-Dämonen als Repräsentanten der Naturmächte (das war im Wesentlichen auch die spätere ägyptische Religion). Aus dem Schamanismus stammte dann wohl die Vorstellung von einem quasi-göttlichen Oberherrscher, der die Mittlerrolle zwischen Diesseits und Jenseits einnahm (eine originär schamanistische Vorstellung).
Das muss dann aber eine ganze Zeitlang vor der 0.Dynastie bzw. vor der prädynastischen Zeit passiert sein, denn mit den ersten schriftlichen Zeugnissen tritt uns die ägyptische Kultur und Religion schon in voller Ausfertigung entgegen.

Wie gesagt: Alles bislang nicht erwiesen, wohl auch nicht zu beweisen, aber gerade in dieser frühen Phase der Geschichte sind wir im Wesentlichen NUR auf Spekulationen angewiesen, mangels schriftlicher Zeugnisse (und in Ägypten auch mangels archäologischer Zeugnisse).

Beppe

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von ehemaliger Autor K. » 30.10.2012, 12:38

Peppone:
Am Ursprung, bei den bäuerlichen, neolithischen Kulturen, wird man sehr häufig demokratische Strukturen finden. Aber im Stadium der Hochkultur werden davon nur noch Rudimente übrig sein, etwa in einer gewissen Form bäuerlicher Selbstbestimmung, wie sie etwa im China der Shang nachzuweisen zu sein scheint (!).
Wie gesagt, man muss diese Strukturen natürlich empirisch nachweisen. Wenn dies gelingt, okay. Reste bäuerlicher Selbstverwaltung finden sich lange Zeit fast überall auch in den Hochkulturen, von Historikern als „Bettlerdemokratie“ bezeichnet. Letzte Überreste? Möglich.

Was Ägypten betrifft: vor dem Beginn der thinitischen Dynastien gab es eine ganze Reihe lokaler Herrscher mit privilegierten Führungsschichten. Diese Regenten wurden offensichtlich nicht gewählt. Wahrscheinlich lokale Dynastien. Vorläufer der späteren Pharaonen. Die Demokratie war wohl schon frühzeitig auf eine „Bettlerdemokratie“ reduziert worden, falls es überhaupt jemals dort Demokratie gab, also gewählte Führer.

Vorstellbar ist eine ganz andere Entstehungsmöglichkeit. Falls die Nilbewohner ursprünglich aus der austrocknenden Sahara stammen, bildeten sie dort vermutlich Savannenkönigreiche, wie sie von den europäischen Entdeckungsreisenden beschrieben wurden, also erbliches Häuptlingsamt, Sippenadel, nur geringe politische Partizipationsmöglichkeiten der meisten Stammesmitglieder. Da das Niltal ursprünglich sehr sumpfig war, mussten erhebliche Vorarbeiten geleistet werden, um das Land überhaupt erst urbar zu machen. Vermutlich haben die Häuptlinge diese Arbeiten organisiert und sich dann anschließend als lokale Dynasten etabliert.

Dies halte ich für die wahrscheinlichste Variante. Aber wie gesagt, was logisch erscheint, muss nicht stimmen. Wir brauchen Beweise, sonst ist alles nur graue Theorie.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Peppone » 30.10.2012, 10:46

Karlheinz hat geschrieben:Ich weiß nicht, ob diese Frage die Menschen damals überhaupt interessiert hat, denn für sie gab es keinen Unterschied zwischen der Realität und der Welt der Götter, da in ihrem "magischen Weltbild" beides eine Einheit bildete. Unterschiede herauszuarbeiten ist vor allem eine Spitzfindigkeit heutiger Forscher.
Volle Zustimmung.
Karlheinz hat geschrieben:Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.
Wie gesagt: Am Ursprung, bei den bäuerlichen, neolithischen Kulturen, wird man sehr häufig demokratische Strukturen finden. Aber im Stadium der Hochkultur werden davon nur noch Rudimente übrig sein, etwa in einer gewissen Form bäuerlicher Selbstbestimmung, wie sie etwa im China der Shang nachzuweisen zu sein scheint (!).
Auch die Bauern Ägyptens scheinen in der Zeit der ersten Dynastien noch eine gewisse Selbstbestimmung gehabt zu haben, die erst verschwand, als nach und nach die Tempel den Großteil des Landes in Besitz nahmen. Die Pyramiden wurden ja nicht von Sklaven, sondern von Bauern gebaut, die in der Bauzeit vom Staat versorgt wurden. Und noch die Erbauer der Königsgräber im Tal der Könige waren hochbezahlte und gesuchte Spezialisten.

Beppe

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Renegat » 30.10.2012, 10:42

Karlheinz hat geschrieben: Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.

Irgendeine Form von situationsbezogener Anführerschaft durch big man, Häuptlinge, Dorfälteste kann man für die neolithische Phase vor den Hochkulturen schon annehmen. Dazu wird oft mit Gruppengrößen operiert.
Für mich ist dabei die Frage, wie diese frühhierarchischen Strukturen sich verfestigten, also wann und wie sie erblich wurden.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von ehemaliger Autor K. » 30.10.2012, 10:25

Pepponne:
In allen alten Hochkulturen war es also so, dass König mindestens eine priesterliche Funktion gehabt hat, in den großen Hochkulturen war er meist als Mittler zwischen irdischer und göttlicher Sphäre ein über die anderen Priester gestellter "Funktionär". Zwar wurden die Könige selten vergöttlicht (aus Ägypten - Ramses II. - und aus Mesopotamien sind uns zwar nur zwei Beispiele bekannt, in denen ein lebender König göttliche Verehrung genoß, dennoch sind Religion und weltliche Macht in den Hochkulturen nicht zu trennen.
Etwas anderes wird auch eigentlich nirgendwo behauptet. Der Streit, der in der Literatur geführt wird, ist meines Erachtens nicht sehr hilfreich, nämlich ob der Herrscher vor allem Priester oder vor allem weltlicher Regent war. Ich weiß nicht, ob diese Frage die Menschen damals überhaupt interessiert hat, denn für sie gab es keinen Unterschied zwischen der Realität und der Welt der Götter, da in ihrem "magischen Weltbild" beides eine Einheit bildete. Unterschiede herauszuarbeiten ist vor allem eine Spitzfindigkeit heutiger Forscher.
Die eigentliche Ausgangsfrage, ob Hochkulturen einen demokratischen Ursprung haben oder nicht, wurde bisher nicht beantwortet. Ich wünsche mir das ja, aber beweisen durch archäologische Funde läßt sich bisher nur das Gegenteil.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von dieter » 30.10.2012, 10:17

Lieber Beppe,
in China scheint es etwas anders gewesen zu sein, der erste Kaiser Qin Shi Huangdi dürfte sich selbst und von der Bevölkerung nicht als Gott angesehen haben und werden, er wollte zwar sein Ewiges Leben sichern, deswegen seine Tarrakotta Armee und die Nachbildung einer Landschaft mit Quecksilber als Fluß. :wink:

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Peppone » 30.10.2012, 09:23

Karlheinz hat geschrieben:Sind am Anfang die Könige gleichzeitig Priester? Möglich, dass weltliche und geistliche Macht zunächst vereint war. Bei vielen Stämmen sind das Häuptlingsamt und das Priesteramt getrennt. Ob es sich zwangsläufig später vereinen muss? Wissenschaftler verneinen dies meistens. Der Pharao galt oftmals als Gott, war aber weltlicher Herrscher, kein Priester. Er vollzog nur wenige Rituale, dafür gab es eine gesonderte Priesterschaft. Man kann sich darüber streiten. Die frühen etruskischen oder griechischen Herrscher waren zumindest keine Priester. Wohl behaupteten aber einige, dass sie von Göttern abstammten.
Im Alten Reich WAR der Pharao ein Gott, der auf Erden wandelte. Der Gott (Amun) schlüpfte quasi beim Herrscherwechsel in einen neuen Körper. Das wandelte sich, im Neuen Reich galt der Pharao "nur" noch als Sohn des Amun, der nach dem Tod zu Horus wurde. Im Mittleren Reich hatte der Pharao eine Zwischenstellung.
Immer jedoch war er Mittler zwischen irdischer und göttlicher Welt. In seiner Verantwortung lag es, die Welt am Laufen zu halten.
In Mesopotamien war es bis zum Ende des Neubabylonischen Reichs so, dass der König gleichzeitig der oberste Priester war. Beim Neujahrsfest vollzog er als Stellvertreter Marduks mit einer Priesterin die "Heilige Hochzeit" und sorgte so dafür, dass die Welt weiter existieren konnte. Auch hier wieder: Der König war der Mittler zwischen irdischer und göttlicher Welt.
Bei den Shang existierte ein Kult um vergöttlichte Ahnen. Aus ihrem Stammbaum zogen König und Aristokratie die Legitimation zur Herrschaft. Noch einmal: Der König als Mittler zwischen Menschen und Göttern.
Auch bei den Maya war der König dafür verantwortlich, einen "guten Draht" zu den Göttern zu erhalten. Als die Maya im Zuge einer langen Trockenheit ihre auf Regen basierende Landwirtschaft nicht mehr aufrechterhalten konnten, verloren die Könige ihre Legitimation, die Stadtstaaten brachen auseinander, die Städte verwaisten.
Im alten Rom wurden in der Zeit der Republik königliche Insignien wie der rote Mantel auf die obersten Priester übertragen, die priesterlichen Aufgaben der Könige übenahm der "rex sacrorum". Auch hier wieder: Der König galt als oberster Priester und Mittler zwischen Menschen und Göttern.
Aus der Ilias wissen wir, dass die griechischen Könige der mykenischen Zeit Opfer vollzogen, die Priester um Rat fragten, selbst jedoch sich über priesterliche Weisungen hinwegsetzen konnten. Aus Linear-B-Tafeln z.B. aus Pylos wissen wir, dass der König ("Wanax") in den Listen, die die Verteilugn von Öl regelten, nicht bei den "normalen Sterblichen", sondern bei den Tempeln, Heiligtümern und Priestern steht. Er scheint also zumindest ansatzweise eine religiöse Natur gehabt zu haben, denn dieses Öl wurde für kultische Zwecke verwendet. Die "normalen Sterblichen" bekamen das Öl "für (die Verwendung für) das Fest XY", der Wanax wie auch die Götter bzw. die mit den Göttern verbundenen Heiligtümer bekamen das Öl "aus Anlass des Festes XY". Der Wanax war zwar in erster Linie ökonomischer und militärischer Anführer, aber er scheint auch gewisse religiöse Funktionen gehabt zu haben.

In allen alten Hochkulturen war es also so, dass König mindestens eine priesterliche Funktion gehabt hat, in den großen Hochkulturen war er meist als Mittler zwischen irdischer und göttlicher Sphäre ein über die anderen Priester gestellter "Funktionär". Zwar wurden die Könige selten vergöttlicht (aus Ägypten - Ramses II. - und aus Mesopotamien sind uns zwar nur zwei Beispiele bekannt, in denen ein lebender König göttliche Verehrung genoß, dennoch sind Religion und weltliche Macht in den Hochkulturen nicht zu trennen.

Beppe

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Aneri » 29.10.2012, 19:28

Ich sehe auch die Trennung der weltlichen Führung und der Priesterschaft getrennt und zwar aus folgendem Grund. Der Priester ist immer ein Gottesdiener. Der weltliche Machtinhaber strebt nach mehr. Er muss selbst mindestens göttlicher Abstammung sein. Er muss irgendwem haben, der seine Verehrung organisiert und aufrecht hält. Es ist die Priesterschaft.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von ehemaliger Autor K. » 29.10.2012, 12:57

zu Peppone:
Mein Vorschlag:
Jede Hochkultur beginnt mit einem demokratischen Stadium, das aber noch nicht unbedingt zum Stadium der Hochkultur gezählt werden kann.
Damit könnte ich mich notfalls anfreunden. Die Frage ist natürlich, ob uns dies viel weiterbringt, denn wir brauchen nur bei jedem Volk weit genug in die Vergangenheit zu gehen, um überall irgendwann auch demokratische Strukturen zu finden, spätestens bei den Jägern und Sammlern. Deshalb gab es in jeder Kultur anfänglich Demokratie, nicht nur bei den Hochkulturen, sondern überall. Das ist aber nun viel zu allgemein. Die meisten Hochkulturen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass bei ihnen diese demokratischen Elemente verschwunden sind.
Unter Demokratie verstehe ich übrigens: Mitwirkung eines größeren Teiles der Bevölkerung an den wichtigsten politischen Entscheidungen, z.B. die Wahl der Führer etc. Demokratie ist es auch noch, wenn Frauen nicht wahlberechtigt sind, wenn von den Männern auch nicht alle das Wahlrecht haben weil es etwa ein Zensuswahlrecht gibt, Sklaven und Fremde nicht wählen können und damals in Athen vielleicht nur 20-25% der Bürger überhaupt sich demokratisch artikulieren konnten.
Eine Hochkultur hat folgende Kennzeichen:
Eine hinreichend produktive Landwirtschaft, die auch einen größeren Teil von Personen unterhalten kann, die nicht in der Primärproduktion tätig sein. Nur dann ist eine Arbeitsteilung möglich, die die Entstehung von Handwerkern, Kaufleuten, Kriegern, Verwaltungspersonal, Priestern etc. überhaupt erst ermöglicht
Die Existenz von stadtähnlichen Siedlungen
Eine Regierung, die das Machtmonopol weitgehend errungen hat, damit ihre Anordnungen auch durchgesetzt werden können
Die Gesetzgebung durch Monarchen und Priestern. Diese ersetzen die frühere Gesetzbildung durch Dorfgemeinschaften oder Clanchefs
Eine institutionalisierte hierarchische Ordnung der Verwaltung und der Versuch, die Gesellschaft von oben her zu planen und zu organisieren (Bewässerungsbauten, Kultbauten, auch Pyramidenbau, chinesische Mauer etc.)
Aufgrund der archäologischen Befunde zeigen sich die weitaus meisten Hochkulturen bereits im ganzen frühen Stadium als hierarchische, undemokratische Ordnungssysteme. Dies kennen wir natürlich von den Stromuferkulturen her, aber auch in kleineren Gemeinschaften, wie bei den Etruskern oder den frühen Griechen haben wir Könige und einen Erbadel. Die Frage ist natürlich, wann wir eine Kultur als Hochkultur gelten lassen. Wenn wir aber die obigen Kriterien nehmen, gehören auch sie dazu.
Hatten sie vielleicht vorher eine demokratische Phase? Vielleicht. Ich glaube ja. Solange wir das aber nicht beweisen können, muss diese Frage zunächst offen bleiben.
Vieles spricht dafür, dass die demokratischen Elemente oftmals schon lange vor der Erreichung der Hochkultur verloren gehen. Das zeigt zumindest die Entwicklungsdynamik tribaler Strukturen, die ja der Hochkultur zeitlich vorgelagert sind. Bei ausreichender Produktivität der Landwirtschaft und einer entsprechender Bevölkerungsanzahl wird das Häuptlingsamt bald erblich, er umgibt sich mit einer loyalen Gefolgschaft, der Rat der Sippenältesten tritt an Stelle der Volksversammlung, diese Clanchefs werden eine privilegierte Schicht. In einem zweiten Stadium unterwirft der Stamm andere Stämme, deren Führungsschichten werden in das System integriert. Jetzt ist das Gebiet auch hinreichend groß, um sich zu einer Hochkultur zu entwickeln. Die demokratischen Elemente wurden schon lange vorher zurückgedrängt. Manchmal gelingt es später wieder, die Macht der Herrscher zu brechen oder zu beschneiden, wie in Rom oder Athen. Historisch gesehen sind diese Ausnahmefälle.
zu Peppone
Ich habe aber ein weiteres Merkmal gefunden, das allen Hochkulturen zu eigen sein müsste: Am Anfang steht immer ein Stadium, in dem Priester die Oberherrschaft ausüben.
In Ägypten die ersten Könige und Pharaonen, bei den Shang waren es ebenfalls Priesterkönige, bei den Sumerern ebenfalls. Auch die Mayakönige waren Priesterkönige, dito die ersten etruskischen Stadtherrscher und höchstwahrscheinlich auch die minoischen Herrscher. Harappa-Kultur, Mykener? Zumindest haben da die Priester ein gehöriges Wort bei der Herrschaftsausübung mitgeredet.
Sind am Anfang die Könige gleichzeitig Priester? Möglich, dass weltliche und geistliche Macht zunächst vereint war. Bei vielen Stämmen sind das Häuptlingsamt und das Priesteramt getrennt. Ob es sich zwangsläufig später vereinen muss? Wissenschaftler verneinen dies meistens. Der Pharao galt oftmals als Gott, war aber weltlicher Herrscher, kein Priester. Er vollzog nur wenige Rituale, dafür gab es eine gesonderte Priesterschaft. Man kann sich darüber streiten. Die frühen etruskischen oder griechischen Herrscher waren zumindest keine Priester. Wohl behaupteten aber einige, dass sie von Göttern abstammten.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von ehemaliger Autor K. » 29.10.2012, 11:12

Zu Barbarossa
Diese Feststellung habe ich irgendwo anders auch schon getroffen. Eine geradlinige historische Entwicklung nachzuweisen, ist auch meines Erachtens schwierig. Vielmehr ist es eher ein "auf-und-ab". Oftmals erklärt sich der Zustand einer Gesellschaft zu einem großen Teil aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus. Der Zeitgeist einer Gesellschaft ist wiederum abhängig von der jeweiligen Philosophie. Das sind aber alles Dinge, die sich nicht genetisch oder physikalisch erklären lassen, sondern sind Gedankenkonstrukte von Menschen.
Das nur mal als kleiner gedanklicher Einwurf von mir.
Mein lieber Barbarossa. Ich will dir deine Entdeckerfreude nicht nehmen, aber diese Gedanken stammen natürlich weder von mir oder dir, sondern sie sind von Wissenschaftlern schon viele Male gedacht und ausführlich beschrieben worden. Wir haben also allenfalls das Rad vielleicht zum fünfzigsten Mal neu erfunden

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Aneri » 28.10.2012, 18:10

Renegat hat geschrieben:Bei dichterer Besiedlung entstehen Konflikte, um diese zu vermindern, braucht es Regeln, Gesetze, Rituale. Und um diese durchzusetzen, braucht es Legitimation entweder durch Gewaltandrohung oder "Bestechung" durch Geschenke. Eine Priesterherrschaft mit höherer Gewalt und Opfergaben liegt da irgendwie nahe.
Ich sehe es etwas anders. Regeln, Gesetze, Rituale waren schon in Sippen vorhanden. Auch beschauliches Weltanschauungssystem, wo eigene Abstammung wichtigen Platz einnimmt.
Die Ballungsraum der Landwirtschaft, wo verschiedene Sippen mit einfachen Weltanschauungen verkehrten, bedeutet den intensiven Austausch, in Folge dessen immer komplexere Religion sich ausbildete, die auch verschiedene Sippen in einer Gemeinschaft vereinte. Einerseits die Religion war eine Folge der wachsenden Rate der Wechselwirkungen zwischen der neolithischen Familien und Sippen. Anderseits koppelte sie zurück und verstärkte die Gemeinsamkeitsgefühl, das für die Herausbildung der Hochkultur notwendig ist.

Auch hier m. E. ging es vollkommen friedlich bis gewisssen Punkt, wo das Verhältnis umkippte und der Mensch war der Religion untergeben.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Barbarossa » 28.10.2012, 17:27

Karlheinz hat geschrieben:
zu Aneri:
Ähnlich geht es Hochkulturen und späteren Staaten. Sie beginnen in (relativ „demokratischen“ aber mit starker Führung) Stadt-Staaten, die gesetzmäßig zum autoritären Reich mutieren. Das autoritäre/totalitäre Stadium scheint gesetzmäßig zu sein, das bei manchen Staaten nur milder verläuft. Wie gesagt, es hängt von der vorhandenen Kultur und der Umwelt.
Das Erkennen der Gesetzmäßigkeiten hilft uns agieren in der zivilisatorischen W-W-Netz. Daher das Negieren des objektiv Vorhandenen schwächt dessen Position, der sie vertritt.
Diese Thesen stimmen aber nicht mit historischen Fakten überein. Aus Ägypten, Mesopotamien oder China sind uns keine demokratischen Stadtstaaten überliefert. Sie erscheinen bereits am Anfang als undemokratische Gebilde.
(...)
Auch gibt es keine gesetzmäßigen Mutationen zum autoritären Staat. Die griechischen Staaten wie Athen durchliefen am Anfang ihrer Entwicklung eine Tyrannis, dann wurde die gestürzt und durch eine Demokratie ersetzt. Später dann wurde Athen autoritär regiert, aber von einer fremden Macht. Rom begann als Königtum, dann wurde eine (halbe) Demokratie daraus, die viele Jahrhunderte hielt, dann entstand ein autoritärer Staat unter den Kaisern. Im Mittelalter erkämpfte sich die Stadtgemeinde wieder eine Reihe Freiheiten zurück, bis der Papst dann vorübergehend erneut eine autoritäre Herrschaft durchsetzte. Es verläuft also nicht ganz so linear...
Diese Feststellung habe ich irgendwo anders auch schon getroffen. Eine geradlinige historische Entwicklung nachzuweisen, ist auch meines Erachtens schwierig. Vielmehr ist es eher ein "auf-und-ab". Oftmals erklärt sich der Zustand einer Gesellschaft zu einem großen Teil aus dem jeweiligen Zeitgeist heraus. Der Zeitgeist einer Gesellschaft ist wiederum abhängig von der jeweiligen Philosophie. Das sind aber alles Dinge, die sich nicht genetisch oder physikalisch erklären lassen, sondern sind Gedankenkonstrukte von Menschen.
Das nur mal als kleiner gedanklicher Einwurf von mir.

Re: Die Globalisierung im Kontext der menschlichen Evolution

von Renegat » 28.10.2012, 17:24

Peppone hat geschrieben:Mein Vorschlag:
Jede Hochkultur beginnt mit einem demokratischen Stadium, das aber noch nicht unbedingt zum Stadium der Hochkultur gezählt werden kann.


Ich habe aber ein weiteres Merkmal gefunden, das allen Hochkulturen zu eigen sein müsste: Am Anfang steht immer ein Stadium, in dem Priester die Oberherrschaft ausüben.
In Ägypten die ersten Könige und Pharaonen, bei den Shang waren es ebenfalls Priesterkönige, bei den Sumerern ebenfalls. Auch die Mayakönige waren Priesterkönige, dito die ersten etruskischen Stadtherrscher und höchstwahrscheinlich auch die minoischen Herrscher. Harappa-Kultur, Mykener? Zumindest haben da die Priester ein gehöriges Wort bei der Herrschaftsausübung mitgeredet.
Interessanterweise sind fast alle Beispiele, auf denen sich nach der neolithischen Bauerndörferphase sog. Hochkulturen entwickelten, in einem für intensive Landwirtschaft begünstigten Gebiet. Meist in Schwemmlandflußtälern. Diese erlauben eine intensive Landwirtschaft und damit eine dichtere Besiedlung. Bei dichterer Besiedlung entstehen Konflikte, um diese zu vermindern, braucht es Regeln, Gesetze, Rituale. Und um diese durchzusetzen, braucht es Legitimation entweder durch Gewaltandrohung oder "Bestechung" durch Geschenke. Eine Priesterherrschaft mit höherer Gewalt und Opfergaben liegt da irgendwie nahe.

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