Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:
Tatsache ist, dass in Polen wie in Tschechien man die Vertriebenenverbände und Landsmannschaften als Störfaktor in den Beziehungen zwischen den beiden Ländern und Deutschland sieht.
Nun ja, Putin und viele Russen empfinden gegenwärtig die NATO auch als Störfaktor - also weg damit? Ich bin mir sicher, dass Dtschl. und Russland sich bestimmt prima verständigen können, Beispiele dafür gibt es genügend in der Geschichte.
Die Ausgangsfrage war, ob die Vertriebenverbände die Beziehungen zwischen D und PL-CZ belasten. Meine Antwort: ja, wenn auch im Endeffekt nicht entscheidend. Es gibt wichtigere Interessen als die des BdV,auch für die Bundesregierung. Aber fur Muskelspiele hat es schon auch dann und wann gereicht, zumindest im Fall Tschechien, wo ich das besser kenne.
Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:
Da waren aber noch die Bemerkungen zur polnischen Mobilmachung im März 1939 (was in Tat und Wahrheit nur eine Teilmobilmachung war, was schon ein Unterschied ist), ohne den Kontext der Besetzung von Böhmen und Mähren zu erwähnen, der eigentlich ein Kriegsgrund hätte sein müssen.
Was sagte polnische Historiker Tomasz Szarota dazu in der ZEIT:
Als Historiker kann ich nur sagen: Ihre Aussage stimmt. Erika Steinbach lügt nicht.
Das ganze Zitat der Stelle lautet:
ZEIT ONLINE: Sie haben gesagt, dass Erika Steinbach Recht hat.
Szarota: Aber Steinbach sagte nicht, wo und warum es die Mobilisierung gab. Das Wort Mobilmachung ruft bestimmte Vorstellungen hervor. Der Korrespondent einer linksliberalen polnischen Tageszeitung schrieb über seinen Artikel "Steinbach: Polen hat Hitler provoziert." Das ist die Lesart ihrer Aussage. Dabei steht es außer Frage, dass es umgekehrt war. Dass Polen damals Angst hatte, dürfte niemanden wundern. Deutschland hatte für alle sichtbar klargemacht, dass es ein aggressiver Staat ist. Hier wird also die Geschichte komplett verdreht.
Stephan hat geschrieben:Warum sind nur Böhmen und Mähren erwähnenswert? Was ist mit dem Teschener Land? Warum die Gebiete auslassen, die von Ungarn im Nov. 1938 und März 1939 besetzt wurden?
Das war im Herbst 1938 - als Teil Hitlers Strategie, die zum Münchner "Abkommen" geführt hat. Die Besetzung von Böhmen und Mähren im März 1939 hatte eine ganz andere strategische Dimension und nicht mehr die allergeringste ethnische Legitimation (die man dem Teschener Land und der Südslowakei noch mit gutem Willen zubilligen kann, das Besetzen von Ruthenien kann man noch historsich begründen). Hitler hat damit endgültig zwei Dinge bewiesen:
- rücksichtslose Expansion, ungeachtet ethnischer Grenzen
- hemmungslosen Vertragsbruch
Zudem hatte die Besetzung von Böhmen und Mähren für Hitler den Vorteil, dass er die tschechische Rüstungsindustrie kassierte, die Ausrüstung der tschechoslowakischne Armee, logistische Vorteile für den Angriff auf Polen, verstärkt auch durch die Satellisierung der Slowakei, deren Armee dann ja auch am Polenfeldzug teilnahm.
Die Folge der Besetzung von Böhmen und Mähren war die Garantie Grossbritanniens und Frankreichs an Polen, die allerdings Hitler nicht ernst nahm. Warum denn auch sie taten ja auch bis dahin nichts.
Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:
Der Geist dieser Organisationen ist von Revisionismus getragen - so wird es in Polen und Tschechien wahrgenommen.
Nur wenn man ein Befürworter der Benes-Dekrete ist! Die sind nur aber endgültig Geschichte - nicht zuletzt a. G. der Hartnäckigkeit von Frau Steinbach.
Die verballhornender Weise Beneš Dekrete gennannten Dekrete der tschechoslowakischen Exilregierung und der provisorischen Regierung sind schon seit 1947 Geschichte (zumindest diejenigen, von denen die Rede in diesem Zusammenhang ist). Hat mit Frau Steinbach gar nichts zu tun.
Die Dokumentation kenne ich, sie wird (in der tschechischen Version, beide auf youtube einsehbar) vom Zitat des grossartigen Přemysl Pitter eingeleitet, den ich in der Schweiz kennengelernt hatte. Klar, das ehrliche Aufzeichnen von tschechischerseits begangenen Verbrechen an Deutschen gefällt natürlich diesen Kreisen, da gibt man mal gerne einen Preis. Schön wäre es, wie schon gesagt, wenn die Kreise (also BdV, SL) auch die Verstrickungen und Verbrechen ihrer Volksgenossen (also nicht Reichsdeutsche, sonder Deutsche in Polen und der ČSR) mal zu dokumentieren. Da würden sie von tschechischer (und polnischer) Seite wohl auch einen Preis kriegen.
Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:Daneben übertrieb man während Jahrzehnten die Opferzahlen der Vertreibung. Noch heute geistern die zwei Millionen rum, während es maximal 600 000 sein konnten - die meisten noch während des Krieges.
Zumindest bis 2006 waren 2. Mio. amtliche Verlautbarung in Dtschl. s.
http://www.deutschlandfunk.de/keine-deu ... e_id=50189. Mal abgesehen davon, wie viele Opfer wären denn recht, um ein Erinnerungszentrum zu akzeptieren?
Eine reele Zahl. Christoph Bergner bestätigt selbst - 400 000 durch direkte Einwirkung, wobei auch das meines Erachtens sehr hoch ist, kenne ich aber nicht genau die polnischen Verhältnisse. Aber von den tschechischen kann ich das genau sagen. Jahrzehnte lang wurde die erschreckende Zahl von 270 000 Toten und Vermissten erwähnt - aber das sind Vergleiche von Statistiken von verschiedenen Volkszählungen verschiedener Staaten und aufgrund zahlreicher Schätzungen, aber unter Vernachlässigung von eine wichtigen Faktor: Den Nationalitätenwechslern. Die tschechisch-deutsche Historikerkommission hat die Obergrenze auf 30 000 (für die Tschechoslowakei festegesetzt).
Hier habe ich mehr dazu geschrieben:
http://geschichte-wissen.de/forum/viewt ... 798#p43796
Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:Genauso war die Westverschiebung Polens war schon in Teheran 1943 beschlossen worden. Gerne wird behauptet, das sei erst in Potsdam geschehen, nachdem Polen und Sowjets vollendete Tatsachen geschafft haben sollten.
Die Beschlüsse zur Zwangs-Umsiedelung wurden erst auf der Potsdamer Konferenz gefasst - aber auch das wurde bereits dargestellt.
Die Quelle ist das US Department of State - office of historian. Die Westverschiebung Polens war klar, auch dass man keine deutschen Minderheiten mehr haben wollte.
https://history.state.gov/milestones/19 ... ehran-conf
Stephan hat geschrieben:Marek1964 hat geschrieben:Trösten kann man sich in Polen und Tschechien immerhin damit, dass das alles nur innerdeutscher Wahlkampf ist. DIe Vertriebenenverbände und Landsmannschaften sind Stimmenlieferanten, ihre Anliegen werden deshalb von den Bundesregierungen nicht abgelehnt, allerdings dürfte man sich sehr wohl bewusst sein, dass sie völlig irreal sind.
Schwacher Trost. Eigentlich sind Verbände mit insgesamt 1,3 Millionen Mitgliedern eher real und Gott sei Dank im Geiste europäischer Verständigung auch international erfolgreich aktiv:
http://www.bdv-bayern.de/de/Pressemitteilungen
Diese Zahlen dürften massiv übertrieben sein. Kennt man auch von den SL. Interessant wäre mal eine Quelle ausserhalb von BdV oder SL.