Leben nach Kriegsende in Deutschland im Sommer 1945
Verfasst: 18.09.2014, 18:56
Sommer 1945, der Krieg ist aus, das Land besetzt, geteilt und runiniert. In den Trümmern kämpfen und feilschen die Menschen um Brot, Kohlen und einen Schlafplatz. Erfahrungen, die das Lebensgefühl einer ganzen Generation prägen.
Das Bild ist in meinem Besitz es heisst "Hunger in Deutschland 1945"
In den Trümmern des von ihnen angezettelten Krieges kämpften die Deutschen ums Überleben. Bis kurz vor der Niederlage hatten die Nazis die besetzten Gebiete ausgeplündert, um die Deutschen vor dem Hunger zu bewahren und die so genannte Heimatfront zu stabilisieren. Jetzt kam die Not nach Deutschland. Das Leid war nicht so vernichtend wie im Osten des Kontinents, aber auch unter den Deutschen forderte es Opfer. Kinder wuchsen auf mit dem Hunger. Die Schwachen oder Kranken mussten fürchten, an den Lebensbedingungen in Nachkriegsdeutschland zugrunde zu gehen.
Offensichtlich ist, dass die Not Menschenleben gekostet hat. In Leipzig starben von den 7273 Lebendgeborenen des Jahres 1945 fast 16 Prozent - 1138 Kinder - vor ihrem ersten Geburtstag. 1946 kamen noch zehn Prozent ums Leben. In Hamburg waren im Juli 1946 von 14 091 Krankenhausbetten 1189 von Patienten mit Hungerödemen belegt. In Aachen hatten 1947 fast 70 Prozent der sechs- bis zwölfjährigen Kinder Untergewicht. Die "Süddeutsche Zeitung" in München kolportierte damals den Witz, dass der Fragebogen zur Entnazifizierung erweitert worden sei: "Gedenken Sie im Jahr 1948 noch zu leben? Wenn ja, wovon?"
Nahrung war die größte Sorge der Menschen in den ersten Nachkriegsjahren. Der Hunger, schrieb die "Kölnische Rundschau", wurde für viele zum "schlimmsten Diktator". Die einzige Sorge war er nicht. Mehr als zweieinhalb Millionen Wohnungen waren im Bombenkrieg zerstört worden, weitere vier Millionen beschädigt. Aus dem Osten drängten Vertriebene in die vier Besatzungszonen; bis 1948 kamen im Westen 6,4 Millionen Menschen an, im Osten des verkleinerten Deutschlands 4,4 Millionen. Sie alle brauchten Unterkunft.
Der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages nannte Deutschland damals ein "überfülltes Elendsviertel Europas". In München etwa hatte noch Ende 1946 von den einheimischen Kindern jedes vierte kein eigenes Bett. Bei den Flüchtlingskindern war es sogar jedes zweite.
Wildfremde Leute auf engstem Raum - zumindest in den ersten Nachkriegsjahren war das eine behördlich verordnete Überlebensstrategie.
Die schlechte Versorgung führte zu Streiks und Protesten. In Hamburg stand bei einer Kundgebung von 200 000 Menschen im Mai 1947 auf Plakaten: "Mit 800 Kalorien kann niemand arbeiten." Wenige Wochen zuvor hatten die Arbeiter im Ruhrgebiet wegen der Hungerrationen einen Tag lang gestreikt. Die Beschäftigten von Krauss Maffei in Bayern rebellierten dagegen, dass ihnen das ohnehin sehr dünne Bier gestrichen wurde.
Mit der Währungsreform im Juni 1948 wurde keineswegs alles über Nacht besser: Vor der Einführung der D-Mark horteten Bauern und Händler ihre Waren, um sie später gegen echtes Geld verkaufen zu können. Nach dem Stichtag waren zwar die Auslagen voll, aber den Leuten fehlte das Geld zum Kauf. Darüber klagten im August 1948 von den Bewohnern der amerikanischen Zone 59 Prozent. Im November des Jahres kam es gar zu einem kurzen Generalstreik. Aber da vermischten sich die aktuellen Nöte schon mit der Hoffnung: Nach einer Umfrage der "Public Opinion Survey Unit" in der US-Zone erwarteten fast drei von vier Deutschen nach der Einführung der D-Mark, dass es nun bergauf gehe.
In der kollektiven Erinnerung der Deutschen ist das Kriegsende 1945 die Stunde null. So wie drei Jahre später bei der Einführung der D-Mark, als jeder zunächst 40 und dann noch einmal 20 Mark bekam, scheinen alle mit nichts oder doch gleich wenig angefangen zu haben. Dabei unterschieden sich die Lebensbedingungen und Chancen dramatisch.
Auf dem Land waren Lebensmittel längst nicht so knapp wie in den Metropolen - auch wenn da, wie im Berliner Tiergarten, auf jedem freien Fleck Gemüse angebaut wurde. Wer einen kleinen Garten besass, war meist besser ernährt als die Bewohner von Mietwohnungen. Viele Bauern wurden durch die Not der Städter wohlhabend.
Die westlichen Siegermächte versprachen den Deutschen zunächst 1550 Kalorien pro Tag, im Osten waren es 1500. Tatsächlich sanken die Zuteilungen für den Normalbürger zeitweise unter 1000 Kalorien, in Köln waren es im April 1947 gar nur 737. Das lag an objektiven Schwierigkeiten; aber zumindest unmittelbar nach dem Krieg steckte eine Strategie dahinter: Die Besatzer wollten, dass die Deutschen weniger zu essen hatten als die von ihnen überfallenen Nachbarn. Sie sollten gerade so viel bekommen, dass Seuchen und Aufstände vermieden wurden. Wie erwartet blieben die Proteste begrenzt. Die Ausbreitung von Krankheiten führte zu unzähligen Tragödien, aber nicht zu Epidemien - ein Erfolg, um den die Siegermächte oft bangen mussten.
Hans Schlange-Schöningen, einer der Organisatoren der Lebensmittelzuteilungen im Westen, schrieb in seinen Erinnerungen: "Es gab in diesen Jahren Augenblicke, wo niemand wusste, ob sich nicht am nächsten Tage die Arbeiterschaft des Ruhrgebiets nach Westfalen in Marsch setzen und sich dort mit Gewalt von den Bauern holen würde, was ihr ihrer Meinung nach zu Unrecht vorenthalten blieb."
Bald nach Kriegsende erkannten die westlichen Alliierten, dass ohne Lebensmittelimporte die Situation nicht unter Kontrolle zu halten war. Später kamen umfangreiche Hilfsprogramme hinzu. Trotzdem blieb die Versorgung bis Ende der 40er Jahre problematisch.
Quellen: Eigene Aufzeichnungen, Stern und das Buch "Die Ruinenkinder" von Heinz-Jürgen Priamus
Das Bild ist in meinem Besitz es heisst "Hunger in Deutschland 1945"
In den Trümmern des von ihnen angezettelten Krieges kämpften die Deutschen ums Überleben. Bis kurz vor der Niederlage hatten die Nazis die besetzten Gebiete ausgeplündert, um die Deutschen vor dem Hunger zu bewahren und die so genannte Heimatfront zu stabilisieren. Jetzt kam die Not nach Deutschland. Das Leid war nicht so vernichtend wie im Osten des Kontinents, aber auch unter den Deutschen forderte es Opfer. Kinder wuchsen auf mit dem Hunger. Die Schwachen oder Kranken mussten fürchten, an den Lebensbedingungen in Nachkriegsdeutschland zugrunde zu gehen.
Offensichtlich ist, dass die Not Menschenleben gekostet hat. In Leipzig starben von den 7273 Lebendgeborenen des Jahres 1945 fast 16 Prozent - 1138 Kinder - vor ihrem ersten Geburtstag. 1946 kamen noch zehn Prozent ums Leben. In Hamburg waren im Juli 1946 von 14 091 Krankenhausbetten 1189 von Patienten mit Hungerödemen belegt. In Aachen hatten 1947 fast 70 Prozent der sechs- bis zwölfjährigen Kinder Untergewicht. Die "Süddeutsche Zeitung" in München kolportierte damals den Witz, dass der Fragebogen zur Entnazifizierung erweitert worden sei: "Gedenken Sie im Jahr 1948 noch zu leben? Wenn ja, wovon?"
Nahrung war die größte Sorge der Menschen in den ersten Nachkriegsjahren. Der Hunger, schrieb die "Kölnische Rundschau", wurde für viele zum "schlimmsten Diktator". Die einzige Sorge war er nicht. Mehr als zweieinhalb Millionen Wohnungen waren im Bombenkrieg zerstört worden, weitere vier Millionen beschädigt. Aus dem Osten drängten Vertriebene in die vier Besatzungszonen; bis 1948 kamen im Westen 6,4 Millionen Menschen an, im Osten des verkleinerten Deutschlands 4,4 Millionen. Sie alle brauchten Unterkunft.
Der Hauptausschuss des Deutschen Städtetages nannte Deutschland damals ein "überfülltes Elendsviertel Europas". In München etwa hatte noch Ende 1946 von den einheimischen Kindern jedes vierte kein eigenes Bett. Bei den Flüchtlingskindern war es sogar jedes zweite.
Wildfremde Leute auf engstem Raum - zumindest in den ersten Nachkriegsjahren war das eine behördlich verordnete Überlebensstrategie.
Die schlechte Versorgung führte zu Streiks und Protesten. In Hamburg stand bei einer Kundgebung von 200 000 Menschen im Mai 1947 auf Plakaten: "Mit 800 Kalorien kann niemand arbeiten." Wenige Wochen zuvor hatten die Arbeiter im Ruhrgebiet wegen der Hungerrationen einen Tag lang gestreikt. Die Beschäftigten von Krauss Maffei in Bayern rebellierten dagegen, dass ihnen das ohnehin sehr dünne Bier gestrichen wurde.
Mit der Währungsreform im Juni 1948 wurde keineswegs alles über Nacht besser: Vor der Einführung der D-Mark horteten Bauern und Händler ihre Waren, um sie später gegen echtes Geld verkaufen zu können. Nach dem Stichtag waren zwar die Auslagen voll, aber den Leuten fehlte das Geld zum Kauf. Darüber klagten im August 1948 von den Bewohnern der amerikanischen Zone 59 Prozent. Im November des Jahres kam es gar zu einem kurzen Generalstreik. Aber da vermischten sich die aktuellen Nöte schon mit der Hoffnung: Nach einer Umfrage der "Public Opinion Survey Unit" in der US-Zone erwarteten fast drei von vier Deutschen nach der Einführung der D-Mark, dass es nun bergauf gehe.
In der kollektiven Erinnerung der Deutschen ist das Kriegsende 1945 die Stunde null. So wie drei Jahre später bei der Einführung der D-Mark, als jeder zunächst 40 und dann noch einmal 20 Mark bekam, scheinen alle mit nichts oder doch gleich wenig angefangen zu haben. Dabei unterschieden sich die Lebensbedingungen und Chancen dramatisch.
Auf dem Land waren Lebensmittel längst nicht so knapp wie in den Metropolen - auch wenn da, wie im Berliner Tiergarten, auf jedem freien Fleck Gemüse angebaut wurde. Wer einen kleinen Garten besass, war meist besser ernährt als die Bewohner von Mietwohnungen. Viele Bauern wurden durch die Not der Städter wohlhabend.
Die westlichen Siegermächte versprachen den Deutschen zunächst 1550 Kalorien pro Tag, im Osten waren es 1500. Tatsächlich sanken die Zuteilungen für den Normalbürger zeitweise unter 1000 Kalorien, in Köln waren es im April 1947 gar nur 737. Das lag an objektiven Schwierigkeiten; aber zumindest unmittelbar nach dem Krieg steckte eine Strategie dahinter: Die Besatzer wollten, dass die Deutschen weniger zu essen hatten als die von ihnen überfallenen Nachbarn. Sie sollten gerade so viel bekommen, dass Seuchen und Aufstände vermieden wurden. Wie erwartet blieben die Proteste begrenzt. Die Ausbreitung von Krankheiten führte zu unzähligen Tragödien, aber nicht zu Epidemien - ein Erfolg, um den die Siegermächte oft bangen mussten.
Hans Schlange-Schöningen, einer der Organisatoren der Lebensmittelzuteilungen im Westen, schrieb in seinen Erinnerungen: "Es gab in diesen Jahren Augenblicke, wo niemand wusste, ob sich nicht am nächsten Tage die Arbeiterschaft des Ruhrgebiets nach Westfalen in Marsch setzen und sich dort mit Gewalt von den Bauern holen würde, was ihr ihrer Meinung nach zu Unrecht vorenthalten blieb."
Bald nach Kriegsende erkannten die westlichen Alliierten, dass ohne Lebensmittelimporte die Situation nicht unter Kontrolle zu halten war. Später kamen umfangreiche Hilfsprogramme hinzu. Trotzdem blieb die Versorgung bis Ende der 40er Jahre problematisch.
Quellen: Eigene Aufzeichnungen, Stern und das Buch "Die Ruinenkinder" von Heinz-Jürgen Priamus