Kolumbien – Die Polizei, dein Feind und Gegner
Verfasst: 16.10.2013, 16:15
In Kolumbien gibt es zwei Arten von Gangstern, die einen tragen Uniform, die anderen nicht. Die mit Uniform sind meistens die schlimmsten. Das hatte ich zumindest von Leuten gehört, die dieses Land näher kannten. Die Polizei ist dort nicht dein Freund und Helfer, sondern dein größter Feind und Gegner.
Aus europäischer Sicht gesehen erscheint Lateinamerika als ein homogener Block, doch die Südamerikaner sehen dies völlig anders. Die Menschen in Chile, Argentinien, Uruguay und Venezuela halten sich für zivilisiert. In Brasilien ist das Land zweigeteilt, die Bewohner des Südens vergleichen sich lieber mit den Europäern, während der Norden als zurückgeblieben und primitiv gilt. Die Andenländer Peru, Ecuador und Bolivien mit ihrer überwiegend indianischen Bevölkerung gelten überall als rückständig und unterentwickelt. Den schlechtesten Ruf hat aber Kolumbien. Alle Lateinamerikaner glauben, dass dort nur Räuber und Banditen hausen. Jeder weiß irgendeine Horrorgeschichte über dieses Land zu erzählen. Überall wurde ich eindringlich vor einem Besuch von diesem Land gewarnt. Es sei dort außerordentlich gefährlich und wimmelte nur so von Verbrechern.
1948 hatte in diesem Land ein mörderischer Konflikt begonnen, die Violencia (die Gewalt), ein Bürgerkrieg zwischen der liberalen und der konservativen Partei. Diese aus Europa übernommenen Bezeichnungen treffen die dortige Realität aber eigentlich nicht, denn es handelte sich um einen Kampf innerhalb der Oberschicht, zumeist Großgrundbesitzer, die um die Macht kämpften und dabei ihre Klientel mobilisierten, doch von Anfang an vermischten sich die Auseinandersetzungen mit sozialen Unruhen. Hundertausende kamen dabei ums Leben. Anfang der sechziger Jahre endete die Violencia mit einem Kompromiss der Eliten, aber das Land kam nicht zur Ruhe. Paramilitärische Verbände der Großgrundbesitzer terrorisierten weiter das Land, ihnen standen linke Guerillabewegungen gegenüber. Große Bereiche des Landes sind auch heute nicht zu bereisen. In dem Wirrwarr bildeten sich rechtsfreie Räume, in denen unpolitische Banden ihr Unwesen trieben. Aus ihnen entstanden in den neunziger Jahren die berüchtigten Drogenkartelle, deren Einfluss noch immer gewaltig ist. Und dazwischen stehen die Polizei und das Militär, die überall abkassieren, die Bevölkerung schikanieren und sich durch Korruption hemmungslos bereichern. Mit unserer Polizei haben diese Leute nur den Namen gemeinsam. Ich sollte mit ihnen bald unangenehme Erfahrungen machen.
1978 kam ich nach Cúcuta, der sechstgrößten Stadt Kolumbiens an der Grenze zu Venezuela. Nicht besonders interessant, kaum Sehenswürdigkeiten, quadratischer Grundriss und verschimmelte Häuser. Ich wollte von hier gleich weiter mit dem Bus nach Bogotá. In einer Straße hatte ein Haufen Kinder im Alter zwischen 10 bis 12 Jahren ein Seil quer über die Straße gespannt und spielten mit einem Ball, den sie ständig über das Seil hin und her warfen. Ein kleiner Junge stellte sich mir in den Weg, hielt die Hand auf und sagte: „Señor, dinero, por favor!“ (Bitte geben sie mir Geld). Ich schob ihn sanft beiseite, wollte unter das Seil hindurchkriechen, als die ganze Horde über mich herfiel. Sie zerrten an meiner Kleidung, griffen in die Hosentaschen und suchten nach Geld, kratzten und bissen. Da gab es nur eins. Aus meiner Jackentasche zog ich ein Bündel kolumbianischer Pesos hervor, wertloses Geld und warf sie hoch in die Luft. Sofort ließen sie von mir ab und versuchten die Scheine noch in der Luft zu ergreifen. Ich rannte weg und nach einem langen Sprint erreichte ich völlig erschöpft den Busbahnhof. Diese verdammten Kinderbanden in Lateinamerika, mit ihnen hatte ich schon häufiger Ärger gehabt. Die süßen Kleinen tun immer ganz niedlich, verspielt und dann fallen sie in Rudeln über einen her. Ich war aber vor allem wütend über mich selbst. Wieso war ich auf diesen dämlichen Seiltrick hereingefallen? Es war doch klar, dass sie mir eine Falle gestellt hatten und ich tappte wie ein blutiger Anfänger hinein! Seit einem Jahr trampte ich durch Mittel- und Südamerika und glaubte all die miesen Tricks zu kennen, die hier üblich waren. Dieser Fehler hätte mir nicht passieren dürfen. Es war unverzeihlich.
Am Busbahnhof kaufte ich mir eine Karte nach Bogotá. In zwei Stunden sollte es losgehen und die Fahrt würde ca. 36 Stunden dauern, quer durch die Kordilleren, ein Horrortrip, weil der Bus ständig in Serpentinen fuhr wie im Karussell. Vor der Abfahrt besuchte ich noch eine Kneipe, um mir die Zeit zu vertreiben. Drinnen sah es aus wie in einem Westernsalon und es herrschte ein düsteres Zwielicht. Die Gäste machten den Eindruck, als wären sie Statisten in einem der brutalen Italowestern, wie Django, Hügel der blutigen Stiefel. Cowboyhüte tief ins Gesicht gezogen, unrasiert und ungepflegt, richtig zum Fürchten. Doch sie kümmerten sich überhaupt nicht um mich, vermutlich handelte es sich einfach nur um Landarbeiter. Ich kaufte mir an der Theke ein Bier und setzte mich an einen leeren Tisch in eine der hinteren Ecken.
Schon kurze Zeit darauf lernte ich die kolumbianischen Ordnungshüter kennen. Mehrere Polizisten in grünen Uniformen stürmten mit gezückten Pistolen in die Kneipe, orientierten sich einen kleinen Moment, dann eilten sie direkt zu meinem Tisch. „Hände hoch!“ rief einer von ihnen und sie hielten mir die Pistolen vor die Brust. Das war in Lateinamerika damals üblich, Polizei und Militär liefen hier immer mit gezückten MP’s oder Gewehren durch die Gegend, man blickte ständig in Gewehrläufe. Ganz vorsichtig hob ich die Hände empor, jetzt nur keinen Fehler machen. Dann sollte ich mich an die Wand stellen und sie unterzogen mich einer Leibesvisitation. Anschließend durchwühlten sie mein Gepäck. Auch dies war in diesen Ländern nicht ungewöhnlich, aber was jetzt passierte, war mir neu. Einer der „Ordnungshüter“ holte aus seiner Uniformtasche einen kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel. Er enthielt Marihuana, das sah ich sofort. Die Polizisten behaupteten frech, sie hätten diesen Beutel soeben in meinem Gepäck gefunden. Rauschgift sei in Kolumbien streng verboten, das hätte Konsequenzen. Mir stand inzwischen der Angstschweiß auf der Stirn. Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte nicht in Kolumbien im Gefängnis landen und in einem Rattenloch verenden. Ich konnte andererseits aber auch nicht die Leute als Lügner und üble Abzocker bezeichnen, was sie im Grunde ja waren, das hätte sie beleidigt. Also musste ich einen Mittelweg finden und mir etwas überlegen. Ich antwortete:
„Gut, gut. Ich weiß nicht, wie das Zeug in mein Gepäck gekommen ist. Wahrscheinlich hat mir ein Halunke in Venezuela das Rauschgift zugesteckt. Aber die Angelegenheit lässt sich doch sicherlich regeln, oder?“ Der Anführer der Truppe strahlte über das ganze Gesicht. Auf das reiche Nachbarland Venezuela waren sie hier alle sauer, er stand nun nicht als Betrüger dar und jetzt konnte es zum Geschäft kommen. Mit 50 US-Dollar Strafe ließ sich dieses kleine Missverständnis aus dem Weg räumen. Zähneknirschend überließ ich ihm das Geld. Und nun passierte das Unglaubliche. Er gab mir den Beutel mit dem Rauschgift und meinte: „Den können sie behalten. Ist guter Stoff. Viel Spaß damit.“ Und dann verschwanden sie.
Ich konnte es nicht fassen. Die Polizei hatte mir gerade Marihuana verkauft. Hilflos stand ich mit dem Beutel im Raum. Behalten wollte ich das Zeug auf keinen Fall. Ich schenkte ihn dem Gastwirt. Der bedankte sich und sagte: „Rauschgiftbesitz ist eigentlich nicht wirklich strafbar in Kolumbien. Die Polizei dealt selber damit und finanziert sich dadurch zum Teil.“
Mit solchen Staatsdienern ist kein Staat zu machen, hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Niemand braucht sich darüber zu wundern, dass in Kolumbien ein aussichtloser Krieg gegen die Drogenmafia geführt wird, weil Banditen und Polizisten kaum zu unterscheiden sind. Die Amerikaner haben deshalb ja ihre eigenen Leute in dieses Land gebracht, um gegen dieses Verbrechen zu kämpfen. Mit geringem Erfolg.
Aus europäischer Sicht gesehen erscheint Lateinamerika als ein homogener Block, doch die Südamerikaner sehen dies völlig anders. Die Menschen in Chile, Argentinien, Uruguay und Venezuela halten sich für zivilisiert. In Brasilien ist das Land zweigeteilt, die Bewohner des Südens vergleichen sich lieber mit den Europäern, während der Norden als zurückgeblieben und primitiv gilt. Die Andenländer Peru, Ecuador und Bolivien mit ihrer überwiegend indianischen Bevölkerung gelten überall als rückständig und unterentwickelt. Den schlechtesten Ruf hat aber Kolumbien. Alle Lateinamerikaner glauben, dass dort nur Räuber und Banditen hausen. Jeder weiß irgendeine Horrorgeschichte über dieses Land zu erzählen. Überall wurde ich eindringlich vor einem Besuch von diesem Land gewarnt. Es sei dort außerordentlich gefährlich und wimmelte nur so von Verbrechern.
1948 hatte in diesem Land ein mörderischer Konflikt begonnen, die Violencia (die Gewalt), ein Bürgerkrieg zwischen der liberalen und der konservativen Partei. Diese aus Europa übernommenen Bezeichnungen treffen die dortige Realität aber eigentlich nicht, denn es handelte sich um einen Kampf innerhalb der Oberschicht, zumeist Großgrundbesitzer, die um die Macht kämpften und dabei ihre Klientel mobilisierten, doch von Anfang an vermischten sich die Auseinandersetzungen mit sozialen Unruhen. Hundertausende kamen dabei ums Leben. Anfang der sechziger Jahre endete die Violencia mit einem Kompromiss der Eliten, aber das Land kam nicht zur Ruhe. Paramilitärische Verbände der Großgrundbesitzer terrorisierten weiter das Land, ihnen standen linke Guerillabewegungen gegenüber. Große Bereiche des Landes sind auch heute nicht zu bereisen. In dem Wirrwarr bildeten sich rechtsfreie Räume, in denen unpolitische Banden ihr Unwesen trieben. Aus ihnen entstanden in den neunziger Jahren die berüchtigten Drogenkartelle, deren Einfluss noch immer gewaltig ist. Und dazwischen stehen die Polizei und das Militär, die überall abkassieren, die Bevölkerung schikanieren und sich durch Korruption hemmungslos bereichern. Mit unserer Polizei haben diese Leute nur den Namen gemeinsam. Ich sollte mit ihnen bald unangenehme Erfahrungen machen.
1978 kam ich nach Cúcuta, der sechstgrößten Stadt Kolumbiens an der Grenze zu Venezuela. Nicht besonders interessant, kaum Sehenswürdigkeiten, quadratischer Grundriss und verschimmelte Häuser. Ich wollte von hier gleich weiter mit dem Bus nach Bogotá. In einer Straße hatte ein Haufen Kinder im Alter zwischen 10 bis 12 Jahren ein Seil quer über die Straße gespannt und spielten mit einem Ball, den sie ständig über das Seil hin und her warfen. Ein kleiner Junge stellte sich mir in den Weg, hielt die Hand auf und sagte: „Señor, dinero, por favor!“ (Bitte geben sie mir Geld). Ich schob ihn sanft beiseite, wollte unter das Seil hindurchkriechen, als die ganze Horde über mich herfiel. Sie zerrten an meiner Kleidung, griffen in die Hosentaschen und suchten nach Geld, kratzten und bissen. Da gab es nur eins. Aus meiner Jackentasche zog ich ein Bündel kolumbianischer Pesos hervor, wertloses Geld und warf sie hoch in die Luft. Sofort ließen sie von mir ab und versuchten die Scheine noch in der Luft zu ergreifen. Ich rannte weg und nach einem langen Sprint erreichte ich völlig erschöpft den Busbahnhof. Diese verdammten Kinderbanden in Lateinamerika, mit ihnen hatte ich schon häufiger Ärger gehabt. Die süßen Kleinen tun immer ganz niedlich, verspielt und dann fallen sie in Rudeln über einen her. Ich war aber vor allem wütend über mich selbst. Wieso war ich auf diesen dämlichen Seiltrick hereingefallen? Es war doch klar, dass sie mir eine Falle gestellt hatten und ich tappte wie ein blutiger Anfänger hinein! Seit einem Jahr trampte ich durch Mittel- und Südamerika und glaubte all die miesen Tricks zu kennen, die hier üblich waren. Dieser Fehler hätte mir nicht passieren dürfen. Es war unverzeihlich.
Am Busbahnhof kaufte ich mir eine Karte nach Bogotá. In zwei Stunden sollte es losgehen und die Fahrt würde ca. 36 Stunden dauern, quer durch die Kordilleren, ein Horrortrip, weil der Bus ständig in Serpentinen fuhr wie im Karussell. Vor der Abfahrt besuchte ich noch eine Kneipe, um mir die Zeit zu vertreiben. Drinnen sah es aus wie in einem Westernsalon und es herrschte ein düsteres Zwielicht. Die Gäste machten den Eindruck, als wären sie Statisten in einem der brutalen Italowestern, wie Django, Hügel der blutigen Stiefel. Cowboyhüte tief ins Gesicht gezogen, unrasiert und ungepflegt, richtig zum Fürchten. Doch sie kümmerten sich überhaupt nicht um mich, vermutlich handelte es sich einfach nur um Landarbeiter. Ich kaufte mir an der Theke ein Bier und setzte mich an einen leeren Tisch in eine der hinteren Ecken.
Schon kurze Zeit darauf lernte ich die kolumbianischen Ordnungshüter kennen. Mehrere Polizisten in grünen Uniformen stürmten mit gezückten Pistolen in die Kneipe, orientierten sich einen kleinen Moment, dann eilten sie direkt zu meinem Tisch. „Hände hoch!“ rief einer von ihnen und sie hielten mir die Pistolen vor die Brust. Das war in Lateinamerika damals üblich, Polizei und Militär liefen hier immer mit gezückten MP’s oder Gewehren durch die Gegend, man blickte ständig in Gewehrläufe. Ganz vorsichtig hob ich die Hände empor, jetzt nur keinen Fehler machen. Dann sollte ich mich an die Wand stellen und sie unterzogen mich einer Leibesvisitation. Anschließend durchwühlten sie mein Gepäck. Auch dies war in diesen Ländern nicht ungewöhnlich, aber was jetzt passierte, war mir neu. Einer der „Ordnungshüter“ holte aus seiner Uniformtasche einen kleinen, durchsichtigen Plastikbeutel. Er enthielt Marihuana, das sah ich sofort. Die Polizisten behaupteten frech, sie hätten diesen Beutel soeben in meinem Gepäck gefunden. Rauschgift sei in Kolumbien streng verboten, das hätte Konsequenzen. Mir stand inzwischen der Angstschweiß auf der Stirn. Was sollte ich jetzt tun? Ich wollte nicht in Kolumbien im Gefängnis landen und in einem Rattenloch verenden. Ich konnte andererseits aber auch nicht die Leute als Lügner und üble Abzocker bezeichnen, was sie im Grunde ja waren, das hätte sie beleidigt. Also musste ich einen Mittelweg finden und mir etwas überlegen. Ich antwortete:
„Gut, gut. Ich weiß nicht, wie das Zeug in mein Gepäck gekommen ist. Wahrscheinlich hat mir ein Halunke in Venezuela das Rauschgift zugesteckt. Aber die Angelegenheit lässt sich doch sicherlich regeln, oder?“ Der Anführer der Truppe strahlte über das ganze Gesicht. Auf das reiche Nachbarland Venezuela waren sie hier alle sauer, er stand nun nicht als Betrüger dar und jetzt konnte es zum Geschäft kommen. Mit 50 US-Dollar Strafe ließ sich dieses kleine Missverständnis aus dem Weg räumen. Zähneknirschend überließ ich ihm das Geld. Und nun passierte das Unglaubliche. Er gab mir den Beutel mit dem Rauschgift und meinte: „Den können sie behalten. Ist guter Stoff. Viel Spaß damit.“ Und dann verschwanden sie.
Ich konnte es nicht fassen. Die Polizei hatte mir gerade Marihuana verkauft. Hilflos stand ich mit dem Beutel im Raum. Behalten wollte ich das Zeug auf keinen Fall. Ich schenkte ihn dem Gastwirt. Der bedankte sich und sagte: „Rauschgiftbesitz ist eigentlich nicht wirklich strafbar in Kolumbien. Die Polizei dealt selber damit und finanziert sich dadurch zum Teil.“
Mit solchen Staatsdienern ist kein Staat zu machen, hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht. Niemand braucht sich darüber zu wundern, dass in Kolumbien ein aussichtloser Krieg gegen die Drogenmafia geführt wird, weil Banditen und Polizisten kaum zu unterscheiden sind. Die Amerikaner haben deshalb ja ihre eigenen Leute in dieses Land gebracht, um gegen dieses Verbrechen zu kämpfen. Mit geringem Erfolg.