Karlheinz hat geschrieben:... Der entscheidende Unterschied ist doch der: Werden solche Maßnahmen in einer freien Gesellschaft auf demokratische Weise durchgesetzt oder durch eine Funktionärskaste mit Zwang? Passiert es auf demokratische Weise, sind die Forderungen von Engels durchaus positiv. Da viele seiner Forderungen im Westen inzwischen realisiert wurden, können wir dies nun beurteilen. Wendet man aber Zwang an, kommt nichts Gutes dabei heraus, das zeigt die DDR.
Natürlich wollte Engels keinen reformierten Kapitalismus, sondern eine sozialistische Gesellschaft. Wenn aber eine Gesellschaft sich auf demokratische Weise für den Sozialismus entscheidet, was ist dagegen zu sagen? Selbst unser Grundgesetz schreibt keine kapitalistische Gesellschaft vor. Die Väter des Grundgesetzes haben bekanntlich die Gesellschaftsform der Bundesrepublik offengelassen.
Auf Grundlage des Grundgesetzes hat sich aber die bestehende Wirtschaftsordnung durchgesetzt. Deine Äußerung deckt sich mit einer Bermerkung von Claudia Roth (Grüne), die ebenfalls meinte, der Kapitalismus stünde nicht ausdrücklich im Grundgesetz.
Aber: Im Grundgesetz ist das Eigentum ausdrücklich geschützt.
Art. 14. (1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(...)
3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art. und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Die Kommunisten haben immer entschädigungslose Enteignungen gefordert und im real-existierenden Sozialismus auch durchgesetzt. Zur Machtergreifung des "Proletariats" ist nach den Vorstellungen der Kommunisten auf jeden Fall eine Revolution notwendig, durch die der "Bourgeosie" die politische Macht entrissen werden soll. Da ist nichts von friedlichen Reformen zu lesen. (Ich verweise dabei wiederum auf die Schrift: "Von der Autorität.)
Im "Manifest der Kommunistischen Partei" beschreibt Marx seine Vorstellungen, wie eine kommunistische Revolution auzusehen hat:
...
Indem wir die allgemeinsten Phasen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder versteckten Bürgerkrieg innerhalb der bestehenden Gesellschaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltsamen Sturz der Bourgeoisie das Proletariat seine Herrschaft begründet.
(...)
Mit der Entwicklung der großen Industrie wird also unter den Füßen der Bourgeoisie die Grundlage selbst hinweggezogen worauf sie produziert und die Produkte sich aneignet. Sie produziert vor allem ihren eigenen Totengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats sind gleich unvermeidlich.
Quelle:
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Marx, ... roletarier
Marx und Engels gingen davon aus, daß ohnehin ein ständiger "Kampf der gesellschaftlichen Klassen" gegeneinander stattfindet, der sich in einer Revolution dann lediglich entlädt. Der Sieg des Proletariats wird dabei als "unvermeidlich" und damit als eine Gesetzmäßigkeit angesehen.
Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums.
Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegen sätzen auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht.
In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen.
(...)
Die kommunistische Revolution ist das radikalste Brechen mit den überlieferten Eigentumsverhältnissen; kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange am radikalsten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird.
(...)
Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstruments in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.
Es kann dies natürlich zunächst nur geschehn vermittelst despotischer Eingriffe in das Eigentumsrecht und in die bürgerlichen Produktionsverhältnisse, durch Maßregeln also, die ökonomisch unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweise unvermeidlich sind.
Hier hast du es nun schwarz auf weiß als Zitat. Ein Kommentar ist dazu wohl nicht nötig.
Diese Maßregeln werden natürlich je nach den verschiedenen Ländern verschieden sein.
Für die fortgeschrittensten Länder werden jedoch die folgenden ziemlich allgemein in Anwendung kommen können:
1. Expropriation des Grundeigentums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben.
2. Starke Progressivsteuer.
3. Abschaffung des Erbrechts.
4. Konfiskation des Eigentums aller Emigranten und Rebellen.
5. Zentralisation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausschließlichem Monopol.
6. Zentralisation des Transportwesens in den Händen des Staats.
7. Vermehrung der Nationalfabriken, Produktionsinstrumente, Urbarmachung und Verbesserung der Ländereien nach einem gemeinschaftlichen Plan.
8. Gleicher Arbeitszwang für alle, Errichtung industrieller Armeen, besonders für den Ackerbau.
9. Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Industrie, Hinwirken auf die allmähliche Beseitigung des Unterschieds von Stadt und Land.
10. Öffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder. Beseitigung der Fabrikarbeit der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen Produktion usw.
Quelle:
http://www.zeno.org/Philosophie/M/Marx, ... ommunisten
Friedliche Reformen sind eben nicht angedacht, statt dessen wird von vornherein von einer gewaltsamen Umwälzung (Revolution) und von "despotischen Eingriffen" auch nach der politischen Machtübernahme im Zuge einer Revolution ausgegangen.
Karlheinz hat geschrieben:3. Konfiskation der Güter aller Emigranten und Rebellen gegen die Majorität des Volks.
Punkt 3. Nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes wurde tatsächlich die Enteignung von Kriegsverbrechern gefordert, geplant war die Verstaatlichung von deren Grundbesitz und zahlreicher Fabriken. Ist leider nicht passiert.
Es geht aber nicht um Forderungen gegen Kriegsverbrecher, sondern um alle Gewerbetreibenden, die im Zuge einer kommunistischen Revolution automatisch in Ungnade fallen und enteignet werden sollen.
Karlheinz hat geschrieben:4. Organisation der Arbeit oder Beschäftigung der Proletarier auf den Nationalgütern, Fabriken und Werkstätten, wodurch die Konkurrenz der Arbeiter unter sich beseitigt und die Fabrikanten, solange sie noch bestehen, genötigt werden, denselben erhöhten Lohn zu zahlen wie der Staat.
In Punkt 4 wird lediglich gefordert, das Gewerkschaften zugelassen werden (was es bei Engels noch nicht gab) und Tarifverträge eingehalten werden (die es damals auch nicht gab) und ein Mindestlohn gezahlt werden muss. Das erste wurde inzwischen erreicht, Punkt zwei wird diskutiert.
Nein. Es geht hier vor allem um die Gründung von Zusammenschlüssen von Produktionsstätten - in der DDR waren das die Kombinate und LPGs.
Ok, im "Punkt 2 " geht es um den Mindestlohn, allerdings in einem Staat, in dem "das Proletariat" bereits die politische Macht hat und die Wirtschaft weitgehend verstaatlicht ist.
Karlheinz hat geschrieben:5. Gleicher Arbeitszwang für alle Mitglieder der Gesellschaft bis zur vollständigen Aufhebung des Privateigentums. Bildung industrieller Armeen, besonders für die Agrikultur.
Der Punkt 5 ist durch das Wort Arbeitszwang unglücklich formuliert, aber jeder Arbeitslose oder Empfänger von Hartz IV weiß, dass es auch bei uns einen staatlichen Zwang zur Arbeitsaufnahme gibt.
Was soll denn jetzt bitte dieser Vergleich?
Ich denke nicht, daß Punkt 5 "unglücklich formuliert" war, sondern er war genau so gemeint, wie es da steht. Auch in der DDR war das "Recht auf Arbeit" mit einer "Pflicht zur Arbeit" gekoppelt. Wer nicht arbeiten wollte (egal aus welchem individuellen Grund), galt als asozial und machte sich nach dem Strafrecht der DDR strafbar. Bis zu 2 Jahren Haft konnte es da geben. Das ist kein Vergleich zu den Hartz IV-Gesetzen, wo dann ein bisschen Geld abgezogen wird, wenn man sich nicht arbeitswillig zeigt, obwohl man finanziell bedürftig ist.
Ich bitte also um Vorsicht vor Relativierungen.
Karlheinz hat geschrieben:8. Erziehung sämtlicher Kinder, von dem Augenblicke an, wo sie der ersten mütterlichen Pflege entbehren können, in Nationalanstalten und auf Nationalkosten. Erziehung und Fabrikation zusammen.
Punkt 8 ist in der Tat bedenklich, sofern hier nicht Kita-Plätze gemeint sind und die konsequente Durchführung einer allgemeinen Schulpflicht (bei Engels nicht selbstverständlich)
Ich denke, hier sind tatsächlich betriebseigene Kindergärten gemeint, die auf Staatskosten betrieben werden sollen. Auch das wurde in der DDR umgesetzt.
Ich kann durchaus viele Forderungen wiedererkennen, die in der späteren DDR dann auch umgesetzt wurden. Ohne eine totalitäre Herrschaft der "Partei des Proletariats" - der Kommunistischen Partei - sind diese z. T. sehr autoritären Maßnahmen nicht umsetzbar.