dieter hat geschrieben:Lieber Barbarossa,
ich habe Dein Statement gelesen. Dein Verhalten kommt mir nicht besonders mutig vor. Soviel Engagemant wie Du gebracht hast reicht doch dazu aus, dass der Staat DDR weiter existieren konnte...
Ich weiß nicht...
Ich denke eigentlich nicht, weil sich das gesamte System - egal ob politisch oder auch wirtschaftlich - auf SED-Funktionäre aufgebaut war. Ja auch in der Wirtschaft in der Betrieben saßen sie und hielten die Zügel fest in der Hand. Das hätte nicht funktioniert, wenn es nicht ausreichend dieser Leute gegeben hätte - daher ja auch meine These. Das ganze System wäre dann zusammengebrochen. Deswegen war es ja auch so schwer, überhaupt irgendeine Art von "Widerstand" zu leisten, denn überall konnte einer von "denen" sein und einen beobachten. Und selbst die Wände zu Hause konnten "Ohren" haben...
Nicht jeder ist ein Biermann - und du mußt bedenken, ich war erst 22, als die Wende begann. Auch ein Biermann hat erst eine Entwicklung durchgemacht (siehe:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wolf_Bierm ... in_Hamburg).
Stellte man sich offen gegen den Staat (die Politik des Staates zu kritisieren, war gleichbedeutend damit), wußte man, daß man in diesem Staat nie wieder froh werden konnte. Im Grunde konnte man dann nur noch die Ausreise beantragen. Bis man diese genehmigt bekam, mußte man sich oft mehrere Jahre demütigen lassen. Es war eine grunsätzliche und endgültige Entscheidung. Das alles wußte man. Dazu muß man wirklich erst bereit sein. Es gab nur: ja oder nein = bleiben oder gehen. Blieb man, mußte man den Mund halten. Es war eben so. Die "kleinen Dinge", die ich getan habe, waren schon so das äußerse, was man tun konnte, ohne gleich mit dem Staat in Konflikt zu geraten.
Ich denke, solange man weitgehend in Ruhe gelassen wird und nicht hungern muß, solange wehrt man sich nicht. Damit beginnt man erst, wenn man sich in die Ecke gedrängt fühlt - erst recht, wenn man in ein System hinein geboren wird und es gar nicht anders kennt - und die Eltern es einem vor machen.
Ich gehe allerdings heute tatsächlich davon aus, daß ich irgendwann mit dem System endgültig in Konflikt geraten wäre, wäre die Wende nicht gekommen. Beweisen kann ich es natürlich nicht, aber du solltest bedenken, ich war ja noch sehr jung.
Kriegserlebnisse haben da natürlich eine ganz andere Qualität.
Die kann man mit einem Leben, zwar in einer Diktatur, aber immerhin im Frieden nicht vergleichen.
Beim ersten kommen Ereignisse/Schicksalsschläge auf einen zu, die man nicht ändern kann - wo man gar keine Wahl hat.
Beim zweiten hat man eine Wahl. Die Wahl sich zu entscheiden oder zumindest abzuwarten - auf einen günstigen Moment. Das ist der Unterschied.