Polizeihauptmann Paul Grüninger half vielen Juden in der CH

Der zerstörerische Krieg von Hitler und seinen Schergen gegen Europa

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Orianne
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Von Gefühlsduselei hält Ruth Roduner (92) nichts. «Wenn man 3000 Leuten das Leben rettet, ist das eine gute Sache.» Nicht mehr und nicht weniger. Seit einer Hüftoperation etwas wackelig auf den Beinen, steht sie auf der Grenzbrücke zwischen der Schweiz und Österreich und erzählt von den Ereignissen vor rund 75 Jahren. Die Brücke ist nach ihrem Vater, dem Kriegshelden Paul Grüninger, benannt. Auf der Gedenktafel steht in Deutsch, Englisch und Hebräisch: «In dankbarer Erinnerung an den St. Galler Polizeikommandanten Paul Grüninger, der an dieser Grenze 1938 und 1939 viele Hundert Menschen vor der nationalsozialistischen Verfolgung rettete, indem er ihnen die Flucht in die Schweiz ermöglichte.Sein Name steht stellvertretend für die mutigen Frauen und Männer auf beiden Seiten der Grenze, die Flüchtlingen geholfen haben.» Ruth Roduner zeigt auf den Alten Rhein, der hier zwischen Diepoldsau und dem vorarlbergischen Hohenems ein Rinnsal bildet. «Durch dieses Wasser sind bei Nacht und Nebel viele jüdische Flüchtlinge aus Österreich gewatet.» Ihr Vater habe dann über das Bleiben der Immigranten entschieden.

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Polizeihauptmann Paul Grüninger in Uniform (Bild aus meiner Sammlung, koloriert)

Eine jüdische Zeugin erinnert sich im Dokumentarfilm «Grüningers Fall» nur zu gut an die erlösenden Worte Paul Grüningers: «Kopf hoch, Meitli! Jetzt bist du in der freien Schweiz.» So und ähnlich klang es bei Hunderten anderen, wenn Paul Grüninger an die Grenze gerufen wurde, wenn er die Flüchtlinge in seinem Büro in St. Gallen oder im Flüchtlingslager Diepoldsau empfing. Er allein entschied über ihr Bleiben. Von Hunderten ist oft die Rede, doch Grüninger selbst gab kurz vor seinem Tod in einem Fernsehinterview an, rund 3000 Juden vor dem Deutschen Reich gerettet zu haben. Viele von ihnen kamen aus Wien, wurden von Schleppern über die Grenze gebracht oder versuchten ihr Glück durch das Wasser. Wer nach der Grenzsperre im August 1939 einreiste, wurde sofort zurückgeschickt. Auch Schüsse sollen an der Grenze gefallen sein.

Heute nennt man es Zivilcourage, damals «Schlampereien»

Das Mitgefühl Paul Grüningers, des Polizeihauptmanns mit dem stets korrekten Mittelscheitel und dem ungewöhnlichen Zwicker mit nur einem Ohrenbügel, ging so weit, dass er die Einreiseakten der israelitischen Flüchtlingshilfe vordatierte. Somit legalisierte er die Einreise im Nachhinein. «Es ging darum, Menschen zu retten, die vom Tod bedroht waren. Wie hätte ich mich unter diesen Umständen um bürokratische Erwägungen und Berechnungen kümmern können?», schrieb er in seinem Lebenslauf.

Heute nennt man es Menschlichkeit oder Zivilcourage. Die Behörden, damals in Angst vor der «Verjudung der Schweiz», nannten es «Schlampereien auf dem Polizeikommando». Die Fälschung der Einreisepapiere kostete den gelernten Lehrer seinen Beruf und seine Existenz. Als alles aufflog, wurde er fristlos entlassen, musste seine Dienstwohnung räumen und hatte keinen Anspruch auf Rente. Sogar Geisteskrankheit, «Charakterdefizite im Sinne fehlender Hemmungen», wurden ihm vorgeworfen. Lange munkelte man, Paul Grüninger habe von den Flüchtlingen Geld angenommen. Bei solchen Vorwürfen schüttelt seine Tochter Ruth Roduner nur den Kopf. «Die haben ja gesehen, in welch ärmlichen Verhältnissen wir lebten.» Auch ihr Vater hatte stets beteuert, nie einen Rappen genommen zu haben.

Paul Grüninger wurde vom Bezirksgericht St. Gallen wegen Amtsgeheimnisverletzung und Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe von etwa 1300 Franken verurteilt, dem Doppelten seines damaligen Monatslohns. Er legte keine Berufung ein, sah aber die «Ungehörigkeit seiner Verbrechen» nicht ein. Später schrieb er: «Ich schäme mich dieser Verurteilung nicht. Im Gegenteil, ich bin stolz darauf, vielen Hunderten von schwer Bedrängten das Leben gerettet zu haben!»

Tochter Ruth musste die Handelsschule in Lausanne abbrechen, kehrte zur Familie nach St. Gallen zurück und suchte eine Stelle. Doch dies stellte sich als nicht einfach heraus. «Man sah meinen Vater als Verbrecher an. Ich bekam eine Absage nach der anderen, bis ich in einer jüdischen Textilfirma eine Anstellung fand.» Sie verdiente 120 Franken im Monat und konnte damit gerade die Miete für die St. Galler Wohnung bezahlen, in der sie fortan mit ihrer zwölf Jahre jüngeren Schwester Sonja, ihrer Mutter Alice und ihrem Vater wohnte. Sie seien zwar nie schlecht behandelt worden, die wahren Freunde konnte die Familie aber plötzlich an einer Hand abzählen. «Von einem Tag auf den anderen waren wir niemand mehr.»

Seine restlichen drei Jahrzehnte lebte Paul Grüninger von Gelegenheitsjobs, verkaufte Drucksachen, Schweinefutter oder Stoffe. Er fand nie wieder eine feste Anstellung. Man habe damals kein grosses Theater gemacht, geschweige denn offen über die Geschehnisse geredet, sagt Ruth Roduner, auf die Stimmung zu Hause angesprochen. Sie habe dem Vater die Enttäuschung zwar angemerkt, «und trotzdem betonte er bis zu seinem Tod, er würde wieder gleich handeln. Darauf bin ich stolz.»


Der Fall Grüninger: Chronologie der Ereignisse


11./12. März 1938: Anschluss Österreichs ans Dritte Reich. Eine erste Fluchtwelle beginnt.

28. März 1938: Der Schweizerische Bundesrat beschliesst die Einführung der Visumspflicht für Inhaberinnen und Inhaber österreichischer Pässe.

14. August 1938: An der Grenze in Diepoldsau-Schmitter wird ein Auffanglager für jüdische Flüchtlinge eröffnet. Im Innern des Kantons St. Gallen bestehen weitere Lager oder Flüchtlingsheime.

19. August 1938: Der Bundesrat beschliesst eine Grenzsperre: Österreichische Flüchtlinge ohne Visum sind ab sofort ausnahmslos zurückzuweisen.

4. Oktober 1938: Der Bundesrat stimmt einer Vereinbarung mit Deutschland über die Einführung des Judenstempels zu.

9./10. November 1938: Die Reichskristallnacht löst eine weitere Fluchtwelle aus.

6./7. Januar 1939: Heinrich Rothmund, der Chef der Eidgenössischen Fremdenpolizei, reklamiert wegen der hohen St. Galler Flüchtlingszahlen und fordert von Regierungsrat Valentin Keel eine Untersuchung.

26. Januar 1939: Grüninger legt Valentin Keel «bereinigte» Einreisezahlen vor.

31. März 1939: Der St. Galler Regierungsrat beschliesst die Suspendierung Paul Grüningers und leitet ein Strafverfahren gegen den Hauptmann ein.

1. Oktober 1940: Öffentliche Verhandlung des Bezirksgerichts St. Gallen gegen Paul Grüninger. Anklage: Verletzung der Amtspflicht, Urkundenfälschung.

September 1971: Paul Grüninger wird von der israelischen Behörde Yad Vashem mit der «Medaille der Gerechten» ausgezeichnet.


22. Februar 1972: Paul Grüninger stirbt im Alter von 80 Jahren.


1993: Paul Grüninger wird durch die St. Galler Regierung politisch rehabilitiert, zwei Jahre später vom Bezirksgericht St. Gallen freigesprochen.

1998: Der Grosse Rat des Kantons St. Gallen entschädigt die Nachkommen Paul Grüningers für die entstandenen Lohn- und Renteneinbussen des Hauptmanns mit 1,3 Millionen Franken. Mit dem Betrag gründen sie die «Paul Grüninger Stiftung», die jährlich weltweit einen Preis von 50'000 Franken an Menschen mit besonderer Zivilcourage verleiht. Der Preis ging bisher unter anderem nach Afghanistan und nach Kolumbien.
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Triton
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Woher wusste denn Grüninger so früh, dass den Juden der Tod drohte?
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Marek1964
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Das war ein grossartiger Mann, dessen Mut leider erst nach seinem Tod ausreichend gewürdigt worden ist. Ein ähnliches Schicksal erfuhr auch Louis Häfliger, der Befreier von Mauthausen.

¨http://de.wikipedia.org/wiki/Louis_H%C3%A4fliger
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Marek1964
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Triton hat geschrieben:Woher wusste denn Grüninger so früh, dass den Juden der Tod drohte?
Weitsichtige Leute sahen das schon vor 1933, Juden ganz besonders. Ich habe einmal den Film gesehen, als Hitler mein Kaninchen stahl. Es waren politisch aktive, wohlhabende Juden, die noch vor dem 30. Januar 1933 in die Schweiz geflohen sind.

Ausserdem war das Engagement nach der "Reichskristallnacht", da konnte eigentlich schon klar werden, wohin die Reise geht.
Auch wenn man da noch vielleicht nicht die letzte Sicherheit über den Holocaust haben konnte, die Menschenverachtung war schon klar und eigentlich Grund genug, den Juden Asyl zu gewähren.

Ich habe auch das Drame vom tschechischen Autor Karel Čapek "die weisse Krankeit gelesen, erschienen 1937. Dort wird der "Marschall" (gemeint Hitler) zitiiert: Dieses kleine Volk, hat doch gar kein Recht auf Leben.
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Orianne
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Der damalige Dorfarzt und Bezirksarzt von Baden in Wettingen AG Schweiz verbrachte jedes Jahr 6 Wochen in Ascona seinen Urlaub, dort verkehrte er mit vielen Intellektuellen aus Deutschland, schon 1934 wusste er, was im KZ Dachau vor sich ging, er schrieb in seinem Tagebuch: "Schauerliches passiert im Land der Dichter und Denker, Schriftsteller werden in Zellen wie Hunde angekettet, und müssen aus Näpfen am Boden ihre Nahrung zu sich nehmen - Was ist nur aus diesem Land geworden, wie wird es enden".

Bei Grüninger war es so, dass sich diese Polizeioffiziere zwei Mal mindestens im Jahr trafen, wenn einer seine Akten genau durchlas (Protokolle von Flüchtlingen), dann wusste er sicher Bescheid. Grüninger zeigte Zivilcourage und wurde dafür hart bestraft, wobei er eben schon gegen das Gesetz der Urkundenfälschung verstiess.

Trotzdem war Paul Grüninger ein feiner Mann mit einem guten Charakter, es gab aber noch viele anonyme Helfer, die nie namentlich genannt wurden oder werden.
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Peppone
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Triton hat geschrieben:Woher wusste denn Grüninger so früh, dass den Juden der Tod drohte?
Vielleicht, weil Hitler das - bevor er Mitte der 20er Jahre begann, die bürgerlichen Wähler und die Industriellen zu umwerben - laut und deutlich gesagt hat? Auch was in Dachau ablief, konnte man sich zusammenreimen, in den örtlichen Zeitungen ist kurz nach Errichtung des KZ deutlich darauf hingewiesen worden, allerdings mit dem Zusatz, dass dort ja eh nur Verbrechen hinkämen, die solche Behandlung verdient hätten. Und wenn dann einer der Insassen wieder zurück kam - in den frühen 30er Jahren, als dort "nur" politische Häftlinge saßen, war dies durchaus die Regel - konnte man an seinem oft drastisch veränderten Wesen erkennen, dass die Andeutungen in den Zeitungen mitnichten übertrieben waren...

Beppe
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Triton
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Da es 1940 noch den Madagaskarplan gab, konnte Grüninger nicht gewusst haben, dass den Juden der industrielle Massenmord drohte. Wussten ja 1938 nicht einmal die Nazis selbst. Also da schwindelte Grüninger natürlich schon.
http://de.wikipedia.org/wiki/Madagaskarplan
Hätte mich nicht gewundert, wenn Geld eine Rolle gespielt hätte, wie so oft bei späten Judenfluchten ohne Schmiermittel nichts lief.

Warum wehrte sich die Schweiz damals so vehement gegen jüdische Flüchtlinge? Ich nehme an, viele brachten Geld mit, viele zogen weiter.
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Orianne
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@Triton: Den Massenmord nicht, aber dass den Juden physische und psychische Gewalt angetan wurde, dass wusste er, dass wussten auch viele gewöhnliche Leute in der Schweiz spätestens seit 1935, natürlich gab es damals schon Schleuser, die für Geld Schleichwege zeigten, aber Grüninger nahm nie Geld, er hatte einen guten Lohn, er machte das aus Menschenliebe und wegen seinem Gewissen.

In der Schweiz gab es auch Leute in hohen Positionen, die fürchteten, das Land würde "verjudet", merkwürdiges Wort, aber es war eine Tatsache, auch General Guisan war in einer antisemitischen Bewegung als Mitglied. Der Gesamtbundesrat fürchtete bei so vielen jüdischen Flüchtlingen einen baldigen Einmarsch der WH.
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Marek1964
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Triton hat geschrieben:Da es 1940 noch den Madagaskarplan gab, konnte Grüninger nicht gewusst haben, dass den Juden der industrielle Massenmord drohte. Wussten ja 1938 nicht einmal die Nazis selbst. Also da schwindelte Grüninger natürlich schon.
http://de.wikipedia.org/wiki/Madagaskarplan
Hätte mich nicht gewundert, wenn Geld eine Rolle gespielt hätte, wie so oft bei späten Judenfluchten ohne Schmiermittel nichts lief.

Warum wehrte sich die Schweiz damals so vehement gegen jüdische Flüchtlinge? Ich nehme an, viele brachten Geld mit, viele zogen weiter.
Und warum wehrte sich Kanada mit dem berühmten Spruch MacKenzie Kings "even None is too much" schon Jahre vorher? Ein Riesenland, ohne Gefahr von wo auch immer? DIe Konferenz von Lausanne offenbarte schon vorher den Unwillen, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen. Obwohl es doch nicht wirklich ein Problem gewesen wäre, für keines der Länder,auch alle deutschen Juden aufzunehmen. Und wie schon erwähnt: auch ohne Todesbedrohung hätten sie Asyl verdient.

Dass Du einem grossartigen Menschen wie Paul Grüninger Schwindel vorwirfst, darüber kann ich nur den Kopf schütteln. Der Mann hat einen Baum in Jad Waschem.

Auch Charlie Chaplin durchschaute Hitler und ahnte seine Verbrechen noch bevor er sie begannen. Wie Karel Čapek sahen halt wie so manche Leute voraus, wohin Hitlers Reise ging. Andere, wie Chamberlain und die Appeaser, wollten es nicht sehen.
Zuletzt geändert von Marek1964 am 27.09.2014, 22:32, insgesamt 1-mal geändert.
RedScorpion

Wenn man vllt irgendwie zum Konsens kommen könnte, dass industrieller Massenmord mit Zyklon B noch nicht erprobt bzw. Wannsee eben noch in der Zukunft lag (und N.B. auch vor Wannsee hatte es bereits hunderttausendfachen Mord in Galizien, z.B., eben mit "traditionellen" Mitteln und durch die WH),

wusste man aber doch immerhin genug, um zu wissen, dass durch den NS in D massenhafter Mord verübt wurde. Stichwort Pogrommorde Nov. 1938, aber nicht nur. 1934 war in Erinnerung geblieben, den Anschluss fand man sehr bedenklich (aus vielerlei Gründen, auch unredlichen), und nicht nur in der Schweizer Presse (die u.a. auch Streicher bezog, was ihn in Nürnberg an den Galgen brachte, als er sich depperterweise damit herauszureden suchte, er habe von nix gewusst), auch in GB schrieb man über organisierte Verbrechen durch den NS.

Chaplin sagte, frei wiedergegeben, dass er den Film über Hinkel nicht gemacht hätte, hätte er das wahre Ausmass der Morde durch den NS auch nur annähernd geahnt.

Aber ein kleiner Teil von Viel ist immer noch viel.

Das war schon das Mittel, mit dem Speer das Trial in Nürnberg gelinkt hatte.



LG
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Triton
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Hat Schindler nicht auch Geld genommen? Aendert doch erstmal nichts an seinen Taten.
Grueninger riskierte seine Stelle, er war, wie oben erwaehnt, eben nicht besonders gut situiert, wer haette ihm das veruebelt?
Zumindest die Schlepper mussten gewusst haben, dass der sich der kleine Ort Hohenems besonders eignete.
Was waere eigentlich mit Georg Elser in der Schweiz passiert? Kein Jude, aber ein in Deutschland gesuchter Verbrecher.

Aus Klemperers Tagebuechern weiss man, dass es vor dem Krieg zumindest im alten Reichsgebiet noch relativ sicher war, wenn auch alles andere als angenehm. Die Pogromnacht provozierte internationale Proteste, noch konnte sich das Regime das nicht beliebig leisten. Daher denke ich, ist es schon richtig, wenn Grueninger in diesem Punkt etwas uebertrieb.

Das schlechte Ansehen nach dem Krieg teilte er leider mit vielen, die sich nicht zu Erfuellungsgehilfen der Nazis gemacht haben.
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Marek1964
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Triton hat geschrieben:Hat Schindler nicht auch Geld genommen? Aendert doch erstmal nichts an seinen Taten.
Grueninger riskierte seine Stelle, er war, wie oben erwaehnt, eben nicht besonders gut situiert, wer haette ihm das veruebelt?
Was sollen diese Spekulationen? Wo wurde erwähnt, dass ein Schweizer Beamter nicht gut situiert war? Jedenfalls gut genug, um nicht seine Postion "wegen ein paar Juden" zu riskieren. Gibt es irgendwo Hinweise, dass er Geld bekommen hat?

Der Vergleich mit Schindler hat aber insofern eine gewisse Berechtigung, als dass zwar Schindler tatsächlich zuerst Geld genommen hat, später aber dieses für die Rettung "seiner" Juden wieder "verbraten" hat.

Triton hat geschrieben:Aus Klemperers Tagebuechern weiss man, dass es vor dem Krieg zumindest im alten Reichsgebiet noch relativ sicher war, wenn auch alles andere als angenehm.
.
Relativ sicher? Inwiefern? Wo war es weniger sicher? Steht das wirklich bei Klemperer? Würde mich wundern.
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Triton
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Marek1964 hat geschrieben:Was sollen diese Spekulationen? Wo wurde erwähnt, dass ein Schweizer Beamter nicht gut situiert war? Jedenfalls gut genug, um nicht seine Postion "wegen ein paar Juden" zu riskieren.
Orianne hat geschrieben:«Die haben ja gesehen, in welch ärmlichen Verhältnissen wir lebten.» Auch ihr Vater hatte stets beteuert, nie einen Rappen genommen zu haben.
In Deutschland waren Beamte bis in die 60er Jahre bettelarm, meine Mutter kannte noch Gedichte vom "armen Dorfschullehrlein", teilweise wurde sogar gehungert. Die Ärmelschoner der Beamten waren notwendig, weil kein Geld für neue Hemden da war. Die schweizer Verhältnisse kenne ich nicht, aber wenn ein Lehrer noch nebenher Grenzpolizist war, dann wohl eher aus finanziellen Zwängen.
Marek1964 hat geschrieben:Relativ sicher? Inwiefern? Wo war es weniger sicher? Steht das wirklich bei Klemperer? Würde mich wundern.
Klemperers bauten noch in den späten 30ern ein Haus. Lesen bildet. Relativ sicher im Vergleich zu den Kriegsjahren als sich die Welt nicht mehr für das Schicksal der Juden in Deutschland interessierte.
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Orianne
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Triton hat geschrieben:
Marek1964 hat geschrieben:Was sollen diese Spekulationen? Wo wurde erwähnt, dass ein Schweizer Beamter nicht gut situiert war? Jedenfalls gut genug, um nicht seine Postion "wegen ein paar Juden" zu riskieren.
Orianne hat geschrieben:«Die haben ja gesehen, in welch ärmlichen Verhältnissen wir lebten.» Auch ihr Vater hatte stets beteuert, nie einen Rappen genommen zu haben.
In Deutschland waren Beamte bis in die 60er Jahre bettelarm, meine Mutter kannte noch Gedichte vom "armen Dorfschullehrlein", teilweise wurde sogar gehungert. Die Ärmelschoner der Beamten waren notwendig, weil kein Geld für neue Hemden da war. Die schweizer Verhältnisse kenne ich nicht, aber wenn ein Lehrer noch nebenher Grenzpolizist war, dann wohl eher aus finanziellen Zwängen.
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Eben darum war Paul Grüninger hauptamtlich St. Galler Polizeikommandant,und nicht nebenamtlicher Grenzpolizist, weil der Lehrerberuf schlecht bezahlt war, und es zum Teil heute immer noch ist.

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Der Historiker Edgar Bonjour brachte 1970 die vor allem unter Intellektuellen und Medienschaffenden vorherrschende Haltung auf den Punkt: «Die ganze damalige Generation hat versagt und ist mitschuldig.» Mit dem Bergier-Bericht wurde diese Haltung Ende des letzten Jahrhunderts offiziell: Die Schweizer Politik habe nicht nur viel Leid verursacht, sondern auch dazu beigetragen, «dass die Nationalsozialisten ihre Ziele erreichen konnten» (Schlussbericht der Bergier-Kommis­sion).
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Wie wird denn ein Lehrer Polizeikommandant einer mittelgroßen Stadt? Ist das ein Beruf, der keine besonderen Kenntnisse voraussetzt?
Wenn selbst der Kommandant ärmlich lebte, wie ging es dann erst Streifenpolizisten?
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