Buxtehude mon amour

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Moderator: Barbarossa

Marianne.

Die Geschichte Buxtehudes und ein wenig Drumherum
Buxtehude liegt am südlichen Rand des Urstromtales der Elbe und wandelte sich von einer alten Stadtfestung im Moor zu einer ganz besonderen Kleinstadt mit derzeit 41.000 Einwohnern.
Buxtehude ist eine alte, stolze Hansestadt und mehr als nur die Stadt von Has' und Igel.
Gekennzeichnet wird die Region von Deichen und Warften, da sich die Menschen über die Jahrhunderte hinweg vor den Sturmfluten an Este und Elbe schützen mussten.
Allerdings war den beiden Flüssen aber auch ein florierender Handel zu verdanken. In Buxtehude herrschte ein reges Markttreiben, da der Ort gut zu Lande oder mit dem Schiff zu erreichen war. Zeugen dieser Vergangenheit können heute noch besucht werden. Hervorzuheben wäre in diesem Fall die Flethmühle und der Ewer "Margareta".

Im Jahre 1303 wurde für Buxtehude bereits ein Rathaus erwähnt und das älteste Siegel der Stadt stammt nach der Altkloster-Urkunde vom 7. März 1304. Am 5. Juli 1328 kam es dann zur Stadtrechtsverleihung.
Seit Oktober 2007 ist Buxtehude der Anfangs- und Endpunkt der Deutschen Märchenstraße (von Hanau bis Buxtehude).

Wie schon bemerkt, Buxtehude liegt zwar nicht direkt an der Elbe, aber fast und das macht sich immer gut. Buxtehude liegt an dem bezaubernden Flüsschen Este; hin und wieder begradigt, dann wieder freigelassen und in Buxtehude tiefer gelegt. Buxtehude ist eingedeicht und das muss auch so bleiben.
Denn bei der großen Sturmflut vom 16. auf den 17. Februar 1962 brachen die Deiche und das Wasser mit einem Höchststand von 2,38 m über Normalnull (NN) hatte 1/3 des Stadtgebietes überflutet.
Für die vielen Flüchtlinge, die aus Hamburg nach Buxtehude kamen, wurden Notquartiere eingerichtet. Buxtehudes Hebammen mussten Sonderschichten einlegen, da viele Babys durch den großen Schrecken einfach zu früh auf die Welt kamen.

Das derzeitige Buxtehude zeichnet sich durch eine gewisse Modernität aus. Wirtschaftlich geht es gut voran und eine Werbebotschaft aus den Achtzigerjahren kann das gut belegen. Die Plakate mit dem Slogan "Buxtehude - Paris - New York" wurden natürlich belächelt, beleuchteten aber die Identität eines echten Buxtehuders.

Es gibt also die echten Buxtehuder, das sind die geborenen Buxtehuder und die sind Mitglied im Schützenverein.
Dann gibt es noch die gelernten Buxtehuder, die sind irgendwo geboren, haben sich im Buxtehuder Straßenchaos verlaufen und sind dann vorsichtshalber sesshaft geworden. Und zu diesen Glückseligen gehört Marianne E..

Buxtehude mit lebendiger Stadtarchäologie
Im Februar 1985 wurde ein Baugebiet am Ottenser Weg vorab archäologisch untersucht. Gefunden wurde neuzeitliche und mittelalterliche Keramik, außerdem Bruchstücke von Klosterformatziegeln und Dachpfannen. Die Keramiken wurden auf die Zeit zwischen römischer Kaiserzeit und der Karolinger Zeit bestimmt.
Es wurden die Grundrisse des Kloster Dohren mit Nebengebäuden freigelegt, die heute noch besichtigt werden können.
Bemerkenswert ist auch noch, dass Steinöfen aus den Jahren um 1300 herum ausgegraben werden konnten. Ein Klappstuhl aus der Bronzezeit ist wohl auch ein besonderer Fund.
Am Eingang der Innenstadt befindet sich der Marschtorzwinger, der ein Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung war.
Das Rathaus der Stadt Buxtehude, die meisten alten Häuser samt Innenleben stehen unter Denkmalschutz und sind mit einem erheblichen finanziellen Aufwand restauriert bzw. saniert worden.

Das "Buxtehuder Modell" / Die Halepaghen-Schule
Aus einer Urkunde aus dem Jahre 1390 geht hervor, dass es damals schon eine Schule in Buxtehude gegeben hat. Deshalb wurde 600 Jahre später das Jubiläum "600 Jahre Halepaghen-Schule" gefeiert.
Der Namensgeber dieser Schule war ein Buxtehuder Bürger, der ein gottesfürchtiger und gelehrter Mann mit großem Einfluss und mit vielen ehrenvollen Kirchenämtern war. So war er u.a. auch Vikar an der St. Petri-Kirche. Sein Name war Gerhard Halepaghe, er lebte von 1420 bis 1485. Ein Denkmal in einem Brunnen erinnert an ihn.

Nun kann man feststellen, dass besonders zwei Dinge Buxtehude weit über Norddeutschland hinaus berühmt gemacht haben.

Das erste Ding ist der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem hinterlistigen Igel. Darüber gibt es Märchenbücher, ein Theaterstück und Eintragungen in verschiedene Stadtführer.
Mir gefällt dieses erste Ding überhaupt nicht. Es handelt sich bei dem "hinterlistigen Igel" in Wirklichkeit und zwei Igel. Einer stand am Anfang der Rennstrecke und der andere an deren Ende. Für mich ist das Betrug und ich habe meinen Kindern eine modifizierte Fassung erzählt.
Das Fazit müsste sonst lauten:  In Buxtehude bleibt der Schnellere auf der Strecke, der Langsame gewinnt.

Das zweite Ding gilt dem "Buxtehuder Modell" aus dem Jahre 1966. Dieses Ding ist schulischer und pädagogischer Art und wird als Buxtehuder Schulexperiment bezeichnet.
Im Jahre 1966 hat die Halepaghen-Schule die Gymnasiale Oberstufe, und zwar die Klassenstufen 12 und 13, neu gestaltet. Das Buxtehuder Modell war zunächst ein riesengroßes Medienspektakel mit zum Teil irrwitzigen Äußerungen.
"Schüler suchen ihre Lehrer selber aus"
"Schuleschwänzen erlaubt"
Die Realität war das Kurssystem nach einem Vorlesungsplan für die "formierte Oberstufe". Es gab (und gibt) Pflichtfächer und Wahlfächer.
Bereits 1972 beschlossen die deutschen Kultusminister, Teile der Reform in die neu eingeführte Oberstufenverordnung zu übernehmen.

Der Estering mitten im Naturschutzgebiet ist eine Rennstrecke für Rallycross-Rennen.
Der Estering liegt im Estetal und ist von Buxtehudes Stadtmitte 1,5 km entfernt und von Hamburg 35 km.
Das erste Rennen fand am 21. Mai 1972 statt. Das war der Tag der Rallycross-Premiere. Und am 20./21. September 2014 wurde zum ersten Mal ein Rennen der FIA-World-Rallycross-Championship auf dem Estering ausgetragen.
Jährlich finden maximal vier internationale Rallycross-Rennen statt. Darüber hinaus verbieten die zuständigen Behörden weitere Nutzungen. Die Auflagen für die Renntage hinsichtlich des Umweltschutzes sind außerordentlich umfangreich und werden selbstverständlich auch eingehalten. Davon habe ich mich als dafür zuständiges Ratsmitglied überzeugen können.

Das Buxtehuder Museum ist derzeit geschlossen.
Es wird umfangreich saniert und erweitert. Nach Fertigstellung wird es auch den erforderlichen Platz für die Alt-Sachsen haben.
Dabei geht es in der Hauptsache um das altsächsische Gräberfeld von Immenbeck mit seinen mehr als 260 Gräbern.

Starke Frauen und ein Paradigmenwechsel in Buxtehude
Buxtehude war schon immer eine männerbündische Schutz- und Trutzburg mit einer ungebrochenen Kette patriarchaler Herrschaft, bis 1993 eine Frau Stadtdirektorin wurde und heute ebenfalls eine Frau dieses Amt innehat.
Das war 1993 für Buxtehude ein Paradigmenwechsel, der nicht ohne Konsequenzen blieb. Denn was passiert, wenn plötzlich Schlüsselfunktionen von einer Frau beansprucht und erobert werden?
Dieser Frage ging eine Journalistin nach, untersuchte den Sachverhalt, schrieb darüber ein Buch und erledigte gleichzeitig mit diesem Werk ihre Dissertation.
Die Stadtdirektorin von 1993 sollte nach kaum einem Jahr im Amt wieder entlassen werden. Peinlich, peinlich war die Geschichte und öffentlich männerbündisch ausgetragen.
Welche Kräfte zusammenwirkten, um die "Neue" aus dem Amt zu jagen und warum das System so aggressiv auf weibliche Eingriffe reagierte, zeichnet das unten erwähnte Buch "Männerland in Frauenhand" akribisch nach.

Eine Starke Frau war Lisa Peters (1933-2010), Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft, Mitglied des Bundestages in Bonn von 1990 bis 1998.
Von 1978 bis 1991 war sie die erste stellvertretende Bürgermeisterin Buxtehudes. Darüber hinaus arbeitete sie unermüdlich zum Wohle der Gemeinschaft in unendlich vielen Institutionen und erhielt dafür das Bundesverdienstkreuz und das Niedersächsische Verdienstkreuz am Bande.
Sie machte Mut, stand für Demokratie und Menschlichkeit. Sie wird unendlich vermisst. 

Ein Skandal ist das Folgende vielleicht nicht, eher eine menschliche Tragödie.
Ein junger Mann, der in einer offenen Psychiatrie untergebracht ist, haut immer wieder ab, klaut sich einen Hammer und zertrümmert wieder und wieder Scheiben bei der Buxtehuder Sparkasse. Anschließend geht er zur Polizei, erzählt, was er gemacht hat und gibt den wieder Hammer ab. Auf Fragen, warum er das denn täte, sagt er "die Sparkasse hat meine Mutter geärgert". Was aber nicht stimmt, sagt die Mutter.

Das war ein wenig über Buxtehude und Drumherum. Es wäre noch viel zu erzählen. Aber, come and see.

Quellen:
Ehrich, Karin (2009): Lisas Weg. Porträt einer Liberalen aus dem ländlichen Raum, Hannover.
Halepaghen-Schule (1991): 600 Jahre Halepaghen-Schule. Festschrift zum Jubiläum, Buxtehude.
Scherzer-Hartz, Ingrid (1997): Männerland in Frauenhand. Ein Frontbericht aus Buxtehude, Buxtehude.
Stadtsparkasse Buxtehude (Hrsg.) (1986): Fundort Buxtehude. Ein archäologischer Rundgang durch Buxtehude, Buxtehude. 
Stadtsparkasse Buxtehude (Hrsg.) (1993): Blick in Buxtehudes Vergangenheit. Geschichte einer Stadt, Buxtehude.
Stephainski, Andreas (Hrsg.) (2015): Zeit Reise. 1200 Jahre Leben in der Hansestadt Buxtehude, Stade.
https://www.estering.de
https://de.wikipedia.org/wiki/Estering
https://www.tageblatt.de/home artikel.-Mann-zertruemmert-immer-wieder-Scheiben- arid.1452890.html
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Balduin
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Vielen Dank für den interessanten Artikel. Buxtehude ist in meiner Heimat (Baden-Württemberg) ein Synonym für eine abgelegene Gegend - aber es ist ja gerade das Gegenteil der Fall. Du hast das sehr interessant geschildert. Ein paar Bilder würden mich noch interessieren, wenn du mal einen Foto zur Hand hast, gerne hier hereinstellen.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Feldwebel57
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Auch meinen Respekt vor deiner Arbeit !
Leider fehlen Angaben zum Verlauf des 2. Weltkrieges .
Balduin hat es schon angedeutet , es gibt auch bei uns das Sprichwort , wenn einer keine Ahnung hat , sagt man " Kommst du aus Buxdehute " ?
Marianne E.
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Lieber Balduin, lieber Feldwebel57,
Buxtehude war für meine, damals noch kleinen Kinder auch nur das Synonym für Pusemuckel.
Es gab übrigens auch einen Komponisten mit dem Namen Buxtehude; stammte aber nicht von hier.

Ich hab bei commons-wiki richtig schöne Bilder von Buxtehude gefunden und immer wieder versucht, sie in den Artikel einzufügen. Es hat nicht geklappt. Schließlich habe ich dann nur geschrieben.
Und dann hatte ich auch noch versäumt, mich anzumelden. Ich konnte deshalb auch nicht Korrektur lesen oder das Layout verändern. Deshalb steht da oben die  "einfache" Marianne. Manchmal ist alles zum Weinen.

Der 2. Weltkrieg, lieber Feldwebel57, hat in Buxtehude auch Spuren hinterlassen. In dem großen Eingangstor eines denkmalgeschützten Bürgerhauses sind heute noch Einschusslöcher vorhanden. Die bleiben, weil auch die Löcher denkmalgeschützt sind.
Marianne E.
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Nach Buxtehude - mon amour
und Buxtehude in Bildern und kessen Sprüchen
folgt nun der dritte Beitrag  Buxtehude - Stadt im Moor.
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