Indoeuropäische Urheimat

Kulturentwicklung, Neandertaler, Altsteinzeit, Anfänge des Menschen, homo erectus

Moderator: Barbarossa

Ruaidhri
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Zwar nicht völlig unbeleckt von linguistischen Fachbegriffen, vermag ich aber absolut nicht zu beurteilen, wer in dieser Polemik die besseren Argumente hat.
Hätte es heißen müssen! :oops:
Ich denke, wir stehen noch lange nicht am Ende der Forschungen, sondern lernen neue Zwischenergebnisse kennen, die zumindest Anlass zum Nachdenken geben, ob die altgewohnten Denkmuster richtig sind,bzw. ob die schwarz-weiß- Sicht so gehalten werden kann.
Die Gen-Forschung- die Harvard-Ergebnisse kenne ich- spricht oberflächlich gesehen schon für starke Zuwanderung. Das schließt dennoch einen zweiten Entwicklungsstrang an den "Nahtstellen" nicht aus.
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LG Ruaidhri
Paul
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Dietrich hat geschrieben:Hierzu auch:

"Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben." (s. Wiki)

Dazu dieser Ausatz: Massive migration from the steppe is a source for Indo-European languages in Europe http://biorxiv.org/content/early/2015/02/10/013433
Diese Studie schließt aber nicht aus, das die Zuwanderung schon in der Trichterbecherzeit erfolgte. Die Verbreitung der Trichterbecherkultur bis in den Raum der Jamnaja Kultur weist in diese zeitliche Abfolge.
Es müßten aber auch die Menschen der benachbarten Kulturen, z.B. der nördlich gelegenen Kultur als Ursprung der nördlichen Indogermanen und natürlich die Menschen in Mitteleuropa selbst ausgeschlossen werden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Jamnaja-Kultur
viele Grüße

Paul

aus dem mittelhessischen Tal der Loganaha
Spartaner
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Vorindogermanische Flussnamen werden nur für West- Mitteleuropa und Osteuropa, den Donauraum dem Mittelmeerraum und Süsschweden postuliert. Für Nrddeutschland gibt es kein Kontinuum solcher Namen .

"Der Begriff Alteuropa wurde von der Archäologin Marija Gimbutas für archäologische Kulturen des Neolithikums und der frühen Kupferzeit in Europa verwendet. Gemäß M. Gimbutas sei Alteuropa vor Einwanderung der Indoeuropäer im Wesentlichen friedfertig und matrilinear organisiert gewesen. "
"Die alteuropäischen Kulturen in diesem Sinne haben sich von West- über Mitteleuropa, den Donauraum bis hin zum Mittelmeerraum und Anatolien erstreckt"
"Archäologische Indizien für die Ausbreitung einer indogermanischen Ursprache während des Neolithikums wurden unter anderem mit der Anatolien-Hypothese von Colin Renfrew erbracht. Marija Gimbutas nahm eine indoeuropäische Einwanderung im Jung-/Endneolithikum an."
"Zu den vorindoeuropäischen Völkern des Alten Europas zählen (teilweise auch anatolischer Herkunft)
die Basken,ndie Etrusker, die Pelasger, die Leleger, die Iberer, die Ligurer (unsicher), die Räter, die Sikanen, die Elymer, die Minoer, die Lusitanier (fraglich), die Bandkeramiker, die Vinča-Kultur und andere.
Sie gelten demnach als älter als die keltischen Stämme, wurden von diesen aber zum größten Teil assimiliert, bevor diese wiederum vor allem sprachlich von den Italikern romanisiert wurden. Andere, wie die Pelasger und Leleger, wurden angeblich von griechischen Stämmen assimiliert oder bestehen, wie die Basken, bis heute als sprachliche Einheit fort."
http://de.wikipedia.org/wiki/Alteuropa_ ... schung%29v
Dietrich
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Paul hat geschrieben:
Diese Studie schließt aber nicht aus, das die Zuwanderung schon in der Trichterbecherzeit erfolgte.
Warum sollte sie? Wir haben das Szenario bereits mehrfach diskutiert: Die nichtindoeuropäische Trichterbecherkultur wurde von den indoeropäischen Schnukeramikern ab etwa 2800 v. Chr. überschichtet bzw. von ihr abgelöst.

"Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben." (s. Wiki)
Paul
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Dietrich hat geschrieben:"Eine 2015 veröffentlichte genetische Studie von Forschern der Harvard Medical School in Boston stellte fest, dass die DNA von Angehörigen der Schnurkeramik-Kultur zu 75 Prozent mit der von Angehörigen der Jamnaja-Kultur übereinstimmt. Demnach muss es im 3. Jahrtausend v. Chr. eine massive Einwanderung von den südrussischen Steppengebieten nach Zentraleuropa gegeben haben." (s. Wiki)
Das kann man daraus nicht schließen. Die Übereinstimmung mit anderen Regionen z.B. Mitteleuropa selbst und die nördlich der Jamnaja Kultur gelegene Region könnten noch höher sein. So isoliert sagt diese genetische Untersuchung praktisch fast nichts aus, wenn ein Vergleich fehlt.
viele Grüße

Paul

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Dietrich
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Paul hat geschrieben: Das kann man daraus nicht schließen.
Wenn die DNA der mitteleuropäischen Schnurkeramiker nahezu komplett mit der nomadischen Bevölkerung der südrussischen Jamnaja-Kultur übereinstimmt, müssen sie von dort zugewandert sein.

Was denn sonst?
Paul
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Dietrich hat geschrieben:
Paul hat geschrieben: Das kann man daraus nicht schließen.
Wenn die DNA der mitteleuropäischen Schnurkeramiker nahezu komplett mit der nomadischen Bevölkerung der südrussischen Jamnaja-Kultur übereinstimmt, müssen sie von dort zugewandert sein.

Was denn sonst?
Eine Übereinstimmung von 75 % kann von der DNA anderer Regionen übertroffen werden z.B. von der zuvor in Mitteleuropa lebenden Bevölkerung o. den Menschen nördlich der Jamnaja Kultur. Es hat definitiv große Zuwanderungen aus Osteuropa gegeben. Doch kann das zu ganz anderen Zeitpunkten u. aus anderen Regionen erfolgt sein.
viele Grüße

Paul

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Dietrich
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Paul hat geschrieben: Doch kann das zu ganz anderen Zeitpunkten u. aus anderen Regionen erfolgt sein.
Da die Trichterbecherkultur nichtindoeuropäisch war, muss die Einwanderung der frühesten Indoeuropäer nach deren Ende erfolgt sein. Und da die Trichterbecherkultur etwa um 2800 v. Chr. verschwindet, ist die indoeuropäische Einwanderung in Mitteleuropa ab etwa zu diesem Zeit anzusetzen: "Die weitaus meisten Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Träger der Kultur mit Schnurkeramik die gemeinsamen Vorfahren der späteren Germanen, Balten und Slawen (die Nordgruppe der Indogermanen, die sogenannte Slawogermanische Gruppe), eventuell auch der Kelten und der Italiker waren, und damit die älteste Einwanderergruppe der indogermanischen Sprachfamilie in Mitteleuropa darstellen."

Die Jamnaja-Kultur wird in Südrussland verortet. Ob ihre Träger aus Zentralasien zugewandert sind, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Marija Gimbutas vermutet das allerdings.
Paul
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Dietrich hat geschrieben: Da die Trichterbecherkultur nichtindoeuropäisch war, muss die Einwanderung der frühesten Indoeuropäer nach deren Ende erfolgt sein.
Wenn du das beweisen könntest, wäre die Mitteleuropatheorie widerlegt, aber keiner kann beweisen, das die Trichterbecherkultur nichtindoeuropäisch war. Ich verstehe auch nicht, das du manchmal schreibst, die Ethnogenese in Mitteleuropa wäre möglich, dich dann aber wieder auf die Invassionstheorie versteifst. Da solltest du dich schon entscheiden. Ich schließe beides nicht aus. Zu einem möglicherweise sehr frühen Zeitpunkt sind Menschen nach Mitteleuropa eingewandert, die zur Entstehung der Indogermanen beitrugen o. sie sind fertig eingewandert, wobei ich eine nördlichere Ursprungsregion und einen früheren Zeitpunkt für wahrscheinlicher halte.
viele Grüße

Paul

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dieter
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Ihr Lieben,
ob nun die Schnurkeramik die erste indoeuropäische Kultur war oder nicht, das bleibt dahin gestellt. Tatsache bleibt aber, dass Indoeuropäer aus Osteuropa und Westasien sich in Europa niederließen. Nochmal meine These, die Indoeuropäer breiteten sich in alle Himmelsrichtungen aus. Sie kamen nach Westchina als Tocharer, nach Nordindien, deshalb dort das Kastensystem, als eine Form des Rassismus. Die höher gestellten Kasten sind weißhäutiger als zum Beispiel die Unberührbaren. Indoeuropäer kamen in den Iran als Perser und Meder und nach Anatolien als Hethiter. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Dietrich
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Paul hat geschrieben:
Wenn du das beweisen könntest, wäre die Mitteleuropatheorie widerlegt, aber keiner kann beweisen, das die Trichterbecherkultur nichtindoeuropäisch war.
Beweisen lässt sich überhaupt nichts, denn es gibt lediglich Hypothesen. Eine davon lautet: "Die weitaus meisten Sprachwissenschaftler gehen davon aus, dass die Träger der Kultur mit Schnurkeramik die gemeinsamen Vorfahren der späteren Germanen, Balten und Slawen (die Nordgruppe der Indogermanen, die sogenannte Slawogermanische Gruppe), eventuell auch der Kelten und der Italiker waren, und damit die älteste Einwanderergruppe der indogermanischen Sprachfamilie in Mitteleuropa darstellen." Diese Feststellung findest du bei http://de.wikipedia.org/wiki/Schnurkeramische_Kultur

Wenn also die Schnurkeramik die älteste indogermanische Kultur Mitteleuropas ist, müssen die vorangehenden vorindoeuropäisch gewesen sein. Und die Trichterbecherkultur geht der Schnurkeramik voraus.
Paul hat geschrieben:Ich verstehe auch nicht, das du manchmal schreibst, die Ethnogenese in Mitteleuropa wäre möglich, dich dann aber wieder auf die Invassionstheorie versteifst. Da solltest du dich schon entscheiden. Ich schließe beides nicht aus.
Ich schließe ebenfalls beide Hypothesen nicht aus. Allerdings erscheint mir die Kurganhypothese der Marija Gimbutas bzw. die Invasionshypothese etwas glaubhafter zu sein. Von einer hypothetischen indoeuropäischen Urheimat zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer lassen sich weitaus besser Wanderwege nach Osten Richtung Indien und Iran sowie nach Westen Richtung Europa vermuten. Eine Wanderung von einer hypothetischen Urheimat Mitteleuropa bis nach Indien erscheint mir eher unwahrscheinlich.
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dieter
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Dietrich hat geschrieben:
Ich schließe ebenfalls beide Hypothesen nicht aus. Allerdings erscheint mir die Kurganhypothese der Marija Gimbutas bzw. die Invasionshypothese etwas glaubhafter zu sein. Von einer hypothetischen indoeuropäischen Urheimat zwischen Schwarzem und Kaspischen Meer lassen sich weitaus besser Wanderwege nach Osten Richtung Indien und Iran sowie nach Westen Richtung Europa vermuten. Eine Wanderung von einer hypothetischen Urheimat Mitteleuropa bis nach Indien erscheint mir eher unwahrscheinlich.
Lieber Dietrich,
das sehe ich genauso. Eine Ausbreitung nach China, Indien und dem Iran dürfte von Mitteleuropa aus doch etwas schwierig sein. :wink: :mrgreen:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Ruaidhri
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Lieber Dietrich,
das sehe ich genauso. Eine Ausbreitung nach China, Indien und dem Iran dürfte von Mitteleuropa aus doch etwas schwierig sein.
Warum war es dann umgekehrt möglich? :wink:
In Ausschließlichkeit hänge derzeit ich keiner der beiden Hypothesen in Absolutheit an, weil sich unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten auftun, die ja nun absolut nicht aus archäologischen Luftschlössern entstanden sind.
Obwohl die genetische Auswertung eine bislang ziemlich deutliche Sprache dafür spricht, dass auf der Ost-West-Schiene mehr Zuzugsverkehr herrschte.
Wir wissen immer noch nicht genug, und so manche Auswertung von Funden brachte Überraschungen, neue Denkansätze, neue Fragen.
Und missing links.
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LG Ruaidhri
Dietrich
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Ruaidhri hat geschrieben: In Ausschließlichkeit hänge derzeit ich keiner der beiden Hypothesen in Absolutheit an, weil sich unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten auftun, die ja nun absolut nicht aus archäologischen Luftschlössern entstanden sind.
Obwohl die genetische Auswertung eine bislang ziemlich deutliche Sprache dafür spricht, dass auf der Ost-West-Schiene mehr Zuzugsverkehr herrschte.
Prinzipiell sind beide Hypothesen denkbar und sie werden ja auch mit guten Gründen von beiden wissenschaftlichen Lagern verfochten.

Bezieht man allerdings neueste Untersuchungen z.B. von David Anthony http://en.wikipedia.org/wiki/The_Horse, ... d_Language und aktuelle Gen-Analysen ein, so scheint sich die Waage gegenwärtig eher in Richtung Invasionstheorie zu neigen.
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dieter
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Lieber Dietrich,
ich hänge auch der Invasionstheorie an, da das Indoeuropäische nicht und in Deutschland uns in Westeuropa gesprochen wird, sondern auch im Iran und großen Teilen von Russland, Afghanistan und Indien. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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