Die Heidenverfolgung in Rom

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Moderator: Barbarossa

Jim Morisson

Im römischen Imperium konkurrierten zahlreiche religiöse Gruppierungen um Anhänger. Dies wurde möglich, da sich im Kaiserreich eine kosmopolitische Bevölkerung herausbildete, vor allem, nachdem 212 n.Chr. alle Freien das Bürgerrecht erhielten und der Gegensatz zwischen den Provinzialen und den eigentlichen Römern an Bedeutung verloren hatte. Seitdem breiteten sich ehemalige Stammesreligionen und provinziale Kulte über die ursprünglichen Grenzen hinaus weiter aus. Der Mithras-Kult, der Isis-Kult, die Manichäer, zahlreiche Mysterienkulte und auch die Christen warben um Mitglieder. Die römischen Kaiser waren tolerant, nur die Christen wurden von Zeit zu Zeit verfolgt, wenn sie die staatliche Autorität herausforderten.
 
Das tolerante Miteinander der Religionen änderte sich aber, als im 4. Jahrhundert die Christen immer mehr an Bedeutung gewannen und dann das Christentum sogar Staatsreligion wurde. Nun begann die Kirche mit Hilfe des Staates systematisch das Heidentum zu vernichten, alle ihre Tempel zu zerstören und häufig mit Kirchen zu überbauen, das Schrifttum zu liquidieren, die Heiden blutig zu verfolgen und notfalls zwangsweise zu bekehren. Das Zerstörungswerk war so erfolgreich, das heute so gut wie gar keine heidnischen Tempel mehr vorhanden sind und auch die Kenntnis um die früheren Kulte fast völlig verschwunden ist.
 
Das Toleranzedikt des Galerius 311 beendete die Christenverfolgungen und das Mailänder Edikt von Konstantin dem Große 313 stellte alle Religionen auf die gleiche Stufe. Konstantin wurde erst am Lebensende selber Christ, vorher huldigte er auch noch anderen Göttern, vor allem dem Sonnengott Solus invictus, aber er ließ schon eine Reihe heidnischer Tempel schließen und enteignen. (Die Kirche behauptete später (800 n. Chr.), Konstantin hätte das heidnische Eigentum den Christen geschenkt, die „Konstantinische Schenkung“. Sie legitimierte damit auch das Recht, die Kaiser bestimmen zu können bei der Krönung von Karl dem Großen).
 
Man schätzt die Zahl der Christen damals im Reich um 313 auf 10-15% der Bevölkerung, vor allem in den Städten. Im Osten in den Megastädten des Altertums gab es vermutlich mehr.
 
Die Christen hatten im Imperium eine Parallelgesellschaft aufgebaut mit eigenen Gemeinden, eigener Verwaltung und eigener Gerichtsbarkeit. Sie verfügten zusehends über Vermögen durch Schenkungen reicher Bürger. Das Bischofsamt, ursprünglich ein Ehrenamt, für das man von der Gemeinde gewählt werden musste, wurde zusehends lukrativ und wurde von vornehmen Bürgern mit Bildung als Karrierechance benutzt. Mit dem zunehmenden Verfall des Imperiums verloren die staatlichen Institutionen an Bedeutung. Die kirchliche Bürokratie sprang hier ein und übernahm die imperialen Einrichtungen. Nach dem Tode Konstantins nutzten die Bischöfe vielerorts ihre Macht dazu, um das Heidentum zu bekämpfen und mobilisierten den städtischen Mob. „Die Zerstörung der Tempel erfolgte allerdings meistens nicht durch Organe der kaiserlichen Regierung, sondern durch die christliche Bevölkerung. Das Kaiseredikt von Theodosius I. (347 – 395) erklärte 380 das Christentum zur alleinigen Staatsreligion. Alle anderen Kulte wurden verboten, ihre Ausübung unter Strafe gestellt
 
Chronisten berichten, dass daraufhin überall die Christen die heidnischen Tempel zerstörten, ausplünderten und die Priester erschlugen. Bekannt ist der Fall der großen Philosophin des Neuplatonismus, Hypatia. Der Patriarch von Alexandria, Kyrill, hatte schon lange eine Hetzkampagne gegen sie geführt. 416 überfiel sie der christliche Mob und zerfleischte sie mit Glasscherben.
 
Unter Kaiser Theodosius II (408-450) wurde das Christentum mit brachialer Gewalt durchgesetzt. 416 ließ er alle Nichtchristen aus den staatlichen Ämtern entfernen, 418 alles antichristliches Schrifttum verbrennen, 423 bedrohte er die Teilnahme an Opfern mit Verbannung und Gütereinziehung, 435 und 438 belegte er die Ausübung heidnischer Kulte mit der Todesstrafe. In dem Codex Teodosianus 438 wurde befohlen, das alle heidnischen Tempel abzureißen seien und an ihrer Stelle christliche Symbole errichtet werden sollten.

Spätere Kaiser verboten die olympischen Spiele und schlossen die Philosophenschule in Athen. Der Antiintellektuelle Amoklauf richtete sich gegen die gesamte griechisch-römische Philosophie, die überall bekämpft und verboten wurde. Europa fiel zurück in ein primitives geistiges Stadium, es begann das unwissende Mittelalter. Erst viele Jahrhunderte später kamen die Errungenschaften der Antike in der Renaissance wieder zum Vorschein.
 
Monotheistische Religionen dulden keine anderen Religionen. Was in Rom begann, setzte sich woanders fort. Die Sachsen und die Slawen wurden mit Feuer und Schwert bekehrt. Während der Kolonialzeit ab dem 16.Jahrhundert wurden in Amerika die dortigen Kulturen zerstört und die Einwohner mit Gewalt zum Christentum gezwungen. Ähnliches wiederholte sich an vielen anderen Orten auf der Erde.
 
Die Christen, die einst verfolgt wurden, wurden nun selber zu Verfolgern. Von der Nächstenliebe, die ihr Begründer einst in der Bergpredigt forderte, blieb nichts nach. Das Opfer selber zu Täter werden können, das ist hinlänglich bekannt.
 
Quellen:
Karlheinz Deschner, Abermals krähte der Hahn, Reinbek 1964
 
Und viele andere Bücher, die ich nicht alle aufzählen möchte
 
 
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Barbarossa
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Ein guter Beitrag. Und ja, es war genau so. Aus diesem Grunde ist auch über den vorchristlichen Glauben der kontinentalen Germanen nicht viel bekannt, was ich persönlich besonders bedaure. Die Auslöschung dieser Glaubensvorstellungen war sehr gründlich.
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