Die Rückkehr des AfD-Gründers Bernd Lucke an die Uni Hamburg

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Moderator: Barbarossa

Jim Morisson

Bernd Lucke, AFD-Gründer und Professor für Wirtschaftswissenschaften, unterrichtet seit dem Wintersemester 2019/20 wieder an der Hamburger Universität. Seine Vorlesungen wurden massiv gestört und er selbst als Nazi beschimpft. Inzwischen hat es sich wieder beruhigt.

Okay, in den sechziger Jahren haben wir als Studenten auch Vorlesungen gesprengt, worauf ich heute nicht gerade stolz bin. Gut finde ich das aber nicht, gefiel mir auch damals nicht.

Ich bin zur Universität gegangen und habe mir vom VWL-Fachschaftsrat ein Flugblatt geholt. Zur Begründung der Aktion wurde unter anderem folgendes Zitat gebracht:

"Die extreme Rechte unternimmt in ihren Programmen Heimat und Nation mit radikalem Markt und ungehinderten Wettbewerb zu verbinden. Die soziale Sicherheit des Wohlfahrtsstaates soll durch das Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Volks- und Kulturgemeinschaft ersetzt werden. Faschistische Gemeinschaftsideologie-wenngleich stark geläutert und sprachlich modernisiert-dient als dazu, die materielle Sicherheit durch überhöhte Geborgenheitsgefühle ersetzen zu wollen."

Das Zitat stammte von Herbert Schui, ehemaliger Professor für Volkswirtschaft, der vor einigen Jahren verstorben ist. Ich kannte ihn recht gut, wir waren aber häufig nicht einer Meinung. Das Zitat stammt aber aus dem Jahre 1997 und er meinte damit die Kreise im Bereich der NPD.

Bernd Lucke ist aber weder Faschist und schon gar nicht ein Rassist. Er hat zwar die AFD gegründet, aber als neoliberale Wirtschaftspartei. Als die Populisten um Frau Petry die Führung übernahmen, ist er ausgetreten.

Gut, als "Treuhandexperte" setzte er sich für die Schließung vieler Betriebe in der DDR ein, er initiierte zusammen mit anderen Professoren die umstrittene Hartz IV Gesetzgebung, politisch steht er rechts von der CDU. Das muss man alles nicht mögen, er ist aber kein Faschist.

Er ist überzeugte Neoliberaler, er will die Märkte deregulieren, öffentliches Eigentum privatisieren, Arbeitsbeziehungen "liberalisieren", Sozialausgaben kürzen, Mindestlöhne abschaffen und gleichzeitig die Steuern für Unternehmen stark senken.

Das wollen aber viele, Politiker und Professoren. Das ist einem vielleicht unsympathisch und ich mag das auch nicht, aber das ist alles im Rahmen unserer Rechtsordnung. Und wenn er neoliberale Wirtschaftstheorien unterrichtet, ist das völlig in Ordnung.

An der Universität haben wir die Freiheit der Forschung und Lehre und das gilt auch für Bernd Lucke. Störungen sind völlig inakzeptabel. Man kann nicht Vorlesungen sprengen, nur, weil man nicht die Meinung des Professors teilt.
 
 
Marianne E.
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Bernd Lucke hat die AfD gegründet, weil er kompromisslos gegen den Euro war.
Für einen Professor der Wirtschaftswissenschaften eine äußerst kurzsichtige Analyse. Aber sei's drum. Er hat zusammen mit anderen gegen die Einführung des Euro geklagt und verloren.

Bedauerlich ist nur, dass er für die Argumente der Euro-Befürworter völlig immun war. Auch das sollte einem Wissenschaftler nicht passieren.
Denn, ob ich nun die Argumente und Auffassungen anderer aufnehme, ist individuell zu bewerten. Aber anhören sollte man das auf jeden Fall. Nur so ist ja seriöse Wissenschaft möglich.

Damit entschuldige ich selbstverständlich nicht die Randale im Hörsaal, habe aber Verständnis für die Demonstrationen vor dem Uni-Gebäude.
Auch deshalb, weil ich nicht vergessen habe, wer die Universitätsgepflogenheiten mit entrümpelt hat "Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren". War doch auch nicht übel.
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Balduin
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Diese Störungen sind nicht in Ordnung. Normalerweise ist die TAZ nicht meine Quelle, aber hier trifft der Kommentar es doch recht gut: https://taz.de/Bernd-Lucke-an-der-Uni-Hamburg/!5631576/

Wie ist denn seine Abgeordnetentätigkeit zu bewerten? Medial ist er ja kaum mehr in Erscheinung getreten. 
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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Barbarossa
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Dass er kaum mehr in Erscheinung getreten ist, ist ja auch irgendwie klar. Die AfD-Fraktion ist im Europaparlament auseinander gebrochen, Lucke gehörte danach nur noch einer Splittergruppe an, aber es war weiterhin nur von der AfD die Rede, die dann nicht mehr Luckes Partei war. Ähnlich geht es ja nun auch Frauke Petry, die mit ihrer neuen kleinen Partei auch keine Erfolge mehr feiert.

Die Störungen gegen Lucke sind unter aller Kanone - das muss man wirklich sagen. In meinen Augen ist so etwas ein Anlass, die Störer der Uni zu verweisen.
Zwar unterstütze ich die Punkte, die Jim Morisson da aufgezählt hat, größtenteils auch nicht, bei der Kritik am Euro bin ich aber nach wie vor bei Lucke. Denn so wie diese Gemeinschaftswährung derzeit immer noch konstruiert ist, wird sie keine Überlebenschance haben. Denn nach wie vor gibt es keinen Notfallplan für den Fall, wenn ein Euro-Land insolvent wird. Die Griechenland-Rettung war bereits ein Kraftakt. Sollte Italien irgendwann ebenfalls zahlungsunfähig werden, wird das Land nicht gerettet werden können. Und eigentlich kann das auch nicht das Ziel sein. Aber in diesem Fall geht der Euro vermutlich den Bach herunter, die Menschen werden ihre Vermögen verlieren und es werden dann als Konsequenz wieder nationale Währungen entstehen.
Aber ich bin nicht der gleichen Meinung, wie Merkel. Ich denke nicht, wenn der Euro scheitert, dass dann die ganze EU scheitert. Man wird dann nur andere Wege gehen und eine neue Basis finden.
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Marianne E. hat geschrieben:Bernd Lucke hat die AfD gegründet, weil er kompromisslos gegen den Euro war.
Für einen Professor der Wirtschaftswissenschaften eine äußerst kurzsichtige Analyse. Aber sei's drum. Er hat zusammen mit anderen gegen die Einführung des Euro geklagt und verloren.
In den EU-Verträgen stand aber, daß eine gemeinsame Währung erst zum Schluß, wenn es einen gemeinsamen EU-Markt und -Staat gibt, eingeführt werden soll. :wink: Man hat den EURO aber politisch durchgeboxt, obwohl das Gefälle zwischen dem Norden und dem Süden zu groß war. :crazy: Länder, wie z.B. Griechenland, hätten aufgrund der Konvergenzkriterien den Euro niemals erhalten dürfen. Ebenso sah es in Italien aus. Theo Waigel (CSU) hat versucht mit einem Strafenkatalog die €-Länder an eine bestimmte Haushaltsdisziplin zu binden, aber das wurde von Hans Eichel (SPD)  sofort ignoriert, als Deutschland damals einen BLAUEN BRIEF bekommen sollte ! :crazy:  Eichel wollte das nicht akzeptieren und machte die Kosten der Wiedervereinigung geltend. Die kannte man aber auch vorher..... :mrgreen: Durch diesen Schritt sahen sich auch andere Länder nicht mehr eindeutig an die Konvergenzkriterien gebunden. :shock: Das kann noch zu großen Schwierigkeiten innerhalb der €-Staaten führen !
Bernd Lucke lag somit auch nicht im Unrecht, in dem er den EURO so nicht akzeptierte. :wink:
Jim Morisson

Der Euro wäre ein eigenes Thema aber ich möchte kurz die Argumentation von Lucke skizzieren, soweit ich sie noch in Erinnerung habe.

Lucke kritisiert, dass in der Eurozone der Entwicklungsstand der Länder, die dazu gehören, zu unterschiedlich ist.

Er argumentiert hierbei mit der klassischen Außenhandelstheorie die davon ausgeht, dass jedes Land eine eigene Währung besitzt. Wenn beispielsweise ein Land aus Deutschland Waren importiert, braucht es dafür deutsche Zahlungsmittel, das heißt es fragt DM nach. Je mehr Waren importiert werden, desto mehr DM wird nachgefragt. Durch die steigende Nachfrage erhöht sich aber der Wechselkurs, der Außenwert der DM steigt. Dadurch werden deutsche Produkte im Importland teurer. Irgendwann sind sie so teuer, dass sie keiner mehr kauft. Jetzt schlägt die Stunde der einheimischen Produzenten. Ihre Waren sind jetzt billiger und sie drängen die deutschen Waren wieder zurück. Der Wechselkursmechanismus schützt also die Volkswirtschaften vor zu großer ausländischer Konkurrenz.

Bei einer Einheitswährung fällt dieser Schutz aber weg. Ohne Preissteigerungen können die Waren in der Währungszone überall hingebracht werden. Der Wettbewerb findet jetzt statt über höhere Arbeitsproduktivität und Lohnkosten. Da sind die schwächeren Länder im Nachteil. Sie können nicht mithalten, bei ihnen bildet sich eine strukturelle Arbeitslosigkeit. Ein höherer Beschäftigungsstand in Deutschland korreliert mit einer hohen Arbeitslosigkeit in den Importländern.  Sie importieren jetzt unentwegt weiter Waren, wodurch in ihrer Zahlungsbilanz ein gewaltiges Defizit entsteht. Dieses Defizit wird gedeckt durch Kredite. Aber irgendwann sind die Schulden so groß, dass das Land insolvent wird. Wenn das bei mehreren Volkswirtschaften passiert, bricht das System zusammen.

Soweit die Theorie von Lucke, die auch von anderen Wissenschaftlern geteilt wird. Ob sie wirklich richtig ist, darüber kann man nun streiten. Darüber muss man auch diskutieren, aber nicht die Vorlesung sprengen.
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Barbarossa
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Uni Hamburg entwirft „Kodex Wissenschaftsfreiheit“

Die massive Störung zweier Vorlesungen des einstigen AfD-Mitbegründer (heute LKR – Liberal-Konservative Reformer – Nov. 2018 - Sept. 2019 deren Bundesvorsitzender – und seit 1998 Hamburger Uni Professor, Bernd Lucke, hat 2019 für große Aufregung gesorgt. Immerhin stellen solche Störungen, durch die Vorlesungen vorzeitig beendet werden müssen, weil sogar die Sicherheit eines Professors nicht mehr gewährleistet ist, einen eklatanten Verfassungsbruch dar. Erst die dritte Vorlesung Luckes an der Uni Hamburg konnte unter massiven Sicherheitsvorkehrungen und Polizeischutz stattfinden. Art. 5, Abs. 3 GG garantieren die Freiheit der Kunst, Wissenschaft, Forschung und Lehre.
Aus diesem Grund hat eine 14-köpfige Kommission der Universität Hamburg ein 13-seitiges Papier vorgelegt – den „Kodex Wissenschaftsfreiheit“. Dieses Papier soll zwar nicht als Vorschrift aufgefasst werden, sondern festgehalten sind darin 11 Kernthesen, die das „hohe Gut der Wissenschaftsfreiheit“ bewahren sollen. Speziell geht es vor allem um die Wissenschaftsfreiheit als individuelles und institutionelles Recht, um den Freiraum der Wissenschaft, den Grenzen der Freiheit und der Verantwortung für das eigene Handeln.
Hierbei beziehen sich die Thesen insbesondere auf Anlässe wie die Delegitimierung wissenschaftlicher Themen und die bei einigen Studenten offenbar fehlende Bereitschaft, sich mit (aus vermutlich ideologischen Gründen) unbequemen Vorstellungen auseinanderzusetzen. Auch geht es dabei um sog. „Triggerwarnungen“, ursprünglich aus den USA kommend („Trigger Warnings“), bei denen insbesondere vor Verletzungen bei Themen wie Geschlecht, Hautfarbe oder Sexualität gewarnt werden soll, aber auch um die strukturelle Einflussnahme.
Die Universität Hamburg ist eine der ersten Hochschulen bei der Verankerung des Kodexes und damit ein Vorreiter weltweit.

Quelle: https://www.welt.de/regionales/hamburg/ ... t-vor.html
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