150 Jahre das „Kapital“ von Marx (1867-2017)

Kommentare und Meinungen zu epochenübergreifenden Themen

Moderator: Barbarossa

Jim Morisson

1867 erschien der erste Band von dem „Kapital“. Band II und Band III erschienen erst nach seinem Tod 1883. Als junger Mann habe ich die drei Bände vor vielen Jahren einmal gelesen. Keine einfache Aufgabe. Verstanden habe ich wohl auch nicht alles.
 
Natürlich kann ich nicht die komplexe Theorie hier erklären. Vielleicht nur einige Grundzüge:
 
Marx entwickelt die „objektive Wertlehre“ oder „Arbeitswertlehre“ von Adam Smith und Ricardo weiter. Diese gingen davon aus, dass jede Ware einen Gebrauchswert und einen Tauschwert besitzt. Der Gebrauchswert ist jedes Mal völlig unterschiedlich, deshalb kann man ihn nicht vergleichen. Anders beim Tauschwert. Dies ist eine quantitative Größe, messbar in der Arbeitszeit. Ein Produkt, zu dessen Herstellung 4 Stunden gebraucht wurden, tauscht sich gegen ein anderes Produkt, welches ebenfalls in 4 Stunden erstellt wurde. So tauschen sich gleiche Werte, das Arbeitsquantum ist die gemeinsame Vergleichsgröße, die den Tausch ermöglicht.
 
Diesen Gedankengang entwickelt Marx weiter. Auch die Arbeitskraft hat einen Gebrauchswert und einen Tauschwert. Der Tauschwert ist der Lohn. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft hat aber die Eigenschaft, durch die Arbeit den Produkten einen Wert hinzuzufügen. Der Wert des Produktes ist höher als der Lohn. Der Preis einer Ware hat bei Marx einen doppelten Ursprung: Einerseits soll er das vorgeschossene Kapital (Maschinen, Rohstoffe, Löhne) ersetzen, zusätzlich aber auch einen Gewinn abwerfen. Dieser Gewinn, der Mehrwert, entsteht bei Marx durch die Lohnarbeit, da die Arbeitskraft einen höheren Wert erzeugt, als sie selbst kostet. Der Gewinn oder der Mehrwert ist die Differenz zwischen den Kosten und Erlösen, die der Unternehmer erhält. Die Mehrwerttheorie ist die Grundlage seines Ideengebäudes.
 
In dem Band II entwickelt Marx eine hochinteressante, wirtschaftliche Kreislauftheorie, aufbauend auf den Ideen des Physiokraten Quesnay. Diese wird seit einiger Zeit auch wieder von der gegenwärtigen Volkswirtschaftslehre gelobt.
 
Im Band III beschreibt er die verschiedenen Erscheinungsformen des Mehrwerts im Kapitalismus. Er beschäftigt sich mit dem Handel und den Banken, der Landwirtschaft und einer Reihe anderer Aspekte.
 
Für Historiker interessant ist das Kapitel 24 im Band I, in dem Marx die Entstehung des Kapitalismus schildert. Im Band III gibt es wichtige Beiträge über die Genese des Handelskapitals und des Wucherkapitals.
 
Die akademische Fachwelt ignorierte den Band I. Nur die Kaufleute im Rheinland interessierten sich dafür, was ihn sehr verwunderte. Der erste Wissenschaftler, der sich meldete, war ein gewisser Eugen Dühring, Antisemit und Rassentheoretiker, der vor allem bekannt wurde durch die Schrift von Engels: „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft“.
 
Erst nach dem Tode von Marx beschäftige sich an den Universitäten die neu entstandene Disziplin der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften mit seiner Lehre. „Die „Jüngere Historische Schule“, Schmoller, Sombart, Büchner usw., auch bekannt als „Katheter-Sozialisten“, begannen sich nun mit den Schriften von Marx zu beschäftigen. Ihre Aufgabe war die Konzipierung einer kaiserlichen Sozialpolitik.
 
Die Arbeiterschaft hat die Schriften von Marx kaum verstanden. Sie nahmen Vorlieb mit den populären Arbeiten von Kautsky, dem Cheftheoretiker der SPD, der eine Art „Marxismus light“ publizierte.
 
Aus dem angelsächsischen Bereich breitete sich am Ende des 19. Jahrhunderts die sogenannte „subjektive Wertlehre“ aus als Antwort auf die „objektive Wertlehre“ von Smith und Marx. Sie setzt am Gebrauchswert der Ware an und entwickelt den Begriff des „Nutzens“.  Waren haben einen Wert, weil die Konsumenten in ihnen einen Nutzen sehen. Je nachdem, wie hoch sie diesen Nutzen einschätzen, sind sie bereit, dafür eine Summe Geldes zu zahlen, die sich als Preis niederschlägt. Der Nutzen oder der Wert einer Ware entsteht also im Auge des Betrachters und ist keine objektive Größe. Dieser banale Gedankengang wurde zu einem hochkomplexen mathematischen Gebilde weiterentwickelt und bildet heute den Kern der universitären Volkswirtschaftslehre.
 
Damit verengte sich aber auch der Blickwinkel. Im 19. Jahrhundert hieß die Lehre von der Wirtschaft noch „Politische Ökonomie“, dann Nationalökonomie. Heute heißt sie Volkswirtschaftslehre. Politische und soziale Zusammenhänge werden jetzt weitgehend ausgeblendet. Die Studenten lernen heute einen riesigen, blutleeren Wust von komplizierten Formeln auswendig, von denen oft nicht klar ist, ob sie überhaupt noch einen Bezug zur Realität haben. Seit einiger Zeit regt sich dagegen heftiger Protest von Seiten der Studierenden.
Was bleibt von dem Werk? Es ist nach wie vor eine hochinteressante Analyse über den Kapitalismus und durchaus lesenswert. Allerdings denkt man bei Marx natürlich vor allem an den Terror späterer Zeiten, der mit seinem Namen verbunden ist und damit sein Werk diskreditiert.
    
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