Wettstreit der Religionen im spätantiken Rom

Kommentare und Meinungen zu epochenübergreifenden Themen

Moderator: Barbarossa

Jim Morisson

Mit Beginn der Kaiser Zeit lösten sich im Römischen Imperium die bisherigen Organisationsformen, der Stamm oder die Stadt auf und wichen einer allgemeinen Romanisierung. Aber mit den traditionellen Strukturen verschwanden auch die sozialen Gemeinschaften, die zugleich Religionsgemeinschaften gewesen waren. Doch die Menschen suchten nach einem neuen Halt und einer neuen Gemeinschaft und fanden diese in den Erlösungs- bzw. Mysterien Religionen, die sich, vorwiegend aus dem Nahen Osten kommend, im Imperium ausbreiteten. (Der Gläubige heißt Myste). Diese Religionen hatten eine Reihe von Gemeinsamkeiten:
 
Sie suchten den Sinn des Lebens außerhalb der Politik, da sie im römischen Reich den Endpunkt der Geschichte sahen und eine aktive Beteiligung für den einzelnen Bürger, anders als in der Republik, nicht möglich war.
 
Die Erlösung aus den Mühen und Sorgen des Alltagslebens sahen sie im Jenseits, in einem Leben nach dem Tod. Dort erwartete den Gläubigen ein ewiges und sorgenfreies Leben, was zu Lebzeiten nicht möglich war.
 
Die Anhänger versuchten schon zu Lebzeiten, Gott nahe zu kommen mit Ritualen wie Gebeten oder rituellen Mahlzeiten. Der Gott ist immer gegenwärtig und man kann sich mit ihm symbolisch durch Kulthandlungen verbinden.
 
Die Geschichte ist eine Heilsgeschichte, sie wird von Gott gelenkt. Es gibt einen Kampf zwischen den bösen und den guten Kräften, doch am Ende wird das Gute sich in einer Art Finale durchsetzen. Gott nimmt selbst an dem Geschehen teil. Er ist, wie etwa Mithras, der kriegerische Kämpfer gegen das Böse oder wie Jesus, der leidende Gott, der nach seinem Tode wieder aufersteht. Die Vorstellung eines leidenden Gottes ist im Orient weit verbreitet. Dahinter standen ursprünglich Fruchtbarkeits- und Vegetationsgottheiten: Im Wechsel der Jahreszeiten stirbt, wie die Natur, so der Gott und wird danach wiedergeboren. Man kann an dem Leiden des Gottes teilhaben: man feiert seine Geburt, erlebt in der Passion seine Schmerzen, trauert über seinen Tod und freut sich über die Auferstehung.
 
Die Erlösungsreligionen haben Eingangsrituale, wie z.B. die Taufe, man tritt ein in eine neue Gemeinschaft. Man benötigt heiliges Wissen, welches einem von den Führern sukzessive mitgeteilt wird. Man macht verschiedene Erkenntnisstufen durch, um weiter in dem Glauben aufzusteigen. Das heilige Wissen ermöglicht dem Gläubigen die Erkenntnis der transzendentalen Welt. Das heilige Wissen soll auch die Geschichte der Welt, ihren Ursprung, ihre Entwicklung und ihre Beschaffenheit erklären.
 
Der Gott wird in der Regel abstrakt gedacht, als eine unbestimmte göttliche Kraft, die nicht genau definiert ist. Anders als in den vorherigen Religionen, wo jedem Gott eine bestimmte Eigenschaft zugeschrieben wird, ist der Gott in den Erlösungsreligionen meistens allmächtig.
 
Erlösungsreligionen entwickeln eine eigene Ethik und Moralvorstellungen. Sie kennen zahlreiche Gebote und Verbote, die der Gläubige einhalten muss, um später erlöst zu werden.
 
Andere Gottheiten werden häufig akzeptiert, es gibt aber einen Zentralgott, die anderen sind mehr oder weniger bedeutungslos.
 
Das Christentum hatte es mit einer ganzen Reihe von Konkurrenten zu tun, gegen die es sich durchsetzen musste.
 
Der Mithras-Kult
 
Der Mithras Kult kommt höchstwahrscheinlich aus dem Iran und besitzt Elemente der zoroastischen Religiosität mit ihrem Bild der Welt als einem ständigen Kampf zwischen Licht und Finsternis, Gut und Böse, Tag und Nacht.
 
Mithras wurde auch am 25. Dezember geboren aus einem Felsen und anschließend von Hirten gefunden. Am 25. Dezember wurde in Rom die Geburt des Sonnengottes, Sol Invictus, der unbesiegbare Sonnengott, gefeiert. Dieser avancierte im dritten nachchristlichen Jahrhundert zum Reichsgott und 273 n.Chr. erklärte Kaiser Aurelian dies Datum zum Nationalfeiertag. Die Mithras-Anhänger bezeichneten Mihtras auch gelegentlich als Sol Invictus. Dieser Feiertag war im römischen Reich so populär, das die Kirche ihn im vierten Jahrhundert übernahm und kurzerhand zum Geburtstag von Jesus erklärte.
 
Mithras kämpfte nach seiner Geburt fortwährend gegen die Mächte des Dunkels, symbolisiert durch Schlange und Skorpion, die Verbündeten des Herrn der Finsternis, Ahriman, manchmal auch Satan genannt. Mithras ist aber nicht der leidende, sondern der kämpfende Gott. Er wird nicht gekreuzigt, sondern in den Himmel entrückt. Die Gläubigen steigen nach ihrem Tod zu ihm auf und leben in seinem Lichtreich. Es gibt auch einen Jüngsten Tag mit einem Weltgericht und dem endgültigen Sieg über Ahriman.
 
Mithras kämpft für das Gute und seine Gemeinschaft ist eine Gemeinschaft der Kämpfenden, in der jeder jedem hilft. Es ist aber weniger christliche Nächstenliebe als Kameradschaft. Der Mithras Kult war daher vor allem bei Soldaten populär. Es gab Kulthandlungen wie Gebete und rituelle Mahlzeiten, in denen man sich wie beim christlichen Abendmahl mit ihm vereinigen konnte. Durch eine Taufe mit Stierblut wurde man in die Gemeinschaft aufgenommen. Das Wissen wurde vermittelt in einer siebensprossigen Stufenleiter der Erkenntnis, um zur höchsten Weisheit zu gelangen.
 
Der Mithras Kult hatte noch eine Reihe weiterer Gemeinsamkeiten mit dem Christentum. Er konnte aber keine wirkliche Konkurrenz werden, da er keine Frauen aufnahm, sein Wissen nicht populär verbreitete und wenig Missionierung betrieb. Die Christen haben später versucht, diesen Kult vollständig zu vernichten. Alle Tempel wurden zerstört und die Anhänger butig verfolgt.
 
Der Isis- Kult
 
Der ägyptische Isis-Kult konnte sich im römischen Reich ebenfalls ausdehnen. Das Geschwisterpaar Isis und Osiris lebt in einer inzestuösen Gemeinschaft und hat einen gemeinsamen Sohn, Horus. Nach einer alten Legende wird Osiris von seinem bösen Bruder Seth getötet, zerstückelt und über die Erde verstreut. Isis sucht die Leichenteile, setzt sie zusammen und Osiris erwacht zu neuen Leben.
 
Dieser Kult machte großen Eindruck durch die Fremdartigkeit und den gewaltigen Pomp, da die Priester mit vielen Showeffekten arbeiteten. Die Buntheit und der Lärm der Prozession, von denen das Jahr begleitet und bei denen das Leiden des Osiris, die Suche nach ihm und seine Wiedergeburt nachvollzogen wurden, das Fasten, das Wehklagen und die überschwängliche Freude nach der Neugeburt, das hinterließ einen großen Eindruck. Frauen fielen scharenweise in Ekstase zu den Tänzen und der Musik, dieser Kult wurde eine ernsthafte Konkurrenz für die Christen, die viel von ihm kopierten.
 
Die Isis Staue wurde an Festtagen mit Kleidern und Schmuck behängt und durch die Straßen getragen. Schaut man sich die Abbildungen von Isis mit ihrem Sohn Horus an, ist die Ähnlichkeit von Marienbildern mit dem Kind Jesus verblüffend. Möglicherweise ist der Marien Kult eine Reaktion auf den Isis Kult. Auch Maria gilt als Gottesgebärerin, ihre Bilder und Statuen werden in katholischen Ländern an Festtagen feierlich geschmückt und während der Prozessionen durch die Straßen getragen. Die Parallelen sind zu auffällig, als das sie zufällig sein könnten.
 
Es gab noch eine Vielzahl weiterer Kulte: Der Kult der „Großen Mutter“ (magna Mater aus Kybele). Ihr Geliebter Attis wird von einem Eber getötet, erwacht aber, nachdem sie ihn findet, zu neuem Leben. Tod und Auferstehung von Attis werden von der Gemeinde im Wandel der Jahreszeiten gefeiert. Die Widerauferstehungsfeier wurde mit orgiastischer Raserei nachvollzogen.
 
Der Men-Kult aus Anatolien ist ebenfalls ein Fruchtbarkeitskult, verbunden mit Ekstasen und blutigen Reinigungsritualen.
 
Ich höre jetzt erst einmal auf. Daneben gab es im Kaiserreich eine Neubelebung der griechischen Philosophie, die ohne Götter auskam, wie der Neuplatonismus von Plotin. Diese konnte allerdings nur eine kleine Gruppe Intellektueller befriedigen.
Das Christentum hat, nachdem es Staatsreligion wurde, alle anderen Kulte verboten, die Tempel zerstört und die Anhänger blutig verfolgt. Wo früher die heidnischen Tempel standen, wurden sie mit Kirchen überbaut. Auf die Ausübung der übrigen Religionen stand die Todesstrafe. Statt Christenverfolgungen gab es nun Heidenverfolgungen.
 
Grundlage für diesen Beitrag waren eine ganze Reihe verschiedener Geschichtswerke, die ich hier nicht alle aufzählen möchte.
 
 
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Balduin
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Die Parallelen zum Christentum finde ich sehr interessant. Hat keine der aufgezählten Religionen überlebt? 
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
Jim Morisson

Nein, die Christen haben alle anderen Religionen komplett ausgerottet. Man findet kaum noch Spuren. Einzelne Elemente, wie etwa den Geburtstag von Jesus oder den Isis Kult, der zum Marienkult umgwandelt wurde, hat man einfach übernommen
Marianne E.
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Registriert: 13.04.2019, 16:51

In diesem Zusammenhang ist auf ein interessantes Referat aufmerksam zu machen, das sich mit der Entwicklung von Religionen außerhalb des Christentums beschäftigt.

Dabei geht es hauptsächlich um die Übergangszeit zwischen Antike und Frühem Mittelalter, der sogenannten Spätantike.

Die Veröffentlichung dieser Schrift ist nachzulesen im Wikipedia-Lexikon, das zusätzlich über ein gutes Quellenverzeichnis auch mit der Aufnahme von Standardwerken ausgestattet ist.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sp%C3%A4tantike#Religiöse_Entwicklungen_außerhalb_des_Christentums
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