Der dialektische Materialismus

Kommentare und Meinungen zu epochenübergreifenden Themen

Moderator: Barbarossa

Wallenstein

Angeregt von dem Beitrag über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte und der daraus folgenden Diskussion, habe ich mich vor kurzem noch einmal mit dem dialektischen Materialismus von Marx beschäftigt. Das Thema ist sehr komplex und ich habe wohl auch nicht alles verstanden. Philosophie ist auch nicht gerade mein Fach („Dem Philosoph ist nichts zu doof“).
Vielleicht kennen sich andere besser damit aus und können mich korrigieren.

Materialismus und Idealismus, nur die Materie ist real

Im Gegensatz zum Idealismus, der behauptet, dass nur unser Bewusstsein wirklich existiere, dass die materielle Welt, das Sein, die Natur nur in unserem Bewusstsein, in unseren Empfindungen, Vorstellungen, Begriffen existiere, geht der marxistische philosophische Materialismus davon aus, dass die Materie, die Natur, das Sein die objektive Realität darstellt, die außerhalb des Bewusstseins und unabhängig von ihm existiert, dass die Materie das Primäre, das Ursprüngliche ist, weil sie Quelle der Empfindungen, Vorstellungen, des Bewusstseins ist, das Bewusstsein aber das Sekundäre, das Abgeleitete ist, weil es ein Abbild der Materie, ein Abbild des Seins ist, dass das Denken ein Produkt der Materie ist, die in ihrer Entwicklung einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht hat, und zwar ein Produkt des Gehirns, das Gehirn aber das Organ des Denkens ist, dass man darum das Denken nicht von der Materie trennen kann.

Bewegung ist das Grundgesetz der Materie

Die Materie ist unaufhörlich in Bewegung, nicht nur zeitlich und räumlich, sondern sie verändert sich fortwährend. Bewegung könnte man auch mit Entwicklung gleichsetzen.
„.. die gesamte Natur, vom Kleinsten bis zum Größten, von den Sandkörnern bis zu den Sonnen, von den Protisten (Urzellen, Anmerk.) bis zum Menschen hat in ewigem Entstehen und Vergehen, in unaufhörlichem Fluss, in rastloser Bewegung und Veränderung ihr Dasein.“ (Friedrich Engels, Dialektik der Natur, Berlin 1950, S. 88.)

Widerspruch als Grundlage der Bewegung, das Wesen der Dialektik

Im Gegensatz zur Metaphysik geht die Dialektik davon aus, dass den Naturdingen, den Naturerscheinungen innere Widersprüche eigen sind, denn sie alle haben ihre negative und positive Seite, ihre Vergangenheit und Zukunft, ihr Ablebendes und sich Entwickelndes, dass der Kampf dieser Gegensätze, der Kampf zwischen Altem und Neuem, zwischen Absterbendem und neu Entstehendem, zwischen Ablebendem und sich Entwickelndem, den inneren Gehalt des Entwicklungsprozesses, den inneren Gehalt des Umschlagens quantitativer Veränderungen in qualitative bildet.

Darum ergibt sich aus der dialektischen Methode, dass der Prozess der Entwicklung von Niederem zu Höherem nicht in Form einer harmonischen Entfaltung der Erscheinungen verläuft, sondern in Form eines Hervorbrechens der Widersprüche, die den Dingen und Erscheinungen eigen sind, in Form eines „Kampfes“ gegensätzlicher Tendenzen, die auf der Grundlage dieser Widersprüche wirksam sind.


Umschlag Quantität in Qualität, die Bewegung des Widerspruches


Im Gegensatz zur Metaphysik betrachtet die Dialektik den Entwicklungsprozess nicht als einfachen Wachstumsprozess, in welchem quantitative Veränderungen nicht zu qualitativen Veränderungen führen, sondern als eine Entwicklung, die von unbedeutenden und verborgenen quantitativen Veränderungen zu sichtbaren Veränderungen, zu grundlegenden Veränderungen, zu qualitativen Veränderungen übergeht, in welcher die qualitativen Veränderungen nicht allmählich, sondern rasch, plötzlich, in Gestalt eines sprunghaften Übergangs von dem einen Zustand zu dem anderen Zustand eintreten, nicht zufällig, sondern gesetzmäßig, als Ergebnis der Ansammlung unmerklicher und allmählicher quantitativer Veränderungen.

„In der Physik ... ist jede Veränderung ein Umschlagen von Quantität in Qualität, eine Folge quantitativer Veränderung der dem Körper innewohnenden oder mitgeteilten Bewegungsmenge irgendwelcher Form. ‚So ist z. B. der Temperaturgrad des Wassers zunächst gleichgültig in Beziehung auf dessen tropfbare Flüssigkeit; es tritt dann aber beim Vermehren oder Vermindern der Temperatur des flüssigen Wassers ein Punkt ein, wo dieser Kohäsionszustand sich ändert und das Wasser einerseits in Dampf und andrerseits in Eis verwandelt wird.“ ((Friedrich Engels, Dialektik der Natur, a. a. O., S. 91)

Negation der Negation


„Da sich jede Entwicklung als eine dialektische Negation bestehender Qualitäten vollzieht, wobei die neue Qualität alles Positive der alten in sich aufbewahrt, die Entwicklung auf dieser Stufe aber nicht stehenbleibt, so muss auch die neue Qualität ihrerseits eine Negation erfahren. Als Resultat dieser zweiten Negation, also der Negation der Negation, entsteht eine neue Qualität, die - logisch gesehen - mit der ursprünglichen, der Position, identisch sein müsste, die aber, da sie um die positiven, progressiven Seiten der beiden ersten Entwicklungsphasen bereichert ist, nur eine formale Ähnlichkeit mit dem Ausgangsstadium aufweist. Die Entwicklung wiederholt im Stadium der Negation der Negation bestimmte Züge und Merkmale voraufgegangener Stadien auf höherer Stufenleiter und kann daher bildlich durch die Form einer Spirale veranschaulicht werden. Es ist dies eine «Entwicklung, die die bereits durchlaufenen Stadien gleichsam noch einmal durchmacht, aber anders, auf höherer Stufe (,Negation der Negation'), eine Entwicklung, die nicht geradlinig, sondern sozusagen in einer Spirale vor sich geht...» (Lenin 21, 42 f).( http://www.trend.infopartisan.net/trd0509/t080509.html

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Was soll man dazu sagen? Dass die Materie ausschlaggebend ist und der Geist nur eine Art belebter Materie ist, davon gehe ich auch aus. Insofern kann ich mit dem Idealismus auch nichts anfangen.

Alles andere kommt mir eher trivial vor. Das allen Dingen ein Widerspruch inne wohnt, sicher. Materie kann tot oder lebendig sein. Im Moment bin ich lebendig, versuche den Tod aufzuhalten, indem ich esse, atme, trinke. Der Widerspruch in mir, also das Sterben zu verhindern, treibt meine Aktivitäten voran. Bin ich dann doch tot, werde ich von Tieren zersetzt, meine tote Materie wird in ihnen wieder lebendig und diese Tiere bewegen sich auch in dem Widerspruch zwischen Leben und Tod. Nun, das weiß eigentlich jeder.

Der Umschlag von Quantität in Qualität ist natürlich überall zu beobachten. Wenn ich hungrig bin, esse ich. Ab einer gewissen Quantität ändert sich dann die Qualität von „hungrig „ auf „satt“.“ Vitamin C ist gut, aber nicht übertreiben. Alles ist Gift, auf die Menge kommt es an, ein weises Zitat. Wasser ist lebensnotwendig, kommt es aber in zu großen Mengen, kann alles zerstört werden.
In der Politik bewirkt der Protest einzelnen Personen wenig, beteiligen sich aber viele, kann eine Massenbewegung etwas erreichen, eine neue Qualität. Kommen nur einzelne Flüchtlinge, reagieren die Einheimischen zumeist freundlich, werden es viele, kann dies umschlagen in Abwehr und Aggression. Sicherlich, die Bewegung der Widersprüche vollzieht sich durch das Gesetz des Umschlages von Quantität in Qualität. Aber ist dies nicht trivial?

Auch die Negation der Negation ist sicherlich zu beobachten. Hier ist offensichtlich die Evolution gemeint. Die Mikrolebewesen der Urzeit hatten schon wichtige Lebensfunktionen, die wir auch haben. Diese Wesen wurden „negiert“, aber ihre Funktionen blieben erhalten. Unsere Körper bestehen aus Formen, die schon vor langer Zeit im Tierreich bestanden. Diese Tierarten sind tot „negiert“, doch in gewisser Weise leben sie in uns, in einer höheren Art, weiter, wir sind ihre „doppelte Negation“. „Doppelte Negation„ ist nicht einfach eine Kopie, sondern eine Weiterentwicklung. Das Alte lebt in dem Neuen weiter. Es handelt sich also nur um ein anderes Wort für Evolution, jedenfalls bezogen auf die Natur. (Im System der Logik von Hegel, aus der dies ursprünglich stammt, bedeutet dies noch mehr).

So verstehe ich den dialektischen Materialismus. Er ist sicherlich nicht falsch, aber ich finde die Aussagen eigentlich banal.
Aneri

Unlängst habe ich guten Beispiel für Dialektik gefunden. Es ist eine Zitat zwar von umstrittener Person, dennoch es macht die Aussage nicht weniger interessant. Carl Schmitt 1932 in einem Vortrag über den amerikanischen Imperialismus beschrieben hat:
So schnell kann in politischen Beziehungen ein dialektischer Umschlag eintreten, und derjenige, der die Freiheit und Unabhängigkeit eines andern Staates schützt, ist natürlicher- und logischerweise selbst derjenige, dessen Schutz die Freiheit und Unabhängigkeit des Beschützten aufhebt.
Es ist Dialektik schlechthin. Yin und Yang.
Aneri

Wallenstein hat geschrieben:Was soll man dazu sagen? Dass die Materie ausschlaggebend ist und der Geist nur eine Art belebter Materie ist, davon gehe ich auch aus.
Ich weiß nicht, wie weit du mit der Eigenheiten der Quantenphysik vertraut bist. Es spricht aber nichts dagegen, dass Materie eine Art "kondensiertes" Geistes ist...
Renegat
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Alles hat 2 Seiten, Für und Wider, Yin und Yang hat Marx gewiss nicht erfunden. Und was zuerst ist, Materie oder Geist/Idee? Haben da nicht schon die alten Griechen drüber philosofiert?

Dass es oft darum geht, die Vor- und Nachteile abzuwägen und den "goldenen Mittelweg" zu finden, wußten schon die alten Schlesier: Zu viel und zu wing is immer een Ding ( Zu viel und zu wenig ist immer eine Sache) http://www.toepferei-seiler.de/ueberuns ... ueche.html und schrieben es auf ihre Wandteller :)

Und wenn man die eine Seite zu stark fördert, dass es dann zu einem plötzlichen, gewaltsamen Ausgleich kommen kann, ist schon beim Wasser an Dämmen zu beobachten. Obwohl Marx das Wasser wahrscheinlich nicht meinte.
Bei Marx klingt es das aber viel gelehrter.
Spartaner
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Wallenstein hat geschrieben:

Widerspruch als Grundlage der Bewegung, das Wesen der Dialektik

Im Gegensatz zur Metaphysik geht die Dialektik davon aus, dass den Naturdingen, den Naturerscheinungen innere Widersprüche eigen sind, denn sie alle haben ihre negative und positive Seite, ihre Vergangenheit und Zukunft, ihr Ablebendes und sich Entwickelndes, dass der Kampf dieser Gegensätze, der Kampf zwischen Altem und Neuem, zwischen Absterbendem und neu Entstehendem, zwischen Ablebendem und sich Entwickelndem, den inneren Gehalt des Entwicklungsprozesses, den inneren Gehalt des Umschlagens quantitativer Veränderungen in qualitative bildet.

Darum ergibt sich aus der dialektischen Methode, dass der Prozess der Entwicklung von Niederem zu Höherem nicht in Form einer harmonischen Entfaltung der Erscheinungen verläuft, sondern in Form eines Hervorbrechens der Widersprüche, die den Dingen und Erscheinungen eigen sind, in Form eines „Kampfes“ gegensätzlicher Tendenzen, die auf der Grundlage dieser Widersprüche wirksam sind.

Negation der Negation


„Da sich jede Entwicklung als eine dialektische Negation bestehender Qualitäten vollzieht, wobei die neue Qualität alles Positive der alten in sich aufbewahrt, die Entwicklung auf dieser Stufe aber nicht stehenbleibt, so muss auch die neue Qualität ihrerseits eine Negation erfahren. Als Resultat dieser zweiten Negation, also der Negation der Negation, entsteht eine neue Qualität, die - logisch gesehen - mit der ursprünglichen, der Position, identisch sein müsste, die aber, da sie um die positiven, progressiven Seiten der beiden ersten Entwicklungsphasen bereichert ist, nur eine formale Ähnlichkeit mit dem Ausgangsstadium aufweist. Die Entwicklung wiederholt im Stadium der Negation der Negation bestimmte Züge und Merkmale voraufgegangener Stadien auf höherer Stufenleiter und kann daher bildlich durch die Form einer Spirale veranschaulicht werden. Es ist dies eine «Entwicklung, die die bereits durchlaufenen Stadien gleichsam noch einmal durchmacht, aber anders, auf höherer Stufe (,Negation der Negation'), eine Entwicklung, die nicht geradlinig, sondern sozusagen in einer Spirale vor sich geht...» (Lenin 21, 42 f).( http://www.trend.infopartisan.net/trd0509/t080509.html
Durch die Genetik wissen wir, dass alte Qualitäten nicht einfach dem Konkurenzkampf zum Opfer fallen und auf nimmerwiedersehen verschwinden. Wir wissen stattdessen, dass es Schalter gibt, die diese alten Qualitäten wieder zum Vorschein bringen können. Quasi können die Lebewesen sich auf ihre primitiven abgelegten Qualitäten zurückbesinnen.

"Tübinger Wissenschaftler haben die grundlegende Regulierung zwischen Wachstum und Spezialisierung von Muskelzellen erforscht. Sie haben eine Art genetischen Schalter entdeckt, dessen Einstellung über das in der Folge ablaufende genetische Programm entscheidet.
Eine einzelne Zelle ist bei Maus oder Mensch nur ein winziger Bestandteil des ganzen Körpers. Doch in der zellbiologischen Forschung kann man auch eine Körperzelle als eigenes System betrachten, das Signale von außen erhält und mit Vorgängen in seinem Innern darauf reagiert. "
http://www.scinexx.de/wissen-aktuell-49 ... 03-12.html

Das heisst also das alte Systeme, grundlegend nicht mehr gebraucht werden in der Natur, sondern nur schlummern und wiederbelebt werden können. Das es eine Form eines Hervorbrechens der Widersprüche gibt, die den Dingen und Erscheinungen eigen sind, den kann man sich gedanklich jedoch anschließen.
Wallenstein hat geschrieben:




Umschlag Quantität in Qualität, die Bewegung des Widerspruches


Im Gegensatz zur Metaphysik betrachtet die Dialektik den Entwicklungsprozess nicht als einfachen Wachstumsprozess, in welchem quantitative Veränderungen nicht zu qualitativen Veränderungen führen, sondern als eine Entwicklung, die von unbedeutenden und verborgenen quantitativen Veränderungen zu sichtbaren Veränderungen, zu grundlegenden Veränderungen, zu qualitativen Veränderungen übergeht, in welcher die qualitativen Veränderungen nicht allmählich, sondern rasch, plötzlich, in Gestalt eines sprunghaften Übergangs von dem einen Zustand zu dem anderen Zustand eintreten, nicht zufällig, sondern gesetzmäßig, als Ergebnis der Ansammlung unmerklicher und allmählicher quantitativer Veränderungen.

„In der Physik ... ist jede Veränderung ein Umschlagen von Quantität in Qualität, eine Folge quantitativer Veränderung der dem Körper innewohnenden oder mitgeteilten Bewegungsmenge irgendwelcher Form. ‚So ist z. B. der Temperaturgrad des Wassers zunächst gleichgültig in Beziehung auf dessen tropfbare Flüssigkeit; es tritt dann aber beim Vermehren oder Vermindern der Temperatur des flüssigen Wassers ein Punkt ein, wo dieser Kohäsionszustand sich ändert und das Wasser einerseits in Dampf und andrerseits in Eis verwandelt wird.“ ((Friedrich Engels, Dialektik der Natur, a. a. O., S. 91)

Diesen dialektischen Gesetz kann man sich bedingungslos anschließen, denn es begegnet uns auch im persönlichen Leben.
Wallenstein hat geschrieben:
Materialismus und Idealismus, nur die Materie ist real

Im Gegensatz zum Idealismus, der behauptet, dass nur unser Bewusstsein wirklich existiere, dass die materielle Welt, das Sein, die Natur nur in unserem Bewusstsein, in unseren Empfindungen, Vorstellungen, Begriffen existiere, geht der marxistische philosophische Materialismus davon aus, dass die Materie, die Natur, das Sein die objektive Realität darstellt, die außerhalb des Bewusstseins und unabhängig von ihm existiert, dass die Materie das Primäre, das Ursprüngliche ist, weil sie Quelle der Empfindungen, Vorstellungen, des Bewusstseins ist, das Bewusstsein aber das Sekundäre, das Abgeleitete ist, weil es ein Abbild der Materie, ein Abbild des Seins ist, dass das Denken ein Produkt der Materie ist, die in ihrer Entwicklung einen hohen Grad von Vollkommenheit erreicht hat, und zwar ein Produkt des Gehirns, das Gehirn aber das Organ des Denkens ist, dass man darum das Denken nicht von der Materie trennen kann.


Diese Aussage ist wirklich banal und simpel. Wir wissen das der christliche Idealismus den Menschen einbläuen wollte, das die Erde eine Scheibe ist. :wink: :mrgreen:
Wenn man die Betrachtungsweise der damaligen Zeit zu Hilfe nimmt, konnte man allein durch das Bewusstsein zu falschen Schlüssen kommen. Wir wissen aber heute um Begriffe der Gravitation, diese richtig einzuschätzen und ins Verhältnis zu sezten. Nur eins wird dabei nicht berücksichtigt, die Gravitation ist keine Materie, sondern eine Schwerkraft oder Gravitationskraft die vom Bewusstsein nicht immer richtig eingschätzt werden kann. Genauso kann das Bewusstsein die Krümmung der Erdachse nicht erfassen und es ist faktisch logisch, dass die Materie ein verzehrtes Bild im Bewusstsein des Menschen ausgelöst hat.
Wallenstein

Aneri hat geschrieben:
Wallenstein hat geschrieben:Was soll man dazu sagen? Dass die Materie ausschlaggebend ist und der Geist nur eine Art belebter Materie ist, davon gehe ich auch aus.
Ich weiß nicht, wie weit du mit der Eigenheiten der Quantenphysik vertraut bist. Es spricht aber nichts dagegen, dass Materie eine Art "kondensiertes" Geistes ist...
Mit der Quantenphysik kenne ich mich nicht besonders gut aus. Über die Unschärferelation von Heisenberg bin ich nicht hinausgekommen.
Wallenstein

Spartaner

Wenn man die Betrachtungsweise der damaligen Zeit zu Hilfe nimmt, konnte man allein durch das Bewusstsein zu falschen Schlüssen kommen.
Das passiert heute auch jeden Tag.
Wir wissen aber heute um Begriffe der Gravitation, diese richtig einzuschätzen und ins Verhältnis zu setzen. Nur eins wird dabei nicht berücksichtigt, die Gravitation ist keine Materie, sondern eine Schwerkraft oder Gravitationskraft die vom Bewusstsein nicht immer richtig eingeschätzt werden kann.
Die Gravitation ist eine Eigenschaft der Masse, also der Materie. Die Gleichungen von Newton waren damals allen bekannt, auch Engels. Und diese Kraft konnte man damals und heute exakt berechnen. also mit dem Bewusstsein erfassen.
Heute erklärt man sich Gravitation durch Krümmung der Raumzeit, aber immer noch durch Masse, durch Materie. Es sei denn, man hat inzwischen völlig neue Ansätze gefunden. Das müsste dann ein Experte erklären.

Genauso kann das Bewusstsein die Krümmung der Erdachse nicht erfassen und es ist faktisch logisch, dass die Materie ein verzehrtes Bild im Bewusstsein des Menschen ausgelöst hat.

Warum kann das Bewusstsein so etwas nicht erfassen? Ein großer Teil der Menschheit kann dies, wir können das alles berechnen, wir sehen Bilder aus dem All, die das deutlich demonstrieren. Nur aufgrund der früher nur ansatzweise entwickelten Technik und Wissenschaft entstand ein falsches Bild in den Köpfen der Menschheit. Zur Zeit von Engels war das aber alles längst bekannt.

Man könnte jetzt allenfalls argumentieren, dass unsere Gehirnstrukturen vielleicht nicht ausreichen, die gesamte Welt zu begreifen. Ich kann mir beispielsweise nur einen vierdimenensionalen Raum vorstellen, nicht einen, der aus n-Dimensionen besteht, obwohl so etwas mathematisch möglich ist und vielleicht auch existiert. Das liegt aber wahrscheinlich nicht daran, dass mein Gehirn aus Materie besteht (woraus auch sonst eigentlich?), sondern das meine neuronalen Vernetzungen in einem vierdimensionalen Raum entstanden sind und darüber hinaus nichts verstehen können.
Aneri

Wallenstein hat geschrieben:Mit der Quantenphysik kenne ich mich nicht besonders gut aus. Über die Unschärferelation von Heisenberg bin ich nicht hinausgekommen.
Na ja, ich mache kurze Einführung. Im Grunde zu sagen, dass Materie besteht aus Teilchen ist falsch bzw. widergibt verfälscht die Gegebenheiten. Die Teilchen wechselwirken. Diese Wechselwirkung ist der "Schaum", das Materie ausmacht, nicht die Teilchen selbst.

Die Teilchen sind etwas, was man mit Wellenfunktion beschreibt. Diese mathematische Funktion - Wellenfunktion - zeigt, dass das Teilchen einer inneren Entwicklung unterliegt (die wird ja durch Funktion beschrieben). Das Faszinierendste daran ist, dass die Welle muss man als eine Wellenpaket ansehen, und die jede einzelne Welle in dem Paket entspricht einer möglichen Entwicklung. Also ist ein Teilchen ein Bündel von möglichen Entwicklungen. So kennen wir von unserer klassischen Welt nicht. Hier jede Entwicklung ist schon realisiert. Bei Teilchen wird eine der möglichen Entwicklungen ERST in einer Wechselwirkung (mit anderen Teilchen) realisiert und nur auf die Weise manifestiert sie in unserer Welt.

Diese Realisierung kann man in Wahrscheinlichkeiten berechnen, aber nicht das ist jetzt mir wichtig. Der Fakt ist, dass ein Teilchen erst mit einer Wechselwirkung entscheidet, welche der Möglichkeiten realisiert werden. Erinnert es nicht an einem Menschen, der viel bewusste und unbewusste Optionen zum Handeln hat? Auch er in gewisse Weise ein Bündel von unrealisierten Möglichkeiten, dessen Realisierung wird in letzten Moment - auch von der Umwelt - entschieden. Auch bei der Wechselwirkung der Teilchen ist eben so auch, dass ein Teilchen bildet für jeweils anderen eine Umwelt. Eine Umwelt, die mitentscheidet, was realisiert wird. So eine 99,9999% mögliche Entwicklung kann doch durch die Gegebenheiten gestoppt werden und eine mit 0,000000001% Wahrscheinlichkeit behaftete Entwicklung sich realisieren können.
Wallenstein

Aneri hat geschrieben: Na ja, ich mache kurze Einführung. Im Grunde zu sagen, dass Materie besteht aus Teilchen ist falsch bzw. widergibt verfälscht die Gegebenheiten. Die Teilchen wechselwirken. Diese Wechselwirkung ist der "Schaum", das Materie ausmacht, nicht die Teilchen selbst.
Vielen Dank für die Erklärung. An diese Diskussion Welle – Teilchen kann ich mich erinnern. Interessant fand ich, dass es auf der Quantenebene keine hundertprozentigen Gewissheiten gibt. Das erinnert an die menschliche Geschichte.
Spartaner
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Wallenstein hat geschrieben:
Die Gravitation ist eine Eigenschaft der Masse, also der Materie. Die Gleichungen von Newton waren damals allen bekannt, auch Engels. Und diese Kraft konnte man damals und heute exakt berechnen. also mit dem Bewusstsein erfassen.
Heute erklärt man sich Gravitation durch Krümmung der Raumzeit, aber immer noch durch Masse, durch Materie. Es sei denn, man hat inzwischen völlig neue Ansätze gefunden. Das müsste dann ein Experte erklären.
Gravitation ist zwar eine Eigenschaft der Masse aber nicht die Masse selbst. Auch wenn die Gleichungen von Newton Engels bekannt waren, ändert das nichts daran, dass das Bewusstsein zwar den richtigen Umgang mit der Mathematik und den Formeln wiedergibt aber die Vorstellungskraft dies nicht im Gehirn exakt projezieren kann. Sonst bräuchtne wir heite kein Computer für grafische Darstellungen.
Man könnte sich darüber streiten, ob das noch aktives Erleben ist, wenn man mit mathematischen Formeln etwas beschreibt. Ohne mathematische Formeln kann der Mensch sich die exakte Krümmung ncht vorstellen und sie auch nicht sehen, es sei den er ist im Weltall unterwegs. Wenn du alles was sich mathematisch ausrechnen lässt auch im Kopf so projezieren kannst, dann bist du ein verkanntes Genie. Die meisten können es nicht. Wir sehen zum Beispiel bei den schwarzen Löchern im Weltall was davor passiert, was dahinter passiert behaupten zwar einige Astronomen zu wissen, muss aber nicht der Objektivität entsprechen.
Bewußtsein :
"Eine allgemein gültige Definition des Begriffes ist aufgrund seines unterschiedlichen Gebrauchs mit verschiedenen Bedeutungen schwer möglich. Die naturwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich mit definierbaren Eigenschaften bewussten Erlebens."
https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein
Wallenstein hat geschrieben:
Die Gravitation ist eine Eigenschaft der Masse, also der Materie. Die Gleichungen von Newton waren damals allen bekannt, auch Engels. Und diese Kraft konnte man damals und heute exakt berechnen. also mit dem Bewusstsein erfassen.
Heute erklärt man sich Gravitation durch Krümmung der Raumzeit, aber immer noch durch Masse, durch Materie. Es sei denn, man hat inzwischen völlig neue Ansätze gefunden. Das müsste dann ein Experte erklären.
Ich glaube nicht, dass die Kraft vom aktiven Bewußtsein immer richtig eingeschätzt werden kann, sonst hätte es nicht so viele Unfälle gegeben. Beispiel ein Kranführern nimmt für eine Last ein zu schwaches Seil und unterschätzt die Masse und die Schwerkraft des Körpers (Gewicht). Ohne Mathematik wäre das Bewußtsein aufgeschmissen. Im Prinzip erledigt es heutzutage der Computer oder der Taschenrechner und der Mensch tippt die Zahlen nur ein, also ist es auch kein bewusstes Erleben mehr.
Wallenstein

Spartaner
Auch wenn die Gleichungen von Newton Engels bekannt waren, ändert das nichts daran, dass das Bewusstsein zwar den richtigen Umgang mit der Mathematik und den Formeln wiedergibt aber die Vorstellungskraft dies nicht im Gehirn exakt projezieren kann. Sonst bräuchtne wir heite kein Computer für grafische Darstellungen.
Man könnte sich darüber streiten, ob das noch aktives Erleben ist, wenn man mit mathematischen Formeln etwas beschreibt. Ohne mathematische Formeln kann der Mensch sich die exakte Krümmung ncht vorstellen und sie auch nicht sehen, es sei den er ist im Weltall unterwegs. Wenn du alles was sich mathematisch ausrechnen lässt auch im Kopf so projezieren kannst, dann bist du ein verkanntes Genie. Die meisten können es nicht.

Darum geht es hier doch überhaupt nicht. Du verstehst unter Bewusstsein etwas völlig anderes als Engels. Ich kann mir viele Dinge auch nicht vorstellen. Wie sieht elektrischer Strom aus, Magnetismus, die starke und die schwache Kernkraft, radioaktive Strahlung, Quarks, Superstrings? Alle diese Dinge existieren aber trotzdem. Ob ich sie mir bildlich vorstellen kann, ist eine völlig andere Sache und in diesem Zusammenhang auch uninteressant. Viele dieser Bereiche entziehen sich unserer Wahrnehmung, deshalb sind sie trotzdem vorhanden.

Engels versteht unter Bewusstsein vor allem die Wissenschaft, mit der wir uns die Welt erschließen, mit Hilfe von Mathematik, Physik, Chemie usw. nicht das Alltagsbewußtsein, welches vom sinnlichen Erleben ausgeht. Ich kann mir eine Schwarzschild-Rosen Brücke genauso wenig vorstellen wie die Eulersche Zahl, aber darum geht es hier ja überhaupt nicht.
Und all diese Dinge über die Welt können wir laut Engels in Erfahrung bringen, weil wir und das Gehirn aus Materie bestehen
Aneri

Wallenstein hat geschrieben: Interessant fand ich, dass es auf der Quantenebene keine hundertprozentigen Gewissheiten gibt. Das erinnert an die menschliche Geschichte.
Ja, die menschliche Geschichte fand aber objektiv statt (als eine gesellschaftliche Entwicklung), unabhängig von unserem Erkenntnisstand. Der Wellenpaket:Teilchen vollzieht seine Entwicklung nicht in der Realität. Man könnte es sagen, dass es eine gedachte Ebene ist, die durch eine Äußerung - eine Wechselwirkung - in unsere materiellen Welt sich manifestiert. Und zugleich sie gründet.

Ein theoretische Ansatz, der nicht zu beweisen ist, wie auch übrigens gegenteiliger Ansatz...
Spartaner
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Wallenstein hat geschrieben: Darum geht es hier doch überhaupt nicht. Du verstehst unter Bewusstsein etwas völlig anderes als Engels. Ich kann mir viele Dinge auch nicht vorstellen. Wie sieht elektrischer Strom aus, Magnetismus, die starke und die schwache Kernkraft, radioaktive Strahlung, Quarks, Superstrings? Alle diese Dinge existieren aber trotzdem. Ob ich sie mir bildlich vorstellen kann, ist eine völlig andere Sache und in diesem Zusammenhang auch uninteressant. Viele dieser Bereiche entziehen sich unserer Wahrnehmung, deshalb sind sie trotzdem vorhanden.

Engels versteht unter Bewusstsein vor allem die Wissenschaft, mit der wir uns die Welt erschließen, mit Hilfe von Mathematik, Physik, Chemie usw. nicht das Alltagsbewußtsein, welches vom sinnlichen Erleben ausgeht. Ich kann mir eine Schwarzschild-Rosen Brücke genauso wenig vorstellen wie die Eulersche Zahl, aber darum geht es hier ja überhaupt nicht.
Und all diese Dinge über die Welt können wir laut Engels in Erfahrung bringen, weil wir und das Gehirn aus Materie bestehen
Eben das ist der springende Punkt. Für Bewußstsein gibt es unterschiedliche Definitionen und Engels Definition von Bewußtsein, muss nicht die richtige sein.
Newtons Gesetze und mathematische Erkenntnisse gibt es ja nicht erst seit Engels und trotsdem wurde die Welt verkannt. Man unterlag Trugbildern und unterliegt denen noch vielfach heute. Ich bringe auch hier in den Zusammenhang den Begriff der Dertemination in die Diskussion .
Manche Handlungen unterliegen nicht dem freien Willen und wie Engels behauptet der Wissenschaft, mit der wir uns die Welt erschließen.
"Da fast alle physikalischen Prozesse festen Gesetzmäßigkeiten folgen, sind womöglich auch die Vorgänge im Kopf stets durch voran­gegangene neuronale Prozesse determiniert, das heißt festgelegt. Damit stünde das Ergebnis einer Handlungsplanung oder Entscheidung ­bereits vor ihrem Auftreten fest. Kann man in diesem Fall noch von freiem Willen ­sprechen? "
http://www.spektrum.de/magazin/determin ... ei/1010065

Da es für Bewußtsein unterschiedliche Definitionen gibt, ist es nicht ausgeschlossen, dass auch Tiere ein Bewußtsein haben. Sie wissen faktisch, dass sie selbst sind. Wie sagte Marx so schön: "Das Sein bestimmt das Bewußtsein"
Dieser Satz ist allgemein gültig, auch wenn ihn manche nicht wahrhaben wollen und in Frage stellen, bzw. zerreden wollen.
Die moderne Wissenschaft befasst sich mit dem Thema überhaupt nicht . Denn Tiere stehen im Nutzen für den Menschen und sind Ware, denen man jegliches Bewußtsein in der modernen Industriegesellschaft absprechen will. :wink:

Ich bin überzeugt davon, dass Engels eine falsche Definition von Bewußtsein vorgelegt hat und schließe mich folgenden Sätzen von wiki an:
Bewußtsein :
"Eine allgemein gültige Definition des Begriffes ist aufgrund seines unterschiedlichen Gebrauchs mit verschiedenen Bedeutungen schwer möglich. Die naturwissenschaftliche Forschung beschäftigt sich mit definierbaren Eigenschaften bewussten Erlebens."
https://de.wikipedia.org/wiki/Bewusstsein
Wallenstein

Spartaner
Eben das ist der springende Punkt. Für Bewußstsein gibt es unterschiedliche Definitionen und Engels Definition von Bewußtsein, muss nicht die richtige sein.
Der ganze Wirrwarr entsteht nur dadurch, dass dasselbe Wort für zwei völlig verschiedene Dinge benutzt wird. Engels versteht unter Bewusstsein das gesamte Wissen der Menschheit und ihre verschiedenen Wissenschaften. Wissenschaft ist immer nur vorläufig, sie entwickelt sich im Laufe der Zeiten. Wir haben heute wesentlich mehr Erkenntnisse als zur Zeit von Engels und im 24. Jahrhundert wird es wieder ganz anders sein. Das Bewusstsein, das die Menschen über die Welt haben, entwickelt sich ständig weiter und das wollte Engels damit sagen.

Psychologen, Mediziner, Hirnforscher verstehen unter Bewusstsein etwas völlig anderes. Sie interessieren sich für die individuellen Entwicklungen von Personen. Das hat mit dem Begriff von Engels gar nichts zu tun. Vielleicht sollte man einfach nur andere Worte wählen, damit sofort klar wird, dass hier unterschiedliche Dinge gemeint sind.

In dem Aufsatz aus dem Spektrum wird lediglich gesagt, dass es in der Physik objektive Prozesse gibt. Das würde Engels sofort unterschreiben.

Ob Handlungen der Menschen biochemisch determiniert sind, das würde er natürlich ablehnen. Diese Theorie ist außerdem sehr umstritten in der Wissenschaft. Wir können damit vielleicht die Handlungen einzelnen Personen erklären in bestimmten Situationen, wohl aber kaum die gesamte Menschheitsgeschichte. Die Entstehung von Hochkulturen oder die Industrielle Revolution sind so wohl nicht zu erklären.
CARLOS
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Wallenstein hat geschrieben:Angeregt von dem Beitrag über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte und der daraus folgenden Diskussion, habe ich mich vor kurzem noch einmal mit dem dialektischen Materialismus von Marx beschäftigt. Das Thema ist sehr komplex und ich habe wohl auch nicht alles verstanden. Philosophie ist auch nicht gerade mein Fach („Dem Philosoph ist nichts zu doof“).

Vielleicht kennen sich andere besser damit aus und können mich korrigieren.


So verstehe ich den dialektischen Materialismus. Er ist sicherlich nicht falsch, aber ich finde die Aussagen eigentlich banal.

Ich fange mit dem Schlusszitat an. Der Diamat ist m. E. falsch, vor allem ist er auf eine primitive Weise dargestellt worden Das heißt aber nicht, dass bei aller Fehlerhaftiogkeit nicht auch Positives darin zu finden wäre.

Auch wenn dem Philosophen "nichts zu doof ist", wie du schreibst, wird jeder, der dem Absoluten und Wahren zugeneigt ist, zumindest nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg halten und sagen, was Sache ist. Philosoph bin ich nicht. Meine Begegnung mit der Philosophie fand im Ruhestand statt, als genügend Zeit zur Verfügung stand. Mit dem Diamat/Histomat habe ich mich jedoch schon als junger Mensch beschäftigt, fand dieses Weltbild damals interessant und nicht trivial (wie später). Du nennst das Thema komplex. Das ist normal in der Philosophie, weil der Philosoph den Sachen auf den Grund geen will. Das Thema ist heute eher abgedroschen und für Historiker nur noch bedingt von Interesse.

Der anglo-irische Dichter B. Shaw meinte einmal, dass wer als junge Mensch kein Sozialist sei, kein Herz habe, wer es aber mit 40 noch immer sei, ein Idiot ist. Darin liegt Weisheit. Zur Wahrheit gehört aber auch dass die Methode des Ekklektizismus in der Philosophie immer zu Schwierigkeiten führt und zu Fehlern. Der Diamat ist voll davon. Er eignet sich vorzüglich dazu Fehler aufzuspüren. Vielleicht später merh davon.

Aneri hat in einer Anmerkung zum Beitrag den Juristen Carl Schmitt erwähnt, bei dem sie das Wort Dialektik gefunden habe. C. Schmitt war im akademischen Bereich ein geistiger Wegbereiter Hitlers. Wenn er den Begriff Dialektik verwendet hat, wird das in einem traditionellen Sinne erfolgt sein. Diesen Begriff gibt es bereits bei Platon und Aristoteles. Der Begriff hat einen rasanten Bedeutungswandel hinter sich, der hier nicht erörtert werden muss. Als Jurist kannte C. Schmitt sicher Hegel, von dem Marx seinerseits die Gesetze der Dialektik des Geistes und seiner Entwicklung übernommen hat. Allerdings übernahm Marx nur die Methode Hegels. Daraus folgen aber Probleme. weil M. die idealistische Entstellung der Wirklichkeit korrigieren wollte. Vielleicht später mehr dazu.
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@ Wallenstein
Bei Lichte betrachtet ging es in dem Thread über Gesetzmäßigkeiten weniger um Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte, sondern um die Geschichte als solche. Ich betreibe kein Cross-Posting, sondern gehe auf dein Zitat ein. In den Sozialwissenschaften gibt es sehr wohl Gesetzmäßigkeiten in engerem Daseinsrahmen. Geschichte gehört zu den Sozialwissenschaften. Ein System ist aber die Geschichte bzw. die Geschichtsschreibung nicht, es sei denn man man macht sie zu einem System, in dem eine Parteilinie und deren Ideologie sich darstellt und Personen (etwa Trotzki) und Geschehnisse der Geschichte für tabu erklärt werden und aus dem öffentlichen Gedächtnis verschwinden müssen. Auch das Zitat von dem DDR-Philosophen Klaus gehrört dazu. Seine Definition des Begriffs Geschichte ist DDR-Ideologie. Geschichtlichkeit als solche, die auf freiem Willen beruht, also nicht deterministisch ist, ist keinen Gesetzen (Notwendigkeiten) unterworfen wie von den Kommunisten im Diamat auf den ersten Blick behauptet wird. Ihnen zufolge gäbe es auch keinen Zufall (komme unten darauf zu sprechen). Eine präzise nach westlichen Maßstäben wissenschaftlich untermauerte Prognostik geschichtlicher Ereignisse und Vorgänge ist schon wegen der Unwägbarkeiten und Zufällen (geringe Wahrscheinlichkeit) schwer möglich. Die Zukunft lässt sich aber in gewissem Umfang vorhersagen aus gegenwärtigen Entwicklungstrends, extrapolieren (demografische Entwicklung vor allem), auch indem wir vergangene Ereignisfolgen im Blick haben. Wahlergebnisse lassen sich relativ genau bestimmen, Persönlichkeitsprofile von leitenden Politikern ermöglichen deren Handeln einzuschätzen, wirtschaftliche Entwicklungen (Geldmengensteuerung, Lohnerhöhungen) ermöglichen in gewissem Rahmen eine Vorhersage mit Hilfe von Funktionsgleichungen.

Zitat:
"Als naturwissenschaftliche Materialisten sind die Kommunisten von Grund auf Deterministen, was sie auch selbst dagegen sagen mögen: sie erkennen keinen Zufall und keinen freien Willen an; sie verwerfen auch alles, was nicht eine Funktion der Materie ist. Aber da sie dazu noch Hegelianer und Marxisten sind, verkündigen sie gleichzeitig die Befreiung des Menschen, die Pflicht, eine Revolution zu vollziehen und betonen die ungeheure Bedeutung; des menschlichen Willens; mit ande¬ren Worten, sie legen ihrem Materialismus und Determinismus zum Trotz größten Nachdruck auf die geistigen Werte und die Freiheit. Noch einmal erweist sich die Formulierung als barer Unsinn. Denn wenn die Definition der Freiheit als "Bewußtsein der Notwendigkeit" bei Hegel noch irgendeinen Sinn hat, da diese eine Notwendigkeit geistiger Ordnung ist, so verliert sie ihn bei den dialektischen Materialisten, weil für sie diese Notwendigkeit die Notwendigkeit der Gesetze der Materie ist. Was aber diesem Unsinn zugrunde liegt, ist_ganz einfach ein Wider¬spruch man möchte nämlich einerseits eine rein materialistische, von jeglichen Werten freie Betrachtung der Welt und andererseits eine ro¬mantische, moralische, Hegelsche, die einander doch ausschließen. Es handelt sich hier also um ein Konglomerat widerspruchsvoller Auf¬fassungen, die niemals durch eine Kritik, die diesen Namen wirklich verdient, aufgehellt wurden." Bochenski, Derrussische dialektische Materialismus S. 118

Kritik hätte eben von den Kommunisten kommen müssen, um es deutlich zu sagen, sie kam aber nicht. Ein Verstoß gegen die Regeln des Denkens ist die Folge: ein Widerspruch. Es muss hinzugefügt werden, dass Marx nicht der Erfinder der Dialektik ist. Den Begriff gibt es bereits in der Antike. Marx übernahm das Schema des Dreischritts der Entwicklung von Hegel. Das hatte Folgen, die im Diamat sichtbar sind. Vielleicht später mehr dazu.

Über Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte ist m. E. noch nicht diskutiert worden. Wo ein Determinismus und der freie Willen des Menschen von den Kommunisten nicht akzeptiert wird wie im Diamat und die Geschichte determiniert ist, erübrigt sich im Grunde jegliche Diskussion. Tatsächlich aber lassen die Kommunisten im Diamat ein Hintertürchen offen.

l b) Kann die Zufälligkeit der Notwendigkeit eine Schranke setzen?
Ein sehr wichtiger Fragenkomplex wird auch in der Lehre von lder Notwendigkeit, Zufälligkeit, Freiheit, von Determinismus und Indeterminismus angeschnitten. Konnten wir jedoch den »nwjetischen Philosophen in der Frage der Kausalität zuge-«telien, daß sie die einschlägigen Grundbegriffe von Ursache, Wirkung usw. gut und klar bestimmten, so ist dies hier leider nicht mehr der Fall. Was soll es z. B. heißen, wenn von der Not- wendigkeit ausgesagt wird, daß das Notwendige seine Ursache in sich selbst hat? Abgesehen von der falschen Verwendung des liegriffes »Ursache« würde dies bedeuten, daß diese Erschei- iumg das absolute, unendliche Sein wäre, d. h. Gott. Wenn näm- lidi die notwendige Erscheinung ihr Sein aus sich selbst hat, so kann dies, wie wir oben gesehen haben, auf keine andere Weise neschehen, als daß sie auf Grund innerer Wesensnotwendigkeit existiert. Das heißt, das Wesen dieser Erscheinung wäre das Sein selbst, sie wäre also das notwendigerweise seiende Sein, Wenn aber das Wesen dieser Erscheinung im Sein selbst liegt, so »diließt sie alles ein, was sein kann, d. h. sie wäre das unendliche notwendige Sein, Gott.
Es ist klar, daß der Diamat nicht in l diesem Sinne von einem »Notwendigen«, das seine Ursache in lieh hat, spricht. Es schwebt ihm wahrscheinlich ein Prozeß vor Augen, wie etwa der Wachstumsprozeß einer Pflanze, die zu-I fällig von einem Unwetter zerschlagen wird. Der Wachstumsprozess der Pflanze ist für den Diamatein »notwendiger« Prozess, da die Pflanze irgendwie die »Ur¬sache« ihres Wachsens in sich trägt. Hierzu ist aber zu sagen, dass diese innere Ursache nur dann mit Notwendigkeit den Wachstumsprozess der Pflanze auslöst, wenn die nötigen äußeren Bedingungen hinzutreten (Erdreich, Feuchtigkeit, Sonnen¬schein usw.); außerdem darf man, streng genommen, nicht sagen, daß die Pflanze >ihre< Ursache in sich habe (sie hat nicht den Grund ihres Daseins in sich, sonst wäre sie das notwendig absolute Sein), sondern dass sie die Ursache ihres Wachstum in sich hat).
Ähnliche Ungenauigkeiten haften auch den anderen hier verwendeten Grundbegriffen an. Wenn die Zufälligkeit als das, was seine Ursache in einem anderen hat, definiert wird, so ist es zwar sehr richtig, daß das Zufällige seine Ursache in einem anderen hat, aber als Definition ist dies ungeeignet, da auch not¬wendige Erscheinungen ihre Ursache in einem anderen haben können. Wenn eine Glühbirne zu leuchten beginnt, sobald der Strom eingeschaltet wird, so ist dies wohl eine notwendige Erscheinung, die Ursache aber liegt nicht in der Glühbirne. Viel besser wäre es, das Zufällige zu definieren als Resultat des Zusammentreffens zweier oder mehrerer nicht aufeinander fogender Ereignisse in geordneten Ursacheketten.
Auch der Begriff "Indeterminismus" ist völlig entstellt. Für gewöhnlich wird unter Indeterminismus eine spezifische Lösung des Problems der Willensfreiheit verstanden. Darüber, ob der natürliche Lauf der Dinge« in der Welt einer Gesetzmäßigkeit unterliege oder nicht, sagt er überhaupt nichts aus. Und weil der Diamat außer der Leugnung dieser Gesetzmäßigkeit im natürlichen Lauf der Dinge dem Indeterminismus weiter noch zum Vorwurf macht, daß er den menschlichen Willen für "absolut" frei halte, so ist dies eine Form des Indeterminismus, die heute kaum noch Anhänger zählt. Meistens nehmen diejenigen, die sich zum Indeterminismus bekennen wohl einen gewissen Einfluß der Motive und eine gewisse Abhängigkeit des Willens von der allgemeinen Disposition Menschen an, behaupten jedoch, daß der Wille trotzdem Fähigkeit besitzt, zu wollen oder nicht zu wollen, dies und
jenes zu wollen.

Dies vorausgeschickt kommen wir nun zum Hauptproblem, das hier vom dialektischen Materialismus behandelt wird: Ist die in Natur und Gesellschaft wirkende Notwendigkeit eine derart starre, daß sie den Ablauf des Weltentwicklungsprozesses eindeutig bis in die letzten Einzelheiten erfasst, so dass z. B. der Schwanz dieses Hundes genau fünf Zoll lang sei n muss und nicht um eine Linie länger oder kürzer sein kann? Wir sahen, dass der Diamat eine so verstandene Notwendigkeit als »metaphysisch« oder »mechanistisch« ablehnt. Warum? Weil sie keinen Raum für Zufälligkeiten lässt. In der Welt soll die Notwendigkeit nur in unlöslicher Verbindung mit Zufälligkeit vorhanden sein. Was ist aber die Zufälligkeit? Wir sahen, daß der dialektische Materialismus das Zufällige sehr richtig nicht als etwas Ursacheloses verstanden wissen will, sondern als das Resultat des Zusammentreffens zweier nicht aufeinander hingeordneter Ursachen. Wenn das Zufällige aber nicht wieder als kausal bedingt verstanden wird, so wird es doch wieder zu etwas Notwendigem. In unserem weiter oben angeführten Beispiel vom Hagelschlag; das Zerschlagenwerden der Pflanze ist zwar nicht notwendig, wenn man bloß die eine der beiden aufeinandertreffenden Kausalreihen in Betracht zieht: es ist nicht notwendig vom Standpunkt des Wachstumsprozesses; der Pflanze aus gesehen, und es ist nicht notwendig vom Standpunkt des Bildungsprozesses eines Hagelschlages aus gesehen. Betrachtet man aber die Erscheinung von einem Standpunkt aus, der nicht eine Seite des Phänomens abstrakt heraushebt, sondern alle Seiten des Gegenstandes und alle am Geschehen beteiligten Faktoren in Betracht zieht, so ist zu sagen, daß das Erschlagenwerden unserer Pflanze schlechterdings notwendig war, sobald die dazu führenden Ursachenketten wirksam wurden. Wenn der Diamat auf eine solche zufällige Erscheinung die Formel anwendet: "kausal bedingt, aber nicht notwendig" (weil zufällig), so stimmt dies einfach nicht. Richtiger wäre zu formulieren: diese Erscheinung ist im Hinblick auf einzelne Kausalketten zufällig und trotzdem im Ganzen notwendig.
Wir sehen also, daß wir mit Hilfe der "Zufälligkeit" allein der Herrschaft der starren Notwendigkeit nicht entkommen. Um diese Herrschaft zu brechen, ist ein anderer Faktor notwendig, nämlich die Freiheit. Nur wenn eine der verschiedenen Ursachen, die in einem "zufälligen" Ereignis zusammentreffen, eine frei wirkende Ursache darstellt, nur dann ist dieses zufällige Ereignis nicht mehr schlechthin notwendig. Das wird an zwei der oben angeführten Beispiele für zufällige Ereignisse deutlich: nämlich am Beispiel vom Flohbiß um vier Uhr morgens und am Beispiel von der Zugentgleisung. In beiden Fällen beruht die Zufälligkeit, zum Teil wenigstens, auf frei wirkenden Ursachen. Im ersten Falle trug zum Zustandekommen des Flohbisses gerade um vier Uhr morgens sicher auch die Tatsache bei, daß ich mich um zehn Uhr abends und nicht um 12 Uhr zu Bette legte und dass ich am Tage zuvor eine dichtbesetzte Straßenbahn benützte, in der ich mir den Floh holte. Dass aber all dies geschah, hing von meinen freien Entscheidungen ab. Ebenso ist am Zustandekommen des Zugunglücks die (mehr oder weniger schuldhafte und daher freie) Nachlässigkeit des Bahnwärters schuld.
Somit sehen wir, daß an der Formel des Diamat "kausal bedingt, aber nicht notwendig" doch etwas Wahres ist: Es gibt Erscheinungen, die zwar kausal bedingt, trotzdem aber nicht notwendig sind. Und dies sind Erscheiungen, die auf frei wirkende Ursachen zurückgehen. Nicht jedes Zufällige gehört dazu, sondern nur ein solches Zufälliges, an dessen Zustandekommen mindestens eine frei wirkende Ursache mitbeteiligt ist.

Damit stünde ein Kapitel über die Lehre von der Freiheit im Diamat an und viele weitere. Ob es Sinn auf dem macht weiter zu gehen?



Damit kommen wir zur Lehre des dialektischen Materialisn» von der Freiheit. Oft wird gegen den Marxismus auf folgen» Weise argumentiert: der Marxismus lehrt, daß in der Geschichte objektive Gesetze wirken, also läßt er keinen Platz für einen freien Willen des Menschen. Uns scheint diese Argumentatio nicht treffend. Es ist nämlich möglich, daß in einer großen Menge von unregelmäßigen Einzelfällen trotz der im Einzelfall zutage tretenden Unregelmäßigkeit und Unvoraussagbarkeit dennoch eine gewisse Regelmäßigkeit festzustellen ist. Gerade darauf beruhen ja die statistischen Gesetze. Auf dem Gebiet der Mikrophysik kann es z. B. unter Umständen so sein, dass man nicht mit Bestimmtheit voraussagen kann, an welcher Stelle man bei einer Ortsmessung ein Elektron antreffen wird, Bei einer größeren Anzahl von Ortsmessungen kann man doch voraussagen, daß das Elektron ungefähr in so und so viel Prozent der Fälle an diesem Ort und in so und so viel Prozent der Fälle an jenem Orte anzutreffen sein wird. Trotz der Unregelmäßigkeit des Einzelfalles tritt also im Verhalten des Kollektivs eine gewisse Regelmäßigkeit zutage. Das kann man nun auch auf das menschliche Verhalten anwenden. Auch WENN wir die Möglichkeit einer freien Entscheidung jedes einzeln» Menschen annehmen, kann es durchaus möglich sein, daß für das Durchschnittsverhalten vieler Menschen gewisse Gesetzmäßigkeiten aufgestellt werden können, so z. B., dass Länder mit hohem Wohlstand oft auch eine besonders hohe Selbstmordziffer aufzuweisen haben.
Wir wollen also nicht in Abrede stellen, dass die marxistische Lehre von der historischen "Notwendigkeit" Raum für die Freiheit des menschlichen Willens lässt.

Den Text habe ich dem Buch von G. A. Wetter, Sowjetideologie heute unverändert entnommen. Es lag mir daran zu zeigen, wie Experten philosophische Fragen diskutieren. Das Buch von Wetter ist sehr kritisch gegenüber dem Diamat; aus dem letzten Abschnitt übe Freiheit (s. oben) dürfen keine falschen Schlüsse gezogen werden.

Wallenstein äußert sich zwar mit einem skeptischen Unterton in seinem Eingangsbeitrag zum Diamat, verfügt aber wie fast alle ehemaligen DDR-Bürger nur über plakative, angelernte Glaubenssätze für gläubige Parteimitglieder. Wer in der DDR gelebt hat, leben musste, für den konnte es nicht anders sein. Ich kann mich täuschen.
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