Mythos Che Guevara – seine Ideenwelt
Verfasst: 03.09.2015, 10:54
In verschiedenen Foren wurde Che Guevara erwähnt und deshalb habe ich mich kurz mit einigen seiner Schriften beschäftigt. Sein abenteuerliches Leben ist hinreichend bekannt, weniger seine Ideen, die ich hier kurz vorstellen möchte.
Kurzer Lebenslauf unter: http://www.hdg.de/lemo/biografie/che-guevara.html
Beim Studium seiner Aufsätze fiel mir die große Ähnlichkeit mit Mao-tse-tung auf. Beiden wurde ja auch der Vorwurf des Subjektivismus bzw. Voluntarismus gemacht. Während es bei Marx in den Feuerbach Thesen heißt: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, ist es bei den beiden das genaue Gegenteil: „Das Bewusstsein bestimmt das Sein, und wenn das Sein nicht so ist, wie es sein soll, dann muss man eben nachhelfen. „Trumpf des Willens“, so könnte man es boshaft nennen. Bei Mao ist es der kleine Bauer Yü Gong, der ganze Berge versetzt, weil er es will, bei Che Guevara ist es der Revolutionär, der alles erreichen kann, wenn er dazu entschlossen ist. Angetrieben vom Hass auf Unterdrückung und Ausbeuter kann er die Welt aus den Angeln heben.
„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“
„Verwandelt euren Hass in Energie!“
„Die Revolution ist kein Apfel, der vom Baum fällt, wenn er reif ist; man muss machen, dass er fällt.“
Zitate und Aphorismen - http://gutezitate.com
Die Fokustheorie
Aus den Erfahrungen der kubanischen Revolution, entwickelt er seine Fokustheorie, die folgendes besagt:
Die Kräfte des Volkes können einen Krieg gegen eine reguläre Armee gewinnen. Eine Revolution im sozialistischen Sinne kann auch ohne breite Unterstützung durch die Arbeiterklasse Erfolg haben.
Nicht immer muss man warten, bis alle Bedingungen für eine Revolution gegeben sind, der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen.
Von zentraler Bedeutung insbesondere für Revolutionen in der Dritten Welt ist eine entschlossene Gruppe von Kämpfern (foco), die sich auf wenige strategische Ziele konzentriert, gezielt den Kontakt zur Bevölkerung sucht und durch punktuelle Aktionen den Staat direkt angreift.
http://www.bpb.de/internationales/ameri ... bewegungen
Die Bedingungen auf Kuba waren für eine Revolution offensichtlich besonders günstig. Man sieht aus dieser Theorie: Revolution ist reine Willenssache. Sie kann eigentlich überall gelingen. Man braucht nur die richtigen Leute.
Mit dieser Theorie hatte sich Che weit vom sowjetischen Marxismus entfernt, der davon ausging, dass die Arbeiterklasse die Revolution führen soll. Mao ersetzte in China die Arbeiter durch eine Bauernarmee, Che hingegen glaubte, eine kleine Gruppe Intellektueller könnte den Umsturz durchführen. Ihnen würde die Masse des Volkes dann schnell folgen. Das war die richtige Theorie für Gruppen wie die RAF.
„Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam!“
Doch die Entwicklung in Lateinamerika zeigte: Sind die objektiven Bedingungen nicht reif, dann scheitert der Focus. Das musste Che Guevara in Bolivien mit dem Leben büßen. Die Bauern waren zwar arm, aber deswegen wollten sie keine Revolution.
Der Sozialismus. Erziehung statt Wirtschaftsentwicklung
Während seiner kurzen Regierungszeit als Industrieminister in Kuba versuchte er mit seiner voluntaristischen Theorie aus dem Stand heraus den Sozialismus einzuführen und zwar durch eine radikale Verstaatlichung und vor allem durch revolutionäre Erziehung, die den Mangel an Konsumgütern ausgleichen sollte. Dadurch wurde der Marxismus auf den Kopf gestellt, geht dieser doch davon aus, dass der Sozialismus nur bei einem hohen Stand der Produktivkräfte möglich ist:
„weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der ‚Eigentumslosen‘ Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat".
K. Marx et al.: Die Deutsche Ideologie, 1845, MEW Bd. 3, S. 34f.
Che Guevara glaubte wie Mao, dass man die Angelegenheit auch umkehren könnte: Zuerst entsteht der neue Mensch durch Erziehung, dann erst entwickeln sich die Produktivkräfte durch die Kraft des Willens dieser neuen Menschen.
Der neue Mensch, ein selbstloser Revolutionär
Der neue Mensch ist vor allem ein Revolutionär. In seinem Aufsatz: Der Sozialismus und der Mensch in Kuba“ schwärmt Che von seinen Erfahrungen als Guerillakämpfer.
„Es war die erste heroische Etappe, in der man sich um einen Auftrag von größerer Verantwortung stritt, ohne eine andere Befriedigung als die einer erfüllten Pflicht. In unserer revolutionären Erziehungsarbeit kommen wir oft auf dieses lehrreiche Thema zu sprechen. Denn in der Haltung unserer Kämpfer zeigt sich bereits der Mensch der Zukunft.“
Che Guevara, Politische Schriften, Frankfurt 1970, S.95)
Dieser neue Mensch ist weniger ein Arbeiter oder ein Bauer, sondern vor allem ein Kämpfer, der sein eigenes Schicksal gering achtet, der bereit ist, jedes Opfer für die Revolution und die Gemeinschaft zu bringen.
Wirtschaftliche Probleme interessieren Che eigentlich kaum. Materielle Anreize haben für ihn keine Bedeutung. Er identifiziert sie mit Kapitalismus. In einer warenproduzierenden Gesellschaft denkt jeder nur an sich. Deshalb wollte er möglichst schnell Waren und Märkte abschaffen und die gesamte Gesellschaft in eine riesige, planmäßig produzierende Wirtschaftseinheit umwandeln. Wichtig ist nur die revolutionäre Gesinnung, Rentabilität, genaue Wirtschaftsführung usw. diese Fragen sind ihm lästig. Deshalb kritisiert er auch die Sowjetunion, wo diese Faktoren noch eine große Rolle spielten.
Seine Politik führte beinahe zum Zusammenbruch, doch schon wenige Jahre später trat er von allen politischen Ämtern zurück, um sich seiner eigentlichen Aufgabe zuzuwenden: Der Weiterführung der Revolution:
„Ein wahrer Revolutionär wird von großen Gefühlen der Liebe geleitet.“
„Man trägt die Revolution nicht auf den Lippen um von ihr zu reden, sondern im Herzen um für sie zu sterben.“
Also starb er für sie.
Was soll man von einer solchen Ideenwelt halten? Sie ist völlig ungeeignet, um eine neue Gesellschaft zu bauen. Che Guevara wollte sie auf Kuba mit Gewalt durchsetzen und viele Todesurteile gehen auf sein Konto. Seine Theorien sind auch als Revolutionstheorie nur begrenzt tragbar. Das heutige Lateinamerika geht einen anderen Weg.
Che taugt nur als revolutionärer Mythos. Er ist fast zu einem Heiligen geworden, zu einer Ikone der Revolution. Dafür mag er gut sein. „Jesus Christus mit der Knarre“, so hat ihn Biermann einst besungen. Auf dem Totenbett hatte er tatsächlich eine beängstigende Ähnlichkeit mit den Abbildungen von Jesus, obwohl wir dessen Antlitz ja gar nicht kennen. Und deshalb wird Che uns wohl erhalten bleiben.
Kurzer Lebenslauf unter: http://www.hdg.de/lemo/biografie/che-guevara.html
Beim Studium seiner Aufsätze fiel mir die große Ähnlichkeit mit Mao-tse-tung auf. Beiden wurde ja auch der Vorwurf des Subjektivismus bzw. Voluntarismus gemacht. Während es bei Marx in den Feuerbach Thesen heißt: „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, ist es bei den beiden das genaue Gegenteil: „Das Bewusstsein bestimmt das Sein, und wenn das Sein nicht so ist, wie es sein soll, dann muss man eben nachhelfen. „Trumpf des Willens“, so könnte man es boshaft nennen. Bei Mao ist es der kleine Bauer Yü Gong, der ganze Berge versetzt, weil er es will, bei Che Guevara ist es der Revolutionär, der alles erreichen kann, wenn er dazu entschlossen ist. Angetrieben vom Hass auf Unterdrückung und Ausbeuter kann er die Welt aus den Angeln heben.
„Seien wir realistisch, versuchen wir das Unmögliche!“
„Verwandelt euren Hass in Energie!“
„Die Revolution ist kein Apfel, der vom Baum fällt, wenn er reif ist; man muss machen, dass er fällt.“
Zitate und Aphorismen - http://gutezitate.com
Die Fokustheorie
Aus den Erfahrungen der kubanischen Revolution, entwickelt er seine Fokustheorie, die folgendes besagt:
Die Kräfte des Volkes können einen Krieg gegen eine reguläre Armee gewinnen. Eine Revolution im sozialistischen Sinne kann auch ohne breite Unterstützung durch die Arbeiterklasse Erfolg haben.
Nicht immer muss man warten, bis alle Bedingungen für eine Revolution gegeben sind, der aufständische Fokus kann solche Bedingungen selbst schaffen.
Von zentraler Bedeutung insbesondere für Revolutionen in der Dritten Welt ist eine entschlossene Gruppe von Kämpfern (foco), die sich auf wenige strategische Ziele konzentriert, gezielt den Kontakt zur Bevölkerung sucht und durch punktuelle Aktionen den Staat direkt angreift.
http://www.bpb.de/internationales/ameri ... bewegungen
Die Bedingungen auf Kuba waren für eine Revolution offensichtlich besonders günstig. Man sieht aus dieser Theorie: Revolution ist reine Willenssache. Sie kann eigentlich überall gelingen. Man braucht nur die richtigen Leute.
Mit dieser Theorie hatte sich Che weit vom sowjetischen Marxismus entfernt, der davon ausging, dass die Arbeiterklasse die Revolution führen soll. Mao ersetzte in China die Arbeiter durch eine Bauernarmee, Che hingegen glaubte, eine kleine Gruppe Intellektueller könnte den Umsturz durchführen. Ihnen würde die Masse des Volkes dann schnell folgen. Das war die richtige Theorie für Gruppen wie die RAF.
„Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam!“
Doch die Entwicklung in Lateinamerika zeigte: Sind die objektiven Bedingungen nicht reif, dann scheitert der Focus. Das musste Che Guevara in Bolivien mit dem Leben büßen. Die Bauern waren zwar arm, aber deswegen wollten sie keine Revolution.
Der Sozialismus. Erziehung statt Wirtschaftsentwicklung
Während seiner kurzen Regierungszeit als Industrieminister in Kuba versuchte er mit seiner voluntaristischen Theorie aus dem Stand heraus den Sozialismus einzuführen und zwar durch eine radikale Verstaatlichung und vor allem durch revolutionäre Erziehung, die den Mangel an Konsumgütern ausgleichen sollte. Dadurch wurde der Marxismus auf den Kopf gestellt, geht dieser doch davon aus, dass der Sozialismus nur bei einem hohen Stand der Produktivkräfte möglich ist:
„weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müsste, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der ‚Eigentumslosen‘ Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat".
K. Marx et al.: Die Deutsche Ideologie, 1845, MEW Bd. 3, S. 34f.
Che Guevara glaubte wie Mao, dass man die Angelegenheit auch umkehren könnte: Zuerst entsteht der neue Mensch durch Erziehung, dann erst entwickeln sich die Produktivkräfte durch die Kraft des Willens dieser neuen Menschen.
Der neue Mensch, ein selbstloser Revolutionär
Der neue Mensch ist vor allem ein Revolutionär. In seinem Aufsatz: Der Sozialismus und der Mensch in Kuba“ schwärmt Che von seinen Erfahrungen als Guerillakämpfer.
„Es war die erste heroische Etappe, in der man sich um einen Auftrag von größerer Verantwortung stritt, ohne eine andere Befriedigung als die einer erfüllten Pflicht. In unserer revolutionären Erziehungsarbeit kommen wir oft auf dieses lehrreiche Thema zu sprechen. Denn in der Haltung unserer Kämpfer zeigt sich bereits der Mensch der Zukunft.“
Che Guevara, Politische Schriften, Frankfurt 1970, S.95)
Dieser neue Mensch ist weniger ein Arbeiter oder ein Bauer, sondern vor allem ein Kämpfer, der sein eigenes Schicksal gering achtet, der bereit ist, jedes Opfer für die Revolution und die Gemeinschaft zu bringen.
Wirtschaftliche Probleme interessieren Che eigentlich kaum. Materielle Anreize haben für ihn keine Bedeutung. Er identifiziert sie mit Kapitalismus. In einer warenproduzierenden Gesellschaft denkt jeder nur an sich. Deshalb wollte er möglichst schnell Waren und Märkte abschaffen und die gesamte Gesellschaft in eine riesige, planmäßig produzierende Wirtschaftseinheit umwandeln. Wichtig ist nur die revolutionäre Gesinnung, Rentabilität, genaue Wirtschaftsführung usw. diese Fragen sind ihm lästig. Deshalb kritisiert er auch die Sowjetunion, wo diese Faktoren noch eine große Rolle spielten.
Seine Politik führte beinahe zum Zusammenbruch, doch schon wenige Jahre später trat er von allen politischen Ämtern zurück, um sich seiner eigentlichen Aufgabe zuzuwenden: Der Weiterführung der Revolution:
„Ein wahrer Revolutionär wird von großen Gefühlen der Liebe geleitet.“
„Man trägt die Revolution nicht auf den Lippen um von ihr zu reden, sondern im Herzen um für sie zu sterben.“
Also starb er für sie.
Was soll man von einer solchen Ideenwelt halten? Sie ist völlig ungeeignet, um eine neue Gesellschaft zu bauen. Che Guevara wollte sie auf Kuba mit Gewalt durchsetzen und viele Todesurteile gehen auf sein Konto. Seine Theorien sind auch als Revolutionstheorie nur begrenzt tragbar. Das heutige Lateinamerika geht einen anderen Weg.
Che taugt nur als revolutionärer Mythos. Er ist fast zu einem Heiligen geworden, zu einer Ikone der Revolution. Dafür mag er gut sein. „Jesus Christus mit der Knarre“, so hat ihn Biermann einst besungen. Auf dem Totenbett hatte er tatsächlich eine beängstigende Ähnlichkeit mit den Abbildungen von Jesus, obwohl wir dessen Antlitz ja gar nicht kennen. Und deshalb wird Che uns wohl erhalten bleiben.