Die Beat Generation in den fünfziger Jahren

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Moderator: Barbarossa

Wallenstein

In den fünfziger Jahren erlebten die westlichen Gesellschaften einen gewaltigen Modernisierungsschub auf nahezu allen Gebieten. Die Wirtschaft, Technik und Wissenschaften veränderten sich dramatisch. Radio und Fernsehen ermöglichten den Zugang zu mehr Informationen als früher, es gab mehr Freizeit und Urlaub, die Einkommen erhöhten sich, die Konsummöglichkeiten ebenfalls. Gleichzeitig blieben die alten Werte in der Gesellschaft noch unverändert, doch sie passten nicht mehr in die neue Zeit. Vor allem die jungen Leute bemerkten den Widerspruch und alte Autoritäten und Verhaltensweisen, die prüde Sexualmoral und das Spießertum wurden nicht mehr ungefragt akzeptiert.

In den USA entstand die Beat Generation, die Vorgänger der Hippies, eine Gruppe angehender Schriftsteller, die in den Kneipen von San Franzisco ihre Verse spontan vor dem Publikum vortrugen. (Slam Poetry). Die Beatniks waren gegen alles, was auch im leisesten Verdacht stand, bürgerlich zu sein. Beat sollte heißen: niedergeschlagen, oder die geschlagene Generation (in Anspielung an die „Lost Generation“ nach dem Ersten Weltkrieg, der Kreis um Hemingway und Gertrude Stein).

Die Beatniks hassten alle sozialen Konventionen, übernahmen Gelegenheitsjobs und lebten in selbstgewählter Armut. Sie tranken sehr viel Alkohol und rauchten Marihuana, trugen bretonische Fischerhemden, waren ständig auf der Suche nach Kicks, das Leben sollte ein ewiger Rausch sein. Ihre bevorzugte Musik war Bepob, eine Art Jazz.

Ein Vorläufer der Beatliteratur war der Roman von Jerome D. Salinger, Der Fänger im Roggen (1951). Der Protagonist ist Holden Caulfield, ein junger Mann, der ständig im Clinch mit seinen Eltern liegt und aus jeder Schule nach kurzer Zeit herausfliegt. Er ist auf der Suche nach seiner Identität und läuft orientierungslos tagelang durch New York, auf der Suche nach Menschen, die ihn verstehen, eckt aber überall an. Schließlich landet er in der Irrenanstalt. Der Roman wurde sofort zum Kultbuch, vor allem durch die trotzige, aufsässige Sprache des Helden, der sich mit allen und jeden anlegt. (Der Mörder von John Lennon behauptet später, er sei durch dieses Buch zu seiner Tat inspiriert worden). Dieses Buch drückt wie kaum ein anderes den damaligen Zeitgeist aus, junge Leute, verwirrt durch die Moderne, haben jede Orientierung verloren und wenden sich gegen alles.

Das Kultbuch schlechthin wurde der Roman von Jack Kerouac, Unterwegs (1957). Er trampte mit seinen Freunden kreuz und quer durch die USA, ohne ein wirkliches Ziel, es geht nur um Kicks. Kerouacs Roman machte das Trampen zum Kult und den Road-Movie populär, in den weiten Amerikas erfüllt sich für ihn der Traum von Freiheit und Abenteuer, ein Leben ohne viel Geld, jenseits aller bürgerlichen Konventionen.

Allen Ginsberg schrieb 1956 das Gedicht, Das Geheul, welches großen Anstoß erregte, da es obszöne Anspielungen enthielt. Dies war ein Angriff auf die prüde Sexualmoral der damaligen Zeit.

Williams Burroughs schrieb 1959 „Naked luch“, ein Buch erstellt mit der „cut-up“-Technik“. Er zerschnitt sein Manuskript in viele Teile und fügte sie planlos zusammen. Der Roman ist kaum verständlich. Zu einem großen Teil sind es Alpträume und Visionen aus dem Drogenrausch.

Die Beatniks drückten ein neues Lebensgefühl aus. Zahlenmäßig waren sie nur eine kleine Gruppe, doch ihr Einfluss war längerfristig recht groß. Die Beatmusik, die ganze Jugendbewegung, die dann in den sechziger Jahren folgte, wäre ohne sie wohl nicht denkbar gewesen.
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Balduin
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Die Zeit textete zur Beat-Generation: Der Club der dichten Dichter ;) Anscheinend ganz passend.
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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Triton
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Zum Glück musste ich den "Fänger im Roggen" nie lesen.

Die Beatles waren doch brave Schwiegersöhnchen mit Anzug und Krawatte und die Musik völlig unpolitisch.

Wohl das, was heute Volksmusik ist. Stefan Raab meinte mal, dass er schon überall war, bei Heavy Metals, Rappern oder Techno-Ummz-Ummz-Konzerten, aber so hemmungslos gesoffen wie beim Musikantenstadl werde nirgends. Da wäre schon bei den Proben keiner mehr nüchtern und auch sonst gehe es wohl sehr locker zu.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Wallenstein

Triton hat geschrieben:Zum Glück musste ich den "Fänger im Roggen" nie lesen.

Die Beatles waren doch brave Schwiegersöhnchen mit Anzug und Krawatte und die Musik völlig unpolitisch.

Wohl das, was heute Volksmusik ist. Stefan Raab meinte mal, dass er schon überall war, bei Heavy Metals, Rappern oder Techno-Ummz-Ummz-Konzerten, aber so hemmungslos gesoffen wie beim Musikantenstadl werde nirgends. Da wäre schon bei den Proben keiner mehr nüchtern und auch sonst gehe es wohl sehr locker zu.

Ich wollte den „Fänger im Roggen“ früher auch nicht lesen, habe es dann aber doch gemacht. Und nicht bereut. Der Roman ist unheimlich witzig.

Die Beat Generation oder Beatniks haben mit den Beatles eigentlich nichts zu tun, die tauchen ja erst in den sechziger Jahren auf. Die Beatniks machten keine Musik, sondern waren eine kleine, elitäre Gruppe von Schriftstellern in den fünfziger Jahren. Wohl aber schlägt sich deren Lebensgefühl in der späteren Beat-Musik nieder. Allerdings nur im Rhythmus, die Texte der frühen Beatles Lieder waren ja mehr als trivial und hatten das dürftige Niveau deutscher Schlager.“Love me do“; „She loves you“; I want to hold your hand“; also: „ Ich liebe, du liebst mich, das war es dann schon“).
Etwas anspruchsvoller waren die Texte von Bob Dylan und der war auch mit einigen Beatniks befreundet.
Ruaidhri
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Danke, Wallenstein, erstmal für die Lesehinweise. :mrgreen:
The Catcher in the Rye haben wir in Englisch in der Schule gelesen- und fast alle mit Begeisterung. Ich sollte ihn noch öfter wieder aus dem Regal holen und lesen.
Jack Keruac bekam ich von meiner Studentenliebe geschenkt, auch immer noch ein Klassiker für nostalgische Phasen, in denen ich mich lang vergangenen Zeiten erinnere.
Triton hat geschrieben:Die Beatles waren doch brave Schwiegersöhnchen mit Anzug und Krawatte und die Musik völlig unpolitisch.
Ja- und Nein. Für die so völlig aners geprägte Elterngeneration in Deutschland galten auch die Beatles als Zeichen von Sitten- und Kulturverfall, nur schon wegen der etwas längeren Haare und der "Negermusik".
Die Stones und was dann noch kam, mal erst recht.
Wallenstein erklärt es hier ja:
Wallenstein hat geschrieben:Die Beat Generation oder Beatniks haben mit den Beatles eigentlich nichts zu tun, die tauchen ja erst in den sechziger Jahren auf. Die Beatniks machten keine Musik, sondern waren eine kleine, elitäre Gruppe von Schriftstellern in den fünfziger Jahren. Wohl aber schlägt sich deren Lebensgefühl in der späteren Beat-Musik nieder. Allerdings nur im Rhythmus, die Texte der frühen Beatles Lieder waren ja mehr als trivial und hatten das dürftige Niveau deutscher Schlager.“Love me do“; „She loves you“; I want to hold your hand“; also: „ Ich liebe, du liebst mich, das war es dann schon“).
Die Beatnicks bereiteten schon so ein bisschen den Weg mit vor für das nächste Jahrzehnt, in dem, nicht zuletzt in der Populär-Musik
Tabus fielen.
Muttersprache: Deutsch Vaterland: Keins. Heimat: Europa
LG Ruaidhri
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