Diskussion: Gerichtsurteil zu religiöser Beschneidung

Kommentare und Meinungen zu epochenübergreifenden Themen

Moderator: Barbarossa

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Peppone
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Renegat hat geschrieben:
Renegat hat geschrieben:Außerdem kann man Kindern nicht jegliche Negativ- und Schmerzerfahrung ersparen, damit umgehen zu lernen, gehört auch zum Leben.
Peppone hat geschrieben: dass eine Postulierung einer Schädlichkeit der Beschneidung in Richtung Überbehütung von Kindern geht.
Peppone hat geschrieben:Ich seh da schon Unterschiede in der Argumentation.
Jaaa? Welche?
Dein Argument enthält eine doppelte Verneinung. Löst man diese auf, erhält man: Negativ- und Schmerzerfahrungen sind gut für Kinder, denn sie gehören zum Leben = bereiten auf´s Leben vor.

Ich sage: Die möglichst völlige Vermeidung von Negativ- und Schmerzerfahrungen (z.B. durch eine Zirkumzision) bedeutet, die Kinder überzubehüten. = Die Zulassung von Negativ- und Schmerzerfahrungen bedeutet, den Kindern die Chance zu lassen, diese Erfahrungen kennen zu lernen, was gut ist, denn sie gehören zum Leben und die Vermeidung von Überbehütung bereitet besser auf´s Leben vor als die Überbehütung.

Ich geb´s zu, der Unterschied ist marginal, besteht im Wesentlichen darin, dass meine Aussage weniger absolut ist wie deine. Bei näherem Hinschauen hätte ich mir meinen Einwurf auch sparen können. :oops:

Lass ma´s gut sein.

Beppe
Renegat
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Barbarossa hat geschrieben:Danke Renegat!
Von Schutzimpfungen gegen diese Krebsart habe ich auch schon gehört - da gab es ja mal eine große Kampagne im Fernsehen. Generell halte Impfungen für die beste Methode gegen Virenerkrankungen.
Ja, im Prinzip sind Schutzimpfungen eine gute Methode.
Aber auch ein gutes Geschäft für das Pharmaunternehmen. Damit will ich keinesfalls einen Zusammenhang andeuten mit der Anerkennung der medizinischen Vorteile der Zirkumzision. Mich hat nur gewundert, dass die relativ eindeutigen Positivergebnisse, von denen ich meine, vor einigen Jahren gelesen zu haben, scheinbar in neueren Studien nicht belegt worden sind. Aber ich habe auch nur Wiki gelesen.
Um gegen die Impfung qualifizierte Einwände zu erheben, fehlt mir auch das medizinische Fachwissen. Sowie ich das verstanden habe, sollen Mädchen vor der ersten Infektion, also wahrscheinlich vor dem ersten GV geimpft werden. D.h. für mich möglichst früh, noch während der Pubertät. Von der Impfung für Jungen habe ich noch nichts gehört. Nun ist eine Impfung nicht der gleiche Eingriff wie die Beschneidung, man muß dafür aber zum Arzt gehen und sich öffentlich mit Sexualität beschäftigen, was in der Pubertät durchaus problematisch sein kann.
Zuletzt geändert von Renegat am 08.07.2012, 11:35, insgesamt 1-mal geändert.
Renegat
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Peppone hat geschrieben: Lass ma´s gut sein.
Ja klar, erledigt :)
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Barbarossa
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Die Wogen schlagen noch immer hoch und es gibt anscheinend eine immer breitere Front gegen das Gerichtsurteil:
Montag, 09. Juli 2012
"Angriff auf jüdisches Leben"
Rabbiner empört über Urteil

Das Beschneidungsurteil von Köln sorgt weiter für Aufregung. Der Präsident der Konferenz Europäischer Rabbiner sieht den "vielleicht gravierendsten Angriff auf jüdisches Leben in Europa nach dem Holocaust". In Israel muss der deutsche Botschafter die Gerichtsentscheidung erklären und wiegelt ab: Es handele sich um eine "Einzelfallentscheidung"...
hier: weiterlesen
Montag, 09. Juli 2012
"Beschneidung ist keine Straftat"
Grüne wollen Rechtssicherheit

Das Beschneidungsurteil von Köln hat eher verunsichert, als für klare Fakten zu sorgen. So warnt die Ärztekammer ihre Mediziner vor einem solchen Eingriff, weil die Rechtslage unklar sei. Die Grünen fordern in einem offenen Brief Rechtssicherheit für die in Deutschland lebenden Juden und Muslime...
hier: weiterlesen
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Barbarossa
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Hallo Ralph, eine Frage von mir ist noch offen:
Barbarossa hat geschrieben:...Mit anderen Worten: Bei einer möglichen gesetzlichen Regelung wird die Entscheidungsfähigkeit der Person über seinen eigenen Körper eine entscheidende Rolle spielen. Unser Ralph wird als angehender Jurist sicher informiert sein, ab welchem Alter das frühestens möglich ist.
Ab welchem Alter trifft das denn zu? Ab 14? Oder erst ab 18?
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Balduin
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Die Einwilligungsfähigkeit richtet sich nicht nach dem Alter, sonder nach der tatsächlichen Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Zitat: Der Einwilligende muss imstande sein, Wesen, Bedeutung und Tragweite des fraglichen Eingriffs voll zu erfassen und seinen Willen danach zu bestimmen.
Das ganze ist umstritten, herrschende Meinung ist wohl, dass es auf das Alter nicht ankommt - insbesondere nicht darauf, dass die Person zivilrechtlich voll geschäftsfähig ist (irgendwie auch klar, hier gehts ja nichts um irgendetwas vermögensrelevantes).

Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass man sich aber am Alter für die Religionsmündigkeit orientieren wird (also 14)
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
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Barbarossa
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Ah, ja ok. Danke Ralph!
:wink:
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Renegat
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Hat gestern jemand die Diskussion bei Anne Will zum Thema verfolgt?
Mich interessiert, ob die euch weitergebracht hat.
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Barbarossa
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Ich hab mir die Wiederholung angesehen.
Der Jurist, der da saß, den habe ich schon in einer anderen Disussion gesehen. Er macht eine starke Kampagne.
Weitergebracht hat es mich schon, vor allem was die religiösen Anschauungen angeht. Aber es ist ein sehr schwieriges Thema, weil die Disussion auf zwei völlig verschiedenen Ebenen geführt wird:

- Die traditionell-religiöse, die auch das Argument vorbringt, sie sei viel älter und hätte damit eine Art von "Erstgeborenenrecht".
und
- Die rechtliche, die zurecht für sich das Recht für sich beansprucht, allgemeingültig und damit höherwertig zu sein.
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Renegat
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Barbarossa hat geschrieben:Ich hab mir die Wiederholung angesehen.
Der Jurist, der da saß, den habe ich schon in einer anderen Disussion gesehen. Er macht eine starke Kampagne.
Naja, ich fand ihn nicht besonders authentisch und verständnislos gegenüber dem offensichtlichen Dilemma besonders beim jüdischen Ritual.
Die einzige, deren Argumente nicht so festgefahren rüberkamen, war die Juristin, die als Atheistin vorgestellt wurde aber eigentlich keine war. Solche Menschen wären für einen Dialog über das Thema weit besser geeignet, als die kompromißlos ihre Meinung platzierenden Fundamentalisten jeder Seite. Dazu zähle ich auch diesen Putz, der verkauft seine Kampagne.
Barbarossa hat geschrieben:Weitergebracht hat es mich schon, vor allem was die religiösen Anschauungen angeht. Aber es ist ein sehr schwieriges Thema, weil die Disussion auf zwei völlig verschiedenen Ebenen geführt wird:

- Die traditionell-religiöse, die auch das Argument vorbringt, sie sei viel älter und hätte damit eine Art von "Erstgeborenenrecht".
und
- Die rechtliche, die zurecht für sich das Recht für sich beansprucht, allgemeingültig und damit höherwertig zu sein.
Es geht um die Abwägung von zwei oder drei Grundrechten, das hatten wir aber schon.
Religionsfreiheit, Elternrecht gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Weitergebracht hat mich das Statement des niedersächsischen Hartmannbundes am Donnerstag, der seinen Mitgliedern empfiehlt, die Zirkumsision weiter durchzuführen oder auch die operative Korrektur von z.B. Segelohren bei Kindern abzulehnen.
Gibt es weitere Schönheitsoperationen, die bei Kindern durchgeführt werden?
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben:Naja, ich fand ihn nicht besonders authentisch und verständnislos gegenüber dem offensichtlichen Dilemma besonders beim jüdischen Ritual.
Die einzige, deren Argumente nicht so festgefahren rüberkamen, war die Juristin, die als Atheistin vorgestellt wurde aber eigentlich keine war. Solche Menschen wären für einen Dialog über das Thema weit besser geeignet, als die kompromißlos ihre Meinung platzierenden Fundamentalisten jeder Seite. Dazu zähle ich auch diesen Putz, der verkauft seine Kampagne.
Der Rabbi war aber genauso kompromisslos. Die beiden würden wohl nie eine Lösung finden.
:?
Über das eigentliche Dilemma habe ich mir auch so meine Gedanken gemacht, insofern hat mich die Diskussion schon für meinen neuen Artikel inspiriert. Ich denke, ich schaffe es dieses Wochnende noch, ihn zu posten. Da könnt ihr euch schon drauf freuen.
:wink:
Renegat hat geschrieben:Es geht um die Abwägung von zwei oder drei Grundrechten, das hatten wir aber schon.
Religionsfreiheit, Elternrecht gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit.
Es geht meines Erachtens um genau folgende Grundrechte im Grundgesetz:

- Art. 2. (1) GG:
"Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt."

- Art. 2. (2) GG:
"Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden."

- Art. 4. (1) GG:
"Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich."

- Art. 4 (2) GG:
"Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet."

- Art. 3 (3) GG:
"Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden."

und wie du richtig meintest - Art. 6 (2):
"Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft."
Renegat hat geschrieben:Weitergebracht hat mich das Statement des niedersächsischen Hartmannbundes am Donnerstag, der seinen Mitgliedern empfiehlt, die Zirkumsision weiter durchzuführen oder auch die operative Korrektur von z.B. Segelohren bei Kindern abzulehnen.
Hartmannbund? Kenne ich gar nicht.
Renegat hat geschrieben:Gibt es weitere Schönheitsoperationen, die bei Kindern durchgeführt werden?
Fällt mir jetzt auch nicht weiter ein, außer, daß ich schon von einer Brustvergrößrung bei einem 15 oder 16 jährigen Mädchen gelesen habe.
Nicht wirklich gut...
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Renegat
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Renegat hat geschrieben:Weitergebracht hat mich das Statement des niedersächsischen Hartmannbundes am Donnerstag, der seinen Mitgliedern empfiehlt, die Zirkumsision weiter durchzuführen oder auch die operative Korrektur von z.B. Segelohren bei Kindern abzulehnen.
Barbarossa hat geschrieben:Hartmannbund? Kenne ich gar nicht.
http://www.haz.de/Nachrichten/Der-Norde ... n-zulassen
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Barbarossa
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Ok, danke!
:wink:
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Barbarossa
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Im Juni 2012 urteilte das Landgericht Köln in einem Einzelfall, dass die Beschneidung von Jungen aus rein religiösen Gründen eine Körperverletzung darstellt und strafbar ist. Auch wenn dieses Urteil für ähnliche Fälle nicht bindend ist, scheinen bestimmte fundamentale Elemente des Islams und des Judentums derzeit nicht mit unserer Gesetzgebung vereinbar zu sein. 

Daraufhin brach ein Sturm der Entrüstung los: Verbände der Muslime und Juden, aber auch christliche Bischofe und Politiker kritisierten das Gerichtsurteil - der Zentralrat der Juden sprach daraufhin gar von einem "beispiellosen und dramatischen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften".
An dieser Stelle möchte ich eine Ungenauigkeit, die u. a. dem Zentralrat der Juden unterlief, korrigieren:
Es gibt laut unserer Gesetzgebung kein "Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften", sondern im Grundgesetz wurde "Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses" sowie die "ungestörte Religionsausübung" als Grundrechte festgeschrieben. *Aber dazu später mehr.*
Der Vorsitzende der Unterkommission für die religiösen Beziehungen zum Judentum, Bischof Heinrich Mussinghoff erklärte zu dem Urteil: „Es ist auch nicht einsichtig, weshalb die Beschneidung dem Interesse des Kindes zuwiderlaufen soll, später selbst über seine Religionszugehörigkeit zu entscheiden“.
In einer Diskussionssendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens äußerte sich ein Rabiner klar: "Wir machen weiter."

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Zuletzt geändert von Barbarossa am 30.06.2013, 16:49, insgesamt 12-mal geändert.
Grund: JFusion Discussion Bot UPDATE
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Renegat
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Hallo Barbarossa, mit dem Artikel hast du deine Meinung zum Thema ausführlich dargestellt. Ich werde später noch auf einige Punkte eingehen.
Könntest du vorab, die Diskussion in dem anderen Thema hierher verschieben, damit alles an einer Stelle zu finden ist.
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