Barbarossa hat geschrieben:Ist ziemlich gut geworden.
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Das wäre im Anschuß zur Schilderung der Gerichtsverhandlung noch gut gewesen.
Da fällt mir eine Episode ein, die etwa 2 Jahre vorm Mauerfall geschah.
Wir waren im Geschäft bei der Mittagspause, und eine unserer Kolleginnen war nebenberuflich Schöffin bei Gericht. Da besuchte uns deren Freundin, welche damals Richterin am hiesigen Kreisgericht war.
Heute ist sie Rechtsanwältin.
Diese Richterin war an diesem Tag ganz durch den Wind und erschien mir auch etwas bedrückt.
Irgendwie suchte sie seelischen Rückhalt. Obwohl sie vielleicht auch eine Art Berufsgeheimnis hüten musste, gestand sie sichtlich schlechten Gewissens, dass sie am heutigen Nachmittag jemanden wegen versuchter Republikflucht zu soundsoviel Jahren Knast
verurteilen müsse.
Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie prahlen wollte mit der Macht, mit der sie ausgestattet war. Eher merkte man ihr den Schrecken an vor der Macht, die sie nun zum Ausdruck bringen musste.
Soviel zum Rechtsystem der DDR. Widerspruch von Theorie und Praxis.
In diesem Beispiel kämpfte das menschliche Empfinden der Richterin mit ihrer beruflichen Pflicht.
Die Pflicht musste aber siegen.
Diese kleine Begebenheit aber belegt, dass die verordnete Linie bei den Ausführenden auch nicht immer die Überzeugung war, sondern eine Pflicht.
Damit aber will ich nicht die "Rechtsbeuger" in Schutz nehmen, keinesfalls!
Es ist nur damit auch belegt, dass die politischen Opfer der DDR Justiz - die auf jeden Fall Quälereien, Folterungen und Demütigungen ähnlich der NS Zeit augesetzt waren - von Juristen verurteilt wurden, die die Urteile der DDR Gesetzgebung unbarmherzig verkündeten, selbst aber im Innersten nicht immer von der Richtigkeit ihres Tuns überzeugt waren.
Und dann stand über jedem Urteil der scheinheilige Spruch:
Im Namen des Volkes
Eine solche Praxis musste eines Tages zusammenbrechen und ist dem Leninismus - Stalinismus der DDR geschuldet.