Wie frei sind die öffentlich-rechtlichen Medien?

Medienpolitik, Digitales Zeitalter, IT

Moderator: Barbarossa

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Barbarossa
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Abwahl des ZDF-Chefredakteurs - FDP geift Roland Koch an:
«Parteipolitische Testosteron-Attitüde»

Die Kritik kommt von allen Seiten. Das Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland habe großen Schaden genommen. Die Grünen sprechen von einem «Angriff auf die Demokratie».

Die von der CDU erzwungene Ablösung des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender stößt auf scharfe Kritik auch beim Berliner Koalitionspartner FDP. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) und andere Unionsvertreter im ZDF-Verwaltungsrat hatten eine weitere Amtszeit Brenders am Freitag verhindert. «Roland Koch hat mit seiner parteipolitischen Testosteron-Attitüde dem Ansehen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland Schaden zugefügt», sagte der medienpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Burkhardt Müller-Sönksen, der «Welt am Sonntag»...
weiter lesen: http://www.netzeitung.de/medien/1523599.html
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Balduin
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Das Konstrukt des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF wurde von den Briten nach dem II. Weltkrieg eingeführt – Medien sollten unabhängig ihre Kontrollfunktion gegenüber der Politik ausüben können.
In einem Interview mit Ulrich Wickert habe ich gelesen, dass dieser die Besetzung des Verwaltungsrates als verfassungswidrig bezeichnet. Er führt außerdem ein Beispiel an, wie die Politik Einfluss nehmen möchte: Parteienvertreter wollten entscheiden, welche Politiker zu Interviews geladen werden und welche nicht...
In meiner politischen Sicht spielen gerade die Medien eine sehr wichtige Rolle – durch Kommentare und Reportagen kann der Zuschauer sich kritisch bilden – hat jedoch der verantwortliche (Chef)redakteur die Erfahrung gemacht, dass kritische Berichterstattung gegen Parteien und Mitglieder im Verwaltungsrat, sich nicht förderlich für die eigene Position auswirkt, so wird er doch genau diese Aufgabe der Kritik nicht mehr ausüben?
Es ist vielleicht eine unbegründete und übertriebene „Angst“, doch „wehret den Anfängen“.
Natürlich spielt eine Kontrolle der Politik bezüglich der Gebühren eine Rolle – doch von dieser Kontrolle, ob die Inhalte ansprechend und der Intention entsprechend sind, ist dem breiten Publikum nichts bekannt. Falls ich mich hier in einem Irrtum befinde, weisen sie mich bitte darauf hin.
Ist für diese Kontrolle jedoch ein Verwaltungsrat nötig, der aus Spitzenpolitikern der Parteien des Bundestags besteht? Wäre für diese Aufgabe nicht ein „partei-unabhängiges“ Gremium sinnvoller? Überwachung und Kontrolle sollte immer von unabhängiger Seite geschehen – das beste Beispiel wäre hierbei doch die Gewaltenteilung in unserem demokratischen Staat…
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He has called on the best that was in us. There was no such thing as half-trying. Whether it was running a race or catching a football, competing in school—we were to try. And we were to try harder than anyone else. We might not be the best, and none of us were, but we were to make the effort to be the best. "After you have done the best you can", he used to say, "the hell with it". Robert F. Kennedy - Tribute to his father
elysian
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Ich teile diese Bedenken. Aktuell, und wohl auch zukünftig, versuchen die Parteien auf die vierte Gewalt Einfluss zu nehmen. Dabei ist die SPD wohl am erfolgreichsten. Jedenfalls hat sie mehr Anteile an Medienunternehmen als alle anderen. (in diesem Zusammenhang braucht man sich nur anzuschaun, wie die neue Regierung zum Teil diffamiert wurde, bevor sie überhaupt existierte....!)
Solange eigene Medien oder Medienbeteiligungen nicht unterbunden werden, ist auch die Einflussnahme auf die öffentlich-rechtlichen Medien letztlich nicht zu vermeiden, sondern dem System angemessen und der inneren Logik entsprechend.
sic transit gloria mundi
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Barbarossa
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Beiträge: 15507
Registriert: 09.07.2008, 16:46
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Was wir in unserem Forum bereits vor Jahren geschlossen kritisiert haben, wurde nun vom Bundesverfassungsgericht in einem Urteil bestätigt:
Die Zusammensetzung des Fernsehrats und des Verwaltungsrats des ZDF verstoßen gegen die Rundfunkfreiheit.
Das Gericht stellte fest, dass im Verwaltungsrat sechs der 14 Mitglieder unmittelbare Staatsvertreter sind und weitere vom Fernsehrat bestimmte Mitglieder haben Staats- oder Parteifunktionen inne. Weiterhin sind im wichtigen Fernsehrat 44 % der 77 Mitglieder staatsnahe Akteure oder Politiker. Auf diese Weise können sie beispielsweise die Wahl eines ihnen nicht genehmen Intendanten verhindern, da dafür eine Mehrheit von 60 % nötig ist. Damit ist der ZDF-Staatsvertrag in wesentlichen Teilen verfassungswidrig.
Das Gericht begrenzte nun den Anteil von Politikern und "staatsnahen Personen" von derzeit 44 % auf ein Drittel und ordnete an, dass die Bundesländer bis spätestens 30. Juni 2015 eine verfassungsgemäße Neuregelung finden müssen.

Geklagt hatten die Länder Rheinland-Pfalz und Hamburg, nachdem 2009 eine CDU-nahe Mehrheit im Verwaltungsrat unter dem damaligen hessischen CDU-Ministerpräsidenten Roland Koch den Vertrag von Chefredakteur Brender nicht verlängert hatte (siehe Startbeitrag dieses Pfades).

Artikel lesen:
>> Klagen gegen ZDF-Staatsvertrag - Karlsruhe schränkt Einfluss von Staat und Parteien ein <<
>> Staatsvertrag ist verfassungswidrig - Karlsruhe verpflichtet ZDF zur Revolution <<
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dieter
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Registriert: 29.04.2012, 09:48
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Lieber Barbarossa,
Koch war sowieso der Allerletzte, erhatte die Aktion gegen die Doppelte Staatsangehörigkeit in Hessen benutzt um Hans Eichel den SPD-MP in Hessen mit der Landtagswahl zu stürzen. Ich habe es in Frankfurt erlebt, die Leute fragten, wo kann ich gegen Ausländer unterschreiben :?: :evil: :twisted:
Auch die Fernsehräte des Ersten sollten überpüft werden. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Spartaner
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Beiträge: 1649
Registriert: 25.12.2013, 23:36

In Deutschland sind Medien von der aktuellen politischen Lage und vom aktuellen politischen Meinung der führenden Parteien getrieben. Die Zeitungen müssen zudem Mehrfachauflagen verhindern und immer auf den aktuellsten Stand bleiben (bzw den aktuellen politischen Trend entsprechen) . Da bleibt der Rundumblick manchmal auf der Strecke. Zudem ist die Trendausrichtung der Berichterstattung vorher in Sitzungen beschlossen worden. Da kann eine kurze Trendabeweichung für den jeweiligen Reporter sprichwortlich tödlich sein.
Zitat Peter Müller vom Spiegel :
"Für uns beim „Spiegel“ kam hinzu, dass wir uns, vor allem was die entscheidende Phase vor Wulffs Rücktritt angeht, nichts vorzuwerfen haben, was unsere Berichterstattung angeht. Dies war uns in dem Interview auch wichtig, weil wir natürlich wussten, dass damals, was die Berichterstattung angeht, natürlich nicht nur drei, vier Kollegen, sondern ein ganzes Team von zehn, 15 Leuten sich immer wieder mit dem Fall Wulff beschäftigt hatten, und jeden Anwurf von Wulff, dass damals auf unserer Seite unsauber gearbeitet worden wäre, das war uns wichtig und entscheidend, dass wir den auch von uns gewiesen haben."

Die eigene Ermessenspielraum der Berichterstattung bewegt sich in einen überschaubaren vorgegebenen Rahmen. Das nicht immer die Presse gleichgeschaltet ist, zeigte sich jüngst an dem Fall des auf der Berliner Fanmeile aufgeführten Gaucho-Tanzes der deutschen Fussball-Nationalelf. Hier wurde die Berliner TAZ hefitigst von anderen Zeitungen kritisiert. Das ist aber eher die Ausnahme. Da gilt eher das Sprichwort: Krähen kratzen untereinander keine Augen aus"
Zeitungen und Medien orientieren sich schon mal vorher, was von anderen Reportern und Medien vorher recheriert wird. Informationsvorsprung bedeutet dabei alles. Für aktuelle Fotos und Informationen werden heut zu Tage schon Unsummen bezahlt. Das es dabei nicht immer seriös zu geht, ist auch kein Geheimniss mehr. Wahrung von Persönlichkeit, Fairness in der Berichterstattung werden schon mal über den Haufen geworfen. Das man dabei schon mal den gesetzlichen Rahmen überschreitet, wird bewusst mit einkalkuliert.

Der Fall Wulff hat gezeigt, das Medien in Deutschland in eine gewisse Art von Erklärungsnot gerieten.
Spiegel:
"Sie hatten den Menschen eine Erklärung, ein Narrativ, geliefert, anstatt sich immer neu in Widersprüche zu verwickeln."
Wulff :
"Ich verstehe ihren Punkt, aber er hätte nicht zum Erfolg geführt. Bestimmte Medien hätten mich trotzdem abgeschossen, auch der Spiegel. Es ist ja nicht so, wie Sie es darstellen, dass eines zum anderen kam und am Ende " die Summe" den Ausschlag gab. Es ist andersherum. Einige Leitmedien hatten bereits während meiner Kandidatur und dann in den ersten Tagen meiner Amtsführung eine Schablone für mich entworfen, in die alles hineingepackt wurde, was man finden konnte. Ich würde mir die Brötchen eigens aus Hannover kommen lassen und solche Geschichten. Dann kam meine Bremer Rede mit dem Satz , der Islam gehöre inzwischen zu Deutschland. Das ich dafür von Bild und FAZ getadelt wurde, war zu erwarten . Aber beim Spiegel? Kein positives Wort! Stattdessen ist auch der Spiegel in Hannover rumgelaufen und hat einer angeblichen Rotlichtvergangenheit meiner Frau hinterherrecheriert. Spiegel 30/2014
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