Erster Schultag - mit oder ohne religiöser Zeremonie?

Fragen und Informationen zu Schule, Studium und Chacen der Bildung in Deutschland

Moderator: Barbarossa

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dieter
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Renegat hat geschrieben:Zu Merkel paßt meine Frage nicht, ich habe auf die Schnelle keinen besser passenden Strang gefunden, obwohl es davon viele geben muß, die man an der Überschrift manchmal nicht erkennt.

Ist es Im Westen heute die Regel, dass der Einschulungstag mit einem Gottesdienst begonnen wird?
Am Samstag hatte ich Gelegenheit, daran teilzunehmen. Dabei ist mir aufgefallen, dass nur im Gottesdienst die Gefühle angesprochen wurden, auch Trauer/Unglücklichsein, Frust, die ja auch mit Schule verbunden sein können. Es wurde in kindgerechter Form Gott als Ansprechpartner in solchen Fällen angeboten durch das Gebet. Der Gottesdienst war sehr kurz und kindgerecht, enthielt aber die wesentlichen Elemente, Lied, Predigt, Gebet, Segen.
Ich hätte mir gewünscht, dass außer dem ev. Pfarrer und dem kath. Priester auch ein Imam und je nach Schülerzusammensetzung weitere Religionsgemeinschaften diesen durchgeführt hätten. Gibt es das schon irgendwo?

Die Feier in der Schule setzte dagegen eher auf die Elemente Spaß, Freude und Leistung, in dem betont wurde, was die Kinder am Ende der 1. Klasse schon alles können werden. Kummer, Frust und Ärger kamen nicht vor.
Da fragte ich mich, ob das symptomatisch ist, ob in einem religionslosen Umfeld beim Umgang mit Gefühlen etwas fehlt. Was meint ihr?
Lieber Renegat,
wir haben den Gottesdienst voriges Jahr bei unserer Enkeltochter Celina mitgemacht. Es war ein schöner Gottesdienst auch mit einem ev. und kath. Pfarrer. Ein Imam war natürlich nicht dabei, weil die Muslime sich in vielen Religionsgemeinschaften aufteilen und keine Landeskirche wie bei den Ev. oder eine Zentralkirche wie bei den Kath. dabei ist.
Die Aufnahmefeier in der Schule haben wir auch mitgemacht, die war so wie ich sie auch von unserem Sohn kannte. Da in Frankfurt/M. und speziell in der Schule unserer Enkeltochter viele Kinder aus vielen Herkunftsländern sind, ist die Aufnahmefeier nicht einfach. In Celinas Klasse gibt es bei 22 Kindern nur noch drei, welche die deutsche Staatsangehörigkeit haben, dass hat unser Sohn und die Schwiegertochter beim ersten Elternabend erfahren. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Barbarossa
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Renegat hat geschrieben:Zu Merkel paßt meine Frage nicht, ich habe auf die Schnelle keinen besser passenden Strang gefunden, obwohl es davon viele geben muß, die man an der Überschrift manchmal nicht erkennt...
Nicht viele Stränge, aber in einem hatten wir über das Thema tatsächlich schon heftig diskutiert.
:arrow: Ich habe dazu das entsprechende Thema aus dem "Smalltalk" geholt und in die Rubrik "Bildungspolitik" verschoben sowie den Titel zur besseren Identifikation etwas erweitert.

Ich hoffe, das ist im Sinne aller.
:wink:
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Renegat
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Danke Barbarossa für´s umhängen und Titel ändern.

Beim Durchlesen der ersten Seiten habe ich versucht, Antworten auf meine Fragen zu finden, was bisher etwas fragmentarisch ist. Mir ging es ja mehr um den Inhalt und meinen Eindruck, dass im Gottesdienst eine tiefere Gefühlsebene angesprochen wurde als später bei der weltlichen Feier. Meine Frage war, ob das symptomatisch für unsere weltliche Gesellschaft ist und ob da nicht allen etwas fehlt.


2 Antworten, die noch am ehesten mit dem Thema zu tun haben.

Barbarossa hat geschrieben: Aber eine Einschulung mit Gottesdienst in der Kirche, das würde bei uns hier im Osten so nicht funktionieren, weil die Kirche hier eben nicht "gestoppt voll" werden würde. Da sind doch Unterschiede feststellbar, auf die sich Lehrer, die aus dem Westen kämen, sich erst einmal einstellen müßten.
:wink:

Peppone hat geschrieben:
Aber um wieder auf´s Thema zu kommen: Darum soll´s ja bei den Schulanfangsgottesdiensten auch gar nicht, die Existenz oder Nichtexistenz von Gott zu beweisen, oder auch nur das Christentum den Schülern näher bringen = Missionierung.
Sondern darum, das Schuljahr unter einen "guten" = sinnvollen Gedanken zu stellen.

Auch wenn das die meisten Schüler vor lauter Langeweile kaum bemerken dürften. Mit Ausnahme derer, die zur Mitwirkung amm Gottesdienst verdonnert wurden.

Ich seh diese Gottesdienste schon auch zweispältig, möchte aber auch nicht auf sie verzichten.

Beppe
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dieter
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Renegat hat geschrieben:Danke Barbarossa für´s umhängen und Titel ändern.

Beim Durchlesen der ersten Seiten habe ich versucht, Antworten auf meine Fragen zu finden, was bisher etwas fragmentarisch ist. Mir ging es ja mehr um den Inhalt und meinen Eindruck, dass im Gottesdienst eine tiefere Gefühlsebene angesprochen wurde als später bei der weltlichen Feier. Meine Frage war, ob das symptomatisch für unsere weltliche Gesellschaft ist und ob da nicht allen etwas fehlt.
Lieber Renegat,
ich sehe diese Gottesdienste auch zwiespältig, aber sie werden angeboten und die Eltern und auch die Großeltern nehmen an diesen Gottesdiensten teil. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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Peppone
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dieter hat geschrieben: ich sehe diese Gottesdienste auch zwiespältig, aber sie werden angeboten und die Eltern und auch die Großeltern nehmen an diesen Gottesdiensten teil. :wink:
Also bist du für´s Beibehalten des "religiösen Schulanfangs"?

Beppe
Renegat
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Peppone hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: ich sehe diese Gottesdienste auch zwiespältig, aber sie werden angeboten und die Eltern und auch die Großeltern nehmen an diesen Gottesdiensten teil. :wink:
Also bist du für´s Beibehalten des "religiösen Schulanfangs"?

Beppe
Es ging mir gar nicht, um ein dafür oder dagegen, sondern um den Inhalt dieser Gottesdienste.
Babylon5
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Renegat hat geschrieben:Danke Barbarossa für´s umhängen und Titel ändern.

Beim Durchlesen der ersten Seiten habe ich versucht, Antworten auf meine Fragen zu finden, was bisher etwas fragmentarisch ist. Mir ging es ja mehr um den Inhalt und meinen Eindruck, dass im Gottesdienst eine tiefere Gefühlsebene angesprochen wurde als später bei der weltlichen Feier. Meine Frage war, ob das symptomatisch für unsere weltliche Gesellschaft ist und ob da nicht allen etwas fehlt.
Ganz klares Ja.
Auch bei uns gab es den Einschulungs- Gottesdienst. Und auch er behandelte die Gefühle wie Angst und Unsicherheit. Ich fand das richtig gut. Die evangelische Pfarrerin und der katholische Diakon vermittelten den Kindern den Eindruck, daß es völlig normal ist, solche Gefühle zu haben.
Und das ist es ja auch.
Nur die Leistungsgesellschaft sieht das anders. Dort, wo Leistung als oberstes Lebensprinzip gilt, sind Angst und Unsicherheit Gefühle, die man einfach nicht haben darf- sie passen nicht zu dem selbstbewußten, leistungsfähigen Kind, das als Endprodukt des schulischen Bildungswesens die Schule verlassen soll. Deshalb sind sie nicht erlaubt.

Aber es kann nicht gut sein, diese inneren Gefühle zu verdrängen und sie zu bekämpfen, von daher finde ich es wichtig, daß die Kinder wenigtens einmal hören, daß sie normal sind, daß sie dazu gehören. Ob die Lösung, die die Kirche den Kindenr anzubieten hat, die richtige ist, sei einmal dahin gestellt. Aber wenn es einem sechsjähirgen Kind hilft, mit seiner Angst fertig zu werden, dann muss man nicht groß die Erwachsenen- Debatte führen.

Und ja, ich denke schon, daß die Kirche da etwas aufgreift, was in unserer Gesellschaft einfach zu kurz kommt- zum Schaden aller. Leider verhunzen es die Pfarrer meist durch irgendwelchen blöden Dogmatismus dann wieder. Ich war letztes Jahr in einem Gottesdienst, bei dem ich anfangs wirklich aufhorchte und dachte, sieh mal an, die Kirche hat doch etwas zu geben und zu sagen. Bis die Pfarrerin dann erklärte, daß nur derjenige ein guter Mensch sein könne, der getauft sei und nur wer sich durch die taufe zu Gott bekenne, wäre wirklich gütig. Da hat es mir dann wieder gereicht.
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Barbarossa
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Ok, interessanter Bericht. Ich glaube, das ist tatsächlich immer so: Wenn eine Religion oder auch fundamentale Ideologie dahintersteckt, dann kommt es zu genau dem beschriebenen Phänomen.
Aber mal eine Frage dazu:
Kann das, was ein Pfarrer tut, nicht auch ein staatlicher Schulpsychologe/Schulseelsorger, den es an jeder Schule gibt, leisten?
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Renegat
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Babylon5 hat die verschiedenen Programmpunkte der Einschulung genauso beschrieben, wie ich sie auch wahrgenommen habe.
Das kann nicht nur bei der Einschulung so sein. Deshalb meine Frage, ob das symptomatisch ist. Sind vielleicht auch die vielen psychischen Erkrankungen ein Indiz, dass auf der emotionalen Ebene etwas fehlt, seit die Religionen aus unserem Alltag verschwunden sind.

Barbarossa hat geschrieben:Ok, interessanter Bericht. Ich glaube, das ist tatsächlich immer so: Wenn eine Religion oder auch fundamentale Ideologie dahintersteckt, dann kommt es zu genau dem beschriebenen Phänomen.
Aber mal eine Frage dazu:
Kann das, was ein Pfarrer tut, nicht auch ein staatlicher Schulpsychologe/Schulseelsorger, den es an jeder Schule gibt, leisten?
Gibt es im Osten denn Schulseelsorger? Bei welcher Institution sind die tätig?
Schulpsychologen gibt es ganz wenige, die sind für viele Schule zuständig. Außerdem haben sie eher einen problemorientierten Ansatz und wir sprechen doch von ganz normalen Gefühlen, die wir zunehmend sprachlos verdrängen.
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dieter
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Peppone hat geschrieben:
dieter hat geschrieben: ich sehe diese Gottesdienste auch zwiespältig, aber sie werden angeboten und die Eltern und auch die Großeltern nehmen an diesen Gottesdiensten teil. :wink:
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Beppe
Lieber Beppe,
ich habe im Prinzip nichts dagegen, weil wir da unsere Enkelkinder wieder sehen können. :wink: Es gibt Schlimmeres als den religiösen Schulanfang der Enkel. Wir wissen ja alle nicht, ob es einen Gott gibt oder nicht, da ist es schon gut sich zurück zu versichern. :wink: :mrgreen:
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dieter
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Barbarossa hat geschrieben:Ok, interessanter Bericht. Ich glaube, das ist tatsächlich immer so: Wenn eine Religion oder auch fundamentale Ideologie dahintersteckt, dann kommt es zu genau dem beschriebenen Phänomen.
Aber mal eine Frage dazu:
Kann das, was ein Pfarrer tut, nicht auch ein staatlicher Schulpsychologe/Schulseelsorger, den es an jeder Schule gibt, leisten?
Lieber Barbarossa,
kann er nicht, weil er keinen schwarzen Talar an hat und nicht von Gott kommt. :wink: :mrgreen:
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Babylon5
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Renegat hat geschrieben:Babylon5 hat die verschiedenen Programmpunkte der Einschulung genauso beschrieben, wie ich sie auch wahrgenommen habe.
Das kann nicht nur bei der Einschulung so sein. Deshalb meine Frage, ob das symptomatisch ist. Sind vielleicht auch die vielen psychischen Erkrankungen ein Indiz, dass auf der emotionalen Ebene etwas fehlt, seit die Religionen aus unserem Alltag verschwunden sind.
Jein, würde ich mal sagen.
Ja, es fehlt uns etwas auf der emotionalen Ebene. Defintiv. Und die ganzen psychischen Erkrankungen sind auch darauf zurückzuführen, daß wir mit uns nicht im Einklang leben. Es gibt da verschiedene psychologische Ansätze, aber sie laufen fast alle darauf hinaus, daß wir zunehmend kopfgesteuert sind und die Gefühlsebene vernachlässigen. Insbesondere haben wir wohl verlernt, uns angenommen und akzeptiert zu fühlen, weil der Leistungsdruck immens ist.
Hier hat die Religion wohl tatsächlich eine Lücke hinterlassen.Viele Menschen, die sich entsprechend der religiösen Vorschriften verhalten, leben in dem Bewußtsein, daß sie (zumindest) von Gott angenommen werden- und das gibt ihnen emotionale Stabilität.
Andererseits darf man nicht vergessen, daß gerade auch die religiösen Vorschriften bei denen, die so gar nicht der Norm entprachen, erst zu psychologischen Erkrankungen geführt haben, weil sie sich von Gott abgelehnt fühlen.

Ich denke, wir haben deswegen ein Problem, weil wir zwar die Religion mit ihrem viel zu engen Korsett aus dem Alltag verbannt haben (obwohl es eine Menge sinnvoller Vorschriften gibt...), es aber nicht geschafft haben, diese Lücke zu füllen.

Renegat hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Ok, interessanter Bericht. Ich glaube, das ist tatsächlich immer so: Wenn eine Religion oder auch fundamentale Ideologie dahintersteckt, dann kommt es zu genau dem beschriebenen Phänomen.
Aber mal eine Frage dazu:
Kann das, was ein Pfarrer tut, nicht auch ein staatlicher Schulpsychologe/Schulseelsorger, den es an jeder Schule gibt, leisten?
Gibt es im Osten denn Schulseelsorger? Bei welcher Institution sind die tätig?
Schulpsychologen gibt es ganz wenige, die sind für viele Schule zuständig. Außerdem haben sie eher einen problemorientierten Ansatz und wir sprechen doch von ganz normalen Gefühlen, die wir zunehmend sprachlos verdrängen.
An Grundschulen gibt es hier keine Schulseelsorger. Und was die weiterführenden Schulen anbetrifft, gebe ich Renegat recht. Es gibt einen Schulseelsorger für 1700 Schüler. Der kann das einfach nicht leisen, sich um die normalen Gefühle zu kümmern, die zunehmend verdrängt werden, auch wenn er es immer wieder mal mit Gesprächsrunden versucht. Er ist tatsächlich in erster Linie bei Problemfällen- wie zunehmendem Mobbing- gefragt.
Viele Kinder würden mit ihm ja gar nicht über ihre Gefühle sprechen. Das gilt nämlich schon in der 5. Klasse als uncool. Gefühle- uncool. Filme für unter 12 jährige- uncool. Schon 10- 11 jährige stehen unter einem enormen Druck, ihre wahren Gefühle nicht zeigen zu dürfen.
Aber genau dafür bietet dann die Kirche auch wieder keine Alternative, muss man einfach sagen. Von der fühlen sie sich dann nämlich auch noch unter Druck gesetzt, weil sie immer etwas "müssen" oder etwas "nicht dürfen"...
ehemaliger Autor K.

dieter hat geschrieben:
Barbarossa hat geschrieben:Ok, interessanter Bericht. Ich glaube, das ist tatsächlich immer so: Wenn eine Religion oder auch fundamentale Ideologie dahintersteckt, dann kommt es zu genau dem beschriebenen Phänomen.
Aber mal eine Frage dazu:
Kann das, was ein Pfarrer tut, nicht auch ein staatlicher Schulpsychologe/Schulseelsorger, den es an jeder Schule gibt, leisten?
Lieber Barbarossa,
kann er nicht, weil er keinen schwarzen Talar an hat und nicht von Gott kommt. :wink: :mrgreen:

Ich bin zwar bekanntlich alles andere als ein Freund der Religion und deshalb auch kein Befürworter eines Gottesdienstes zum Schulbeginn. Anderseits könnte ich mir aber durchaus eine Arbeitsteilung zwischen einem Schulpsychologen und einem Pfarrer vorstellen.

Der Schulpsychologe sollte aufgrund seiner Ausbildung besser auf die individuellen Probleme eines Schülers eingehen können als ein Pfarrer. Der könnte dafür dann aber in allgemeiner Form vermutlich besser spirituelle Bedürfnisse befriedigen. Eine sinnvolle Symbiose herzustellen ist sicherlich sehr schwierig. Aus eigener Erfahrung weiß ich:

1. Wir hatten keinen Gottesdienst zum Schulbeginn, überhaupt ging es sehr weltlich zu. Ich musste aber ein Jahr in einem evangelischen Kinderheim leben und dort wurde uns immer nur ein strafender, strenger Gott vorgestellt, der uns ständig kontrollierte, jede böse Tat ahndete und zwar meistens in Form einer Ohrfeige der frommen Schwestern, die dies stellvertretend für Gott machten und uns ständig ein schlechtes Gewissen einreden wollten. Solch eine Religion, die vor allem disziplinieren und Angst einflössen soll, lehne ich strikt ab und wenn ein Pfarrer solch eine Art Gottesbild den Kindern vermittelt, sollte man auf gar keinen Fall einen Gottesdienst zum Schulbeginn erlauben

2. Andererseits gibt es aber, aus welchen Gründen auch immer, ein stark ausgeprägtes, spirituelles Bedürfnis bei den Menschen, den Glauben an unergründliche, geheimnisvolle Mächte, an die Wirkung von Ritualen und magischen Beschwörungen. Die sogenannte „Entzauberung der Welt“ durch Technik und Wissenschaft hat dieses Bedürfnis nicht beseitigt, sondern viele neue phantastische Ersatzwesen und Welten geschaffen. Harry Potter und den Herren der Ringe, die unzähligen, fiktiven Helden in den Filmen mit unglaublichen Fähigkeiten, nicht nur Kinder lieben so etwas. Wenn es einem Pfarrer gelingt, auf vernünftige Weise, dieses Bedürfnis zu befriedigen, ist dagegen nichts einzuwenden. Er darf aber nicht mit Angstbildern arbeiten und keine dogmatischen Weltbilder vermitteln. Er kann die unglaubliche Schönheit des Kosmos als Schöpfung bezeichnen, weil es so für Kinder leichter verständlich ist, das es dort Kräfte gibt, die wir nicht wirklich begreifen, vor denen wir aber keine Angst haben müssen, von denen Liebe und Geborgenheit ausgeht, denn sonst würden sie uns gar nicht existieren lassen. Und meinetwegen kann diese Geborgenheit auch von einem Mann ausgehen, der an einem Kreuz hängt. Wie die wirklichen Zusammenhänge sind, das wissen wir ohnehin alle nicht. Aber gegen einen undogmatischen, feierlichen Gottesdienst, der all dies berücksichtigt, dagegen habe ich nichts.
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dieter
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Lieber Karlheinz,
mir tut es sehr leid, dass es bei die mit den ev. Schwestern so schlecht gegangen ist. das verstößt auch gegen die Ansichten von Jesus der immer Nächsten- und Feindesliebe gepredigt hat Ich hatte auch so einen ev. Pfarrer noch aus der Nazizeit.Die Reaktion war Stinkbomben in der Kirche zu werfen. Seine Reaktion war, zwei von uns bei der Konfirmandenprüfung auffliegen zu lassen. Das Kirchenvolk wollte ihm schon ans Hälschen, er redete sich damit raus, dass er nicht das Wissen sondern den Glauben prüft. Ein Nachbarkind hatte er wegen Schwätzen vor die Kirchentür gestellt, als er sie nach einer Viertelstunde wieder holen wollte, war sie weg. :wink: :mrgreen:
Es hat sich viel in der EKD geändert vor allem durch Pfarrerinnen. Die Pfarrerin, die unseren Sohn konfirmiert und Verheiratet hat, war und ist Klasse. Sie hat auch meine 93jährige Mutter beerdigt. :wink:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
Aneri

Karlheinz hat geschrieben: 2. Andererseits gibt es aber, aus welchen Gründen auch immer, ein stark ausgeprägtes, spirituelles Bedürfnis bei den Menschen, den Glauben an unergründliche, geheimnisvolle Mächte, an die Wirkung von Ritualen und magischen Beschwörungen. Die sogenannte „Entzauberung der Welt“ durch Technik und Wissenschaft hat dieses Bedürfnis nicht beseitigt, sondern viele neue phantastische Ersatzwesen und Welten geschaffen. Harry Potter und den Herren der Ringe, die unzähligen, fiktiven Helden in den Filmen mit unglaublichen Fähigkeiten, nicht nur Kinder lieben so etwas. Wenn es einem Pfarrer gelingt, auf vernünftige Weise, dieses Bedürfnis zu befriedigen, ist dagegen nichts einzuwenden. Er darf aber nicht mit Angstbildern arbeiten und keine dogmatischen Weltbilder vermitteln. Er kann die unglaubliche Schönheit des Kosmos als Schöpfung bezeichnen, weil es so für Kinder leichter verständlich ist, das es dort Kräfte gibt, die wir nicht wirklich begreifen, vor denen wir aber keine Angst haben müssen, von denen Liebe und Geborgenheit ausgeht, denn sonst würden sie uns gar nicht existieren lassen. Und meinetwegen kann diese Geborgenheit auch von einem Mann ausgehen, der an einem Kreuz hängt. Wie die wirklichen Zusammenhänge sind, das wissen wir ohnehin alle nicht. Aber gegen einen undogmatischen, feierlichen Gottesdienst, der all dies berücksichtigt, dagegen habe ich nichts.
Ich mag zu bezweifeln, dass Harry Potter und Co. den spirituellen Bedürfnis befriedigen. Es ist Bedürfnis nach Fantasie, ein Bedürfnis, von Alltag sich lösen, ein Bedürfnis, dass das Gute siegt und das Böse verliert. Wohl keiner glaubt an die phantastischen Wesen und keiner hofft einen Antwort auf existentielle Fragen in diesen Erzählungen zu finden.

Ich persönlich denke, dass Kirche hat nichts in der Schule zu suchen. Dennoch hier in Deutschland ist ein anderer Bezug zu der Religion. Viele glauben nicht oder besser zu sagen, denken nicht nach, aber sie kirchlich heiraten, lassen ihre Kinder taufen und konfirmieren, lassen den Pfarrer bei Beerdigung sprechen. Es wirkt wie ein Relikt aus der Vergangenheit. Aber Traditionen, welche Art sie auch sind, geben ein Gemeinschaftsgefühl: es gibt etwas, irgendwelche Handlungen, den wir ohne unbedingt eine rationale Begründung zu liefern einfach betätigen. Da uns mittlere Weile so viel unterscheidet (lebe die Individualisten), denke ich, dass gerade in diesem Sinne diese Traditionen als positiv zu bewerten sind.
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