Wer glaubte o. identifizierte sich 1989 noch mit d. DDR?

Leben, Wirtschaft, Stasi, Sozialismus, SED, Überwachung, Diktatur, Honecker, Kommunismus, Mauer

Moderator: Barbarossa

james
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Danke für die Blumen... :angel:
Spartaner
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Ruaidhri hat geschrieben: Manches war ganz sicher kuscheliger und "sozialer" als bei uns, aber um welchen Preis?
Vor der Wiederverinigung sagte ein Politiker mal, die Ostdeutschen würden zwar kein Kapital in die Wiedervereinigung einbringen ,doch können sich die Ostdeutschen ihren sehr guten Fundus an anerzogener Moral in die Vereinigung einbringen. Es war eine Moral des Zusammenlebens, die oft durch den Unrechtsstaat konterkariert wurden, indem man sie für sich politisieren wollte. Schade fand ich, dass nach der Wiedervereinigung soviel Betriebe platt gemacht wurden. So zum Beispiel, die Textilbetriebe in der Oberlausitz und und und. Da hätte ich mir gewünscht, dass für die Erhaltung dieser Betriebe, die Wünsche nach der schnellen Westmark ein paar Jahre zurückgestellt würden und ich war vor der Wiedervereinigung ein wenig skeptisch.
Mich beschäftigt die Frage, ob es Erungenschaften der Arbeiterklasse im Osten gegeben hat, die man leichtfertig mit der Wiedervereinigung aufgegeben hat? Sicherlich dann nicht die Erungenschaften, die die Staatsführung damit meinte.
Ruaidhri hat geschrieben: Gut, "wir" West "ihr" Ost, wir wollten also gar nicht (wieder)vereinigt werden? Und wenn doch, dann nicht so? Vielleicht gehörte manches nicht mehr zusammen für die meisten Nachkriegsgeborenen?
Pech, es ist, wie es ist und konnte wohl anders auch nicht gehen.
Scheidung ausgeschlossen- vermutlich würde die Mehrheit im Osten die auch nicht wirklich wollen. Ob im Westen?
In meinen Verwandenkreis wollte jeder die Wiedervereinigung. Mulmigkeit bestand nur in der Angst, was passiert mit den Arbeitsplätzen? Wie sieht die Zukunft aus? Für Ältere war es wohl eher eine Erfüllung , weil sie nicht mehr so viele Jahre vor sich hatten und es endlich erleben wollten und es auch nicht so gut in der DDR hatten wie die Jüngsten. Für viel Ältere war der Alltag in der DDR eher trist.
Wenn ich jetzt zurückblicke, finde ich es merkwürdig den Wunsch nach Gemeinsamkeit der Deutschen. Ich denke, dass der Wúnsch im Osten grösser war als im Westen. Auch die Indentifikation als Deutsche war im Osten grösser als im Westen. Ich habe kaum Jemand im Westen erlebt, der von sich sagt ich bin Deutscher. damit hatte man irgendwie nicht den Bezug dazu. Wahrscheinlich deshalb auch, wegen der vielen Kuturen im Westen die Zusammentreffen und der regionalen verwurzelten Zugehörigkeit vieler Menschen.
Zuletzt geändert von Spartaner am 03.10.2015, 02:06, insgesamt 1-mal geändert.
Paul
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Lia hat geschrieben:Schröder hatte doch nur gesagt, was die meisten dachten, ganz realistisch gesehen. Im Juni 1989 saß ich mit Mitbürgern aus dem Osten auf Besuch an der Nordsee, und niemand glaubte an eine Wiedervereinigung.

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Ich habe 1989 noch schnell ein Grundstück gekauft, weil ich mit der baldigen Wiedervereinigung und dem Zustrom von Millionen Aussiedlern rechnete, nachdem Gorbatschov den Reformkurs unumkehrbar machte.
viele Grüße

Paul

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Paul
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Cherusker hat geschrieben:"Nach 40 Jahren Bundesrepublik sollte man eine neue Generation nicht über die Chancen einer Wiedervereinigung belügen. Es gibt sie nicht." (Gerhard Schröder in der Bild vom 21.6.1989)

1985 hatte dieser Herr auch über Honecker gesagt: "Das ist ein zutiefst redlicher Mann" (Vorwärts, 21.12.1985). :crazy:

Na ja, seine Biograhie hat er sich auch vom Maschmeyer bezahlen lassen.... :mrgreen:
Ich bin aus der SPD ausgetreten, als Lafontaine ihr Vorsitzender wurde und gegen die Wiedervereinigung und gegen Aussiedler hetzte.
viele Grüße

Paul

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Cherusker
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Ruaidhri hat geschrieben: Manches war ganz sicher kuscheliger und "sozialer" als bei uns, aber um welchen Preis?
Das ist ein subjektives Empfinden. Wenn man immer die Stasi im Rücken hat und jede unbedarfte Äußerung berufliche und private Nachteile mit sich ziehen konnte, dann kann es nicht so kuschelig gewesen sein. :wink:
Renegat
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Spartaner hat geschrieben: Mich beschäftigt die Frage, ob es Erungenschaften der Arbeiterklasse im Osten gegeben hat, die man leichtfertig mit der Wiedervereinigung aufgegeben hat? Sicherlich dann nicht die Erungenschaften, die die Staatsführung damit meinte.
Diese Frage finde ich auch interessant. Irgendwo in diesem Forum hatte ich vor kurzem das Schul- und Kinderbetreuungssystem angesprochen.
In den 90ern hatte ich bei Azubi-Vorstellungsgesprächen die Gelegenheit, ein paar Jugendliche im direkten Vergleich zu beobachten. Wir fanden damals, die Bewerber aus dem Osten bodenständiger, bescheidener und irgendwie passender für die Arbeitswelt. Manche jungen Männer aus dem Westen fuhren mit Papas Auto zum Vorstellungsgespräch, sie traten diffus als verwöhnte Erben auf, teilweise wurden sie eingestellt, weil Papa oder Mama jemanden kannte.

Andere Errungenschaften der Arbeiterklasse würden mich interessieren.
Wobei man bedenken muß, dass die Arbeitswelt der 80er und frühen 90er auch im Westen noch eine ganz andere war. Damals waren fast alle Arbeitsverhältnisse unbefristet, auch nicht besonders leistungsstarke Arbeitnehmer behielten ihren Arbeitsplatz. Man zog sie irgendwie mit durch.
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Nemeth
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Dieses Thema brennt mir , auch heute , förmlich auf den Nägeln.
fürs Erste empfehle ich, vor allen den neueren Mitgliedern unseres Forums, sich die Seite 1 , dieses Themas zu Gemüte zu führen.
Dort ist Vieles, sehr Vernünftiges geschrieben worden.
Ich, der 40 Jahre, also die volle Zeit , bei den Genossen genossen habe, bin froh daß es so und nicht anders gekommen ist.
Nach 25 Jahren ist es unsere Aufgabe ein schönes , gemeinsames Deutschland zu gestalten.
Mich hätte vor 25 Jahren niemand befragen sollen, was ich mir in 25 Jahren vorstelle, so viel Phantasie hätte ich nicht gehabt. Und doch hat die Wirklichkeit meine Phantasie überflügelt.

Das sollte heute unsere Aufgabe sein und nicht kleinliche Gegenrechnungen, wer , wo wann, wie was.

Ich wünsche allen unseren Mitgliedern einen schönen Feiertag, wenn es auch auf einen Samstag fällt, der ohnehin frei ist.

mit besten Grüßen Nemeth
Wer zur Quelle will, muss gegen den Strom schwimmen
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Barbarossa
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Eigentlich ist ja schon der Begriff "Errungenschaften der Arbeiterklasse" ein rein propagandistische Beschreibung für dss was eine totalitäre Bewegung politisch durchgesetzt hat. Dies geschah eigentlich vor allem, um möglichst viele Arbeitskräfte zu gewinnen und zu erhalten, jedoch als sogenannte "Errungenschaft" ausgegeben - ob das die Kinderkrippen, Kindergärten und Schulhorts waren, die Polikliniken, das von Staat stark subventionierte Sozialsystem, wie auch die Preissubventionen oder selbst die Ferienheime ...
Das muss man so sehen.

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Ruaidhri
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Ich hoffe, die meisten ehemaligen BürgerInnen der ex-DDR, auch stille Mitleser, haben verstanden, dass, jenseits anfänglichen Fremdelns und auch Nicht-Verstehens, mein Post von gestern Abend nicht meine tatsächliche Meinung ausdrückt.
Verstehen kann man nur lernen, indem man sich austauscht, und dazu gab es reichlich Gelegenheit- und viel gegenseitiges Erstaunen.
Vieles war noch so ganz gewesen, als man es bei Besuchen oder Ost-West-Kontakten schon durchaus real wahrgenommen hatte.
Fiel mir schon lange vor der Wende auf, wie unterschiedlich die "Denke" in kleinen Dingen geprägt war.
DDR war mehr Ausland, blieb fremder als es je die westlichen Nachbarländer gewesen waren, auch noch zu Zeiten, als private Reisen und Kontakte noch nicht so gang und gäbe waren.
Ja, es stießen unterschiedliche Mentalitäten, Prägungen aufeinander. Beiden wurde ein Stück der eigenen Identität genommen, nicht nur den Ossis. Alle mussten lernen- vielen ist es gelungen, sogar mir. :mrgreen:
Ich habe es wirklich nicht mit Deutschland, Vaterland, einig Vaterland, mal gar nicht Stolz auf Deutschland, Deutsch zu sein, Preußen, Protestantismus und was nicht noch alles.
Ja, ich habe mich gefreut, als die Schabowski-Nachricht in die Tat umgesetzt sah- für die Menschen in der DDR, die nun endlich nicht nur die Reisefreiheit hatten, sondern- damit verbunden, sicherlich die Chance, ihr Land umzubauen.
Es kam anders.
Dass da ein ganz gewaltiges Stück Schwerstarbeit geleistet wurde, aus den Gebilden BRD und DDR ein halbwegs einig Gesamt-Deutschland zu formen, steht außer Zweifel. Fertig ist man noch nicht.
Dennoch, nach 25 Jahren sind viele in Ost und West so einigermaßen im gemeinsamen Staat angekommen.
Wäre jetzt, 2015, die Frage: Wirklich? Was zählt heute mehr? Das vereinte Deutschland oder doch noch die jeweilige Herkunft?
Und wenn ja, verkraftet das gesamte Deutschland tatsächlich den neuen Umbruch gemeinsam?
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LG Ruaidhri
Spartaner
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Cherusker hat geschrieben:
Ruaidhri hat geschrieben: Manches war ganz sicher kuscheliger und "sozialer" als bei uns, aber um welchen Preis?
Das ist ein subjektives Empfinden. Wenn man immer die Stasi im Rücken hat und jede unbedarfte Äußerung berufliche und private Nachteile mit sich ziehen konnte, dann kann es nicht so kuschelig gewesen sein. :wink:
Das eine bedingt nicht das andere. Aber es ist richtig das es auch eine Kehrseite der Medallie gab.
Ruaidhri
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Das eine bedingt nicht das andere. Aber es ist richtig das es auch eine Kehrseite der Medallie gab.
So wie es eine Kehrseite der Medaille Freiheit und Marktwirtschaft in der BRD gab.
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LG Ruaidhri
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Barbarossa
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Ein großes Statement, Ruaidhri.
Allerdings bei Menschen im Alter von Genscher oder Helmut Schmidt würde das wahrscheinlich ganz anders ausfallen, da sie noch ein einheitliches Deutschland bewusst erlebt haben - wenn auch im Krieg. So hat jeder seine ganz eigene Sicht auf die Dinge. Aber - ich sage mal als Hobbyhistoriker - finde ich es schon erstaunlich, dass eine 40-jährige Teilung (eigentlich ja nur ein halbes Menschenleben) einen doch relativ großen Teil der Gesellschaft eines Landes derart nachhaltig spalten kann.
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Ruaidhri
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Allerdings bei Menschen im Alter von Genscher oder Helmut Schmidt würde das wahrscheinlich ganz anders ausfallen, da sie noch ein einheitliches Deutschland bewusst erlebt haben - wenn auch im Krieg.
Sichrlich ist das so. Und just an dem Punkt kamen viele jüngere in Kollision mit dem einstigen Idol Willy Brandt. Irgendwie hatten wir das nicht mehr auf dem Schirm, auch nicht, während wir mit Respekt und Bewunderung sahen, was passierte. (Mein Bruder live in Berlin.)
Meine Mutter, Jahrgang 1917, war sicherlich erfreut, dass ihr da drüben nun befreit war, aber eine Wiedervereinigung? Ne, auch nicht so das erste, was sie spontan sah und wollte.
So hat jeder seine ganz eigene Sicht auf die Dinge.
Sicherlich, und ausweichlich, statisch gesehen, als Momentaufnahmen zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Aneinander gereiht, bis heute, ergibt sich daraus bei den meisten doch eine Dynamik, eine Art Film.
Aber - ich sage mal als Hobbyhistoriker - finde ich es schon erstaunlich, dass eine 40-jährige Teilung (eigentlich ja nur ein halbes Menschenleben) einen doch relativ großen Teil der Gesellschaft eines Landes derart nachhaltig spalten kann.
So überraschend ist das nicht, wenn ich den markierten Teil auf beide Staaten beziehe: Es waren zwei Gesellschaften, nicht eine, die völlig verschiedene Wege gingen, mit sehr vershiedenem Alltag.
Beziehe ich ich ihn jeweils auf die DDR oder die BRD-Gesellschaft:
Im Osten war es die jüngere Generation, die vielleicht eher einen anderen Staat als die Wiedervereinigung wollte?
Wann tauchte "Wir sind ein Volk!" auf? Und wo? Im Osten skandiert, nicht in wesdeutschen Städten.
Die älteren Jahrgänge, die nicht an der DDR hingen, waren bei dem Thema Wiedervereinigung vielleicht emotionaler, so ähnlich wie Brandt und Co, die ich nicht verstand in ihrer Wiedervereinigungseuphorie.
Euphorie, Freude, dass die Diktatur drüben für Euch beendet war: Aber ja doch, aber "Ihr wart eben Ihr in Eurem nun befreiten Staat" so ein " wir" blieb vielen fremd.
Ich hatte den Artkel an anderem Ort verlinkt, hier aber auch nochmal:
http://www.shz.de/nachrichten/deutschla ... 64311.html
Zitat:
"Einzige ernsthafte Alternative wäre der 9. Oktober gewesen – jener Tag, an dem in Leipzig 70 000 Menschen gegen das SED-Regime demonstrierten. Dieser Tag gilt als Wendepunkt der friedlichen Revolution. Aber, so konstatiert Calabretta, dieser Tag fand nicht genug Zustimmung, um sich gegen den 3. Oktober durchzusetzen. „Dies lag vor allem daran, dass man den Eindruck hatte, die Bürger Westdeutschlands seien durch dieses Datum nicht ausreichend repräsentiert.“ So gilt der Historikerin nun der 3. Oktober als „ein Tag, an dem sich Staatsmänner und politische Elite selbst feiern, ohne dabei das Volk allzu sehr mit einzubeziehen“.

Genau dieser Vorwurf – das Volk werde in wesentliche Entscheidungen nicht allzu sehr einbezogen – schlägt Politik wie Medien seit Monaten mit außergewöhnlicher Vehemenz entgegen. Daran ist nicht der willkürliche Nationalfeiertag schuld, doch dieser Diskurs steht symbolisch für ein generelles Missverständnis: So wie die friedliche Revolution im Wesentlichen das Werk einer engagierten Minderheit war, das von der passiven Mehrheit quasi aus der Balkon-Perspektive verfolgt wurde, so haben sich die politischen Eliten womöglich auch etwas vorgemacht über den Grad der Akzeptanz der Wiedervereinigung in allen ihren Konsequenzen im Westen sowie über den Grad der Akzeptanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Osten."

Ganz subjektiv kann man sich manchmal in der Zeit zwischen dem 3.Oktober und 9. November als gebürtiger Westdeutscher als nicht real existierend fühlen, als restlos unbedeutend für diese Republik, denn Nazis gab es nur bei uns, und das bekommen wir auch gern im TV mitgeteilt,-und Helden nur in der DDR in jenen Wochen des Herbstes 1989.
Wo sind die 40 Jahre West?
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Barbarossa
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Ruaidhri hat geschrieben:So überraschend ist das nicht, wenn ich den markierten Teil auf beide Staaten beziehe: Es waren zwei Gesellschaften, nicht eine, die völlig verschiedene Wege gingen, mit sehr vershiedenem Alltag.
Ja, es waren zwei Staaten usw., aber Deutschland blieb in den 40 Jahren doch EINE Nation. Es gab keine extra DDR-Nation. Und wer in der DDR Westverwandte hatte, die regelmäßig zu Besuch kamen (so wie es bei uns war), da spürte man das ja auch Hautnah. Der Umstand ist dabei zu berücksichtigen.
Ruaidhri hat geschrieben:Beziehe ich ich ihn jeweils auf die DDR oder die BRD-Gesellschaft:
Im Osten war es die jüngere Generation, die vielleicht eher einen anderen Staat als die Wiedervereinigung wollte?
Wann tauchte "Wir sind ein Volk!" auf? Und wo? Im Osten skandiert, nicht in wesdeutschen Städten.
Die älteren Jahrgänge, die nicht an der DDR hingen, waren bei dem Thema Wiedervereinigung vielleicht emotionaler, so ähnlich wie Brandt und Co, die ich nicht verstand in ihrer Wiedervereinigungseuphorie.
Euphorie, Freude, dass die Diktatur drüben für Euch beendet war: Aber ja doch, aber "Ihr wart eben Ihr in Eurem nun befreiten Staat" so ein " wir" blieb vielen fremd.
Da habe ich eine andere Sicht der Dinge. Auch die große Mehrheit meiner Generation (1990 - so Anfang 20) wollte die Einheit. Vielleicht nicht unbedingt immer aus patriotischen Gründen - über die individuellen Gründe will ich jetzt nicht spekulieren, aber mindestens aus wirtschaftlichen Gründen. Es wurde die Rechnung aufgemacht, dass mit der D-Mark Investoren ins Land kämen, die die Wirtschaft wieder flott machen würden und wenn die D-Mark da ist, ist es auch ein logischer Schritt zur Einheit Deutschlands. So argumentierten übrigens auch die vielen Wahlkämpfer aus dem Westen, die hier im Osten weit geöffnete Türen einrannten.
Aber es gab auch eine hohe Zahl von Patrioten, die die Einheit 1990 wirklich euphorisch feierten.
Ruaidhri hat geschrieben:... So wie die friedliche Revolution im Wesentlichen das Werk einer engagierten Minderheit war, das von der passiven Mehrheit quasi aus der Balkon-Perspektive verfolgt wurde, so haben sich die politischen Eliten womöglich auch etwas vorgemacht über den Grad der Akzeptanz der Wiedervereinigung in allen ihren Konsequenzen im Westen sowie über den Grad der Akzeptanz der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Osten."
Und das halte ich für eine beinahe schon bösartige Unterstellung. Es haben sehr viele Leute bei den Montagsdemos und anderen demonstriert. Das war meines Erachtens keine Minderheit.
Dass eine riesengroße Mehrheit im Osten auch die deutsche Einheit wollte, sah man doch in der einzigen freien Volkskammerwahl - sie war im Grunde zugleich quasi eine Volksabstimmung darüber.
Ruaidhri hat geschrieben:Ganz subjektiv kann man sich manchmal in der Zeit zwischen dem 3.Oktober und 9. November als gebürtiger Westdeutscher als nicht real existierend fühlen, als restlos unbedeutend für diese Republik, denn Nazis gab es nur bei uns, und das bekommen wir auch gern im TV mitgeteilt,-und Helden nur in der DDR in jenen Wochen des Herbstes 1989.
Wo sind die 40 Jahre West?
Jaaa - im Westen war die Einheit der Nation von der Gründung an ein verfassungsmäßiges Staatsziel. Hätte die Mehrheit dort die Einheit irgendwann nicht mehr gewollt, hätte die Bevölkerung eben rechtzeitig auf eine Änderung der Präambel des Grundgesetzes drängen müssen. Ist nicht passiert, also bedurfte es im Westen keiner Willensbekundung der Bevölkerung. In einem anderen Pfad schriebst du ja selbst:
Ruaidhri hat geschrieben:3. Wenn "das Volk" den Arsch nicht hochbekommt und sich nicht dort und mit den zahlreichen Möglichkeiten, die es gibt, einbringt, selbst Schuld. Einbringen heißt für mich, dass nicht nur für die jeweils eigenen Interessen zu tun- und so, wie ich die Masse einschätze, ist sie zu bequem, zu egoistisch, und, mit Verlaub, auch oft zu dumm und frei von irgendeiner politischen Bildung, geschweige denn von dem Bemühen, sich Sachkenntnis zu verschaffen.
Demokratie erfordert eigenverantwortliches Engagement, nicht Bequemlichkeit und Scheu vor Aufwand.
...
Da stimme ich dir absolut zu, also muss man das in realpolitischer Lesart so sehen. :wink:
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Renegat hat geschrieben: Diese Frage finde ich auch interessant. Irgendwo in diesem Forum hatte ich vor kurzem das Schul- und Kinderbetreuungssystem angesprochen.
In den 90ern hatte ich bei Azubi-Vorstellungsgesprächen die Gelegenheit, ein paar Jugendliche im direkten Vergleich zu beobachten. Wir fanden damals, die Bewerber aus dem Osten bodenständiger, bescheidener und irgendwie passender für die Arbeitswelt. Manche jungen Männer aus dem Westen fuhren mit Papas Auto zum Vorstellungsgespräch, sie traten diffus als verwöhnte Erben auf, teilweise wurden sie eingestellt, weil Papa oder Mama jemanden kannte.

Andere Errungenschaften der Arbeiterklasse würden mich interessieren.
Wobei man bedenken muß, dass die Arbeitswelt der 80er und frühen 90er auch im Westen noch eine ganz andere war. Damals waren fast alle Arbeitsverhältnisse unbefristet, auch nicht besonders leistungsstarke Arbeitnehmer behielten ihren Arbeitsplatz. Man zog sie irgendwie mit durch.
Das sehe ich genauso und gebe dir dazu volle Zustimmung. Ich möchte aber klarstellen, dass ich die Errungenschaften der Arbeiterklasse nicht die Erungenschaften der Partei sehe. Diese Leute haben ihre Menschen eingesperrt, bevormundet und waren auch voreingenommen und beratungsressistent. Deshalb sehe ich immer ein Diskrepanz, wenn ich von Erungenschaften der Arbeiterklasse spreche.
Die Arbeitskollektive möchte ich hier nicht aufführen, die gibt es im Westen auch und auch mit klaren Zielvorgaben. Auch Kamerdschaft und kollektivmässige Zusammenarbeit in einzelnen Konzernbereichen gibt es.
Ich sehe vielleicht als Erungenschaft der Arbeiterklasse, dass vieles nicht in Privathand war. Wenn ich auf den Sportplatz ging, um zu tranieren, brauchte ich mich nicht vertreiben lassen, wenn ich kein Mitgliedsbeitrag bezahlt habe. Dafür gab es sogennante Volkssportgarten. Hier konnte man noch wahrlichst von sogenannten Strassenfussballern im wortwahrlichsten Sinne sprechen
Einmal wollte mich ein Beaufsichtigter, der in der Partei war, mich als Kind und andere Kinder damals vom Sportplatz vertreiben, weil ich dort mit anderen Kindern Fussball spielte und ihm das nicht passte. Daraufhn habe ich ihm entgegnet, dass es Volkseigentum ist und er darüber nicht zu entscheiden hätte. Es wäre auch nicht vorstellbar gewesen, dass mir Jemand das Pilze sammeln im Wald verbietet, weil er der Waldbesitzer sei.
Dann gab es in der DDR eine ausgeprägte Theaterszene. Die mit der Wiedervereinigung regelrecht zusammenbrach und sich später auch nicht mehr erholte. Aber das ist wahrscheinlich auch schon der Zahn der Zeit, der an der Theaterszene nagte.
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