Anarchie für eine Nacht-Die Chronik des 9. November

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Moderator: Barbarossa

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dieter
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9.00 Uhr
Im Innenministerium beraten in der Pass- und Meldeabteilung vier Männer über ihren Auftrag des Ministers Dickel: Sie sollen eine Beschlussvorlage formulieren, wonach DDR-Bürger Anträge zur direkten Ausreise in die Bundesrepublik stellen können.
12.00 Uhr
Die vier Experten beschließen, dass ein neues Reisegesetz die Möglichkeit zur Rückkehr in die DDR beinhaltend muss. Abweichend von ihrem Auftrag schreiben sie den Entwurf, dass auch Besuchsreisen ins Ausland "ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden" können. Je ein Exemplar des Papiers geht per Kurier ins Zentralkomitee, eines zum Sitz des Ministerrats.
16.00 Uhr
Auf der Sitzung des Zentralkomitees unterrichtet Parteichef Krenz die ZK-Mitglieder vom
"Beschluss zur Veränderung der Situation der ständigen Ausreise von DDR-Bürgern nach der BRD über die CSSR".Dass der Entwurf auch den Passus der "Privatreisen" enthält, sagt er nicht.
Quelle: Der Spiegel
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dieter
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17.45 Uhr
Krenz steckt den für die Medien zuständigen Schabobski sein Exemplar des Beschlusses zu. Schabowski war bei der ZK-Beratung des Reisegesetzes nicht anwesend, soll es aber am selben Abend auf der Pressekonferenz verkünden.Damit misachtet Krenz, was auf der zweiten Seite des Beschlusses steht: dass er erst am 10.11. bekannt gemacht werden soll, damit alle Dienststellen vorab informiert werden können.
18.53 Uhr

Am Ende der internationalen Pressekonferenz fragt ein Journalist nach dem Stand des angekündigten neuen Reisegesetzes. Schabowski erklärt, "dass man aus dem Entwurf des Reisegetzes den Passus in Kraft treten lässt, der die ständige Ausreise regelt, also das Verlassen der Republik". Auch der Absatz über die Privatreisen liest er vor; und auf Nachfrage, dass dies "unverzüglich"in Kraft trete. Die zweite Seite mit dem Hinweis auf den 10. November findet er nicht.
Quelle: Der Spiegel
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dieter
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19.30 Uhr
Im DDR-Fernsehen vermeldet die "Aktuelle Kamera", Privarreisen könnten, "nach dem Ausland ohne besondere Anlässe beantragt werden".
20.00 Uhr
Die "Tagesschau" der ARD beginnt mit der Schlagzeile "DDR öffnet Grenze".
20.30 Uhr
Schon kurz nach Schabowskis Pressekonferenz waren am Grenzübergang Bornholmer Straße die ersten Neugierigen aufgetaucht; nun stehen Hunderte vor dem Schlagbaum.
21.50 Uhr
Die Stasi beschließt, die besonders aggressiv drängenden Bürger an der Bornhplmer Straße in den Westen zu lassen - nachdem sie einen Stempel auf oder neben ihr Foto erhalten haben. Er soll die illegale Ausreise dokumentieren - und damit eine Wiedereinreise unmöglich machen.
Quelle: Der Spiegel
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dieter
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22.42 Uhr
Die "Tagethemen" der ARD berichten: " Der Reiseverkehr in richtung Westen ist frei. Die Tore in der Mauer stehen weit offen." Eine grobe Übertreibung.
23.10 Uhr
Die ersten DDR-Bürger kommen an der Bornholmer Straße von ihrem Westbesuch zurück.Jenen mit gestempelten Pässen wird die Rückkehr kurzzeitig verweigert. Auf Drängen dürfen sie doch dann wieder alle nach Hause.
23.30 Uhr
An der Bornholmer Straße dtehen inzwischen rund 20.000 Menschen und brüllen : "Tor auf, Tor auf :!: " Der dienshabende Stasi-Mann befiehlt: "Macht den Schlagbaum auf!"
23.40 Uhr
Der zuständige Stasi-Oberst weist auch die der anderen Grenzübergänge an, die Grenzen zu öffnen.
Quelle: Der Spiegel
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