Flucht vor Diktatur: Darf man Menschen töten?

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Moderator: Barbarossa

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Triton
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Stephan hat geschrieben:Klingt irgendwie unvollendet. Man hält also sein Gegenüber in Schach. Und dann? Warten bis zur Ablösung oder der Öffnung der Mauer?
In der Praxis?
Man sagt dem anderen direkt, dass man rübermacht und ihn abknallt, wenn er was macht. Der dreht sich dann um und sieht Dich mit Waffe auf ihn gerichtet. Was will er da machen? Er wird die Waffe runternehmen müssen, man nimmt das Magazin raus und gut ist.
Dann läuft man, bis die Entfernung groß genug zum Umdrehen ist und der andere kann dann nur Alarm schlagen. So hat man mehr Zeit als wenn man einfach losballert und so wahrscheinlich meilenweit jeden Grenzer sofort alarmiert.

Wenn Du militärische Erfahrung hast, weißt Du ja, dass man in der Nacht wesentlich besser hört. Depperter als rumballern kann man sich nicht anstellen.

Ich vermute, alle 3 Fluchten waren kopflose Spontanentschlüsse.
"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
Lia

Aneri hat geschrieben:Genau! Es tut mir leid, aber wenn ich auch mit der Lupe die Notwehr in der Karlheinz geschriebenen Beispielen suchen würde, würde ich nichts finden. Wenn du es findest, zeigt nur wie weit außeinander wir sind. Leider...
Wenn Du richtig gelesen hättest, wäre Dir aufgefallen, dass ich zwischen den Fällen an der Mauer und anderen, auf privater Ebene mehrfach unterschied.
Allerdings wandte ich mich gegen generalisierende Postulate, ein Töten in echter Notwehr gleich mit verurteilen.
Ebenso schrieb ich mehrfach und ausdrücklich, dass mir- selbst eine Extrem-Stuation zugrundelegend, das Vorgehen der Flüchtlinge nicht mit der Angemessenheit, die der Notwehrparagraf verlangt, vereinbar war und daher die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung in diesen Fällen gerechtfertigt war.
Aneri hat geschrieben:Aber direkte Bedrohung für eigenes Leben muss schon vorhanden sein, oder? War es aber nicht.
Im Prinzip und objektiv nicht, mag man sagen, muss man in den zitierten Fällen sagen.
Was jemand, der in einer Bedrohungssituation steht, subjektiv als Bedrohung für das eigene Leben erkennt, ist eine andere Sache. Und genau das bringt nicht nur bei Grenz-Fällen bei Gericht große Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Angemessenheit im Falle der Notwehr mit sich.
Stephan
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Triton hat geschrieben:...
Man sagt dem anderen direkt, dass man rübermacht und ihn abknallt, wenn er was macht. Der dreht sich dann um und sieht Dich mit Waffe auf ihn gerichtet. Was will er da machen? Er wird die Waffe runternehmen müssen, man nimmt das Magazin raus und gut ist.
Oder er hält es für einen dummen Scherz "Mach keinen Quatsch" und schon bis Du mitten im Fall Steinhauer.
http://www.chronik-der-mauer.de/index.p ... 913/page/0
Triton hat geschrieben: Dann läuft man, bis die Entfernung groß genug zum Umdrehen ist und der andere kann dann nur Alarm schlagen. So hat man mehr Zeit als wenn man einfach losballert und so wahrscheinlich meilenweit jeden Grenzer sofort alarmiert.

Wenn Du militärische Erfahrung hast, weißt Du ja, dass man in der Nacht wesentlich besser hört. Depperter als rumballern kann man sich nicht anstellen.
Als Bunge flüchtete war es kurz nach 16:00 Uhr - das ist nicht in der Nacht! Und entgegen der spekulativen Beweisführung gelang seine Flucht. Es wäre schön wenn mal die grundlegenden Fakten zur Kenntnis genommen würden, statt immer nur zu spekulieren:
Triton hat geschrieben:Ich vermute, alle 3 Fluchten waren kopflose Spontanentschlüsse.
Klar, so wie man mal eben einen Hamburger isst - nur dass man mit seinem bisherigen Leben abschließt. Eltern, Verwandte und Freunde möglicherweise nie wiedersieht und möglicherweise als Leiche endet. Dazu kommt die Notwendigkeit einer Aufklärung der örtlichen Gegebenheiten - Lage von Minen / Selbstschussanlagen, Standort von Wachtürmen, Hindernissen etc. etc. Also eher unwahrscheinlich.
Freundliche Grüsse
Stephan
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Triton
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Die exakten Vorgänge kennen doch nicht einmal Gerichte, hast Du doch selbst geschrieben. Also spekulieren alle hier.
Der Link klingt mir sehr nach einer Rechtfertigung Bunges, alles unbewiesen, der andere habe zuerst die Waffe gezogen und er habe sogar noch Warnschüsse abgegeben. Warum hat Steinhauer dann nicht auch geschossen? Findest Du das wahrscheinlich?

Wie kommt eine Kugel in den Rücken des Opfers? Das ist doch das Rätselhafte!

Der Entschluß "Rüberzumachen" war eventuell vorhanden, aber die Durchführung, anhand der chaotischen Ausführung, spontan. Auch hier weiß nur Bunge die Wahrheit, anhand der chaotischen Ausführung ist eine Spontantat wahrscheinlicher.

Also ich wäre nicht tagsüber geflohen, wegen der Wachen auf den Türmen. Aber es stimmt natürlich, hier wird Bunge besser Bescheid gewusst haben.
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Spartaner
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Ich kenne da eine guten Spruch : "Vor Gericht darf man lügen, solange man einem nicht das Gegenteil beweisst" .
Man sollte sich einmal die Zeit nehmen, sich über Leben und Tod Gedanken zu machen. Auch wenn man Jemanden anderen das Leben nimmt, zum eigenen Vorteil - sprich in dem Falle ein paar Jahre mehr Freiheit, muss man sich vor dem eigenen Gewissen verantworten und man wird irgendwann feststellen "Das letzte Hemd wird keine Knöpfe haben"
Wendenkönig
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Ich zitiere mal:
Er war NVA Soldat, desertierte aus seinem Panzerregiment und versuchte, am 19. Dezember 1975 aus der DDR zu fliehen. Dabei brach er in eine Kaserne ein, um sich Waffen und ein Fahrzeug zu besorgen. Hier stieß er mit den beiden Soldaten Jürgen Lange und Klaus Peter Seidel zusammen. Die waren offensichtlich überrascht, ihre Waffen waren entsichert. Weinhold erschoss die beiden und überquerte die Grenze.

Werner Weinhold kannte ich persönlich. Bei einer Waffenkontrolle sass er bei mir am Tisch und fungierte als Schreiber.
Ich diente zur gleichen Zeit wie er, in der Nachbareinheit. Er im PR-14, ich im IB-7. Beide Einheiten waren in Spremberg stationiert. Weinhold hatte tatsächlich Vorstrafen und sollte wieder inhaftiert werden. Diese Nachricht erreichte die Einheit und ihn selbst, da er zur damaligen Zeit Kompanieschreiber war. Trotzdem, dass es auch der unmittelbare Vorgesetzte wusste, wurde er mit 60 Schuss Munition auf Wache geschickt. Postenbereich? Der Munitionspark. Dort stahl er vonm Kompanieeigenen Munitionsfahrzeug 300 Schuss Munition (also einen kompletten Kampsatz) und desertierte. Im benachbarten Garagenkomplex brach er drei Garagen auf und stahl einen, dort vorgefundenen, vollgetankten Wartburg und machte sich auf in Richtung Westgrenze. Ich glaube mich zu erinnern, dass er in der Nähe des damaligen Karl- Marx- Stadt in kleines, einseitiges Feuergeplänkel mit einer dortigen Polizeisperre hatte. Später fand man den Wagen verlassen auf und ein gefülltes Magazin, welches er verloren hatte. Jetzt dachte man, fataler Weise, er würde kaum noch Munition besitzen und ging entsprechend sorglos mit der Sache um. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand vom weiteren Munitionsdiebstahl vom Munitionsfahrzeug. Die beiden Grenzposten hat er skrupellos erschossen. Einer der Posten konnte seine Mpi noch von der Schulter nehmen, der zweite nicht.
Sein damaliger Hauptfeldwebel, der den Weinhold mit zur Wache eingeteilt hatte und im Nachhinein das verschwinden des Kampsatzes NICHT feststellte, wurde degradiert und arbeitete als Strafversetzter bei mir in der Waffenwerkstatt. Daher kenne ich diese Einzelheiten. Nicht aus zweiter Hand!

Also nix in Kaserne eingebrochen um zu stehlen, er war schon drinn und das Auto klaute er aus der zivilen Nachbarschaft. Weinhold war einfach nur ein Fahnenflüchtiger Verbrecher, welcher auch noch zum Mörder wurde.
Zu diesem Fakt gibt es kein wenn und aber.
Sorben sind wir nicht, Wenden dürfen wir nicht sein also sind wir Deutsche (wendisches/ slavisches Sprichwort)
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Titus Feuerfuchs
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Spartaner hat geschrieben:Ich kenne da eine guten Spruch : "Vor Gericht darf man lügen, solange man einem nicht das Gegenteil beweisst" .
Man sollte sich einmal die Zeit nehmen, sich über Leben und Tod Gedanken zu machen. Auch wenn man Jemanden anderen das Leben nimmt, zum eigenen Vorteil - sprich in dem Falle ein paar Jahre mehr Freiheit, muss man sich vor dem eigenen Gewissen verantworten und man wird irgendwann feststellen "Das letzte Hemd wird keine Knöpfe haben"

In Wien sagt man: "Das letzte Hemd hat keine Taschen", was imho schlüssiger ist... :think:
MfG,
Titus Feuerfuchs
Aneri

Marek1964 hat geschrieben: Und ja, im Gegensatz zu Spartaner (Mord ist Mord) sage ich: Freiheitskampf ist Freiheitskampf. Wer auf der falschen Seite steht, steht halt auf der falschen Seite. Wie die Soldaten der Wehrmacht.
Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass beide Seiten in amerikanischen Bürgerkrieg auf die Fahne "Freiheit" geschrieben haben. Eine Seite für Freiheit der Sklaven, andere - für Sklavenhalter. Also ist es kein eindeutiges Begriff, der hat viele Interpretationsmöglichkeiten.

Selbst die beste, die fortschrittlichste Idee wird gefährlich, wenn sie zum Absoluten erhoben wird. Das lernt uns die Geschichte. Und wenn man auf die Seite SOLCHER Freiheit-Verständnis steht, dass er einem erlaubt anderen Leben auszulöschen, dann bin ich mit Entschiedenheit dagegen und würde auch dagegen kämpfen. Es RADIKALISIERT mich, die stets auf Verständnis und Toleranz Akzent setzt. Da für mich das Höchste ist das Leben. Nur die Gefahr für eigenes Lebens, ein Notwehr kann die Tötung entschuldigen. Es ist für mich das Absolutum. Vielleicht einzelne Absolutum, das ohne Tötungen ausgeht...
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Orianne
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Aneri hat geschrieben: Vor ein paar Tagen habe ich gelesen, dass beide Seiten in amerikanischen Bürgerkrieg auf die Fahne "Freiheit" geschrieben haben. Eine Seite für Freiheit der Sklaven, andere - für Sklavenhalter. Also ist es kein eindeutiges Begriff, der hat viele Interpretationsmöglichkeiten.
Es wurden auch Kanonen auf beiden Seiten (Nord und Süd) von Geistlichen aller Couleur gesegnet, damit habe ich echt Mühe, denn man sollte Gott nicht in Kriege mit einbeziehen. Jede Seite dachte, sie kämpfe für die richtige Sache, aber ich glaube, Gott entscheidet das immer noch ohne Priester.
Grant stood by me when I was crazy, and I stood by him when he was drunk, and now we stand by each other.

General William Tecumseh Sherman
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Triton
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So sah das Koppelschloß (Gürtelschnalle) der Soldaten aus, die 1941 in die Sowjetunion einfielen:

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"Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, in dem man sie ignoriert." (Aldous Huxley)
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dieter
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Lieber Joerg,
das ist alles nur ein Skandal auch gegenüber Gott. :roll: :roll:
Was Du nicht willst, dass man Dir tu, das füg auch keinem Andern zu.
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